TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/29 98/14/0170

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Veröffentlicht am 29.06.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §20;
BAO §6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der H Gesellschaft m.b.H. in M, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 11. August 1998, Zl. RV 110/1-T7/98, betreffend Umsatzsteuervorauszahlungen für Mai und Oktober 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine GmbH, arbeitete mit der Sch. GmbH. mit Sitz in Tirol und der Firma St. mit Sitz in Bratislawa als Konsortium (Sch. GmbH und Mitgesellschafter) an verschiedenen Projekten in den GUS-Staaten. Bei dem Konsortium handelte es sich um eine nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähige Personenvereinigung.

Der Betriebsprüfer stellte anlässlich einer gemäß § 151 Abs.1 BAO vorgenommenen Prüfung der Aufzeichnungen des Konsortiums bezüglich Umsatzsteuer für den Zeitraum Februar bis Dezember 1995 fest, dass hinsichtlich dreier Rechnungen der Sch. GmbH die darin dargestellten Leistungen im Ausland ausgeführt worden seien. Die ausgewiesenen USt-Beträge könnten daher gem. § 12 UStG 1994 nicht als Vorsteuer abgezogen werden. Die betreffenden Umsatzsteuervoranmeldungen seien zu berichtigen.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ an das Konsortium entsprechende Bescheide betreffend die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Mai und Oktober 1995, in denen die abziehbare Vorsteuer jeweils mit Null S festgesetzt wurde. Diese Bescheide wurden rechtskräftig.

Mit dem an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheid vom 13. März 1998 nahm das Finanzamt diese gemäß § 6 Abs 2 BAO als Gesamtschuldnerin für die noch aushaftenden Nachforderungen betreffend die Umsatzsteuervorauszahlungen des Konsortiums für die Monate Mai und Oktober 1995 in der Höhe von S 2.020.975,-- in Anspruch.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, bei der an sie gerichteten Umsatzsteuernachforderung sei das Ermessen unzutreffend geübt worden. Es sei unbillig und widerspreche Treu und Glauben, wenn ihr, die grundsätzlich nur Lieferant der eigenen Produkte gewesen sei, nunmehr die Steuern des Konsortiums vorgeschrieben würden. Aus dem Sachverhalt ergebe sich, dass keine Verhältnismäßigkeit in der Risikozuweisung zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigem gegeben sei, wenn sie zur Zahlung der Umsatzsteuernachforderungen herangezogen werde, obwohl vom Prüfer im Rahmen der Umsatzsteuernachschau erklärt worden sei, dass die Korrektur zwischen der Sch. Gmbh und dem Konsortium auf dem Finanzkonto gleichzeitig erfolgen werde. Es sei ausdrücklich gesagt worden, dass sich bei dem Konsortium keine Saldoveränderung und daher auch kein Abgabenrückstand, wie er nun bestehe, ergeben dürfe.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab. Bei Ermessensentscheidungen hinsichtlich der Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners nach § 6 Abs 2 BAO sei insbesondere die Einbringlichkeit der Abgabenschuld bei den einzelnen Gesamtschuldnern von Bedeutung. Sei die Einhebung der Abgabenschuld bei einem oder mehreren Gesamtschuldnern zumindest mit großen Schwierigkeiten verbunden, so sei die Vorschreibung an den oder die anderen Gesamtschuldner ungeachtet des dem Gesamtschuldverhältnis zu Grunde liegenden vertraglichen Innenverhältnisses begründet. Im gegenständlichen Fall sei der Abgabenbehörde eine Vollstreckung der Gesamtschuld bei der Firma St., die ihren Sitz in Bratislawa habe, nicht möglich, weil eine zwischenstaatliche Vereinbarung fehle. Auch bei der weiteren Gesamtschuldnerin, der Sch. GmbH., seien Einbringungsmaßnahmen erfolglos gewesen (Zahlungsschwierigkeiten). Das Ermessen sei daher nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit ausgeübt worden, wenn die Abgabenbehörde die aushaftende Schuld bei dem verbleibenden Gesamtschuldner eingefordert habe.

Zahlungsschwierigkeiten, Insolvenz, Abwesenheit eines Gesamtschuldners u.ä. rechtfertigten es, den Betreffenden erst gar nicht bescheidmäßig heranzuziehen. Bezüglich des Einwandes der Beschwerdeführerin, auf Grund der Änderung durch die Umsatzsteuernachschau dürfe es zu keiner Saldoveränderung kommen, sei darauf zu verweisen, dass solche Einwendungen im Rahmen einer Berufung gegen einen Abrechnungsbescheid nach § 216 BAO geltend zu machen wären. Im Übrigen habe die Sch. GmbH der Beschwerdeführerin bereits mitgeteilt, dass zwar auf Grund der korrigierten Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 1995 am 24. September 1996 eine entsprechende Buchung auf dem Abgabenkonto der Sch. GmbH vorgenommen, auf Grund der aushaftenden Abgabenrückstände aber nur ein Guthaben von S 691.671.-- verblieben sei, das entsprechend ihrem Antrag auf das Abgabenkonto des Konsortiums überrechnet worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach § 6 Abs. 2 BAO sind Personen, die gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind, ebenfalls Gesamtschuldner; dies gilt insbesondere auch für die Gesellschafter (Mitglieder) einer nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähigen Personenvereinigung (Personengemeinschaft) hinsichtlich jener Abgaben, für die diese Personenvereinigung (Personengemeinschaft) als solche abgabenpflichtig ist.

Die Auswahl der zur Leistung der Abgabenschuld heranzuziehenden Gesamtschuldner, die Belastung der Einzelnen mit der Gesamtschuld oder nur einem Teil davon, die Bestimmung des Zeitpunktes und der Reihenfolge der Heranziehung der einzelnen Gesamtschuldner liegt im Ermessen der Behörde. Ermessen des Abgabengläubigers eines Gesamtschuldverhältnisses bedeutet das Recht der Ausnützung jener Gläubigerschritte, die dazu führen, den Abgabenanspruch zeitgerecht, sicher, auf einfachstem Weg unter Umgehung von Erschwernissen und unter Vermeidung von Gefährdungen hereinzubringen. Werden Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigt, dann wird das Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes geübt, wenn sich die Abgabenbehörde über die besonderen Gegebenheiten des Gesamtschuldverhältnisses hinwegsetzt. Zahlungsschwierigkeiten eines Gesamtschuldners rechtfertigen es jedoch, einzelne Gesamtschuldner von vornherein nicht in Anspruch zu nehmen, sie also überhaupt nicht bescheidmäßig heranzuziehen, sondern die Schuld bei einem anderen Gesamtschuldner einzufordern. Ist einer der Schuldner zahlungsunfähig geworden, so liegt im Allgemeinen kein Ermessensspielraum mehr vor. Die Heranziehung des verbleibenden Schuldners zur Leistung der Gesamtschuld ist dann aus dem Blickwinkel der Ermessensübung nicht rechtswidrig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1996, 95/16/0082).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Umsatzsteuernachforderung bei den beiden anderen Mitgliedern des Konsortiums als uneinbringlich beurteilt, weil sich bei einer der beiden Firmen der Sitz in Bratislawa befindet und diesbezüglich kein zwischenstaatliches Abkommen über die Einhebung von Abgabenschulden besteht. Bei der zweiten Gesamtschuldnerin, der Firma Sch., waren Einbringungsmaßnahmen auf Grund von Zahlungsschwierigkeiten erfolglos. Die Beschwerdeführerin bestreitet in der Beschwerde auch nicht die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld bei diesen beiden weiteren Mitgliedern des Konsortiums. Die belangte Behörde hat daher zu Recht die aushaftende Abgabenschuld der Beschwerdeführerin bescheidmäßig vorgeschrieben.

Dem Einwand der Beschwerdeführerin, es wäre zu dieser Abgabenschuld nicht gekommen, wenn die Finanzverwaltung den vom Prüfer zugesagten unmittelbaren Ausgleich zwischen der Sch. GmbH und dem Konsortium "rechtzeitig" durchgeführt hätte, ist entgegenzuhalten, dass eine konkrete - die gesamtschuldnerische Haftung der Mitglieder des Konsortiums einschränkende oder ausschließende - Zusage nicht behauptet wird und auch nicht aktenkundig ist, sodass dahinstehen kann, welche Bedeutung einer solchen Erklärung des Prüfers im Rahmen der Ermessensübung zukäme. Im Übrigen ist unbestritten und entspricht es der Aktenlage, dass die im Zeitpunkt der Prüfung offenbar ins Auge gefasste Umbuchung eines Guthabens der Sch. GmbH auf das Abgabenkonto des Konsortiums in der Folge nur zum Teil zum Erlöschen der aushaftenden Nachforderungen geführt hat, weil das für die Umbuchung gemäß § 215 Abs 4 BAO zur Verfügung stehende Guthaben auf Grund von Abgabenverbindlichkeiten der Sch. GmbH geringer als die aushaftenden Nachforderungen gewesen ist. Ein im Rahmen der Ermessensübung zu Gunsten der Beschwerdeführerin ins Gewicht fallender Gesichtspunkt ergibt sich daraus nicht.

Soweit die Beschwerdeführerin auf (nicht näher konkretisierte) "Existenzschwierigkeiten" hinweist, handelt es sich um im Grunde des § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerungen, von denen im Verwaltungsverfahren noch keine Rede war.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. Juni 1999

Schlagworte

Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998140170.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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