TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/15 G312 2207269-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2018
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Entscheidungsdatum

15.10.2018

Norm

AVG §57 Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2

Spruch

G312 2207269-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: XXXX, vertreten durch den XXXX, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.10.2018, Zl. XXXX, und gegen die andauernde Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Aufwendungen in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion XXXX, vom Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) persönlich übernommen am 01.10.2018, wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

2. Mit dem am 09.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) eingelangten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und gegen die seither andauernde Anhaltung in Schubhaft. In der Beschwerde wurde nach Darlegung der Beschwerdegründe beantragt, das BVwG möge die Verhängung der Schubhaft für rechtswidrig erklären und diese aufheben; feststellen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Gründe für eine weitere Anhaltung in Schubhaft vorliegen, den BF unverzüglich zu enthaften sowie der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen.

3. Auf Grund der entsprechenden Verfügung des BVwG zur Aktenvorlage wurden von der belangten Behörde noch am selben Tag die Bezug habenden Verwaltungsakten elektronisch übermittelt.

4. Am 09.10.2018 wurde vonseiten des BFA, RD XXXX, eine Stellungnahme zur gegenständlichen Beschwerde erstattet sowie beantragt, das BVwG möge die Beschwerde als unbegründet abweisen und feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen sowie die beschwerdeführende Partei zum Ersatz der näher angeführten Kosten für den Vorlage- und Schriftsatzaufwand verpflichten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger von XXXX.

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Der BF stellte am 16.10.2015 nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des (damaligen) Bundesasylamtes vom 15.12.2017, Zl. XXXX, abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt. Mit Erkenntnis des BVwG vom 26.03.2018, Zl. XXXX, wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Der BF war ab 19.04.2018 nicht mehr in Österreich aufhältig, flüchtete nach Deutschland und beantragte am 20.04.2018 internationalen Schutz. Nach Durchführung eines Dublin II Verfahren wurde der BF am 01.10.2018 nach Österreich rücküberstellt und gleich in Schubhaft genommen.

Der BF befindet sich seit 01.10.2018, auf Grund des gegenständlich angefochtenen Schubhaftbescheides durchgehend in Schubhaft, die derzeit im XXXX vollzogen wird.

Die Identifizierung als XXXX Staatsbürger sowie das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde am 18.04.2018 eingeleitet. Es kann jederzeit ein EU Laissez Passer von der XXXX Botschaft ausgestellt werden, da eine Kopie eines Identitätsdokuments des BF vorliegt. Die Abschiebung ist für den 06.11.2018 vorgesehen.

Der BF hat bislang keine Bereitschaft gezeigt, freiwillig ihn seinen Herkunftsstaat XXXX zurückzukehren. Zudem hat er sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren in Österreich durch "Weiterreise" (Flucht) nach Deutschland entzogen. Er hat sich somit als nicht vertrauenswürdig und nicht kooperativ erwiesen.

Die BF verfügt insofern über familiären oder nennenswerten privaten Bindungen in Österreich, als sein Bruder in XXXX mit Asylstatus lebt. Darüber hinaus bestehen keine weiteren, familiären Bindungen in Österreich. Auch Anhaltspunkte für die Annahme einer sozialen Integration in Österreich liegen nicht vor. Der BF verfügt über keine zur Sicherung seines Lebensunterhaltes ausreichenden Mittel und über keine eigene Unterkunft.

Die Unterkunft des Bruders in XXXX ist nicht geeignet, als gelinderes Mittel in Erwägung gezogen zu werden, da der BF bereits einmal nach Rechtskraft der negativen Asylentscheidung samt Rückkehrverpflichtung von dieser Adresse untergetaucht ist und rechtswidrig nach Deutschland weitergereist ist.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Auf Grund des bisherigen Gesamtverhaltens tritt das erkennende Gericht im Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde bei, dass sich der BF bislang im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Ausreise aus Österreich als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat. So hielt sich der BF auch nach rechtskräftig negativem Abschluss des Asylverfahrens und trotz einer aufrechten Ausweisung weiterhin unrechtmäßig in Österreich auf und flüchtete dann nach Deutschland, um der drohenden Abschiebung in seinen Heimatstaat zu entgehen. Der BF war zu keinem Zeitpunkt bereit, freiwillig nach Afghanistan zurückzukehren.

Zuletzt bekräftigte der BF auch niederschriftlich am 01.10.2018, nicht freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückkehren zu wollen. Vielmehr wolle er hier in Österreich bei seinem Bruder bleiben.

Letztlich ist der BF auch über von seinem amtlich angemeldeten Wohnsitz bei seinem Bruder in XXXX untergetaucht und nach Deutschland illegal weitergereist, um sich der Abschiebung zu entziehen.

All diese Umstände deuten unzweifelhaft darauf hin, dass der BF durch dieses Verhalten und im Wissen seines illegalen Aufenthalts die klare Absicht verfolgte, sich nicht an die österreichische Rechtsordnung zu unterwerfen.

Auch wenn der BF nun vorgibt, in seinem Fall könne der Zweck der Schubhaft auch mit einem gelinderen Mittel erreicht werden, ist dies nicht glaubhaft, zeigte doch der BF durch sein bisheriges, andauerndes Verhalten, dass er weder gewillt ist, in sein Heimatland zurückzukehren und im Hinblick auf seinen illegalen Aufenthalt eine Rückführung nach XXXX zu verhindern.

Der BF ist offensichtlich nicht gewillt, sich an die Rechtsordnung zu halten, dies ergibt sich auch daraus, dass er trotz erstinstanzlicher negativer Entscheidung nicht bereit ist in seinen Heimatstaat zurückzukehren.

Der Wohnsitz des Bruders ist nicht geeignet, den Zweck der Schubhaft als gelinderes Mittel zu erreichen. Von diesem Wohnsitz ist der BF bereits einmals - nach Rechtskraft der negativen Asylentscheidung - illegal nach Deutschland weitergereist und hat dort Asyl bantragt.

Es besteht - wie auch die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat - dringende Fluchtgefahr, sowie die Gefahr des Untertauchens. Seine mangelnde Vertrauenswürdigkeit zeigt sich auch dadurch, dass er falsche Angaben zu seiner Identität vorgebracht hat, es konnten bereits zwei Aliasnamen ermittelt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Abweisung der Beschwerde betreffend Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft (Spruchpunkt A.I.):

3.1.1. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Die Schubhaft darf gemäß Abs. 2 Z 1 leg. cit. nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist (Z 2), oder die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen (Z 3).

Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder Z 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt gemäß Abs. 3 leg. cit. vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 4 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Die Schubhaft ist gemäß Abs. 4 leg. cit. schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043). Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138). Schubhaft erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Die Anhaltung eines Asylwerbers in Schubhaft kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die im jeweiligen Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. VwGH 05.07.2011,

Zl. 2008/21/0080 mwN). Dabei bedarf es in dem frühen Verfahrensstadium (etwa vor Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) besonderer Umstände, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden schon zu diesem Zeitpunkt konkret befürchten lassen. In einem späteren Stadium des Asylverfahrens, insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung oder Anordnung zur Außerlandesbringung, können dann unter Umständen auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (vgl. VwGH 23.09.2010, Zl. 2007/21/0432 mwN).

3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Die belangte Behörde hat den vorliegenden Schubhaftbescheid auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt und zum Zweck der Sicherung der Abschiebung erlassen.

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Der BF verfügt über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Gegen den BF besteht eine rechtskräftige Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach XXXX. Der BF ist daher zur Ausreise aus Österreich verpflichtet.

Die belangte Behörde begründete dies vor allem zur Sicherung des Verfahrens hinsichtlich der Vollstreckung der bestehenden Rückkehrentscheidung sowie zur Sicherung der Abschiebung sowie das Vorliegen einer hohen Fluchtgefahr, seinem unsteten Aufenthalt und sein im Verborgenen geführtes Leben sowie mit dem geringen Grad der sozialen Verankerung des BF in Österreich (§ 76 Abs. 3 Z 9), insbesondere auch dessen fehlende Wohnsituation, auch das Fehlen einer aufrechten Meldung, wodurch davon auszugehen wäre, dass der BF bei Belassen auf freiem Fuß erneut untertauchen werde, um die behördlichen Maßnahmen zu verhindern. Der BF sei aufgrund seines bisherigen Vorverhaltens im Verfahren aller Voraussicht nach auch künftig nicht gewillt sich an Rechtsvorschriften zu halten und es bestehe höchste Fluchtgefahr. Dies ist aus den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (Seiten 3-5) klar ersichtlich. Das BFA stützte sich bei der Feststellung der Fluchtgefahr somit erkennbar auf die Ziffern 1 und 3 des § 76 Abs. 3 FPG und prüfte auch den Grad der sozialen Verankerung des BF in Österreich gemäß § 76 Abs. 3 Z 8 und 9 FPG.

Das erkennende Gericht schließt sich der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid dargelegten Feststellung an, dass der BF auf Grund seines bisherigen Verhaltens nicht die erforderliche Vertrauenswürdigkeit aufweist. Der BF hat zu keinem Zeitpunkt seine Bereitschaft bekundet, trotz einer aufrechten Ausreiseverpflichtung freiwillig in seinen Herkunftsstaat XXXX zurückzukehren, sondern hat am 01.10.2018 nochmals ausdrücklich erklärt, nicht nach XXXX zurückzuwollen. Überdies verfügt der BF in Österreich - abgesehen von einem Bruder in Salzburg - auch über keine maßgeblichen familiären oder sonstigen sozialen Bindungen, über keine eigene gesicherte Unterkunft und über keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Lediglich der Umstand, dass der BF vorgibt, bei seinem Bruder leben zu können und von ihm versorgt zu werden, vermag daran nichts zu ändern. Vor allem hat er bereits einmal trotz Unterkunft beim Bruder sich durch "Weiterreise" nach Deutschland der drohenden Abschiebung entzogen und ist nicht bereit, sich der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung zu unterwerfen.

Es kann daher der belangten Behörde unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des BF nicht vorgeworfen werden, wenn sie bei ihrer Entscheidung zur Anordnung der Schubhaft und dem dafür erforderlichen Sicherungsbedarf davon ausging, dass sich der BF durch Untertauchen oder Flucht der beabsichtigten Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen oder die Abschiebung wesentlich erschweren könnte.

Insoweit die belangte Behörde in ihrer Würdigung auch davon ausging, dass ein konkreter Sicherungsbedarf für die Durchführung einer Abschiebung sowie die Erforderlichkeit der Schubhaft als einzige geeignete Sicherungsmaßnahme gegenüber der Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG und auch die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft gegeben waren, begegnet dies aus den bereits dargelegten Erwägungen keinen Bedenken. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Ergebnis zu Recht dargelegt, dass im vorliegenden Fall der erforderliche Sicherungszweck nicht durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG erreicht werden kann. Weder verfügt der BF über ausreichende finanzielle Mittel für die Hinterlegung einer angemessenen Sicherheit, noch war auf Grund des bisherigen Verhaltens davon auszugehen, dass er sich in irgendeiner Weise den Behörden für die beabsichtigte Abschiebung jedenfalls aus freien Stücken zur Verfügung halten würde.

Eine Gesamtabwägung aller angeführten Umstände ergibt daher, dass das öffentliche Interesse an der Sicherung der Abschiebung das Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit überwogen und ein konkretes Sicherungsbedürfnis bestanden hat.

Die belangte Behörde konnte somit unter den gegebenen Umständen zu Recht von einer Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG ausgehen. Auch erweist sich die bisherige Anhaltung in Schubhaft bei Abwägung aller betroffenen Interessen als verhältnismäßig. Die Abschiebung des BF in seinen Heimatstaat ist für 06.11.2018 geplant.

Dem Vorwurf, dass der Inhalt des Bescheides der belangten Behörde an Rechtswidrigkeit leide, ist nicht zu folgen, zumal im gesamten Verfahren vor der belangten Behörde keinerlei Anhaltspunkte dahingehend ersichtlich sind, dass die belangte Behörde willkürlich entschieden hätte. Die maßgebenden Erwägungen, von denen sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung leiten ließ, sind im angefochtenen Bescheid in hinreichend bestimmter und übersichtlicher Art dargelegt.

Da die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen war, dass sich der unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige BF der zu sichernden Abschiebung entziehen könnte, und sie den gegenständlichen Bescheid zutreffend auf die im Spruch angeführten Rechtsvorschriften gestützt hat, war gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm. § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Beschwerde hinsichtlich des Schubhaftbescheides und der darauf gestützten Anhaltung in Schubhaft als unbegründet abzuweisen.

3.2. Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft (Spruchpunkt A.II.):

Den oben unter Punkt 3.1. dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft kommt auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung unverändert Geltung zu.

Darüber hinaus war im gegenständlichen Fall bei der Beurteilung des konkreten Sicherungsbedarfs (infolge Fluchtgefahr) der weiter fortgeschrittene Stand des Verfahrens maßgeblich zu berücksichtigen:

So ist festzuhalten, dass gegen den BF ein Abschiebeauftrag besteht und die Abschiebung nach XXXX bereits für den 06.11.2018 geplant ist.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann nunmehr von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen werden, zumal eine Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat zeitnah möglich und auch wahrscheinlich ist und diese Tatsache dem BF auch bewusst wurde. Auch die mangelnde Vertrauenswürdigkeit des BF, insbesondere auf Grund seines bisherigen Gesamtverhaltens, lässt eine Fluchtgefahr als erheblich erscheinen. So wird der Sicherungsbedarf gerade dadurch verstärkt, dass der BF nunmehr davon in Kenntnis ist, dass eine Abschiebung unmittelbar bevorsteht und er somit seinen bisherigen Aufenthalt in Österreich - auch aufgrund seiner ausdrücklich erklärten Absicht, nicht zurück nach Afghanistan zu wollen - nicht mehr fortsetzen kann und allenfalls auch eine illegale Weiterreise in andere europäische Staaten dadurch verunmöglicht wird, um damit einer Abschiebung zuvorzukommen, welche er bereits einmal nach Deutschland durchgeführt hat.

Aus den eben dargelegten Umständen und insbesondere auch unter Berücksichtigung der fehlenden sozialen Bindungen in Österreich ist aktuell von einer erheblichen Fluchtgefahr auszugehen, zumal besondere Umstände vorliegen, die ein Untertauchen des BF - um sich so einer Abschiebung zu entziehen - befürchten lassen.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG erweist sich im Hinblick auf die erhebliche Fluchtgefahr als nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (Durchführung der Abschiebung) zu erreichen.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen, die der Schubhaft entgegenstehen würden, ist weder dem Vorbringen in der Beschwerde noch den Ermittlungsergebnissen zu entnehmen.

Die fortgesetzte Anhaltung in Schubhaft erweist sich daher zum Zweck der Sicherung der Abschiebung als notwendig und verhältnismäßig. Die Anhaltung in Schubhaft kann somit derzeit auch aus diesem Gesichtspunkt, aber auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft fortgesetzt werden.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substanziierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).

Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wurde zudem auch nicht beantragt.

3.4. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH jeweils vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021 und Ra 2016/21/0144, insbesondere zur geltenden Rechtslage des § 76 FPG (im Zusammenhalt mit unionsrechtlichen Bestimmungen) und der Zulässigkeit eines Kostenzuspruchs und eines "Kostenrisikos" nach § 35 VwGVG. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen ist, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Abschiebung, Aufwandersatz, Interessenabwägung, öffentliche
Interessen, Schubhaft, Schubhaftbeschwerde, Sicherungsbedarf,
Untertauchen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G312.2207269.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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