Entscheidungsdatum
14.01.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W226 2208571-1/2E
W226 2208568-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Windhager über die Beschwerden 1.) des XXXX , geb. XXXX und 2.) der XXXX , geb. XXXX alle: StA. Usbekistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.09.2018, Zlen. 1.) 1192082100-180483898 und 2.) 1192082710-180483901:
A)
In Erledigung der Beschwerden werden die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführer reisten nach Österreich ein und stellten am 23.05.2018 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gaben sie an, Staatsangehörige von Usbekistan zu sein.
Der BF1 führte im Zuge der Erstbefragung im Wesentlichen an, dass er im Herkunftsstaat Probleme bekommen habe, weil er bei seiner beruflichen Tätigkeit in einem XXXX bemerkt habe, dass wertvolle Exponate angekauft/verkauft wurden, der Direktor habe ihn deshalb bedroht.
Am 05.09.2018 erfolgten umfangreiche niederschrifliche Einvernahmen von BF1 und BF2, wobei der BF1 im Wesentlichen sein Vorbringen wiederholte. Er habe im Herkunftsstaat in einem näher bezeichneten XXXX als XXXX gearbeitet. Bei der Reparatur des Computers des Direktors habe er zufällig Dateien entdeckt, in denen der Verkauf von XXXX erörtert wurde. Der Direktor habe das bemerkt, ihm in der Folge Geld angeboten und dafür das Schweigen des BF1 eingefordert. Er habe das Geld nicht genommen, sei dann vom Direktor bedroht worden, dieser habe Bekannte im Ministerium und im Regierungskreis. Er fürchte nunmehr die Rache des Direktors, weil er ja geflüchtet sei, dieser sei sehr einflussreich.
In einer schriftlichen Stellungnahme verwiesen die BF zudem auf Probleme, die sich aus dem illegalen Auslandsaufenthalt ergeben würden.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 20.09.2018 wurde jeweils der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem.
§ 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen, weiters der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Usbekistan nicht gewährt. Den Beschwerdeführern wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt und wurde jeweils gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Nach Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Usbekistan legte die belangte Behörde darüber hinaus die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Nach Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beurteilte die belangte Behörde das Vorbringen des BF1 - aus näher dargestellten Gründen - als nicht glaubhaft.
Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und dabei das Vorbringen wiederholt, im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland würden Konflikte mit dem Staat entstehen, weil sie Usbekistan unerlaubt Richtung Westen verlassen und Asyl beantragt haben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:
Zu A)
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG Anm. 11).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist von den Asylbehörden zu erwarten, dass sie insoweit, als es um Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern geht, von den zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten Gebrauch machen und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einbeziehen. Bei instabilen und sich rasch ändernden Verhältnissen im Herkunftsstaat können auch zeitlich nicht lange zurückliegende Berichte ihre Aktualität bereits verloren haben.
Wie sich aus den angefochtenen Bescheiden ergibt, stammen die jüngsten in die Länderfeststellungen eingeflossenen Berichte - die Behörde verwendete ein Länderinformationsblatt der Staatendokumentation aus dem Jahr 2016 - aus den Jahren 2014 bis 2016.
Dies trifft insbesonders auch auf Feststellungen der belangten Behörde zum Thema "Behandlung nach Rückkehr" (Punkt 16 der Feststellungen) zu. Die belangte Behörde führt aus, dass das Strafgesetzbuch der Republik Usbekistan einerseits keinen Straftatbestand betreffend Asylantragstellung im Ausland beinhaltet, illegale Ausreise könne jedoch nach Artikel 223 des Strafgesetzbuches der Republik Usbekistan mit Freiheitsentzug zwischen drei bis fünf Jahren und in besonders schweren Fällen zwischen fünf bis zehn Jahren bestraft werden.
Gerade zu diesem Themenkomplex verweist die belangte Behörde einzig auf einen Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2010 und auf einen Bericht der ÖB Moskau aus dem Jahr 2014, bzw. Berichte von IOM aus 2014.
Die belangte Behörde hat somit zwar einerseits - lang zurückliegende - Berichte zur Lage von Personen einfließen lassen, die nach illegaler Einreise und Asylantragstellung im Ausland zurückkehren, diese in den Feststellungen erwähnten möglichen umfangreichen Strafdrohungen dann jedoch weder im Rahmen der Beweiswürdigung noch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung auch nur ansatzweise berücksichtigt.
Betreffend Rückkehr wird einzig ausgeführt, dass BF1 "wieder in der Lage sein werde, wie auch schon vor der Ausreise den Lebensunterhalt zu bestreiten". Damit gleicht die gegenständliche Rechtssache jedoch dem Sachverhalt, der zuletzt etwa der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 24.05.2018, Zl. Ra 2017/19/0202 zugrunde lag. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dieser Entscheidung vom Bundesverwaltungsgericht, aber auch der zuständigen Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, aktuelle Feststellungen zur allgemeinen Lage in Usbekistan, insbesonders auch zur Situation von Personen eingefordert, die nach illegaler Ausreise und Asylantragstellung im Westen zurückkehren, somit liegt auch in gegenständlicher Rechtssache nur ein mangelhaft ermittelter Sachverhalt vor.
Die belangte Behörde wird sich daher im fortgesetzten Verfahren - worauf von den Beschwerdeführern in der Stellungnahme vom 13.09.2018 gedrängt wurde - einerseits mit konkreteren Berichten zur Lage von Rückkehrern aus dem Ausland auseinanderzusetzen haben und darüber hinaus wesentlich aktuellere Feststellungen (die letzte eingearbeitete "Kurzinformation" stammt ebenfalls aus dem Jahr 2016, der Großteil der zitierten Quelle aus den Jahren 2014 und 2015) zu treffen haben.
Unter diesen Gesichtspunkten leiden die angefochtenen Bescheide unter erheblichen Ermittlungsmängeln und erweist sich der vorliegende Sachverhalt als so mangelhaft, dass weitere notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.
Damit hat das Bundesamt im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, waren in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen die angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung von neuen Bescheiden an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Das Bundesamt wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit aktuellen Quellen über die Lage von Personen, die nach Auslandsaufenthalt zurückkehren, auseinanderzusetzen und diese den Beschwerdeführern im Zuge des Parteiengehörs auch vorzuhalten haben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) ab. Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W226.2208568.1.00Zuletzt aktualisiert am
13.02.2019