Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AlVG 1977 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 9, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 3. Juni 1998, Zl. 4/1288/Nr. 0293/98-1, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte mit dem am 3. Februar 1998 ausgegebenen (bundeseinheitlich aufgelegten) Formular den Antrag auf Gewährung der Notstandshilfe. Darin bejahte er die Frage 5 (ich stehe derzeit in Beschäftigung) und bezeichnete die Art der Tätigkeit als "geringfügige Beschäftigung". Ebenso wurde die Frage 7 (ich war bzw. bin selbständig erwerbstätig; z.B. Gewerbebetrieb, Werkvertrag, freiberufliche Tätigkeit) bejaht. Er legte eine Anmeldung für freie Dienstverträge und dienstnehmerähnliche Werkverträge sowie einen "Werkvertrag (freies Dienstverhältnis)" vom 6. Februar 1997 in Kopie und eine Lohnbescheinigung für Aushilfsarbeiten vom 5. Februar 1998 vor. Aus der erwähnten Anmeldung ergibt sich die Höhe des vereinbarten Entgeltes mit monatlich maximal S 3.830,--. Nach dem Inhalt des "Werkvertrages (freies Dienstverhältnis)" verpflichtete sich der Beschwerdeführer zur Erbringung einer Werkleistung in Form einer Essenszustellung. Hiebei sei er an eine kundenorientierte Arbeitszeit gebunden und erhalte für die Durchführung der Werkleistung S 60,-- pro Stunde. Die angerufene regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nahm mit dem Beschwerdeführer am 13. Februar 1998 dazu eine Niederschrift auf, worin der Beschwerdeführer erklärte, mit der Volkshilfe am 6. Februar 1997 einen freien Dienstvertrag geschlossen zu haben und aus diesem Verhältnis nie mehr als die Geringfügigkeitsgrenze verdient zu haben. Die Tätigkeit übe er zwischen 9.30 Uhr (10.45 Uhr) und 13.30 Uhr aus.
Mit Bescheid vom 17. Februar 1998 wies die angerufene regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung "des Arbeitslosengeldes" gemäß § 7 AlVG mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt ab. In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, der Beschwerdeführer könne keine Beschäftigung aufnehmen, weil er sich nicht zur Aufnahme einer Beschäftigung bereithalte.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung; darin bestritt er die Auffassung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, dass er sich nicht zur Aufnahme einer Beschäftigung bereithalte.
Über Aufforderung zur Stellungnahme durch die belangte Behörde gab der Beschwerdeführer am 10. April 1998 bekannt, er stehe dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, weil er kein Arbeitsverhältnis und auch kein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis eingegangen sei, sondern lediglich gelegentlich in Form eines Werkvertrages Leistungen für die Volkshilfe erbringe. Diese Leistung könne jederzeit beendet werden, ein Verpflichtungsverhältnis bestehe nicht.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung nicht statt. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Wiedergabe des § 7 AlVG ausgeführt, der Beschwerdeführer wende für seine Tätigkeit bei der Volkshilfe in Form eines freien Dienstvertrages täglich ca. 4 Stunden auf.
Das Kriterium der Verfügbarkeit gemäß § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG sei erfüllt, wenn sich der Arbeitslose bereithalte, eine unselbständige Beschäftigung im Ausmaß von 35 bis 40 Wochenstunden zu dem am Arbeitsmarkt üblichen Arbeitszeiten aufzunehmen. Personen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübten, könnten sich in der Regel nicht zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen Beschäftigung (Arbeitszeiten von ca. 8 Uhr bis 18 Uhr täglich) bereithalten. Bei Antragstellung auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe sei daher die Betriebszeit des Arbeitslosen zu überprüfen. Bestehe eine Überschneidung mit den üblichen Arbeitszeiten, so sei der Antrag mangels Verfügbarkeit abzuweisen.
Der Beschwerdeführer erbringe die Leistung für die Volkshilfe von 9.30 Uhr bzw. 10.45 Uhr bis 13.30 Uhr zwar nicht täglich, jedoch habe er sich für die Tätigkeit täglich bereitzuhalten. Dass er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe, könne er nur dadurch beweisen, dass er dieses geringfügige Beschäftigungsverhältnis, welches er während der normal üblichen Arbeitszeit ausübe, beende. Dass er dies getan habe, habe er nicht behauptet und sei auch nicht aktenkundig. Der Antrag auf Notstandshilfe sei daher zu Recht mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt abgewiesen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides auch deswegen, weil die belangte Behörde über einen Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes entschieden habe, er jedoch einen Antrag auf Notstandshilfe gestellt habe. Nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz sei ein Verfahren auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes nur auf Antrag durchzuführen. Weil er einen Antrag auf Notstandshilfe gestellt habe, verletze das Verfahren sein subjektives Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
Nach der oben wiedergegebenen Begründung im angefochtenen Bescheid geht die belangte Behörde von einem Antrag auf Notstandshilfe aus, der zu Recht mangels Verfügbarkeit abzuweisen gewesen sei. Bei dieser Sachlage handelt es sich aber bei der Verwendung des Ausdruckes "Arbeitslosengeld" statt "Notstandshilfe" im Spruch des angefochtenen Bescheides um eine offenbar auf einem Versehen beruhende (auch dem Beschwerdeführer selbst erkennbare) Unrichtigkeit (um ein offenkundiges Vergreifen im verwendeten Ausdruck), die (das) nicht nur die erstinstanzliche Behörde, sondern auch die Berufungsbehörde zur jederzeitigen Berichtigung von Amts wegen berechtigte.
In der Sache selbst macht der Beschwerdeführer geltend, § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG wolle alle jene Personen erfassen, die durch ihre Tätigkeit dermaßen in Anspruch genommen seien, dass eine Aufnahme einer Beschäftigung ausgeschlossen sei. Dies sei in seinem Fall jedoch nicht gegeben. Durch seine stundenweise Betätigung als Essenszusteller sei die Verfügbarkeit in keiner Weise weggefallen. Hätte die Behörde ein Ermittlungsverfahren durchgeführt, wäre hervorgekommen, dass er jederzeit eine Beschäftigung aufnehmen könne, weil er ohnehin nur fallweise bzw. im Monat ca. 10 bis 14 mal als Essenszusteller stundenweise tätig sei. Aufgrund des unter der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Entgeltes sei die Voraussetzung des § 7 AlVG i.V.m. § 12 AlVG erfüllt.
Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 22. Dezember 1998, Zl. 97/08/0106, und vom 16. Februar 1999, Zl. 98/08/0057, und Zl. 97/08/0584, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, näher dargestellt und begründet hat, erfordert die Verfügbarkeit des Arbeitslosen im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG nicht dessen Vermittelbarkeit für eine Vollbeschäftigung. Die Bereitschaft des Arbeitslosen, nicht nur eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung, sondern im Falle einer entsprechenden Vermittlung auch eine Vollbeschäftigung anzunehmen, ist erst im Zusammenhang mit der Voraussetzung der Arbeitswilligkeit im Sinne des § 9 AlVG, nicht aber schon bei der Prüfung der Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG zu beurteilen. Im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit in diesem Sinne kommt es auf das Ausmaß der Tätigkeit während des Zeitraumes, für den die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beansprucht werden, an. Die mangelnde Verfügbarkeit knüpft an Umstände an, bei deren Vorliegen die unwiderlegliche Vermutung des Gesetzes gerechtfertigt ist, dass die betreffende Person während dieser Zeit nicht an einer neuen Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG, sondern an anderen Zielen interessiert ist.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich der angefochtene Bescheid schon deswegen als rechtswidrig, weil die belangte Behörde davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer für eine "Vollbeschäftigung" zur Verfügung stehen müsse, um verfügbar im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG zu sein.
Der Beschwerdeführer hebt zutreffend hervor, dass zu prüfen ist, ob die von ihm ausgeübte Tätigkeit der Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung im Wege steht oder nicht. Die belangte Behörde bejaht dies, weil der Beschwerdeführer seine Tätigkeit täglich zwischen 9.30 Uhr bzw. 10.45 Uhr und 13.30 Uhr ausübt bzw. sich für die Ausübung in dieser Zeit bereitzuhalten habe. Woraus die belangte Behörde diese Schlüsse zieht, gibt sie nicht an. Aus dem wiedergegebenen Akteninhalt ergibt sich indessen Gegenteiliges: Einerseits spricht der Beschwerdeführer in seiner Eingabe an die belangte Behörde von einer gelegentlichen Ausübung, andererseits ergibt sich aus dem der regionalen Geschäftsstelle vorgelegten Unterlagen, dass der monatliche Verdienst des Beschwerdeführers mit S 3.830,-- (Geringfügigkeitsgrenze) begrenzt ist, eine Entlohnung von S 60,-- pro Stunde vereinbart ist und die Dauer der Arbeitsleistung an einem Tag höchstens vier Stunden ausmacht. Daraus ergibt sich einerseits, dass das unter der Geringfügigkeitsgrenze liegende Einkommen durch die zeitliche Inanspruchnahme bedingt ist und andererseits die zeitliche Inanspruchnahme durch die Tätigkeit für die Volkshilfe, nicht zuletzt wegen der Verteilung auf jeden Wochentag, die Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung daneben zulässt. Dazu kommt, dass sich der Beschwerdeführer laut § 3 des "Werkvertrages (freies Dienstverhältnis)" vom 6. Februar 1997 für die Erbringung der übernommenen Leistung eines Vertreters bedienen kann. Damit ist aber die Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG entsprechend der dargestellten Judikatur gegeben.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. Juni 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998080210.X00Im RIS seit
18.10.2001