TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/29 99/08/0075

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Veröffentlicht am 29.06.1999
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §58 Abs1;
ASVG §59 Abs1;
ASVG §67 Abs10;
BAO §80;
BAO §9;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/08/0083 E 29. Juni 1999

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der H in V, vertreten durch Dr. Rudolf Franzmayr, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, Stadtplatz 32, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 7. April 1999, Zl. 6-SO-N1148/8-1999, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Burgenländische Gebietskrankenkasse in 7001 Eisenstadt, Esterhazyplatz 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und der ihr beigeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender unstrittige Sachverhalt:

Durch die Insolvenz der Schuhimport Hans Berger Ges.m.b.H. & Co KG wurden rückständige Sozialversicherungsbeiträge in dem im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Ausmaß von S 20.304,-- (unter Berücksichtigung einer 20 %-igen Zwangsausgleichsquote) uneinbringlich. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der Komplementär-GesmbH der genannten Kommanditgesellschaft gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für diese rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren von insgesamt S 20.304,04 zuzüglich Verzugszinsen hafte. Nach der Begründung sei im Hinblick auf den Zwangsausgleich die Uneinbringlichkeit der Beiträge als erwiesen anzusehen, die Ungleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit anderen Verbindlichkeiten ergebe sich durch die Bezahlung von Lieferantenverbindlichkeiten in der Höhe von ca. S 2,21 Mio, sowie der Auszahlung der Löhne und Gehälter in der Gesamthöhe von S 1,15 Mio sowie Zahlungen an das Finanzamt in der Höhe von S 500.000,-- und an zwei Banken in der Höhe von ebenfalls S 500.000,--. In Erwiderung auf ein diesbezügliches Einspruchsvorbringen der Beschwerdeführerin führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ferner aus, dass der Beitrag Juni 1996 (nach Abzug der 20 %-igen Zwangsausgleichsquote und der vom Insolvenzentgeltfonds erstatteten Dienstnehmerbeiträge in der Höhe von S 10.972,27) in die Haftungssumme einzubeziehen sei, da dieser Beitrag vor Konkurseröffnung fällig geworden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften unter anderem die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Da § 67 Abs. 10 ASVG den §§ 9 und 80 BAO nachgebildet wurde, können nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die zu diesen Bestimmungen von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätze auch auf § 67 Abs. 10 ASVG übertragen werden (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025, vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013, vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0044, sowie vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0180).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat, ist die Haftung der nach § 67 Abs. 10 ASVG Verantwortlichen ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die daran anknüpft, dass die gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen verletzt wurden. Eine solche Pflichtverletzung - für deren Beurteilung ebenfalls die von der Rechtsprechung zu den §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0100, mit weiteren Judikaturhinweisen) - kann darin liegen, dass der Verantwortliche die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen des Sozialversicherungsträgers Sorge trägt (vgl. das Erkenntnis vom 28. April 1992, Zl. 92/08/0055, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Leichte Fahrlässigkeit des Vertreters reicht für die Haftung aus und ist schon dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, wonach ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war (vgl. das Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 19. Juni 1985, Slg. Nr. 6012/F). Es ist somit Sache des als Verantwortlicher herangezogenen Vertreters der juristischen Person, jene Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. das Erkenntnis vom 25. April 1989, Slg. Nr. 12911/A).

Die Beschwerdeführerin bestreitet zunächst die Rechtmäßigkeit ihrer Inanspruchnahme unter Hinweis darauf, sie sei lediglich Prokuristin der KG gewesen und Geschäftsführerin der Komplementär-GesmbH. Es sei daher in erster Linie die Ges.m.b.H. zur Beitragsabfuhr verpflichtet gewesen; eine Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin komme erst nach einem Einbringungsversuch bei der Ges.m.b.H. in Betracht.

In diesem Zusammenhang macht die Beschwerdeführerin aber nicht geltend, die Beiträge seien - entgegen der im angefochtenen Bescheid auf S 5 getroffenen und von der Beschwerdeführerin unbekämpft gelassenen, allgemein formulierten Feststellung, dass die Beitragsforderung zu 80% uneinbringlich sei - bei der Komplementär-Gesellschaft einbringlich. Ist diese Einbringlichkeit aber nicht gegeben, so bedarf es auch nicht des sinnlosen Formalaktes einer "Inanspruchnahme" der Komplementär-Gesellschaft, um die Haftung des Geschäftsführers herbeizuführen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30.9.1997, Zl. 95/08/0152). Schon aus diesem Grund ist eine Auseinandersetzung mit der Frage entbehrlich, ob die Haftung der Geschäftsführerin der Komplementär-Ges.m.b.H nach § 67 Abs. 10 ASVG gegenüber der Haftung dieser Ges.m.b.H. als Komplementärin überhaupt in der Weise subsidiär ist, dass die Geschäftsführerin der Ges.m.b.H. erst zur Haftung herangezogen werden darf, nachdem die Ges.m.b.H. (welche nicht Beitragsschuldnerin hinsichtlich der für Arbeitnehmer der KG zu entrichtenden Beiträge ist) ihrerseits erfolglos in Anspruch genommen wurde (vgl. dazu die zu § 67 Abs. 10 ASVG unterschiedliche Rechtslage nach § 12 BAO, wonach - anders als hier - auch Komplementäre als abgabenrechtlich Haftende bescheidmäßig in Anspruch genommen werden können).

Im Übrigen bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, dass sie die gegenständlichen Beiträge bei Fälligkeit nicht entrichtet hat. Sie behauptet auch nicht, dass im Zeitpunkt der jeweiligen Fälligkeiten keine Mittel zu einer zumindest anteiligen Befriedigung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorhanden gewesen und der Gesellschaft in weiterer Folge auch nicht zugeflossen seien. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf eine kurz vor der Konkurseröffnung mit der mitbeteiligten Partei abgeschlossene, jedoch infolge Konkurseröffnung nicht mehr erfüllte Ratenvereinbarung beruft, so verkennt sie, dass diese Ratenvereinbarung daran nichts (mehr) zu ändern vermochte, dass die Beschwerdeführerin zu den maßgeblichen Zeitpunkten der Fälligkeiten ihre Verpflichtung zur zumindest anteiligen Befriedigung der Gebietskrankenkasse nicht erfüllt hat und daher für die durch diese Pflichtverletzung in weiterer Folge (als Ergebnis des Insolvenzverfahrens) eingetretene Uneinbringlichkeit der Beitragsforderungen bei der Gesellschaft gemäß § 67 Abs. 10 ASVG einzustehen hat (zum anders gelagerten Fall des Bestehens einer für "Altlasten" geltenden Ratenvereinbarung im Zeitpunkt des Eintritts eines neuen Geschäftsführers vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 1996, Slg. Nr. 14403/A).

Soweit die Beschwerdeführerin schließlich geltend macht, dass die Beiträge nicht mit dem letzten Tag des Beitragszeitraums nach § 58 Abs. 1 ASVG, sondern erst mit Ablauf der Zahlungsfrist des § 59 Abs. 1 ASVG fällig geworden seien, so ist sie zum einen darauf hinzuweisen, dass auch der letzte dieser Zeitpunkte noch vor der Konkurseröffnung liegt und daher auch dieser Einwand der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen könnte, zum anderen jedoch darauf, dass diese Rechtsauffassung vom Verwaltungsgerichtshof in nunmehr ständiger Rechtsprechung nicht geteilt wird (vgl. die Erkenntnisse vom 21. Mai 1996, Zl. 95/08/0290, vom 22. Dezember 1998, Zl. 94/08/0249, vom 19. Jänner 1999, Zl. 98/08/0291, und vom 16. Februar 1999, Zl. 97/08/0637).

Da sohin bereits aus der vorliegenden Beschwerde ersichtlich ist, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999080075.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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