TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/14 W139 2163447-1

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Veröffentlicht am 14.12.2018
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Entscheidungsdatum

14.12.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W139 2163447-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert BITSCHE, Nikolsdorfergasse 7-11/Top 15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl.XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 iVm § 34 Abs 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Hazara, reiste mit ihrer Familie in das österreichische Bundesgebiet ein. Sie stellte am 04.11.2015 gemeinsam mit ihren beiden Töchtern (eine davon minderjährig, Zl. W139 2163446-1, und eine volljährig, Zl. W139 2163444-1) einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Die Erstbefragung der Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgte am 04.11.2015.

3. Die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde fand am 01.06.2017 statt.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde sowohl den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch jenen auf Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

5. Mit Schreiben vom 03.07.2017 erhob die Beschwerdeführerin - fristgerecht - Beschwerde gegen den genannten Bescheid und beantragte die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten, in eventu der subsidiär Schutzberechtigten, in eventu die Ausweisung für dauerhaft unzulässig zu erklären, in eventu die Zurückverweisung.

6. Am 07.12.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi bzw Dari statt, bei welcher die Beschwerdeführerin und ihre beiden Töchter einvernommen wurden. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern.

7. Im Strafregisterauszug der Republik Österreich vom 10.12.2018 - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheint keine Verurteilung auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX. Sie ist Staatsangehörige von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Muttersprache ist Dari. Sie wurde in Afghanistan im Dorf XXXX, Distrikt XXXX, in der Provinz Daikundi geboren und hat mit ihrer Familie zunächst dort und dann in XXXX, Iran gelebt. Die Beschwerdeführerin ist geschieden.

Die Beschwerdeführerin ist die Mutter der nach wie vor minderjährigen afghanischen Staatsangehörigen XXXX. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag wurde der Beschwerde der genannten Tochter der Beschwerdeführerin stattgegeben und ihr der Status der Asylberechtigten nach § 3 Abs 1 AsylG 2005 zuerkannt (BVwG 14.12.2018, W139 2163446-1/5E).

Die Beschwerdeführerin ist nicht straffällig geworden.

Diese Feststellungen ergeben sich aus den jeweiligen Verfahrensakten und aus den Angaben der Beschwerdeführerin während des Verfahrens und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Dass die Beschwerdeführerin geschieden ist, ergibt sich insbesondere aus der von ihr vorgelegten Scheidungsbestätigung (AS 63; Übersetzung AS 75).

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG).

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

2.1. Zu A):

Aufgrund der Ermittlungsergebnisse war davon auszugehen, dass die Tochter der Beschwerdeführerin angesichts ihrer auf ein selbstbestimmtes Leben gerichteten Einstellung ("westliche Gesinnung") als Frau in ihrem Herkunftsstaat Eingriffe asylrelevanter Intensität mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat, weswegen sie sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung iSd GFK außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (siehe BVwG 14.12.2018, W139 2163446-1/5E). Das Vorliegen eines der in Art 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe ist nicht hervorgekommen.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Da die Tochter (Zl. W139 2163446-1) der Beschwerdeführerin nach wie vor minderjährig ist, ist die Beschwerdeführerin als Familienangehörige im Sinne des AsylG 2005 zu betrachten.

Gemäß § 34 Abs 2 iVm Abs 5 AsylG 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).

Im vorliegenden Fall wurde der Tochter der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Die Beschwerdeführerin ist nicht straffällig geworden. Gegen die Tochter der Beschwerdeführerin ist kein Asylaberkennungsverfahren anhängig. Der Beschwerdeführerin ist daher nach § 34 Abs 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, dh der Status der Asylberechtigten nach § 3 Abs 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Angesichts dieser Umstände ist auf die von der Beschwerdeführerin im bisherigen Verfahren erstatteten Fluchtgründe nicht mehr weiter einzugehen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin und ihre Tochter ihre Anträge auf internationalen Schutz am 04.11.2015, somit vor dem 15.11.2015 gestellt haben, wodurch insbesondere § 2 Abs 1 Z 15 und § 3 Abs 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

2.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Zur unproblematischen Anwendung des § 34 AsylG 2005 auch im Zusammenhang mit dem Begriff des Familienangehörigen gemäß § 2 Abs 1 Z 22 AsylG 2005 im Familienverfahren siehe etwa VwGH 26.06.2007, 2007/20/0281; 09.04.2008, 2008/19/0205; 25.11.2009, 2007/01/1153; 24.03.2011, 2008/23/1338; 06.09.2012, 2010/18/0398 ua.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W139.2163447.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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