TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/7 W234 2151085-1

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Veröffentlicht am 07.12.2018
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Entscheidungsdatum

07.12.2018

Norm

AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1

Spruch

W234 2151079-1/15E

W234 2151085-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA Russische Föderation, vertreten durch RA XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2017, Zl. 309595309 / 160801496, zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018, iVm § 34 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018, aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA Russische Föderation, vertreten durch RA XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.03.2017, Zl. 821200109 / 160801666, zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018, iVm § 34 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018, aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführer sind ein Ehepaar, Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe.

1. Verfahren über die bisherigen Anträge auf internationalen Schutz

1.1. Die Beschwerdeführer reisten am 29.04.2003 gemeinsam mit zwei minderjährigen Kindern in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten noch am selben Tag unter anderen Verfahrensidentitäten Anträge auf die Gewährung von Asyl. Diese Anträge begründeten sie ausschließlich mit der Verfolgung des Erstbeschwerdeführers XXXX (im Folgenden BF1). Die Zweitbeschwerdeführerin XXXX (im Folgenden BF2) stellte für sich und die gemeinsamen Kinder Anträge auf Erstreckung des dem BF1 zu gewährenden Schutzstatus. Vom BF1 unabhängige Fluchtgründe behauptete die BF2 nicht.

In einer Einvernahme beim Bundesasylamt am 30.04.2003 schilderte der BF1 im Wesentlichen, dass sein jüngerer Bruder 2002 von russischen Soldaten verschleppt worden wäre und er das Land zusammen mit seiner Familie verlassen habe, damit dies nicht auch ihm widerfahre. Dokumente zum Nachweis seiner Identität könne er nicht vorlegen.

Bei seiner Einvernahme am 20.10.2004 vor dem Bundesasylamt brachte der BF1 im Wesentlichen vor, sich seit Beginn des ersten Tschetschenienkrieges im Jahr 1994 an kriegerischen Handlungen beteiligt, unter DUDAJEV gekämpft zu haben und Kommandant einer Einheit von zwölf Personen gewesen zu sein. Er habe seinen Herkunftsstaat verlassen, weil er von einer Spezialeinheit der Russischen Föderation gesucht und verfolgt würde, weil er Tschetschene und ein Anhänger von MASCHADOV sei. Der BF1 schilderte zu seiner Festnahme im Jahr 2001, dass er gefoltert worden sei und sich nach seiner Freilassung bis zur Ausreise im Wald versteckt hätte.

Mit Bescheiden des Bundesasylamts vom 21.12.2004 wurden die Asylanträge der Beschwerdeführer abgewiesen, die Zulässigkeit ihrer Abschiebung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG aF festgestellt und die Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Gegen diese Bescheide wurden fristgerecht Berufungen erhoben, die letztlich als Beschwerden an den Asylgerichtshof behandelt wurden.

Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 07.06.2010 wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdeführer in die Russische Föderation ausgewiesen. Dies begründete der Asylgerichtshof im Wesentlichen damit, dass das Fluchtvorbringen des BF1 nicht glaubhaft gemacht worden sei. Auch sonst habe keine Gefährdung der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation festgestellt werden können. Sie würden auch nicht Gefahr laufen, in ihren Rechten nach der EMRK verletzt zu werden.

Diese Erkenntnisse vom 07.06.2010 erwuchsen in Rechtskraft.

1.2. Am 06.12.2010 stellten BF1 wie BF2 neuerlich Anträge auf internationalen Schutz. Diese wurden mit Bescheiden des Bundesasylamts vom 02.02.2011 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom 17.03.2011 als unbegründet abgewiesen. Diese Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

1.3. Am 01.06.2011 stellte der BF1, am 04.09.2012 die BF2 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Diese wurden mit Bescheiden bis Bundesasylamts vom 27.10.2012 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom 22.11.2012 als unbegründet abgewiesen. Diese Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

2. Gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz:

2.1. Am 08.06.2016 stellten BF1 wie BF2 abermals Anträge auf internationalen Schutz. Hierzu wurden sie am 08.06.2016 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 07.04.2017 sowie am 20.02.2017 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die russische Sprache durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) niederschriftlich einvernommen.

2.2. Der BF1 gab zu den Gründen für den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen an, vor einer Woche seien FSB-Bedienstete in das Haus seiner Mutter in XXXX gekommen und hätten seinen Bruder XXXX mitgenommen. Obwohl dieser im Jahre 2007 im Rahmen einer Anmestie begnadigt worden sei, sei er von den FSB-Leuten zum Aufenthaltsort des BF1 verhört worden. Sie hätten verlangt, dass sich der BF1 unverzüglich stellen und nicht im Untergrund leben sollte. XXXX habe ihnen erklärt, dass der BF1 kein Terrorist wäre und in Österreich leben würde. Die FSB-Beamten hätten den BF1 beschuldigt, in die Aktionen tschetschenischer Kämpfer verwickelt gewesen zu sein. Sie hätten XXXX ferner mitgeteilt zu wissen, dass sich der BF1 in Österreich aufhalte und einen Asylantrag gestellt hätte. Auch wären sie in Kenntnis darüber, was der BF1 bei seiner Befragung erzählt hätte. Sie hätten auch eine Kopie des Interviews des BF1 aus dem Jahr 2010 bei sich gehabt. Die Beamten hätten darauf bestanden, dass XXXXauf den BF1 einwirke, damit dieser freiwillig in die Heimat zurückkehre. Der BF1 wisse, dass das sein Ende bedeuten und er beseitigt werden würde. Weitere Fluchtgründe gebe es nicht.

2.3. Die BF2 bezog sich wie bisher ausdrücklich auf die Fluchtgründe ihres Ehemannes und brachte keine eigene persönliche Verfolgung vor.

2.4. Mit den hier angefochtenen Bescheiden des Bundesamts vom 06. und 07.03.2017 - zugestellt am 13.03.2017 - wurden die Anträge der Beschwerdeführer vom 08.06.2016 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurden ihnen nicht erteilt und Rückkehrentscheidungen gegen die Beschwerdeführer erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Schließlich wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG 2005 festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

Die Zurückweisungen wegen entschiedener Sache begründete das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass die Angaben des BF1 zu seinen Problemen in der Russischen Föderation im Zuge seiner früheren Asylverfahren nicht glaubhaft gewesen seien. Der BF1 habe keinen Sachverhalt vorgebracht, welcher nach dem rechtskräftigen Abschluss seines Erstverfahrens neu entstanden wäre. Weder in der Erstbefragung noch in seiner Einvernahme hätte er neue Fluchtgründe vor- oder neue Beweismittel beigebracht, sondern lediglich auf das Vorkommnis seines Bruders mit den FSB-Beamten verwiesen. Insgesamt seien weder neue Fluchtgründe vorgebracht worden, noch hätten sich die tatsächlichen Umstände seit den Vorverfahren maßgeblich geändert. Auch seien die Rechtsvorschriften nicht maßgeblich geändert worden, sodass die Rechtskraft der ergangenen Erkenntnisse vom 03.12.2012 neuerlichen Anträgen entgegenstehen würde, weswegen das Bundesamt zur Zurückweisung verpflichtet sei. Die BF2 wiederum hätte wie schon zuvor lediglich die Fluchtgründe des BF1 ins Treffen geführt, sodass auch ihr Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei.

2.5. Gegen diese Bescheide richten sich die in einem gemeinsamen Schriftsatz eingebrachten Beschwerden, welche am 21.03.2017 per E-Mail beim Bundesamt einlangten. Darin rügen die Beschwerdeführer im Wesentlichen, dass der BF1 über seinen Bruder in Tschetschenien bedroht worden sei und es sich dabei um eine neue Bedrohung handle, über die noch nicht abgesprochen worden sei. Während des seit der letzten Sachentscheidung vergangenen Zeitraumes hätten sich die örtlichen Gegebenheiten in Tschetschenien wesentlich geändert; schon dies gebiete eine inhaltliche Behandlung der neuen Anträge auf internationalen Schutz. Auch sei der BF1 - selbst in Österreich - in jüngster Zeit durch näher genannte Angehörige der tschetschenischen Obrigkeit wiederholt bedroht worden. Hätte das Bundesamt den BF1 zu seinen Fluchtgründen detailliert befragt, wären diese als nach der letzten Sachentscheidung neu entstanden erkannt worden. Die Befragung des BF1 zu seinen neuen Fluchtgründen sei oberflächlich geblieben. Bei hinreichender Erhebung des Sachverhalts wäre offenbar geworden, dass die Anträge auf internationalen Schutz vom 08.06.2016 nicht wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, sondern in der Sache zu behandeln seien. Schließlich verfüge der BF1 nicht einmal über einen russischen Pass, weshalb sich auch die Feststellung der Zulässigkeit seiner Abschiebung in die Russische Föderation als rechtswidrig erweise. Zum Beleg stellte die Beschwerde die Vorlage eines Reisepasses anderer Nationalität binnen weniger Tage in Aussicht.

Diese Beschwerden langten am 24.03.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

2.6. Am 28.03.2017 langte eine Stellungnahme der Beschwerdeführer ein, mit welcher sie Kopien von Reisepässen mit Identitätsdaten vorlegten, welche mit ihren hier herangezogenen Verfahrensidentitäten übereinstimmen. Als ausstellender Staat dieser Pässe ist in der englischsprachigen Angabe die "Chechen Republic of Ichkeria" und als Ausstellungsdatum der 17.03.2017 vermerkt. In der Stellungnahme leiten die Beschwerdeführer aus diesen Beweismitteln ab, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation mangels Zugehörigkeit zu diesem Staat jedenfalls unzulässig wäre.

2.7. Die Beschwerdeführer haben miteinander eine Reihe von Kindern, die ebenso Staatsangehörige der Russischen Föderation sind und der tschetschenischen Volksgruppe angehören.

2.7.1. Ihre Kinder namens XXXX und XXXX reisten schon am 29.04.2003 mit ihren Eltern in das österreichische Bundesgebiet ein; für sie stellte die BF2 am 30.04.2003 Anträge auf Erstreckung des dem BF1 zu gewährenden Schutzstatus. Auch die Anträge von XXXX und XXXX wurden ausschließlich mit der Verfolgung des BF1 begründet; vom Vater unabhängige Fluchtgründe wurden nicht behauptet.

2.7.2. Das Kind von BF1 und BF2 namens XXXX wurde am XXXX in Norwegen geboren, von wo die Familie in weiterer Folge zur Durchführung des Asylverfahrens in Österreich rückübernommen wurde. Am 18.08.2004 stellte die BF2 auch für dieses Kind einen Asylantrag. Auch für dieses Kind wurden nur die Fluchtgründe der Eltern ins Treffen geführt.

2.7.3. Die (ersten) Asylanträge von XXXX, XXXX und XXXX wurden (wie jene von BF1 und BF2) mit Bescheiden des Bundesasylamts vom 21.12.2004 abgewiesen, die Zulässigkeit ihrer Abschiebung festgestellt und sie aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Auch gegen diese Bescheide wurden fristgerecht Berufungen erhoben, die in weiterer Folge als Beschwerden an den Asylgerichtshof behandelt wurden.

2.7.4. Das Kind von BF1 und BF2 namens XXXX wurde am XXXX im Bundesgebiet geboren. Der BF1 stellte für ihn am 01.10.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz. Eigene Fluchtgründe wurden für XXXX nicht behauptet, sondern auch für ihn wurde auf die Fluchtvorbringen seiner Eltern verwiesen. Mit Bescheid vom 25.10.2010 wies das Bundesasylamt seinen Antrag ab und erkannt ihm weder den Status des Asyl- noch des subsidiär Schutzberechtigten zu; unter einem wurde seine Ausweisung in die Russische Föderation ausgesprochen. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.12.2007 wurde der abweisende Bescheid vom 25.10.2007 hinsichtlich des Namens berichtigt. Gegen den berichtigten Bescheid wurde Beschwerde erhoben.

2.7.5. Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 07.06.2010 wurden die Beschwerden der Kinder (wie jene von BF1 und BF2) als unbegründet abgewiesen und sie wie ihre Eltern in die Russische Föderation ausgewiesen. Auch die Erkenntnisse betreffend die Kinder erwuchsen (wie jene ihrer Eltern) in Rechtskraft.

2.7.6. Am XXXX wurde das Kind von BF1 und BF2 namens XXXX im Bundesgebiet geboren; am 14.06.2010 stellte der BF1 für sie einen Antrag auf internationalen Schutz. Vom Vorbringen des BF1 unabhängige Fluchtgründe wurden auch für sie nicht behauptet. Mit Bescheid vom 25.06.2010 wurde ihr Antrag für den Status der Asylwie der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und sie in die Russische Föderation ausgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

2.7.7. Am 06.12.2010 wurden für sämtliche Kinder (wie für den BF1 und die BF2) neuerlich Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Die Anträge auch der Kinder (wie jene von BF1 und BF2) wurden mit Bescheiden des Bundesasylamts vom 02.02.2011 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom 17.03.2011 als unbegründet abgewiesen. Diese Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

2.7.8. Am 04.09.2012 stellten sämtliche Kinder neuerlich Anträge auf internationalen Schutz. Sämtliche Anträge wurden mit Bescheiden des Bundesasylamts vom 27.10.2012 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom 22.11.2012 als unbegründet abgewiesen. Diese Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

2.7.9. Am 08.06.2016 wurde für sämtliche Kinder (wie für BF1 und BF2) abermals Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Von den Fluchtgründen ihrer Eltern unabhängige Fluchtgründe wurden für die Kinder nicht behauptet.

Mit den Bescheiden des Bundesamts vom 07.03.2017 - zugestellt am 13.03.2017 - wurden auch die Anträge der Kinder vom 08.06.2016 (wie jene von BF1 und BF2) wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurden ihnen (wie ihren Eltern) nicht erteilt und Rückkehrentscheidungen auch gegen die Kinder erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Kinder (wie jene von BF1 und BF2) in die Russische Föderation zulässig sei. Schließlich wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG 2005 festgestellt, dass auch für die Kinder keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

2.7.10. Am 27.03.2017 langten beim Bundesamt Beschwerden für XXXX sowie für XXXX, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger, per E-Mail ein. Diese rügten im Wesentlichen, dass diesen Kindern eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen gewesen wäre, weil der Vater den Kindern gegenüber gewalttätig geworden und deswegen eine einstweilige Verfügung gemäß §§ 382b und 382e EO gegen ihn erlassen worden sei.

Für XXXX und XXXX langten keine Beschwerdeschriftsätze ein.

Gemäß § 16 Abs. 3 BFA-VG erachtete das Bundesverwaltungsgericht die zurückweisenden Bescheide des Bundesamts vom 07.03.2017 für sämtliche minderjährige Kinder von BF1 und BF2 als in Beschwerde gezogen.

2.8. Mit als "Erkenntnis" bezeichneten Beschlüssen vom 30.03.2017 gab das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerden von BF1 und BF2 "gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG iVm § 68 Abs 1 AVG" statt und behob die hier angefochtenen Bescheide; wegen des zeitlichen Ablaufes blieben die Beschwerden ihrer Kinder in der betreffenden Erledigung unberücksichtigt.

2.9. Sämtlichen Beschwerden der minderjährigen Kinder von BF1 und BF2 wurde mit als "Erkenntnis" bezeichneten Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.04.2017 "gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG iVm § 68 Abs 1 AVG" stattgegeben und die angefochtenen Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2017 aufgehoben.

Mit dieser Entscheidung wurden die Beschwerden folgender Beschwerdeführer erledigt und die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2017 betreffend folgende Adressaten behoben:XXXX (alias XXXX alias XXXX; geb. XXXX), XXXX (alias XXXX; geb. XXXX), XXXX (geb. XXXX), XXXX(geb. XXXX) und XXXX (geb. XXXX).

2.10. Mit Schriftsatz vom 12.05.2017 erhob das Bundesamt außerordentliche Revision gegen die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.03.2017, mit welcher den Beschwerden von BF1 und BF2 stattgeben und die diese betreffenden Bescheide des Bundesamts vom 07.03.2017 behoben worden waren.

Die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.04.2017 betreffend die Kinder von BF1 und BF2 wurde nicht in Revision gezogen, sodass sie in Rechtskraft erwuchsen.

2.11. Seither sind die Anträge auf internationalen Schutz der Kinder von BF1 und BF2 vom 08.06.2016 wieder unerledigt und nach wie vor beim Bundesamt zur Erledigung anhängig.

2.12. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.11.2017 wurden die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.03.2017 (betreffend nur den BF1 und die BF2) wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts behoben.

Denn die Verfahrensbestimmung gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG, auf welche das Bundesverwaltungsgericht die Behebung der angefochtenen Bescheide gestützt habe, sei im Zulassungsverfahren, nicht aber im zugelassenen Asylverfahren anwendbar. Deswegen hätte sie das Bundesverwaltungsgericht nicht heranziehen dürfen; dass das Bundesverwaltungsgericht die Behebung der angefochtenen Bescheide auf die genannte Bestimmung stützte, belaste den in Revision gezogenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Zudem hätte das Bundesverwaltungsgericht die Vorlage der "Reisepässe der Tschetschenischen Republik Itschkerien" nicht für die Beurteilung berücksichtigen dürfen, ob die Anträge von BF1 und BF2 auf internationalen Schutz vom 08.06.2016 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen waren. Denn diese Beweismittel seien erst mit der Beschwerde und nicht schon vor dem Bundesamt vorgelegt worden.

Infolge dieser Aufhebung der Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.03.2017 sind die Beschwerden von BF1 und BF2 gegen die an sie adressierten Bescheide des Bundesamts vom 07.03.2017 wieder unerledigt.

2.12. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.12.2017 wurde den Beschwerden von BF1 und BF2 gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die in der Beschwerde beantragte aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

Der BF1 und die BF2 sind Eheleute und Staatsangehörige der Russischen Föderation.

Der Verfahrensgang betreffend BF1, BF2 und deren Kinder wird festgestellt, wie er unter Punkt I. wiedergegeben ist. Insbesondere wird festgestellt, dass zum Entscheidungszeitpunkt die Beschwerden von BF1 und BF2 gegen die hier angefochtenen Bescheide beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sind. Insbesondere wird ferner festgestellt, dass zum Entscheidungszeitpunkt die Anträge auf internationalen Schutz vom 08.06.2016 des XXXX (alias XXXX alias XXXX; geb. XXXX), der XXXX (alias XXXX; geb. XXXX), des XXXX (geb.XXXX), des XXXX(geb. XXXX) und der XXXX (geb. XXXX) beim Bundesamt zur Erledigung anhängig sind; bei den Genannten handelt es sich um die Kinder von BF1 und BF2, welche wie diese die Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation aufweisen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zum Verfahrensgang gehen unzweifelhaft aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten der Verfahren von BF1 und BF 2 sowie aus den Gerichtsakten betreffend deren Kinder hervor. Auch die Feststellungen zu den Geburtsdaten der Kinder, deren Staatsangehörigkeit und Verwandtschaftsverhältnis zu BF1 und BF2 geht aus den genannten Verwaltungs- und Gerichtsakten hervor. Dass die Anträge auf internationalen Schutz vom 08.06.2016 auf internationalen Schutz der Kinder von BF1 und BF2 nach wie vor beim Bundesamt zur Erledigung anhängig sind, geht aus Auszügen aus dem Zentralen Fremdenregister vom 06.12.2018, in welchem keine (erneute) Erledigung dieser Anträge der Kinder vermerkt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Bei einer Aufhebung eines Bescheids gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung in Form eines Erkenntnisses (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 17; vgl. auch VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162), die von einer Erledigung in Beschlussform nach § 28 Abs. 3 2. Satz und Abs. 4 VwGVG zu unterscheiden ist.

3.2. § 34 AsylG 2005 lautet:

"Familienverfahren im Inland

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

3.2.1. Nach den erläuternden Bemerkungen zu § 34 AsylG 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP, 54) sind die Asylverfahren einer Familie "unter einem" zu führen, wobei jeder Antrag auf internationalen Schutz gesondert zu prüfen ist. Jener Schutzumfang, der das stärkste Recht gewährt, ist auf alle Familienmitglieder anzuwenden. Das gemeinsame Führen der Verfahren hat den Vorteil, dass möglichst zeitgleich über die Berechtigungen, die Österreich einer Familie gewährt, abgesprochen wird. Diese Vereinfachung und Straffung der Verfahren wird auch im Berufungsverfahren (nunmehr: Beschwerdeverfahren) fortgesetzt.

3.2.2. BF1 und BF2 sind die Eltern von XXXX (alias XXXX alias XXXX; geb. XXXX), XXXX (alias XXXX; geb. XXXX), XXXX (geb. XXXX), XXXX (geb. XXXX) und XXXX (geb. XXXX) und damit deren Familienangehörige iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005. Sämtliche Kinder von BF1 und BF2 waren nämlich minderjährig, als sie am 08.06.2016 die nach wie vor unerledigten Anträge auf internationalen Schutz stellten.

Folglich ist der Ausgang der Verfahren von BF1 und BF2 insofern vom Schicksal der beim Bundesamt anhängigen Asylverfahren betreffend ihre Kinder abhängig, als dort ein inhaltliches Asylverfahrens zu führen ist und eine etwaige Schutzgewährung an die Kinder auch BF1 und BF2 zuzuerkennen wäre. Daher können ihre Beschwerden hier nicht rechtskräftig abgewiesen werden.

Der jeweilige Spruchpunkt I der angefochtenen Bescheide waren daher aufzuheben, damit das Verfahren von BF1 und BF2 "unter einem" mit den beim Bundesamt anhängigen Verfahren betreffend ihre Familienangehörigen geführt werden kann (dies dezidiert fordernd VfGH 18.09.2015, E 1174/2014).

3.3. Diese Behebung der angefochtenen Bescheide erfolgt nicht auf der verfahrensrechtlichen Grundlage des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, weil die Behörde in der vorliegenden Fallkonstellation nicht notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Aufhebung hat vielmehr auf Basis des § 28 Abs. 1 VwGVG zu erfolgen; im Einzelfall kann in solchen Konstellationen über den zugrundeliegenden (sodann unerledigten) Antrag dennoch abermals durch die Verwaltungsbehörde zu entscheiden sein (s. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 17 mwN). Dies ist auch vorliegend der Fall: Das Bundesamt wird das Verfahren zum Antrag von BF1 und BF2 auf internationalen Schutz "unter einem" mit den Verfahren zu den Anträgen ihrer Kinder zu führen und die Rechtssachen sämtlicher Familienangehöriger gemeinsam zu erledigen haben.

3.4. Da die übrigen Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide den jeweiligen Spruchpunkt I rechtlich voraussetzen, waren auch diese aufheben.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren,
Rechtsanschauung des VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W234.2151085.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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