TE Vfgh Erkenntnis 1997/6/10 B2277/95, B396/96, B870/96

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Veröffentlicht am 10.06.1997
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung des Tir RaumOG 1994, insoweit ihm nicht durch die Tir RaumOG-Nov 1996, LGBl 4, derogiert wurde, und der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Tir RaumOG 1994, insoweit ihm durch die Tir RaumOG-Nov 1996 derogiert wurde, mit E v 28.11.96, G195/96 ua.

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit jeweils S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Tiroler Landesregierung wurde gemäß §16 Abs2 des Gesetzes vom 6. Juli 1993 über die Raumordnung in Tirol (Tiroler Raumordnungsgesetz 1994), LGBl. für Tirol 81/1993 (im folgenden: TROG 1994), jeweils festgestellt, daß ein bestimmter Wohnsitz nicht (mehr) als Freizeitwohnsitz verwendet werden dürfe.

2. In ihren gegen diese Bescheide gerichteten, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof erachten sich die beschwerdeführenden Parteien in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten bzw. wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt und begehren die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

3. Die belangte Behörde hat jeweils die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Mit amtswegigem Beschluß vom 27. Juni 1996, B1952/95, sowie über Anträge des Verwaltungsgerichtshofes und des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol leitete der Verfassungsgerichtshof nach Art140 Abs1 B-VG das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einiger Bestimmungen des TROG 1994 in der Fassung der Kundmachungen LGBl. für Tirol 6/1995 und 68/1995 ein. Mit Erkenntnis vom 28. November 1996, G195/96 ua., hat er ausgesprochen, daß das TROG 1994 insoweit als verfassungswidrig aufgehoben wird, als ihm nicht durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. für Tirol 4/1996, derogiert wurde, und insoweit verfassungswidrig war, als ihm durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. für Tirol 4/1996, derogiert wurde.

III. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG

wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986, 11711/1988).

2. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G195/96 ua. begann am 28. November 1996. Die vorliegenden Beschwerden sind bereits zuvor beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, waren also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig.

Nach dem Gesagten sind die Fälle daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.

3. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung der angefochtenen Bescheide das als verfassungswidrig befundene TROG 1994 an. Es ist nach Lage der Fälle nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war.

Es ist daher auszusprechen, daß die beschwerdeführenden Parteien durch die bekämpften Bescheide wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt wurden, sowie daß die Bescheide aufgehoben werden (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985, VfGH 14.6.1994, B376/94, 27.11.1995, B314/95).

IV. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten Umsatzsteuer von je S 3.000,- enthalten.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B2277.1995

Dokumentnummer

JFT_10029390_95B02277_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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