TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/25 W201 2182669-1

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Veröffentlicht am 25.10.2018
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Entscheidungsdatum

25.10.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W201 2182669-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela Schidlof als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr sowie den fachkundigen Laienrichter Franz Groschan als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom XXXX, OB: XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Einlangend am 12.10.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Medizinische Unterlagen legte sie ihrem Antrag bei.

2. Am 20.11.2017 erfolgte die Untersuchung der Beschwerdeführerin durch eine Fachärztin für Orthopädie. Das Sachverständigengutachten enthält auszugsweise:

"Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen. Geringgradige Unterkieferrücklage.

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden, geringgradige Überstreckbarkeit im

Bereich der Langfingergrundgelenke, im Bereich der Ellbogengelenke keine Überstreckbarkeit. Geringgradige Instabilität im Bereich der Handgelenke.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich, kein Stauchungsschmerz im Bereich der Hüftgelenke auslösbar

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60 0 bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte

Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Kein Hartspann. Druckschmerzen im Bereich der unteren LWS und im Bereich der ISG, Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 20 cm, Rotation und Seitneigen frei

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen, das Gangbild hinkfrei und unauffällig. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus:

Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Position

GdB %

1

Degenerative Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule, Fusion beider Iliosakralgelenke Oberer Rahmensatz, da geringgradige Einschränkung der Beweglichkeit in der Sagittalebene.

02.01.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 20 v.H.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Unterkieferrücklage, Bruxismus, Kiefergelenksbeschwerden muskulär ohne relevante funktionelle Einschränkung erreichen nicht das Ausmaß eines behinderungsrelevanten Leidens.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: kein Vorgutachten.

X Dauerzustand

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten

Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine, da die anerkannte Gesundheitsschädigung keine erhebliche und dauerhafte Einschränkung der Mobilität zur Folge hat.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Nein"

3. Mit Bescheid vom XXXX wies das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien (in weiterer Folge: belangte Behörde) den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Begründet wurde die Abweisung mit dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchung, die einen Grad der Behinderung von 20% ergeben hat.

4. Gegen den Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht einlangend am 05.01.2018 Beschwerde. Begründend führte sie aus, aufgrund der ISG-Versteifungsoperation und der darauffolgenden chronischen Beschwerden sei der Grad der Behinderung zu niedrig. Ihre genetisch bedingte extreme Instabilität sowie ihre Streckfehlhaltung und die Retrolisthese fühtren zu Beschwerden in der gesamten Wirbelsäule.

Am 28.12.2017 sei eine Nukleoplastie vorgenommen worden. Es bestünden massive Schmerzen aufgrund der Tangierung der jeweiligen Nervenwurzel.

5. Mit Schreiben vom 12.01.2018 übermittelte die belangte Behörde den Beschwerdeakt an das Bundesverwaltungsgericht.

6. Mit Schreiben vom 09.02.2018 ersuchte das BVwG die Fachärztin für Orthopädie um Ergänzung ihres Gutachtens unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens. Das Schreiben lautet auszugsweise:

"1.) Die Beschwerdeführerin bringt in der Beschwerde vor, sie habe aufgrund ihrer genetisch bedingten Instabilität vermehrt mit Beschwerden in der gesamten Wirbelsäule zu kämpfen. Überdies sei bei ihr am 28.12.2017 eine Nukleoplastik im Segment L4-L5mL5-S1 durchgeführt worden und sie leide unter massiven Schmerzen wegen Tangierung der jeweiligen Nervenwurzeln. Bedingt das Beschwerdevorbringen (Abl.33) eine abweichende Beurteilung der bisherigen Einschätzung?

Bitte um ausführliche Stellungnahme zu den Einwendungen der BF.

2.) Begründung einer eventuell vom bisherigen Ergebnis abweichenden Beurteilung (Abl. 19-22)."

7. Am 27.03.2018 langte eine Ergänzung des SV-Gutachtens ein. Die Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie führte folgendes aus:

"ad 1) Bedingt das Beschwerdevorbringen Abl. 33 eine abweichende Beurteilung der bisherigen Einschätzung?

Nein.

Bei der klinischen Untersuchung im Rahmen der Begutachtung vom 20. 11. 2017 konnte kein Hinweis auf maßgebliche Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule festgestellt werden. Weder konnte eine höhergradige Schmerzhaftigkeit der ISG durch Provokationstests (Stauchung der Hüftgelenke) ausgelöst werden noch konnten maßgebliche Verspannungen als Hinweis für Beschwerden festgestellt werden. Eine Instabilität, welche zu maßgeblichen Beschwerden und Funktionseinschränkungen führt, konnte nicht festgestellt werden und ist auch nicht durch entsprechende Befunde belegt.

Der Zustand nach Fusion beider Iliosakralgelenke wird in der Einstufung in korrekter Höhe unter Beachtung der geringgradigen Einschränkung der Beweglichkeit in der Sagittalebene erfasst. Insbesondere wird auf das hinkfreie und unauffällige Gangbild verwiesen.

Aktuelle Befunde werden nicht vorgelegt. Die im Beschwerdevorbringen angegebene

Nukleoplastie 1.4/1.5 und L5/S1 ist nicht durch entsprechende Befunde belegt, insbesondere liegen keine Befunde über maßgebliche Funktionseinschränkungen, vor allem ein etwaiges neurologisches Defizit, vor.

Eine Änderung der bisher getroffenen Beurteilung ist daher aufgrund der Aktenlage nicht möglich."

ad 2) Begründung einer eventuell vom bisherigen Ergebnis abweichenden Beurteilung

(Abl. 19-22)

Keine abweichende Beurteilung.

8. Am 04.04.2018 wurde die Beschwerdeführerin über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und es wurde ihr die Möglichkeit eingeräumt, binnen 2 Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

9. Die Beschwerdeführerin übermittelte am 24.04.2018 eine Stellungnahme. Die Instabilität betreffe den ganzen Körper. Die gezielten Handgriffe, um dies festzustellen, seien von der Fachärztin bei der Untersuchung nicht angewendet worden. Zudem übersende sie einen Befund der Nukleoplastie.

10. Mit Schreiben vom 03.05.2018 ersuchte das BVwG die Fachärztin um neuerliche Stellungnahme zum Vorbringen und zu den neu übermittelten Befunden.

11. Am 18.07.2018 langte das weitere Ergänzungsgutachten der Fachärztin ein. Dieses lautet auszugsweise:

"ad 1) Vorgebracht wird im Rahmen des Parteiengehörs, dass die BF an einer ausgeprägten Schmerzsymptomatik und daraus resultierenden massiven

Verspannungen leide, weitere Befunde werden vorgelegt. Bedingen die Stellungnahme im Zusammenhang mit den neu vorgelegten Befunden eine abweichende Beurteilung der bisherigen Einschätzung?

Ersucht wird um ausführliche Stellungnahme zu Vorbringen der BF.

Nein, die Stellungnahme im Zusammenhang mit den neu vorgelegten Befunden bedingt keine abweichende Beurteilung der bisherigen Einschätzung.

Maßgeblich für die Einschätzung behinderungsrelevanter Leiden sind die bei der klinischen Untersuchung feststellbaren Funktionseinschränkungen.

Dabei konnten keine relevanten Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule festgestellt werden. Weder konnte eine höhergradige Schmerzhaftigkeit der ISG durch Provokationstests ausgelöst werden noch konnten maßgebliche Verspannungen als Hinweis für Beschwerden festgestellt werden. Eine Instabilität, welche zu maßgeblichen Beschwerden und Funktionseinschränkungen führt, konnte nicht festgestellt werden.

Der Zustand nach Fusion beider Iliosakralgelenke wird in der Einstufung in korrekter Höhe unter Beachtung der geringgradigen Einschränkung der Beweglichkeit in der Sagittalebene erfasst. Insbesondere wird auf das hinkfreie und unauffällige Gangbild verwiesen.

Eine massive Instabilität des gesamten Körpers konnte jedenfalls nicht festgestellt werden. Ein Hypermobilitäts-Syndrom per se stellt kein behinderungsrelevantes Leiden dar, maßgeblich für die Einschätzung behinderungsrelevanter Gesundheitseinschränkungen sind objektivierbare Funktionsdefizite.

Die rezidivierenden Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule sind gemeinsam mit der geringgradigen Einschränkung der Beweglichkeit in der Sagittalebene in der Höhe der getroffenen Einschätzung berücksichtigt.

Eine Kiefergelenksarthrose liegt nicht in einem Ausmaß vor, welches zu einer funktionellen Einschränkung führte, eine Einschränkung der Mundöffnung konnte bei der Begutachtung nicht festgestellt werden.

Die vorgebrachten vorgelegten Befunde bestätigen die rezidivierenden Beschwerden und Behandlungen, unter Beachtung des Untersuchungsergebnisses, insbesondere des unauffälligen Gangbilds und ohne Hinweis für massive Verspannungen wird jedoch an der getroffenen Beurteilung festgehalten.

ad 2) Begründung einer eventuell vom bisherigen Ergebnis abweichenden Beurteilung

(Abl. 19-22)

Keine abweichende Beurteilung."

12. Am 19.07.2018 wurde die Beschwerdeführer über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und es wurde ihr wiederum die Möglichkeit eingeräumt, binnen 2 Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Die Beschwerdeführerin hat keine Stellungnahme abgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz in Österreich. Sie stellte einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.2. Aufgrund der vorliegenden Sachverständigengutachten ergibt sich ein Grad der Behinderung von 20%. Die Beschwerdeführerin leidet an degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule sowie einer Fusion beider Iliopsakralgelenke. Die Unterkieferrücklage, Bruxismus sowie die Kiefergelenksbeschwerden erreichen nicht das Ausmaß eines behindertenrelevanten Leidens.

1.3. Die Beschwerdeführerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem darin enthaltenen fachärztlichen Gutachten.

Das eingeholte Sachverständigengutachten sowie die beiden ergänzenden SV-Gutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Im Zuge der persönlichen Untersuchung und im fortgesetzten Verfahren wurden sämtliche Befunde in die Bewertung des Grades der Behinderung mit einbezogen. Das Sachverständigengutachten samt Ergänzungen wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Die Sachverständige wies zum Beschwerdevorbringen darauf hin, dass bei der klinischen Untersuchung keine relevanten Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule festgestellt werden konnten. Ebenso konnte eine höhergradige Schmerzhaftigkeit durch Provokationstest nicht ausgelöst werden und auch keine maßgeblichen Verspannungen als Hinweis für Beschwerden diagnostiziert werden. Eine massive Instabilität des gesamten Körpers konnte insgesamt nicht festgestellt werden. Das Hypermobilitätssyndrom per se stellt kein behindertenrelevantes Leiden dar. Maßgeblich für die Einschätzung von Gesundheitseinschränkungen sind vielmehr die objektivierbaren Funktionsdefizite.

Die von der Beschwerdeführerin im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Befunde bestätigen die vorliegende Einschätzung. Diese Befunde belegen die rezidivierenden Beschwerden und Behandlungen. Wie aus dem Gutachten unter zu Grunde Legung der Befunde ersichtlich, liegt ein unauffälliges Gangbild vor und es gibt keine Hinweise auf massive Verspannungen.

Die Beschwerdeführerin ist dem Ergebnis des zweiten ergänzenden Sachverständigengutachtens nicht in Form einer Stellungnahme entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063; VwGH vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005).

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Auf den Fall bezogen:

Die Beschwerdeführerin hat eine Beschwerde gegen den Bescheid eingebracht, der den Grad der Behinderung mit 20% feststellt.

Im fortgesetzten Verfahren wurden daher zwei ergänzende Sachverständigengutachten zu den Beschwerdevorbringen und den neu vorgelegten Befunden eingeholt. Wie schon oben unter 2. ausgeführt, konnte eine massive Instabilität des gesamten Körpers insgesamt nicht festgestellt werden. Auch eine höhergradige Schmerzhaftigkeit war durch Provokationstest nicht auszulösen und es wurden auch keine maßgeblichen Verspannungen als Hinweis für Beschwerden diagnostiziert. Das Beschwerdevorbringen und die nachgereichten Befunde waren nicht geeignet, eine Änderung der Einschätzung zu bewirken.

Die Beschwerdeführerin hat zum zweiten ergänzenden Sachverständigengutachten keine Stellungnahme abgegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Falls sich der Leidenszustand der Beschwerdeführerin maßgebend verschlechtert, ist es zulässig, abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen und kommt eine neuerliche Feststellung des Grades der Behinderung in Betracht (vgl. dazu etwa VwGH 20.11.2012, 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall sind maßgebend für die Entscheidung die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen und der daraus resultierende Gesamtgrad der Behinderung. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Im Übrigen wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren nicht beantragt.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (vgl. VwGH vom 24.04.2014, Zl. Ra 2014/01/0010; VwGH vom 24.03.2014, Zl. Ro 2014/01/0011) zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W201.2182669.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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