TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/29 99/14/0057

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Veröffentlicht am 29.06.1999
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Index

61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

FamLAG 1967 §6 Abs2 litd;
FamLAG 1967 §8 Abs4;
FamLAG 1967 §8 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des A E, vertreten durch die Sachwalterin M E, diese vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Börseplatz - Börsegasse 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 12. Jänner 1999, RV 152/1-8/1998, betreffend Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen..

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 28. April 1953 geborene Beschwerdeführer ist Vollwaise. Er beantragte am 17. November 1997 durch seinen damaligen Sachwalter (rückwirkend ab November 1992) die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe. Er legte dem Finanzamt ein im Sachwalterschaftsverfahren erstelltes Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. Deisenhammer vom 27. Mai 1992 vor, aus welchem sich zusammenfassend im Wesentlichen ergibt:

"Beim Untersuchten trat im Jänner 1992 anlässlich des Todes des Vaters eine akute Psychose auf. Eine organische Ursache, das heißt eine Hirnerkrankung, konnte auf Grund der Untersuchungsergebnisse aber auch des bisherigen Verlaufes ausgeschlossen werden.

Anfangs lag eine produktive psychotische Symptomatik mit Wahnideen und halluzinatorischen Erlebnissen vor, aber auf der anderen Seite war er von Anfang an bereits in seinem gesamten Denkverhalten und psychomotorischen Verhalten extrem verlangsamt und verarmt.

Derzeit besteht eine massive so genannte Minussymptomatik mit völliger Affektverflachung, Denkverarmung und starker Reduktion des motorischen Verhaltens und der gesamten Spontaneität.

Es handelt sich um einen so genannten Defektzustand.

Offensichtlich bestand die Psychose schon seit Jahren und es kam anlässlich des Todes des Vaters zu einer akuten Exazerbation. Diese Exazerbation ging direkt in einen schweren Defektzustand über.

Die Prognose für den weiteren Verlauf ist äußerst ungünstig, es ist höchst unwahrscheinlich, dass in den nächsten Jahren eine wesentliche Besserung des Zustandes eintritt.

Auf Grund des schweren psychotischen Zustandes bzw. des jetzt vorherrschenden so genannten Defektzustandes ist er nicht in der Lage seine eigenen Angelegenheiten zu besorgen."

Weiters wurde eine ärztliche Bescheinigung der Psychiatrischen Klinik Wels vom 9. Februar 1998 vorgelegt; aus der sich ergibt, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer schizophrenen Psychose voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und dass dieses Leiden ungefähr seit 1988 bestehe.

Dem Finanzamt wurden auch diverse Inskriptionsbestätigungen betreffend den Zeitraum 1971 bis 1996 vorgelegt.

Das Finanzamt wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Hinweis darauf ab, dass dieser, wie sich aus der Bestätigung der Psychiatrischen Klinik Wels ergebe, erst seit 1988 außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Volljährige Waisen hätten aber nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande wären, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

In der vom Sachwalter für den Beschwerdeführer erhobenen Berufung wird ausgeführt, es sei dem Finanzamt die Bestätigung der Psychiatrischen Klinik Wels vorgelegt worden, weil der Beschwerdeführer die amtsärztliche Untersuchung verweigere. Der Beschwerdeführer sei bis zum Tode seines Vaters im Jahr 1992 nie von einem Facharzt auf die psychische Erkrankung untersucht worden, weshalb für die Zeit vor 1992 keine ärztlichen Befunde vorlägen. Es werde nunmehr ein im Unterbringungsverfahren 1992 erstelltes Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. Herbert Schmidbauer vom 1. Februar 1992 vorgelegt, in welchem attestiert werde, dass der Beschwerdeführer an einer vermutlich schon seit vielen Jahren bestehende Prozesspsychose leide. Es werde beantragt, das Gutachten eines Sachverständigen zur Feststellung des Zeitpunktes, ab welchem sich der Beschwerdeführer den Unterhalt nicht mehr selbst verschaffen konnte, einzuholen.

Im genannten Gutachten vom 1. Februar 1992 wird u. a. ausgeführt:

"Sämtliche zitierten Informationsquellen sprechen in völliger Übereinstimmung mit dem aktuellen Eindruck bei der jetzigen Untersuchung für das Vorliegen einer Prozesspsychose vermutlich schon seit vielen Jahren: Das ganze Bild ist durch eine langsame Versandung von Antrieb und affektivem Leben, sowie durch eine zunehmende "dynamische Entleerung" gekennzeichnet. Produktive Symptome treten dabei nur selten und passager auf. Aktuell sind solche Symptome nicht fassbar. Sicherlich wird auch noch eine hirnorganische Abklärung zum Ausschluss eines organisch cerebralen Prozesses erforderlich sein. Diesbezüglich liegen noch keine Befunde vor."

Die belangte Behörde ersuchte mit Schreiben vom 13. Mai 1998 das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Oberösterreich um die Erstellung eines Gutachtens, ob und gegebenenfalls seit wann der Beschwerdeführer voraussichtlich außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Das Bundessozialamt Oberösterreich ließ sodann durch den Sachverständigen Dr. Herbert Schmidbauer das Gutachten vom 17. Juli 1998 erstellen, in welchem ein schwerer Defektzustand im Rahmen einer schizophrenen Psychose bescheinigt und ausgeführt wird, dass der Gesamtgrad der Behinderung 100 % betrage. Das Gutachten wurde aufgrund des Gutachtens von

Univ.-Prof. Dr. Deisenhammer vom 27. Mai 1992 und des Vorgutachtens von Dr. Herbert Schmidbauer vom 1. Februar 1992 erstellt; das Bundessozialamt Oberösterreich hatte vorher erhoben, dass der Beschwerdeführer keinen Untersuchungstermin wahrnehmen wolle und bei einem ärztlichen Hausbesuch die Wohnungstüre nicht öffnen würde. Nach den Ausführungen des Gutachters sei diese Weigerung auf die psychische Erkrankung zurückzuführen. Aufgrund eines Ersuchens um Gutachtensergänzung zur Frage des Zeitpunktes der Erkrankung führt Dr. Schmidbauer - das Bundessozialamt ist diesen Ausführungen in der Folge beitreten - im Schreiben vom 31. August 1998 aus:

"Konkret war der Untersuchte noch nie arbeitstätig, bezüglich seines Studienerfolges gibt es letztlich keine verlässlichen objektiven Unterlagen. Die psychotische Problematik ist jedenfalls im Jänner 92 akut aufgetreten, mit Jänner 92 ist dann also mit Sicherheit das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit anzunehmen."

Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer (im Wege seines Sachwalters) vor, im Hinblick auf das Gutachten und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er nach der Ablegung der Matura im Jahr 1971 für diverse Studien an der Universität Salzburg, der Universität Wien und der Universität Linz immatrikuliert und inskribiert gewesen sei und 1992 und 1993 Beihilfen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz erhalten habe, gehe die belangte Behörde davon aus, dass die Erwerbsunfähigkeit erst nach Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sei.

In der Vorhaltsbeantwortung vom 10. Dezember 1998 wird beantragt, ein Gutachten einzuholen zu den Fragen, über welchen Zeitraum sich die Krankheit, an welcher der Beschwerdeführer leide, entwickle und ob beim Beschwerdeführer schon vor Vollendung seines 27. Lebensjahres eine Erkrankung vorgelegen sei, welche die Erwerbsfähigkeit ausschließe. Es wurde auch das Stellungsuntersuchungsergebnis vom Juli 1987 vorgelegt, das der Feststellung der Untauglichkeit zum Wehrdienst zugrundegelegt worden sei, und darauf verwiesen, dass laut Gesprächen mit Personen, die den Beschwerdeführer schon früher gekannt hätten, bei ihm schon seit seiner Jugend (insbesondere seit der Matura) eine die Erwerbsfähigkeit ausschließende Erkrankung vorgelegen sei. Schließlich wurde auch (erneut) das Gutachten des Univ.-Prof. Dr. Deisenhammer vom 27. Mai 1992 vorgelegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Aus dem Gutachten des Bundessozialamtes in Linz samt der Gutachtensergänzung des Sachverständigen Dr. Schmidbauer vom 31. August 1998 und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1971 die Matura abgelegt und sodann das Studium der Studienrichtung Deutsche Philologie und Anglistik und Amerikanistik sowie in der Folge andere Studienrichtungen inskribiert habe, ergebe sich für die belangte Behörde, dass die Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers jedenfalls erst nach dem 27. Lebensjahr eingetreten sei. Das mit der Vorhaltsbeantwortung vorgelegte Gutachten des Univ.-Prof. Dr. Deisenhammer sei dem Bundessozialamt bereits bei der Erstellung seines Gutachtens vorgelegen. Zum Zeitpunkt des Beschlusses der Stellungskommission am 7. Juli 1987 sei der Beschwerdeführer bereits 34 Jahre alt gewesen. Die Voraussetzung für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe (ab 1. November 1992) seien daher, weil die Erwerbsunfähigkeit nicht vor dem 27. Lebensjahr eingetreten sei, nicht gegeben.

Über die Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG erhöht sich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, die Familienbeihilfe monatlich um 1.650 S.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung eines inländischen Amtsarztes, einer inländischen Universitätsklinik, einer Fachabteilung einer inländischen Krankenanstalt oder eines Mobilen Beratungsdienstes der Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen nachzuweisen. Kann auf Grund dieser Bescheinigung die erhöhte Familienbeihilfe nicht gewährt werde, hat das Finanzamt einen Bescheid zu erlassen. Zur Entscheidung über eine Berufung gegen diesen Bescheid hat die Finanzlandesdirektion ein Gutachten des nach dem Wohnsitz des Berufungswerbers zuständigen Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen einzuholen. Benötigt das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hiefür ein weiteres Sachverständigengutachten, sind die diesbezüglichen Kosten aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob die die Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers bedingende Behinderung bereits vor Vollendung dessen 27. Lebensjahres eingetreten ist.

In der Beschwerde wird vorgebracht, im Zeitpunkt der Erstellung der Gutachten vom 1. Februar 1992 und vom 27. Mai 1992 habe die schwere Psychose des Beschwerdeführers schon seit Jahren bestanden. Die belangte Behörde hätte amtswegige Ermittlungen zur Erhebung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes anstellen müssen. Der Beschwerdeführer habe an der Sachverhaltsfeststellung aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht mitwirken können. Die Weigerung, sich untersuchen zu lassen, rühre gerade von seiner Krankheit her. Die Sachwalter hätten alles unternommen, um den Sachverhalt aufzuklären; so sei in der Vorhaltsbeantwortung vom 10. Dezember 1998 darauf hingewiesen worden, dass Personen, die den Beschwerdeführer von früher her kennen würden, über dessen Erkrankung Auskunft geben könnten. Eine solche "Außenanamnese" sei eine zulässige und notwendige Art der Befunderhebung. Die belangte Behörde hätte eine Ergänzung des Gutachtens durch Außenanamnese veranlassen müssen. Im Übrigen beruhe das Gutachten des Bundessozialamtes auf einer unvollständigen Befundaufnahme; es führe aus, dass die psychotische Erkrankung jedenfalls im Jänner 1992 akut aufgetreten sei. Ob allerdings bereits früher eine Erwerbsunfähigkeit bestanden habe, habe der Sachverständige nicht durch entsprechende Befundaufnahme erhoben; er habe aber andererseits auch nicht ausdrücklich festgehalten, es wäre vollkommen unmöglich, hierüber einen Befund aufzunehmen.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Der belangten Behörde ist die Bescheinigung der Psychiatrischen Klinik Wels vorgelegen, nach welcher das Leiden des Beschwerdeführers ungefähr seit 1988 bestehe. Auch das Gutachten des Univ.-Prof. Dr. Deisenberger vom 25. Mai 1992 und jenes des Dr. Schmidbauer vom 1. Februar 1992 lassen keinen früheren Zeitpunkt erkennen. Das Bundessozialamt Oberösterreich hat der belangten Behörde ein Gutachten vom 17. Juli 1998 samt einer Gutachtensergänzung vom 31. August 1998 und weiteren Unterlagen übermittelt; aus diesen Unterlagen ist ersichtlich, dass der Chefarzt des Bundessozialamtes den Sachverständigen ausdrücklich ersucht hat, sein Gutachten zu der Frage zu ergänzen, seit wann der Beschwerdeführer außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Der Sachverständige war in der Folge aber offenkundig nicht in der Lage, eine Feststellung darüber zu treffen, dass die Erwerbsunfähigkeit bereits vor 1992 vorgelegen sei. Zur Einholung eines weiteren Gutachtens war die belangte Behörde in der Folge nicht gehalten, weil sich nicht der geringste Anhaltspunkt dafür ergeben hat, es hätte im Wege einer medizinischen Untersuchung festgestellt werden können, dass die Erwerbsunfähigkeit deutlich vor 1992, nämlich vor dem 28. April 1980 eingetreten sei.

Was die in der Beschwerde angeführte Befragung von Personen anlangt, die den Beschwerdeführer bereits vor Vollendung seines 27. Lebensjahres gekannt haben, ist darauf zu verweisen, dass in der Vorhaltsbeantwortung vom 10. Dezember 1998 (wie auch in der Beschwerde) solche Personen nicht namentlich bezeichnet sind. In Anbetracht des gründlich geführten Ermittlungsverfahrens war die belangte Behörde nicht gehalten, von Amts wegen Ermittlungen darüber anzustellen, ob allenfalls Personen vorhanden sind, die in der Lage wären, objektiv Auskunft darüber zu geben, ob und in welcher Intensität in einem länger als 19 Jahre zurückliegenden Zeitraum beim Beschwerdeführer bestimmte Krankheitssymptome aufgetreten seien.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.

Wien, am 29. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999140057.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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