TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/29 98/08/0328

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Veröffentlicht am 29.06.1999
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §21 Abs1 idF 1996/201;
AlVG 1977 §21 Abs2 idF 1996/201;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 9, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 14. Februar 1997, Zl. B1-12897005-12, betreffend Höhe des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 25. November 1996 den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab 1. Dezember 1996. Nach dem von der angerufenen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eingeholten Ausdruck aus der zentralen Datenspeicherung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger war für das Jahr 1995 die Beitragsgrundlage in der Weise gespeichert, dass für den Arbeitslosengeldbezug 306 Beitragstage, eine Beitragssumme von S 41.000,-- und die durchschnittliche Monatsbeitragsgrundlage von S 4.020,-- zu berücksichtigen war. Für das Jahr 1996 waren zwar die Dienstgeber, jedoch nicht die Beitragsgrundlage gespeichert.

Mit dem auf Wunsch des Beschwerdeführers ergangenen Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 17. Dezember 1996 wurde ihm das Arbeitslosengeld ab 1. Dezember 1996 in der Höhe von S 61,50 täglich zuerkannt. In der Begründung ist nach Zitierung des § 21 Abs. 1 AlVG zu lesen, dass die Jahresbeitragsgrundlage 1995 für die Errechnung des Bezuges maßgeblich gewesen sei, weil der Beschwerdeführer den Antrag am 25. November 1996 gestellt habe.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin führte er - soweit für die Erledigung des Beschwerdeverfahrens von Bedeutung - aus, er habe seit 1989 neben seinem Studium jede Woche 12 Stunden gearbeitet. Diese Arbeitszeit ergebe sich daraus, weil er durch das Studium überwiegend in Anspruch genommen worden sei und sein Arbeitgeber ihn aufgrund der nur beschränkt zur Verfügung stehenden Arbeit bzw. des Vorhandenseins von anderen Beschäftigten lediglich einen Tag in der Woche habe beschäftigen können. Sein Fall sei daher dem der Kurzarbeit gleichzuhalten und analog zu behandeln. Der Gesetzgeber sehe für einen solchen Fall im § 21 Abs. 1 AlVG Ausnahmen vor. Erst im März 1996 habe er ein typisches Arbeitsverhältnis begonnen. Solche atypische Verhältnisse, bei denen der Versicherungsnehmer durch besondere Umstände wesentlich weniger verdiene, habe der Gesetzgeber bei der Schaffung der genannten Ausnahmen berücksichtigen wollen, um besondere Härten zu vermeiden. Er habe in den neun Monaten vor Antragstellung S 15.281,-- verdient und auch von diesem Betrag Arbeitslosenversicherungsbeiträge bezahlt. Nur durch die Tatsache, dass er vor dieser Zeit einer Teilzeitbeschäftigung nachgegangen sei, würde er krass benachteiligt sein. Es liege daher eine planwidrige Gesetzeslücke vor, die im Wege der Analogie zu füllen sei. Ziehe man sein Einkommen aus der Teilzeitbeschäftigung bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes heran, unterstelle man dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt. Sein Einkommen aus der Teilzeitbeschäftigung habe daher bei Heranziehung der Beitragsgrundlagen außer Betracht zu bleiben.

Überdies sei er im Jahr 1995 erst seit März sozialversichert gewesen. Es stehe daher keine vollständige Jahresbeitragsgrundlage zur Berechnung der Lohnklasse zur Verfügung. Aus diesem Grunde sei gemäß § 21 Abs. 2 AlVG das Einkommen der letzten sechs Monate vor Antragstellung zur Berechnung der Lohnklasse heranzuziehen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung nicht statt. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesstellen aus, § 21 Abs. 1 AlVG beinhalte eine erschöpfende Aufzählung von Ausnahmetatbeständen, die bei Heranziehung der Jahresbeitragsgrundlage außer Betracht zu bleiben hätten. Unter Kurzarbeit im Sinne dieser Bestimmung sei die ausnahmsweise vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit im Sinne des § 97 Abs. 1 Z. 13 Arbeitsverfassungsgesetz zu verstehen. Eine vereinbarte Teilzeitbeschäftigung könne unter dem Begriff der Kurzarbeit nicht subsumiert werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 1. Oktober 1998, B 756/97).

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Bezug von Arbeitslosengeld im gesetzlichen Ausmaß verletzt. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und führt hiezu aus, die Behörde habe unrichtigerweise sein Arbeitslosengeld nach § 21 Abs. 1 AlVG bemessen. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle das Arbeitslosengeld auf Grundlage von Jahresbeitragsgrundlagen berechnet werden. Schon aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebe sich, dass eine Jahresbeitragsgrundlage nur dann gegeben sei, wenn innerhalb eines Kalenderjahres 12 monatliche Beitragsgrundlagen vorlägen. Andernfalls hätte der Gesetzgeber nicht von Jahresbeitragsgrundlagen, sondern von den Beitragsgrundlagen innerhalb eines Jahres gesprochen. Dass für die Festsetzung der Lohnklasse jedenfalls eine gesamte, also 12 Beitragsmonate umfassende Jahresbeitragsgrundlage erforderlich sei, ergebe sich auch daraus, dass gemäß § 21 Abs. 1 AlVG Zeiten, in denen der Arbeitslose nicht das volle oder gar kein Entgelt bezogen habe, bei der Heranziehung der Beitragsgrundlagen außer Betracht zu bleiben hätten. Dafür spreche nicht nur der Wortlaut des § 21 AlVG, sondern auch die systematische Interpretation. Gemäß § 44 Abs. 1 ASVG bestimme sich die allgemeine Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte nach dem im Beitragszeitraum gebührenden Arbeitsverdienst. Nach § 44 Abs. 2 leg. cit. sei der Beitragszeitraum der Kalendermonat, der einheitlich mit 30 Tagen anzunehmen sei. Sehe aber der Gesetzgeber im ASVG als Beitragszeitraum den ganzen Kalendermonat vor, könne auch der Begriff der Jahresbeitragsgrundlage im AlVG nur so verstanden werden, dass er sich aus zwölf monatlichen Beitragsgrundlagen zusammensetze. Lägen daher weniger als 12 Beitragsgrundlagen vor, könne von einer Jahresbeitragsgrundlage nicht gesprochen werden. Dieses Verständnis bestätige auch § 21 Abs. 2 AlVG, wonach für die Festsetzung der Lohnklasse das Entgelt der letzten sechs Kalendermonate vor der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes heranzuziehen sei, wenn noch keine Jahresbeitragsgrundlagen beim Hauptverband vorlägen. Der Gesetzgeber habe also gerade für jenen Fall, dass noch keine vollständige Jahresbeitragsgrundlage vorliege, Vorsorge getroffen. Diese Auslegung entspreche auch dem Willen des historischen Gesetzgebers. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage solle nunmehr das Arbeitslosengeld nach einem Gesamtbeobachtungszeitraum von 12 Monaten bemessen werden. Nur für den Fall, dass eine vollständige aus 12monatlichen Beitragsgrundlagen bestehende Jahresbeitragsgrundlage noch nicht vorliege, lasse der Gesetzgeber einen Zeitraum von sechs Monaten ausreichen. Da er im Jahre 1995 bloß 10 Monate arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, könne nicht von einer Jahresbeitragsgrundlage gesprochen werden. Mangels Vorliegens einer Jahresbeitragsgrundlage für das Jahr 1995 hätte die belangte Behörde die Regelung des § 21 Abs. 2 AlVG heranziehen und sein Einkommen während der Beschäftigung als Rechtspraktikant im Jahr 1996 berücksichtigen müssen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der im Beschwerdefall anzuwendende § 21 Abs. 1 und 2 AlVG in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201/1996 lautet:

"(1) Der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes wird nach Lohnklassen bemessen. Für die Festsetzung der Lohnklasse ist bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni ist das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Liegen keine Jahresbeitragsgrundlagen des letzten bzw. vorletzten Jahres vor, so sind jeweils die Jahresbeitragsgrundlagen des zuletzt vorliegenden Kalenderjahres heranzuziehen. Zeiten, in denen der Arbeitslose infolge Kurzarbeit oder Erkrankung (Schwangerschaft) nicht das volle Entgelt oder wegen Beschäftigungslosigkeit kein Entgelt bezogen hat, sowie Zeiten des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung, wenn das Lehrverhältnis während des Berechnungszeitraumes geendet hat und es für den Arbeitslosen günstiger ist, bleiben bei der Heranziehung der Beitragsgrundlagen außer Betracht. In diesem Fall ist das Entgelt durch die Zahl der Versicherungstage zu teilen und mit 30 zu vervielfachen. Sind die heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes älter als ein Jahr, so sind diese mit dem/den Aufwertungsfaktor/en gemäß § 108 Abs. 4 ASVG des betreffenden Jahres / der betreffenden Jahre aufzuwerten.

(2) Liegen noch keine Jahresbeitragsgrundlagen beim Hauptverband vor, so sind für die Festsetzung der Lohnklasse das Entgelt der letzten sechs Kalendermonate vor der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes heranzuziehen. Sonderzahlungen im Sinne der Gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG) sind anteilsmäßig zu berücksichtigen. Abs. 1 fünfter und sechster Satz ist anzuwenden."

Der vom Beschwerdeführer vorgenommenen Auslegung dieser Bestimmung kann nicht beigetreten werden. Abs. 1 leg. cit. normiert, dass für die Festsetzung der Lohnklasse das Entgelt des letzten bzw. vorletzten Kalenderjahres heranzuziehen ist. Dass dies nur dann gälte, wenn in jedem der zwölf Monate dieses Jahres ein Arbeitsverdienst erzielt wurde, lässt sich dem Wortlaut, auch nicht in Zusammenhang mit § 44 Abs. 1 ASVG, nicht entnehmen. Entscheidend ist das in einem Jahr erzielte Entgelt, wobei Zeiten, in denen aus bestimmten Gründen nicht das volle oder kein Entgelt bezogen wurde, außer Betracht zu bleiben haben. Die Sätze 5 und 6 des § 21 Abs. 1 AlVG bieten hiefür den Berechnungsmaßstab. Hingegen ist es für die Heranziehung des Entgeltes im Kalenderjahr unerheblich, ob der Versicherte in diesem Zeitraum in einer Vollarbeitszeit oder in einer Teilzeit beschäftigt war. Das Entgelt des letzten oder des vorletzten Kalenderjahres ist aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen zu entnehmen. Damit wird im Gegensatz zu der bis dahin in Geltung gestandenen Regelung grundsätzlich nicht mehr auf einen halbjährlichen, sondern auf einen einjährigen Durchrechnungszeitraum abgestellt. Verlängert wurde also der Beobachtungszeitraum. Zur Berücksichtigung der beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen wurde ein Stichtag (1. Juli) gewählt, weil spätestens zu diesem Zeitpunkt die Jahresbeitragsgrundlagen beim Hauptverband vorlägen (so die Erläuterungen der Regierungsvorlage 72 Blg. NR, XX. GP, 235 f).

Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer das Arbeitslosengeld am 25. November 1996 geltend machte und dass damals beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger die Jahresbeitragsgrundlagen für das Jahr 1995 gespeichert waren. Die Behörden haben daher zutreffend diese Beitragsgrundlagen für die Festsetzung der Lohnklasse herangezogen. Ein Fall des § 21 Abs. 2 AlVG liegt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht vor.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998080328.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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