TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/23 W252 2168179-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.11.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W252 2168191-1/13E

W252 2168179-1/13E

W252 2157090-1/16E

W252 2168185-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Elisabeth SHALA, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerden von

1.) XXXX , geb. XXXX alias XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , und 4.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, alle vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1.) vom 28.07.2017, Zl. 1097167802-151869008, 2.) vom 28.07.2017, Zl. 1097167606-151869016, 3.) vom 20.04.2017, Zl. 1064253902-150391878 und 4.) vom 28.07.2017, Zl. 1097168004-151868982, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer, alle Staatsangehörige Afghanistans, stellten am 18.04.2015 (Drittbeschwerdeführer) bzw. am 24.11.2015 (Erst-, Zweit-, Viertbeschwerdeführer) die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbeschwerde-führerin ist die Ehefrau des Zweitbeschwerdeführers. Der Dritt- und der Viertbeschwerde-führer sind deren Kinder.

2. Die niederschriftliche Erstbefragung des Drittbeschwerdeführers fand am 19.04.2015, die der Erst- und des Zweitbeschwerdeführers am 26.11.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

Die Erstbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass sie Afghanistan aufgrund der Taliban verlassen habe, weil diese auch Kinder für den Krieg rekrutiert hätten. Den Iran habe sie verlassen, weil ihre Kinder nicht in die Schule hätten gehen dürfen und sie nachdem die Gültigkeit ihrer iranischen Identitätskarte abgelaufen sei, nicht mehr habe arbeiten dürfen.

Der Zweitbeschwerdeführer gab zu seinen Fluchtgründen befragt an Afghanistan aufgrund des Krieges und der Taliban, die Personen rekrutiert hätten, verlassen zu haben. Den Iran habe er verlassen, weil seine Kinder nicht in die Schule hätten gehen dürfen und sie weder eine Versicherung noch Rechte im Iran gehabt hätten. Für den Viertbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

Der Drittbeschwerdeführer gab zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass seine Eltern Afghanistan vor seiner Geburt aufgrund des Krieges und der fehlenden Sicherheit verlassen hätten. Den Iran habe er verlassen, weil er als Afghane benachteiligt gewesen sei und keine Möglichkeiten einer Ausbildung gehabt habe.

3. Der Drittbeschwerdeführer wurde am 07.11.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Er gab an, dass seine Familie Afghanistan verlassen habe als er noch sehr jung gewesen sei, weil sein Vater damals Soldat gewesen sei und Feinde gehabt habe. Den Iran habe er aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation und der schwierigen Lebensverhältnisse für dort aufhältige Afghanen sowie wegen seines Traums in einem Verein Fußball zu spielen, verlassen.

Am 15.03.2017 wurden die Erst- und der Zweitbeschwerdeführer beim Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Sie gaben nach ihren Fluchtgründen befragt an, dass der Vater des Zweitbeschwerdeführers Grundstücke an seine Cousins für 10 Jahre verpachtet habe. Nach dessen Tod habe der Zweitbeschwerdeführer die Grundstücke von den Cousins seines Vaters zurückverlangt, was diese jedoch verweigert hätten. Der Zweitbeschwerde-führer sei von den Cousins seines Vaters zusammengeschlagen worden um nicht nochmals die Herausgabe der Grundstücke zu verlangen. Der Zweitbeschwerdeführer habe daraufhin eine Anzeige beim Distriktsvorsteher erstattet. Da die Cousins des Vaters des Zweitbeschwerde-führers jedoch Mitglieder der Taliban seien, habe der Distriktsvorsteher die Behandlung der Anzeige aus Angst abgelehnt. Wegen der erstatteten Anzeige hätten die Cousins seines Vaters in der Nacht Schüsse auf das Haus der Beschwerdeführer abgefeuert. Aus Angst habe die damals schwangere Erstbeschwerdeführerin Schmerzen bekommen und schließlich ihr Kind verloren. In einem Brief sei den Beschwerdeführern gedroht worden Afghanistan zu verlassen sonst würde ihr Haus mit Raketen beschossen werden. Die Beschwerdeführer sind daraufhin in den Iran gezogen. Weil die Erstbeschwerdeführerin befürchtet habe, dass der Zweitbeschwerdeführer dennoch die Grundstücke zurückholen werde, seien sie in Richtung Europa ausgereist. Hinsichtlich des Viertbeschwerdeführers wurden wiederum keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

4. Der Drittbeschwerdeführer nahm mit Schriftsatz vom 14.11.2016 Stellung zur Situation in seinem Herkunftsland und seiner Situation im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan.

5. Das Bundesamt wies die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz mit oben genannten Bescheiden sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen die Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen bzw. 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführer keine asylrelevanten Fluchtgründe geltend bzw. glaubhaft gemacht hätten. Es drohe den Beschwerdeführern auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Die Beschwerdeführer würden in Österreich - abgesehen voneinander - zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehr-entscheidung entgegenstehe, verfügen.

6. Die Beschwerdeführer erhoben gegen oben genannte Bescheide fristgerecht Beschwerde und brachten im Wesentlichen vor, dass das Ermittlungsverfahren des Bundesamtes nicht den Anforderungen des § 18 Abs. 1 AsylG genügt habe, weshalb das Verfahren mangelhaft sei. So habe das Bundesamt keinerlei Ermittlungen zum Lebensstil insbesondere der Erst- und des Drittbeschwerdeführers in Österreich angestellt. Das Bundesamt habe seine Einschätzungen ausschließlich auf eigene Anschauungen zu Vorgängen in Afghanistan und auf Länderberichte, die sich nicht mit Grundstückstreitigkeiten befassen, gestützt sowie darauf, dass die Aussagen der Beschwerdeführer - ohne dies nachvollziehbar zu erläutern - als nicht glaubwürdig einstuft. Der Erstbeschwerdeführerin wäre aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der (westlich orientierten) Frauen der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen. Der Drittbeschwerdeführer falle unter mehrere Risikoprofile in Afghanistan aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie und seiner (zumindest unterstellten) pro-westlichen Einstellung, da er nahezu sein gesamtes Leben im Iran oder in Europa gewesen sei. Jedenfalls sei den Beschwerdeführern aufgrund der allgemein schlechten Sicherheitslage in Afghanistan zumindest der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.10.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie im Beisein der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Die Verfahren der Beschwerdeführer wurden zur gemeinsamen Verhandlung verbunden. Ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde dem Bundesamt übermittelt.

8. Mit Stellungnahme vom 19.10.2018 wurde vorgebracht, dass der Viertbeschwerdeführer aufgrund der individuellen und familiären Situation sowie der besonderen Schutzbedürftigkeit von minderjährigen Kindern, der hohen Zahl an minderjährigen Opfer in Afghanistan, der dadurch eingeschränkten Bewegungsfreiheit und der schwierigen wirtschaftlichen Rahmen-bedingungen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass der Viert-beschwerdeführer im Falle einer Ansiedelung in Kabul oder Mazar-e Sharif einem realen Risiko ausgesetzt wäre, in eine existenzbedrohende (Not-)Lage zu geraten.

9. Mit Parteiengehör vom 24.10.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht eine auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan von Juni 2018 (Seite 21 bis 25 und 98 bis 109); eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in Herat-Stadt und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018; eine ACCORD-Anfragebeantwortung zu den Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018 den Parteien zur Stellungnahme.

Die Parteien brachten keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Erstbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX alias XXXX . Der Zweitbeschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin

sind traditionell miteinander verheiratet (W252 2168179-1 = BF 2 AS

98, 102; W252 2168191-1 = BF 1 AS 116, 119). Dieser Ehe entstammen

der Drittbeschwerdeführer, der den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX führt sowie der minderjährige Viertbeschwerdeführer, der den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX führt.

Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennen sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben (Verhandlungs-protokoll vom 08.10.2018 = VP, S. 8, 20, 26). Sie sprechen die Sprache Dari als Muttersprache (VP, S. 4, 27).

Die Erstbeschwerdeführerin ist in der Provinz Herat im Distrikt XXXX geboren und dort zunächst mit ihrer Familie aufgewachsen. Im Alter von ca. 10 Jahren ist die Erstbeschwerdeführerin mit ihren Eltern in das Dorf XXXX in der Provinz Herat gezogen. Die Familie der Erstbeschwerdeführerin hat ihren Lebensunterhalt aus ihren landwirtschaftlich genutzten Grundstücken bestritten (BF 1 AS 118 f; VP, S. 8).

Der Zweitbeschwerdeführer ist in der Stadt XXXX , im Distrikt Zenda Jan, in der Provinz Herat geboren und dort gemeinsam mit seiner Familie aufgewachsen. Die Familie des Zweitbeschwerdeführers hat ihren Lebensunterhalt aus ihren landwirtschaftlich genutzten Grundstücken bestritten (BF 2 AS 98 f). Nach der traditionellen Heirat der Erst- und des Zweitbeschwerdeführers ist die Erstbeschwerdeführerin zu ihrem Mann in die Stadt XXXX (Heimatstadt der Beschwerdeführer) gezogen (BF 1 AS 118). Der Zweitbeschwerdeführer hat in Afghanistan auf Baustellen gearbeitet (BF 2 AS 99 f; BF 1 AS 118). Der Drittbeschwerdeführer wurde in der Provinz Herat geboren (W2157090-1 = BF 3 AS 127 f; BF 1 AS 119). Die Beschwerdeführer sind ca. 2007 in den Iran gezogen, wo der Viertbeschwerdeführer geboren wurde (BF 1 AS 15 ff, 119; BF 2 AS 17). Im Iran hat die Erstbeschwerdeführerin als Aushilfe im Haushalt (Putzfrau) (BF 1 AS 17), der Zweitbeschwerdeführer als Schweißer, der Drittbeschwerdeführer in einem Restaurant sowie auf Baustellen als Hilfsarbeiter gearbeitet (BF 2 AS 99 f; BF 1 AS 119; BF 3 AS 129).

Die Beschwerdeführer reisten unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellten am 18.04.2015 (Drittbeschwerdeführer) bzw. am 24.11.2015 (Erst-, Zweit-, Viertbeschwerdeführer) einen Antrag auf internationalen Schutz (BF 1 AS 11 ff; BF 2 AS 11 ff; BF 3 AS 5 ff).

Die Beschwerdeführer verfügen nach wie vor noch über ihr Haus in ihrer Heimatstadt, im Distrikt XXXX , in der Provinz Herat sowie über verpachtete Grundstücke (BF 1 AS 120; BF 2 AS 101).

Die Erstbeschwerdeführerin verfügt noch über ihre Eltern sowie einen Bruder in der Provinz Herat. Ihre Familie bestreitet ihren Unterhalt nach wie vor aus den Grundstücken, die landwirtschaftlich genutzt werden (VP, S. 8 f; BF 1 AS 116 f). Die Beschwerdeführer stehen regelmäßig im Kontakt mit der Familie der Erstbeschwerdeführerin (VP, S. 9; BF 1 AS 119 f). Sie verfügt weiters über vier Brüder im Iran (VP, S. 10; BF 1 AS 117).

Der Zweitbeschwerdeführer verfügt über zwei Brüder und eine Schwester im Iran sowie über zwei Brüder in Deutschland (BF 2 AS 15, 98, 100).

Die Beschwerdeführer leiden an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen oder sonstigen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer sind arbeitsfähig.

1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Das von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1. Die Beschwerdeführer sind nach ihrem jahrelangen Aufenthalt im Iran nicht nach Afghanistan zurückgekehrt. Es hat keine Grundstücksstreitigkeiten zwischen dem Zweitbeschwerdeführer und den Cousins seines Vaters oder anderen Personen gegeben. Der Vater des Zweitbeschwerdeführers ist nicht von dessen Cousins umgebracht worden. Die Beschwerdeführer wurden von den Cousins des Vaters des Zweitbeschwerdeführers weder geschlagen oder mit dem Tod bedroht noch waren sie konkreten Verfolgungshandlungen ausgesetzt. Auf das Haus der Beschwerdeführer wurde auch nicht geschossen.

Die Beschwerdeführer haben Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in ihre körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Den Beschwerdeführern droht im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keine asylrelevante Verfolgung durch Familienangehörige oder durch andere Personen.

1.2.2. Die Erstbeschwerdeführerin ist in Afghanistan allein aufgrund ihres Geschlechts keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.

Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich nicht um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Sie spricht (faktisch) kaum Deutsch und kann weder lesen noch schreiben. Sie kümmert sich in Österreich primär um den Haushalt und ihre Kinder. Sie hat in Österreich Kontakte zu Nachbarn und Lehrern des Viertbeschwerdeführers knüpfen können. Sie trägt in Österreich ein Kopftuch.

1.2.3. Der Drittbeschwerdeführer gilt aufgrund seines Kleidungs- oder Lebensstils in Afghanistan nicht als westlich orientiert.

Die Beschwerdeführer sind in Afghanistan allein aufgrund ihres Aufenthaltes im Iran und Europa keiner psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt.

1.2.4. Dem Viertbeschwerdeführer wäre es weder unmöglich oder unzumutbar, sich in das afghanische Gesellschaftssystem zu integrieren noch würde ihm aufgrund seines Alters bzw. vor dem Hintergrund der Situation der Kinder in Afghanistan physische und/oder psychische Gewalt drohen. Er ist deswegen keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.

In Afghanistan besteht Schulpflicht, ein Schulangebot ist faktisch auch vorhanden. Es besteht daher keine Gefahr einer Verfolgung, wenn dem Viertbeschwerdeführer eine grundlegende Bildung zukommt.

1.2.5. Die Beschwerdeführer verließen den Iran aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen für dort aufhältige Afghanen.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in ihren Herkunftsstaat:

Den Beschwerdeführern würde bei einer Rückkehr in ihre Heimatstadt ( XXXX ), im Distrikt Zenda Jan, in der Provinz Herat kein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit drohen. Die Versorgungslage ist aufgrund der Dürre in der Provinz derzeit zwar angespannt. Die Beschwerdeführer können in ihrer Heimatstadt jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Die Beschwerdeführer verfügen in der Provinz Herat über ein soziales und familiäres Netzwerk. Die Beschwerdeführer können im eigenen Eigentumshaus in ihrer Heimatstadt, in dem sie auch bisher gelebt haben, wohnen (BF 1 AS 120; BF 2 AS 101). Die Beschwerdeführer können ihren Unterhalt zunächst aus dem Pachtzins ihrer verpachteten Grundstücke bestreiten. Die Beschwerdeführer können zumindest anfänglich auch mit finanzieller Unterstützung durch die Familie der Erstbeschwerdeführerin rechnen. Insbesondere der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer sowie die Erstbeschwerdeführerin können für ihr Auskommen und Fortkommen sowie für das des Viertbeschwerdeführers sorgen.

Dem Viertbeschwerdeführer ist es möglich nach einer Rückkehr in die Heimatstadt seiner Eltern in der Provinz Herat eine Schule zu besuchen und sich an die sozialen und kulturellen Gegebenheiten in Afghanistan anzupassen, nämlich neue Kontakte knüpfen, die begonnene Schulbildung fortsetzen, studieren, einen Beruf lernen, einer eigenständigen Arbeit nachgehen und die Sprachkenntnisse über die Muttersprache vertiefen.

Es ist den Beschwerdeführern somit möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Rückkehr in ihre Heimatstadt in der Provinz Herat Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zum (Privat)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Der Drittbeschwerdeführer ist seit seiner Antragsstellung am 18.04.2015, die Erst-, der Zweit- und der Viertbeschwerdeführer seit ihrer Antragstellung am 24.11.2015, aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig in Österreich aufhältig.

Die Erst- und der Zweitbeschwerdeführer haben zwar Alphabetisierungs- und Deutschkurse besucht (BF 1 AS 101, 103, 109, 110; Teilnahmebestätigung A1-Sprachkurs vom 31.07.2018; Empfehlungsschreiben der Deutschkursleiterin vom 31.07.2018). Die Erstbeschwerdeführerin verfügt jedoch praktisch kaum, der Zweitbeschwerdeführer nur über geringe Deutsch-kenntnisse (VP, S. 11, 21). Die Erst- und der Zweitbeschwerdeführer haben an einem Workshop zum Thema "Asylverfahren in Österreich" im Rahmen des Projekts "Protect" und am Basismodul des Projekts "Protect Plus" teilgenommen (jeweils Teilnahmebestätigung vom 14.07.2018 und 21.09.2018). Der Drittbeschwerdeführer hat Deutschkurse besucht und verfügt über mittelmäßige Deutschkenntnisse (BF 3 AS 173; Bestätigung Deutschkurs vom 03.11.2016; VP, S. 28).

Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer gehen in Österreich keiner beruflichen Tätigkeit nach. Sie leben von der Grundversorgung (VP, S. 16, 22, 28).

Die Erstbeschwerdeführerin erbringt seit Februar 2016 gemeinnützige Tätigkeiten in Form von Reinigungsleistungen für die Schule und den Kindergarten in der Gemeinde XXXX (Arbeitsbestätigung der Gemeinde XXXX vom 02.03.2017, 19.06.2018 und 21.09.2018; Bestätigung von Frau XXXX aus Juni 2018). Der Zweitbeschwerdeführer hat im September 2016 gemeinnützige Tätigkeiten für die Gemeinde XXXX (Bestätigung Gemeindeamt XXXX vom 13.03.2017) sowie seit Mai 2016 gemeinnützige Tätigkeiten für die Gemeinde XXXX (Arbeitsbestätigung Gemeinde XXXX vom 21.09.2018) geleistet und im Jahr 2016 sieben Stunden und im Jahr 2017 zwölf Stunden gemeinnützige Arbeit für die Gemeinde XXXX (Bestätigung Gemeinde XXXX vom 14.03.2017) sowie im Juli 2016 29 Stunden, im August 2016 15 Stunden und im September 2016 10,5 Stunden und auch im Jahr 2018 gemeinnützige Arbeit für die Gemeinde XXXX (Bestätigung Gemeinde XXXX vom 13.03.2017; Arbeitszeugnis vom Bürgermeister der Gemeinde XXXX vom 04.10.2018) erbracht. Der Drittbeschwerdeführer arbeitet seit August 2016 regelmäßig gemeinnützig bei der Holding XXXX (Bestätigung vom 03.11.2016; BF 3 AS 175) und ist Mitglied in einem Fußballteam (Mitgliedschaftsbestätigung vom 03.11.2016; BF 3 AS 177).

Die Beschwerdeführer werden von ihren Betreuern und Nachbarn in Österreich sehr geschätzt (Unterstützungsschreiben der Betreuerin von 13.03.2017 und 04.10.2018, der Mitbewohner und des Hausmeisters vom 27.09.2018, einer Nachbarin vom 26.09.2018 sowie Herrn XXXX aus September 2018) und haben freundschaftliche Kontakte zu ihnen knüpfen können, jedoch bestehen keine engen sozialen Kontakte zu diesen (VP, S. 14, 22, 29).

Der Viertbeschwerdeführer besuchte im Jahr 2016/2017 einen Kindergarten und seit dem Schuljahr 2017/2018 eine Volksschule (BF 1 AS 107; VP, S. 12).

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 11.09.2018 - LIB 11.09.2018, S. 27).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 11.09.2018, S. 27).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 11.09.2018, S. 30).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 11.09.2018, S. 38).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 11.09.2018, S. 31).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 11.09.2018, S. 31).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (LIB 11.09.2018, S. 31).

Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 11.09.2018, S. 32 ff, 36).

Taliban:

Die Taliban konzentrierten sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" nicht. Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren. Das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 ist auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (LIB 11.09.2018, S. 40 f).

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in 16 Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (LIB 11.09.2018, S. 107).

Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (LIB 11.09.2018, S. 107, 229 f).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (LIB 11.09.2018, S. 107).

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Die Provinz Herat zählt zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (LIB 11.09.2018, S. 108).

Nach zehn Jahren der Entminung sind nun 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 11.09.2018, S. 108).

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 11.09.2018, S. 109).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt; dabei wurden Taliban getötet. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (LIB 11.09.2018, S. 109).

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Dem Iran wird nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren. Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (LIB 11.09.2018, S. 110).

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (LIB 11.09.2018, S. 110).

Medizinische Versorgung

Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (LIB 11.09.2018, S. 328).

Frauen

Die konkrete Situation von Frauen in Afghanistan ist erheblich von Faktoren wie Herkunft, Familie, Bildungsstand, finanzieller Situation und Religiosität abhängig. Obwohl sich die Lage afghanischer Frauen in den letzten Jahren erheblich verbessert hat, kämpfen viele weiterhin mit Diskriminierung auf einer Vielzahl von Ebenen, wie rechtlich beruflich, politisch und sozial. Gewalt gegen Frauen bleibt weiterhin ein ernsthaftes Problem. Frauen im Berufsleben und in der Öffentlichkeit müssen oft gegen Belästigung und Schikane kämpfen und sehen sich oft Drohungen ausgesetzt (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation über Frauen in urbanen Zentren vom 18.09.2017, S. 10).

Frauenkleidung umfasst in Afghanistan ein breit gefächertes Spektrum, von moderner westlicher Kleidung, über farbenreiche volkstümliche Trachten, bis hin zur Burka und Vollverschleierung - diese unterscheiden sich je nach Bevölkerungsgruppe. Während Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat häufig den sogenannten "Manteau shalwar" tragen, d.h. Hosen und Mantel mit verschiedenen Arten der Kopfbedeckung, bleiben konservativere Arten der Verschleierung, wie der Chador und die Burka (in Afghanistan Chadri genannt) weiterhin, auch in urbanen Gebieten, vertreten (Anfragebeantwortung 18.09.2017, S. 10, S. 2).

Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt. Laut Verfassung haben alle afghanischen Staatsbürger/innen das Recht auf Bildung. Öffentliche Kindergärten und Schulen sind bis zur Hochschulebene kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten sind kostenpflichtig (LIB 11.09.2018, S. 292). Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an (LIB 11.09.2018, S. 293).

Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind in einer Vielzahl von beruflichen Feldern aktiv. Frauen arbeiten sowohl im öffentlichen Dienst, als auch in der Privatwirtschaft. Sie arbeiten im Gesundheitsbereich, in der Bildung, den Medien, als Polizistinnen und Beamtinnen, usw. Sie sind jedoch mannigfaltigen Schwierigkeiten im Berufsleben ausgesetzt, die von Diskriminierung in der Einstellung und im Gehalt, über Schikane und Drohungen bis zur sexuellen Belästigung reichen. Frauen der Mittel- und Unterschicht kämpfen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt und Lohnungleichheit. Dazu müssen Frauen unverhältnismäßig oft unbezahlte Arbeit leisten (Anfragebeantwortung 18.09.2017, S. 22). In urbanen Zentren werden zudem vermehrt Freizeitangebote speziell für Frauen angeboten (Anfragebeantwortung 18.09.2017, S. 29 ff).

Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert; dies hängt auch mit den NGOs und den privaten Firmen zusammen, die in Afghanistan aktiv sind. Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent, weshalb viele Frauen im ländlichen Afghanistan, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nachgehen (LIB 11.09.2018, S. 294).

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzung und Misshandlung über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigung und Mord. Zu geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt zählen außerdem noch die Praxis der badal-Hochzeiten (Frauen und Mädchen, die im Rahmen von Heiratsabmachungen zwischen Familien getauscht werden) bzw. des ba'ad (Mädchen, die zur Konfliktlösung abgegeben werden) (LIB 11.09.2018, S. 298 f; Analyse der Staatendokumentation betreffend Frauen in Afghanistan vom 02.07.2014).

Kinder

Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Während Mädchen unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen waren, machen sie von den heute ca. acht Millionen Schulkindern rund drei Millionen aus. Der Anteil der Mädchen nimmt jedoch mit fortschreitender Klassen- und Bildungsstufe ab. Den geringsten Anteil findet man im Süden und Südwesten des Landes (Helmand, Uruzgan, Zabul und Paktika). Landesweit gehen in den meisten Regionen Mädchen und Buben in der Volksschule in gemischten Klassen zur Schule; erst in der Mittel- und Oberstufe werden sie getrennt (LIB 11.09.2018, S. 306).

Der Schulbesuch ist in Afghanistan bis zur Unterstufe der Sekundarbildung Pflicht (die Grundschule dauert sechs Jahre und die Unterstufe der Sekundarbildung drei Jahre). Das Gesetz sieht kostenlose Schulbildung bis zum Hochschulniveau vor (LIB 11.09.2018, S. 306).

Aufgrund von Unsicherheit, konservativen Einstellungen und Armut haben Millionen schulpflichtiger Kinder keinen Zugang zu Bildung - insbesondere in den südlichen und südwestlichen Provinzen. Manchmal fehlen auch Schulen in der Nähe des Wohnortes. Jedoch wird durch UNICEF in Dorfgemeinschaften, die mehr als drei Kilometer von einer ordentlichen Schule entfernt sind eine Dorfschule mit lediglich einer Klasse errichtet um auch diesen Kindern Zugang zu Bildung zu ermöglichen. In von den Taliban kontrollierten Gegenden sind gewalttätige Übergriffe auf Schulkinder, insbesondere Mädchen, ein weiterer Hinderungsgrund beim Schulbesuch. Taliban und andere Extremisten bedrohen und greifen Lehrer/innen sowie Schüler/innen an und setzen Schulen in Brand (LIB 11.09.2018, S. 306).

Afghanistan hat die Konvention zum Schutze der Kinder ratifiziert. Kinderarbeit ist in Afghanistan somit offiziell verboten. Kinderarbeit bleibt jedoch ein tiefgreifendes Problem. Viele Familien sind auf die Einkünfte ihrer Kinder angewiesen. Daher ist die konsequente Umsetzung eines Kinderarbeitsverbots schwierig. Es gibt allerdings Programme, die es Kindern erlauben sollen, zumindest neben der Arbeit eine Schulausbildung zu absolvieren. Auch ein maximaler Stundensatz und Maßnahmen zum Arbeitsschutz (wie z. B. das Tragen einer Schutzmaske beim Teppichknüpfen) wurden gesetzlich geregelt. Der Regierung fehlt es allerdings an durchsetzungsfähigen Überprüfungsmechanismen für diese gesetzlichen Regelungen. Allgemein kann gesagt werden, dass schwache staatliche Institutionen die effektive Durchsetzung des Arbeitsrechts hemmen und die Regierung zeigt nur geringe Bemühungen, Kinderarbeit zu verhindern oder Kinder aus ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien (LIB 11.09.2018, S. 309).

Wirtschaft:

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 11.09.2018, S. 321).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 11.09.2018, S. 321 f).

Dürre und Versorgungslage in der Provinz Herat

In der Provinz stehen Zahlungen in Höhe von 208 Mio. Afghanis an die Wasserversorgungsanstalt aus, weshalb die Wasserversorgungsanstalt Infrastrukturprojekte verschieben musste. Veraltete Kanalsysteme und einen Mangel an Spezialwerkzeugen zum Auffinden und Reparieren von undichten stellen weitere Probleme der Wasserversorgungsanstalt dar. Die Wasserversorgung und Kanalisation umfasst nur sieben Bezirke in der Provinz Herat, darunter Ghorian, Zanda Jan, Shindand, Obe and Pashton Zarghon (Anfragebeantwortung Staatendokumentation vom 13.09.2018, S. 2 f).

Afghanistan wird dieses Jahr rund 2-2,5 Mio. Tonnen an Getreide importieren müssen um seinen Bedarf zu decken. Das sind rund 10% mehr als im vergangenen Jahr. Da die Getreideernte im Iran und Pakistan voraussichtlich gut sein wird, sollte dieses Defizit durch konventionelle marktwirtschaftliche Kanäle ausgeglichen werden können. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vorjahr in den meisten großen Märkten unverändert (Anfragebeantwortung Staatendokumentation vom 13.09.2018, S. 3).

Die Provinz Herat ist für ca. 60.000 Menschen, die aufgrund der Dürre aus ihren Häusern vertrieben worden sind, zum nächst gelegenen Zufluchtsort geworden. Auch der Konflikt habe viele dazu veranlasst aus ihren Häusern in den verhältnismäßig sicheren Teil der Provinz zu fliehen. Sie würden in prekären Verhältnissen leben und weder eine langfristige Perspektive noch die Mittel dafür haben, Stabilität wiederzuerlangen. Trotz der rasch bereit gestellten Hilfe würden Trinkwasser, Lebensmittel und medizinische Versorgung fehlen. Viele Menschen würden an Dehydrierung leiden, wofür Kinder und ältere Binnenvertriebene besonders anfällig seien (ACCORD Anfragebeantwortung vom 12.10.2018, S. 5).

Die Auswirkungen der Lebensmittel-Krise sind in ganz Afghanistan präsent, da die Kaufkraft sinke, die normale Lebensgrundlage durch Konflikte gestört werde und der Ertrag der regenwassergespeisten Grundnahrungsmittel schlecht sei und zu einem im Vergleich zu den letzten Jahren erhöhten Bedarf an Unterstützung im Ernährungsbereich führe. Insbesondere in nördlichen, nordöstlichen und nordwestlichen Gebieten dürften arme Haushalte, die von der wassergespeisten Weizenproduktion abhängig seien, bis zur Frühjahrsernte im nächsten Jahr Schwierigkeiten haben, den Konsumbedarf zu decken (ACCORD Anfragebeantwortung vom 12.10.2018, S. 11).

Die "Food Consumption Scores" (= ein Wert, der sich aus der Ernährungsvielfalt, der Häufigkeit der Lebensmittel und der relativen Ernährungsbedeutung verschiedener Lebensmittelgruppen zusammensetzt) der ländlichen Bevölkerung ist unter anderem in Herat kritisch. Unter den vertriebenen Familien in den Provinzen der westlichen Region ist die Situation noch schwerwiegender: 82 Prozent der Familien hätten schlechte Food Consumption Scores und 72 Prozent müssten auf negative Bewältigungsmechanismen zurückgreifen, wie die Reduktion der Nahrungsmittelzufuhr oder der Anzahl der Mahlzeiten (ACCORD Anfragebeantwortung vom 12.10.2018, S. 7).

Insbesondere im Distrikt Zindajan, in der Provinz Herat stellt sich die Situation jedoch nicht als stark lebensmittelunsicher dar, zumal der Distrikt in der untersten Kategorie der Distrikte, die sich nach der Anzahl der Personen, die auf Distriktebene stark lebensmittelunsicher sind, gliedern, eingestuft wurde (Abbildung Anfragebeantwortung Staatendokumentation vom 13.09.2018, S. 11). Der Distrikt Zindajan wurde auch nur der IPC-Kategorie 2 (stressed) zugeordnet (Abbildung ACCORD Anfragebeantwortung vom 12.10.2018, S. 12), sodass sich in diesem Distrikt die Situation nicht dergestalt darstellt, dass jeder in Hungersnot gerate.

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 11.09.2018, S. 334).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 11.09.2018, S. 335 f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 11.09.2018, S. 336f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 11.09.2018, S. 337 f).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 11.09.2018, S. 338 f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 11.09.2018, S. 339).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 11.09.2018, S. 339 f).

Rückkehrer stoßen auf soziale Ablehnung durch AfghanInnen, die während der Konfliktjahre in Afghanistan geblieben seien. Es gibt zwei wichtige Gründe, warum Flüchtlinge der zweiten Generation bei ihrer Rückkehr in ihr Heimatland mit dieser sozialen Exklusion konfrontiert seien: Zum einen werden einige Flüchtlinge als "Eindringlinge" in die afghanische Gesellschaft angesehen, zum zweiten handelt es sich um das erste Mal, dass sie als AfghanInnen mit tiefgreifenden ethnischen und Stammes-Unterschieden unter ihren Landsleuten konfrontiert würden (ACCORD Anfragebeantwortung 12.06.2015, S. 4).

Es gibt eine generelle negative Einstellung gegenüber einigen RückkehrerInnen, denen von einigen in Afghanistan verbliebenen Personen vorgeworfen wird, ihr Land im Stich gelassen zu haben, dem Krieg entflohen zu sein und im Ausland ein wohlhabendes Leben geführt zu haben. Einer der Gründe für diese Vorwürfe ist Angst im Zusammenhang mit der Konkurrenz um Ressourcen. RückkehrerInnen der zweiten Generation, bei denen es wahrscheinlich ist, dass sie sich in einer besseren sozioökonomischen Lage befinden würden als Personen, die in Afghanistan geblieben sind, würden von ihren Landsleuten, die ihr "Territorium" in den Bereichen Bildung, Arbeit, Eigentum und sozialer Status bedroht sehen würden, manchmal als unerwünschte Eindringlinge angesehen. Darüber hinaus scheint es eine stereotype Wahrnehmung von zurückgekehrten Mädchen und Frauen zu geben, wonach diese "freier" seien. Dies hänge mit der generellen Wahrnehmung der AfghanInnen von pakistanischen und iranischen Frauen zusammen (ACCORD Anfragebeantwortung 12.06.2015, S. 5).

Wegen ihres Akzents würden RückkehrerInnen leicht als RückkehrerInnen ausgemacht, was zu sozialer Ausgrenzung führen kann. RückkehrerInnen sind auch mit Diskriminierung und Erniedrigung (seitens einiger staatlicher Einrichtungen, darunter auch Bildungseinrichtungen), konfrontiert (ACCORD Anfragebeantwortung 12.06.2015, S. 9).

Es kann nicht festgestellt werden, dass Rückkehrer, auf Grund dieses Merkmals, in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt sind.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die Verwaltungs- und Gerichtsakten, durch Einvernahme der Erst- bis Drittbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 11.09.2018; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 in englischer Sprache; Analyse der Staatendokumentation betreffend Frauen in Afghanistan vom 02.07.2014; Bericht der Staatendokumentation über Frauen in urbanen Zentren vom 18.09.2017; ACCORD Anfragebeantwortung zur Situation von afghanischen Staatsangehörigen, die aus dem Iran nach Afghanistan zurückkehren 12.06.2015; Unterstützungsschreiben ihrer Betreuerin von 13.03.2017 und 04.10.2018, ihrer Mitbewohner und des Hausmeisters vom 27.09.2018, einer Nachbarin vom 26.09.2018 sowie Herrn XXXX aus September 2018; zu BF 1: Teilnahmebestätigung A1-Sprachkurs vom 31.07.2018; Empfehlungsschreiben der Deutschkursleiterin vom 31.07.2018; Teilnahmebestätigung am Projekt "Protect" und "Protect Plus" vom 14.07.2018 und 21.09.2018; Arbeitsbestätigung der Gemeinde XXXX vom 02.03.2017, 19.06.2018 und 21.09.2018; Bestätigung von Frau XXXX aus Juni 2018; zu BF 2:

Teilnahmebestätigung am Projekt "Protect" und "Protect Plus" vom 14.07.2018 und 21.09.2018; Bestätigung Gemeindeamt XXXX vom 13.03.2017; Arbeitsbestätigung Gemeinde XXXX vom 21.09.2018;

Bestätigung Gemeinde XXXX vom 14.03.2017; Bestätigung Gemeinde XXXX vom 13.03.2017; Arbeitszeugnis vom Bürgermeister der Gemeinde XXXX vom 04.10.2018; zu BF 3: Bestätigung Deutschkurs vom 03.11.2016;

Bestätigung der Holding XXXX vom 03.11.2016;

Mitgliedschaftsbestätigung vom 03.11.2016) sowie durch Einsichtnahme in die mit Parteiengehör vom 24.10.2018 ins Verfahren eingebrachten Berichte (auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan von Juni 2018 [Seite 21 bis 25 und 98 bis 109];

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in Herat-Stadt und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018;

ACCORD-Anfragebeantwortung zu den Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018) sowie in die Stellungnahme vom 19.10.2018.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:

2.1.1. Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.

2.1.2. Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihren Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum der Beschwerdeführer gelten ausschließlich zur Identifizierung der Personen der Beschwerdeführer im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, ihrer Muttersprache und ihrem Lebenslauf (ihr Aufwachsen sowie ihre familiäre und wirtschaftliche Situation in Afghanistan und im Iran, die [fehlende] Schulausbildung und die jeweilige Berufserfahrung der Beschwerdeführer) sowie ihre gegenseitigen Familienverhältnisse gründen auf den diesbezüglich schlüssigen und im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der Beschwerdeführer, weshalb das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung hat, an diesen zu zweifeln.

Die Feststellungen zur Einreise sowie das Datum der Antragstellung ergeben sich aus den Akteninhalten.

2.1.3. Die Feststellungen zu den Familienangehörigen der Erstbeschwerdeführerin im Iran und in Afghanistan sowie zu deren Eigentumsverhältnissen und dem aufrechten Kontakt zu ihrer Familie in Afghanistan stützen sich insbesondere auf ihre diesbezüglich stringenten Angaben beim Bundesamt und in der Beschwerdeverhandlung (VP, S. 8 ff; BF 1 AS 116 f, 119).

Die Feststellungen betreffend die Familienangehörigen des Zweitbeschwerdeführers im Iran ergeben sich aus den diesbezüglich gleichgebliebenen Angaben des Zweitbeschwerdeführers in der Erstbefragung und beim Bundesamt (BF 2 AS 15, 98, 100).

2.1.4. Dass die Beschwerdeführer noch über ein Haus in ihrer Heimatstadt in der Provinz Herat verfügen, ergibt sich aus den Aussagen der Erst- und des Zweitbeschwerdeführers beim Bundesamt, wonach sie im Falle einer Rückkehr wieder in ihrem Haus wohnen könnten, wenn sie keine Probleme [Anm. BVwG: bezogen auf die Fluchtgründe] hätten (BF 1 AS 120; BF 2 AS 101). Dass Gericht schließt daraus, dass die Beschwerdeführer noch über das Haus verfügen. Da die Angaben der Beschwerdeführer zum Fluchtvorbringen (somit auch zu den Streitigkeiten bezüglich ihrer Grundstücke) einerseits nicht glaubhaft sind und keine Verfolgung der Beschwerdeführer festgestellt wurde (siehe Punkt II.2.2.1.) ist es für das Gericht auch nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführer Probleme in Afghanistan gehabt haben oder nach wie vor haben. Es war daher festzustellen, dass die Beschwerdeführer noch über ihr Haus in der Provinz Herat sowie die verpachteten Grundstücke verfügen und sie im Falle einer Rückkehr (wieder) darin wohnen können sowie ihren Lebensunterhalt aus dem Pachtzins bestreiten können (Punkt II.1.3.).

2.1.5. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin gründen auf den diesbezüglich schlüssigen Aussagen beim Bundesamt und in der Beschwerdeverhandlung (BF 1 AS 115; BF 2 AS 97; VP, S. 7) und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist. Sofern der Drittbeschwerdeführer einen Befund vom 21.06.2016 mit der Diagnose XXXX [Anm. BVwG: von der XXXX ] im Verfahren vorgelegt hat (BF 3 AS 171), kommt diesem in Anbetracht des bereits älteren Datums und weil der Beschwerdeführer derartige Schmerzen in der Beschwerdeverhandlung nicht erwähnt hat und keine Befunde neueren Datums vorgelegt hat, nur insofern Bedeutung zu, dass aktuell deshalb eine Behandlung und Medikamenteneinnahme offenkundig nicht mehr notwendig ist. Es konnte daher bei keinem der Beschwerdeführer eine lebensbedrohliche Erkrankung oder schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen festgestellt werden. Sofern der Drittbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angegeben hat aufgrund seiner Operation am Knie keiner Beschäftigung oder Aktivitäten nachgehen zu können (VP, S. 28 f), ist ihm seine Aussage beim Bundesamt, wo er ebenfalls angegeben hat am Knie operiert worden zu sein, es ihm diesbezüglich aber wieder gut gehe (BF 3 AS 129), entgegenzuhalten. Zudem hat der Drittbeschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung angegeben, mit österreichischen Jungs im Park Fußball zu spielen (VP, S. 29). Da die Erst- bis Drittbeschwerdeführer gemeinnützige Tätigkeiten erbringen und - wie soeben ausgeführt - auch sonst keine Umstände einer Arbeitsunfähigkeit der Erst- bis Drittbeschwerdeführer im Verfahren hervorgekommen sind, war ihre Arbeitsfähigkeit festzustellen.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Die zur Entscheidung berufene Richterin des Bundesverwaltungsgerichts geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund ihres persönlichen Eindrucks der Erst- bis Drittbeschwerdeführer davon aus, dass ihnen hinsichtlich ihres Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Die Beschwerdeführer wurden zu Beginn der Verhandlung angehalten, ihr Vorbringen gleichbleibend, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen sind die Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht worden. Es ergaben sich viele Widersprüche und Unplausibilitäten zwischen den Aussagen der Erst- und des Zweitbeschwerdeführer, die ihre Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass die Erst- und der Zweitbeschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart widersprüchlichen und nicht stringenten Weise wie in der Beschwerdeverhandlung schildern würden, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsäc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten