TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/3 W189 2114428-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2018
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Entscheidungsdatum

03.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W189 2114426-1/13E

W189 2114428-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX und 2.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Ukraine, vertreten durch ARGE-Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2015, Zlen. 1.) 1021556207-14710059 und 2.) 1021556403-14710067, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.11.2018, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9 FPG und § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerden wird die spruchgemäße Erledigung zu § 55 AsylG 2005 gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Das Vorbringen der Beschwerdeführer steht in einem derartigen Zusammenhang bzw. ist soweit miteinander verknüpft, dass die Entscheidung unter Berücksichtigung des Vorbringens aller Beschwerdeführer abzuhandeln war. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) ist die Mutter und gesetzliche Vertreterin des Zweitbeschwerdeführers (BF2); gemeinsam werden sie als die BF bezeichnet.

1. BF1 und BF2, Staatsangehörige der Ukraine, reisten gemeinsam illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 15.06.2014 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Im Zuge der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.06.2014 erklärte BF1, Staatsangehörige der Ukraine, Zugehörige der Volksgruppe der Ukrainer und christlich-orthodoxen Glaubens zu sein. Sie sei ledig und habe ein Kind, BF2. Im Herkunftsstaat habe BF1 die Grundschule von 1988 bis 1997 besucht und habe zuletzt als Schneiderin gearbeitet. Dort würden die Mutter und der Bruder von BF1 leben und sei ihr Vater bereits verstorben. Zum Fluchtgrund gab BF1 zu Protokoll, dass sie am 02.05.2014 in Odessa an einer Demonstration teilgenommen habe, wo ungefähr 50 Personen getötet worden seien. Sie selber habe dabei geholfen, Molotow-Cocktails vorzubereiten und habe nun Angst, von unbekannten Personen umgebracht zu werden. Weiters gab BF1 an, dass BF2 seit seiner Geburt ständig bei ihr sei und für ihn daher dieselben Fluchtgründe gelten würden.

2. Am 10.06.2015 wurde BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab zu Protokoll, dass sie in ihrer Erstbefragung zwar angegeben habe, ihre Reisepässe würden sich im Herkunftsstaat befinden, diese jedoch beim Schlepper verblieben seien. Sie sei ukrainische Staatsangehörige, Zugehörige der Russischen Volksgruppe und russisch-orthodox. BF1 sei in Moldawien geboren, ledig und gesund. In der Ukraine habe sie die Grundschule besucht, als Schneiderin und danach als Marktverkäuferin gearbeitet. Sie habe keine wirtschaftlichen Probleme gehabt. Auch würden die Mutter und der Bruder von BF1 im Herkunftsort leben; ihr Vater sei im Jahr 2008 gestorben. Ihre Mutter wohne in der Eigentumswohnung von BF1. In der Ukraine habe BF1 einen Lebensgefährten gehabt und habe sie vier Tage in der Woche bei ihm in Odessa gelebt. Sie habe für diesen am Markt gearbeitet und sei er nicht der Vater ihres Kindes - dieser sei unbekannten Aufenthaltes und habe sie BF2 alleine großgezogen.

BF1 habe ein Handy mit SMS und Fotos gehabt, jedoch sei es in der Zwischenzeit kaputt gewesen und seien alle Daten verloren gegangen. Dabei habe es sich um Droh-SMS von einer unbekannten Nummer gehandelt, die sie am 07.05.2014 erhalten habe, in denen den BF gedroht und BF2 auch beschimpft worden sei. Davor habe sie einen Anruf von einer unbekannten Nummer erhalten, jedoch habe sie nicht abgehoben und aus Angst das Handy ausgeschaltet. Die SMS sei gleich nachdem sie es wieder eingeschalten hätte gekommen, jedoch wisse sie nachgefragt nicht, ob es dieselbe Nummer gewesen sei. Die SMS sei am Telefonspeicher gewesen, weswegen sie sie trotz SIM-Verlustes in ihrer Erstbefragung habe vorlegen können. Danach gefragt, was BF1 für den Fall ihrer Rückkehr zu befürchten habe, gab sie zu Protokoll, dass sie es nicht wisse, aber glaube, sie könne umgebracht werden. Weiters gab sie zu ihren Fluchtgründen an, dass ihr Lebensgefährte Mitglied des rechten Sektors und auch beim Machtumsturz am Maidan-Platz in Kiew gewesen sei. Dort habe sie ihn auch besucht und auch übernachtet, jedoch sei sie auf sein Anraten am 17.02.2014 wieder zurückgefahren, da "gefährliche Aktionen" geplant gewesen seien. Er sei verändert wieder nachhause gekommen und ihr gegenüber gewalttätig gewesen. Am 02.05.2014 habe ihr Lebensgefährte sie gebeten, leere Bierflaschen zu holen. Er habe sie sodann vom Markt abgeholt und sie seien zur Tankstelle gefahren, wo er einen Benzinkanister vollgefüllt habe. Danach seien sie ins Zentrum von Odessa gefahren, wo sie sie eine Gruppe von Frauen getroffen hätten und habe er BF1 aufgefordert, diesen bei der Herstellung von Molotow-Cocktails zu helfen. Da sie Angst vor ihm gehabt habe, habe sie die Trichter gehalten und Fetzen gerissen. Er sei gewalttätig und aggressiv gewesen und noch dazu habe sie für ihn gearbeitet, er habe sie bezahlt. Von ihrer Mutter, die nur eine Invalidenrente bezogen habe, habe sie keine finanzielle Unterstützung erwarten können. Sie habe sich auch an niemanden sonst wenden können, da die gemeinnützigen Organisationen viel zu lange brauchen würden und habe sie auch niemals mit solchen Organisationen zu tun gehabt. Aufgefordert führte BF1 fort, dass sie danach noch einige Zeit auf dem Platz geblieben seien und sie danach wieder nachhause zu ihrer Mutter und BF2 gefahren sei. Nachgefragt gab sie an, dass ihr Lebensgefährte dabei keine Probleme gemacht habe. Nachdem BF1 die schrecklichen Ereignisse im Fernsehen gesehen habe, habe sie ihn angerufen; ihm sei es gut gegangen. Weiters führte BF1 aus, dass sie bei den Vorbereitungen fotografiert und gefilmt worden sei. Aus diesem Grund sei sie nicht mehr arbeiten gegangen und nur noch mit ihrer Mutter und BF2 zuhause geblieben; sie hätten von Erspartem, der Invalidenrente und den Verkaufserlösen ihrer Mutter gelebt. Am 06.05.2014 habe BF1 den Drohanruf erhalten und am 07.05.2014 die Droh-SMS. Auf Vorhalt, wonach sie eingangs der Befragung angegeben habe, nicht abgehoben zu haben, erwiderte BF1, dass sie doch abgehoben habe. Eine ihr unbekannte männliche Stimme habe sie beschimpft und gesagt, dass man sie finden würde. Sie habe den Anrufer niemals gefragt, wer er sei und was er von ihr wolle, da sie Angst gehabt und das Handy abgedreht habe. Ungefähr drei Wochen vor ihrer Ausreise hätten die BF bei Verwandten gelebt und hätten die Reise durch Erspartes und Leihe von Bekannten finanziert. Befragt gab BF1 zu Protokoll, dass sie Ende Mai das letzte Mal mit ihrem Lebensgefährten telefoniert habe; er habe gesagt, dass er in den Krieg in die Ost-Ukraine fahren werde. BF1 sei niemals persönlich aufgesucht, angegriffen, oder mit Fotos konfrontiert worden. Sie sei auch niemals wegen dem Drohanruf bei der Polizei gewesen. Auf Vorhalt, wonach sie in der Ukraine eine Straftat begangen habe, gab BF1 an, dass ihr das damals nicht bewusst gewesen sei; sie habe auch nicht gewusst, dass sie auf einem öffentlichen Platz sein werde. Sie sei dumm gewesen und habe Angst vor ihrem Lebensgefährten gehabt. BF1 habe im Herkunftsland niemals Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen gehabt, es seien keine Gerichtsverfahren anhängig und sei sie auch niemals in Haft gewesen oder festgenommen worden. Sie sie auch niemals Mitglied einer Partei, parteiähnlichen oder terroristischen Organisation gewesen.

Zu den Lebensumständen im Bundesgebiet gab BF1 an, dass die BF keine Verwandten oder sonstigen Familienangehörigen in Österreich haben und würden sie von Leistungen aus der Grundversorgung leben. BF1 lerne Deutsch und BF2 besuche die Schule. Die BF seien nicht Mitglieder in Vereinen oder Organisationen und hätten Bekannte im Bundesgebiet. Im Herkunftsstaat lebe noch die Mutter von BF1, zu der sie in telefonischem Kontakt stehe und der es gut gehe; sie bekomme keine Drohungen.

Vorgelegt wurden der Inlandsreisepass von BF1 und die Geburtsurkunde von BF2 und eine Deutschkurs Teilnahmebestätigung.

Am Ende der Einvernahme wurde BF1 die Möglichkeit gegeben, in die Länderberichte zur Lage im Herkunftsstaat Einsicht zu nehmen und gegebenfalls hierzu schriftlich Stellung zu beziehen. BF1 verzichtete auf eine vollständige Übersetzung und wurden die Feststellungen auszugsweise mit ihr erörtert. Dazu gab sie an, dass die Lage in der Ukraine katastrophal sei, und zwar in allen Bezeigungen - Arbeitslosigkeit, hohe Preise, Besitz von Waffen und Unruhen in den Städten.

3. Mit Stellungnahme vom 07.07.2015 wurde durch BF1 moniert, dass sie am Tag ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nervlich angeschlagen gewesen sei und nicht alles habe vorbringen können. BF1 habe ihren Lebensgefährten und ihre Bekannten nicht "verraten" wollen und deshalb bei der besagten Aktion mitgemacht. Auch habe sie mit ihrem Lebensgefährten keine Auseinandersetzung haben wollen, da er aggressiv gewesen sei. BF1 habe keine Hilfsorganisationen besucht, weil sie ihre Hilfe nicht gebraucht habe; sie habe finanziell abgesichert gelebt, ihr Kind großgezogen und habe sie das Land nicht aus wirtschaftlichen Gründen verlassen.

4. Mit den im Spruch genannten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurden ihnen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57, 55 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 46 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung der BF in die Ukraine festgestellt. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass das Vorbringen hinsichtlich einer Verfolgung von BF1 aufgrund ihrer Beteiligung bei der Herstellung von Molotow-Cocktails, nicht glaubhaft sei, da es widersprüchlich, logisch nicht nachvollziehbar und vage gewesen sei. Auch sei BF1 bis zu ihrer Ausreise niemals persönlich aufgesucht worden. Glaubhaft sei nur, dass sie durch ihren Lebensgefährten genötigt worden sei, bei der Herstellung der Brandflaschen mitzuwirken, wodurch sie sich strafbar gemacht habe aber kein Flüchtling im GFK geworden sei. BF1 sei eine gesunde, arbeitsfähige Frau und könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie sich für den Fall einer Rückkehr in eine ausweglose Lage begeben würde. Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. insbesondere ausgeführt, dass die BF somit nicht in der Lage gewesen seien, eine Bedrohungssituation iSd. Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen. Die Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes wurde im Wesentlichen damit begründet, dass kein reales Risiko einer derart extremen Gefahrenlage vorliege, welches einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstelle würde und somit einer Rückführung der BF in ihr Heimatland entgegenstehen würde. Schließlich bestünden im Bundesgebiet keine Hinweise auf weitere familiäre Anknüpfungspunkte oder eine außerordentliche Integration, weshalb das Vorliegen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht festgestellt werden könne. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die die BF bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen haben, nicht gegeben seien.

5. Gegen diese Bescheide wurde durch die rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde erhoben und wurden diese zur Gänze angefochten. Insbesondere wurde nach Wiedergabe des Sachverhaltes vorgebracht, dass die Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei und nur unzureichende Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen habe. Die ihr vorgeworfenen Widersprüche in der Einvernahme würden auf Missverständnissen basieren und sei aus dem zeitlichen Kontext der telefonischen Drohungen und den Vorfällen am 02.05.2014 in Odessa für BF1 klar gewesen, weshalb man sie bedroht habe. Auch sei die Mutter von BF1 Ende Juli 2015 aufgesucht worden, da man nach den BF gesucht habe. Die ehemaligen Nachbarn hätten ebenfalls davon berichtet, dass unbekannte Personen immer wieder mit dem Auto vorbeifahren und nach BF1 fragen würden. Insbesondere sei das Privat- und Familienleben der BF falsch beurteilt worden. Sie seien sehr bemüht sich im Bundesgebiet zu integrieren und würden über zahlreiche soziale Kontakte verfügen. BF1 besuche einen Deutschkurs und BF2 die Schule. BF1 leide aufgrund der fluchtauslösenden Ergebnisse an massiven Angstzuständen, Herzrasen und Atemnot und werde demnächst eine Therapie beginnen. Der Beschwerde beigelegt wurden Empfehlungsschreiben, eine Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr 2014/2015 und eine Bestätigung von OMEGA, Transkulturelles Zentrum für psychische und physische Gesundheit und Integration vom 04.09.2015.

6. Mit Eingaben der rechtsfreundlichen Vertretung vom 05.10.2015, vom 20.10.2015 und vom 06.06.2018 wurden Integrationsunterlagen der BF, wie zum Beispiel ein Arbeitsvorvertrag sowie ein Zertifikat des ÖSD für BF1 sowie Empfehlungs- und Unterstützungsschreiben für die BF zur Vorlage gebracht.

7. Am 07.11.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch statt, zu welcher BF1 und die belangte Behörde ordnungsgemäß geladen wurden. Im Rahmen dessen wurde BF1 Gelegenheit geboten, ausführlich zu ihren Fluchtgründen Stellung zu nehmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete mit Schreiben vom 31.08.2018 auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und ist ein Vertreter der Behörde entschuldigt nicht erschienen. Vorgelegt wurden eine Bestätigung eines Auszugs aus dem Hausregister bzgl. des aktuellen Wohnsitzes der Mutter von BF1, ein Zertifikat des ÖSD vom 16.03.2018 betr. bestandener Prüfung Deutsch Niveau B1, eine Bestätigung über die geplante Beschäftigung als Haushaltshilfe für 20 Wochenstunden, Schulbesuchsbestätigungen der HTL Graz-Gösting vom 20.09.2018, das Abschlusszeugnis der NMS Feldkirchen bei Graz, Schuljahr 2017/18 samt Empfehlungsschreiben dieser Schule sowie ein Empfehlungsschreiben eines Freundes von BF2.

8. Am 05.12.2018 übermittelte die BF1 durch ihre Rechtsvertreterin eine Stellungnahme und legte einen ärztlichen Entlassungsbrief des LKH Graz Süd-West, Abteilung für Psychiatrie, vom 28.11.2018 bei aus welchem hervorgeht, dass BF1 vom 10.11.bis 29.11.2018 dort stationär in Folge einer suizidalen Krise behandelt wurde, wobei BF1 in weiterer Folge als therapeutische Maßnahme die Einnahme diverser Psychopharmaka (Sertralin, Dominal forte, Seroquel und Passedan Tropfen) empfohlen wurden. Beigelegt wurde weiters ein Empfehlungsschreiben der HTL Graz-Gösting betreffend BF2, der seit September 2018 die erste Klasse der genannten Schule besucht. Schließlich wurde noch auf einen Artikel aus der Tageszeitung "Presse" vom 02.05.2016 verwiesen, der den zweiten Jahrestag betreffend die Brandkatastrophe von Odessa zum Gegenstand hatte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der BF, beinhaltend die Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.06.2014 und der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 10.06.2015 von BF1, sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 07.11.2018 samt Stellungnahme vom 05.12.2018, und schließlich durch Einsicht in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS und IZR sowie durch Einsichtnahme in das aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Ukraine.

1. Feststellungen:

1.1. Festgestellt wird, dass die BF Staatsangehörige der Ukraine, Zugehörige der Volksgruppe der Russen und sich zum orthodoxen Glauben bekennen. Sie sprechen sowohl Ukrainisch als auch Russisch. BF2 ist der minderjährige ledige Sohn von BF1. BF1 ist in Moldawien geboren, hat in der Ukraine neun Jahre die Grundschule besucht und den Beruf als Näherin erlernt. Sie hat als Schneiderin und danach als Marktverkäuferin gearbeitet. Im Herkunftsstaat lebten die BF gemeinsam mit der Mutter von BF1 in einer Eigentumswohnung in Odessa, die es auch weiterhin gibt. Der Vater von BF1 ist im Jahr 2008 verstorben und ist der Vater von BF2 unbekannten Aufenthaltes. Die BF hatten im Herkunftsstaat keine finanziellen Probleme und lebten wirtschaftlich abgesichert. Die BF sind gesund.

1.2. Die BF stellten nach illegaler Einreise am 15.06.2014 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Nicht festgestellt werden kann, dass den BF in der Ukraine eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht.

Die BF können auch weiterhin in Odessa leben, das weit entfernt von den von Unruhen betroffenen Gebieten in der Ukraine gelegen ist, oder in einem anderen Ort in der Ukraine, wie zum Beispiel in Kiew, und wo die Lage ebenfalls ruhig ist.

Nicht festgestellt werden kann, dass die BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wären.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr in ihrem Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF1 eine weiterführende medizinische/psychiatrische Behandlung in der Ukraine vorsätzlich vorenthalten werden würde.

Die BF befinden sich seit Juni 2015 im Bundesgebiet und haben keine Verwandten oder sonstigen Angehörigen in Österreich. BF1 beherrscht das Niveau B1 der deutschen Sprache, engagiert sich freiwillig, arbeitet mit Dienstleistungschecks und verfügt über einen Arbeitsvorvertrag für die geplante Beschäftigung als Haushaltshilfe für 20 Std/Woche, mit einem geplanten Bruttomonatslohn von 867,-

Euro. BF2 geht in die Schule; er besuchte die Neue Mittelschule Feldkirchen bei Graz und hatte dort einen guten Erfolg. Er ist seit dem Schuljahr 2018/2019 in der HTL Graz-Gösting. Die BF haben einen Freundes- und Bekanntenkreis im Bundesgebiet. Sie leben von Leistungen aus der Grundversorgung und sind nicht selbsterhaltungsfähig. Die BF sind nicht Mitglieder in Vereinen oder Organisationen und konnte eine überdurchschnittliche Integration der BF im Bundesgebiet nicht festgestellt werden. Die Mutter und der Bruder von BF1 leben weiterhin im Herkunftsort. Die Mutter von BF1, zu welcher BF1 in regelmäßigem telefonischen Kontakt steht, ist sehbehindert, bezieht eine Invalidenrente und ist in ein Wohnheim gezogen. Die Eigentumswohnung von BF1 existiert auch weiterhin und steht leer. Der Bruder von BF1, zu welchem sie nur wenig Kontakt hat, lebt auch in einer Eigentumswohnung in der Nähe von Odessa. BF1 verfügt auch über enge Freundschaften in der Ukraine, die ihr bei der Finanzierung der Ausreise geholfen haben.

Die BF sind strafgerichtlich unbescholten und BF1 steht im erwerbsfähigen Alter.

1.3. Zum Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

KI vom 19.12.2017, Antikorruption (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage, Abschnitt 4/Rechtsschutz/Justizwesen und Abschnitt 7/Korruption)

Die Ukraine hat seit 2014 durchaus Maßnahmen gesetzt, um die Korruption zu bekämpfen, wie die Offenlegung der Beamtenvermögen und die Gründung des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU). Gemeinsam mit dem ebenfalls neu geschaffenen Antikorruptionsstaatsanwalt kann das NABU viele Fälle untersuchen und hat einige aufsehenerregende Anklagen vorbereitet, u.a. wurde der Sohn des ukrainischen Innenministers festgenommen. Doch ohne ein spezialisiertes Antikorruptionsgericht läuft die Arbeit der Ermittler ins Leere, so die Annahme der Kritiker, da an normalen Gerichten die Prozesse erfahrungsgemäß eher verschleppt werden können. Das Antikorruptionsgericht sollte eigentlich bis Ende 2017 seine Arbeit aufnehmen, wurde aber noch immer nicht formell geschaffen. Präsident Poroschenko äußerte unlängst die Idee, eine auf Korruption spezialisierte Kammer am Obersten Gerichtshof sei ausreichend und schneller einzurichten. Diesen Vorschlag lehnte jedoch der Internationale Währungsfonds (IWF) ab. Daher bot Poroschenko eine Doppellösung an: Zuerst solle die Kammer eingerichtet werden, später das unabhängige Gericht. Der Zeitplan dafür ist jedoch offen (NZZ 9.11.2017).

Kritiker sehen darin ein Indiz für eine Einflussnahme auf die Justiz durch den ukrainischen Präsident Poroschenko. Mit Juri Luzenko ist außerdem Poroschenkos Trauzeuge Chef der Generalstaatsanwaltschaft, welche von Transparency International als Behörde für politische Einflussnahme bezeichnet wird. Tatsächlich berichtet die ukrainische Korruptionsstaatsanwaltschaft von Druck und Einflussnahme auf ihre Ermittler (DS 30.10.2017).

Ende November 2017 brachten Abgeordnete der Regierungskoalition zudem einen Gesetzentwurf ein, der eine "parlamentarische Kontrolle" über das NABU vorsah und heftige Kritik der westlichen Partner und der ukrainischen Zivilgesellschaft auslöste (UA 13.12.2017). Daraufhin wurde der Gesetzesentwurf wieder von der Tagesordnung genommen (DS 7.12.2017), dafür aber der Vorsitzende des Komitees der Werchowna Rada zur Korruptionsbekämpfung entlassen, welcher die Ernennung des von der Regierung bevorzugten Kandidaten für das Amt des Auditors im NABU blockiert hatte (UA 13.12.2017).

Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben zuletzt mehrere Tausend Menschen für eine Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko demonstriert. Die Kundgebung wurde von Micheil Saakaschwili angeführt - Ex-Staatschef Georgiens und Ex-Gouverneur des ukrainischen Odessa, der ursprünglich von Präsident Poroschenko geholt worden war, um gegen die Korruption vorzugehen. Saakaschwili wirft Poroschenko mangelndes Engagement im Kampf gegen die Korruption vor und steht seit einigen Wochen an der Spitze einer Protestbewegung gegen den ukrainischen Präsidenten. Mit seinen Protesten will er vorgezogene Neuwahlen erzwingen. Saakaschwili war Anfang Dezember, nach einer vorläufigen Festnahme, von einem Gericht freigelassen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Organisation eines Staatsstreiches (DS 17.12.2017).

Die EU hat jüngst die Auszahlung eines Hilfskredits über 600 Mio. €

an die Ukraine gestoppt, und der Internationale Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls nicht zur Gewährung von weiteren Hilfskrediten bereit, solange der Kampf gegen die grassierende Korruption nicht vorankommt (NZZ 18.12.2017). Der IWF hat die Ukraine aufgefordert, die Unabhängigkeit von NABU und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu gewährleisten und rasch einen gesetzeskonformen Antikorruptionsgerichtshof im Einklang mit den Empfehlungen der Venediger Kommission des Europarats zu schaffen (UA 13.12.2017).

Quellen:

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DS - Der Standard (17.12.2017): Tausende fordern in Kiew Amtsenthebung von Poroschenko,

http://derstandard.at/2000070553927/Tausende-fordern-in-Kiew-Amtsenthebung-von-Poroschenko?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

-

DS - Der Standard (7.12.2017): Interventionen verhindern Gesetz gegen ukrainisches Antikorruptionsbüro, http://derstandard.at/2000069775196/Ukrainischer-Antikorruptionsbehoerde-droht-Verlust-an-Unabhaengigkeit, Zugriff 19.12.2017

-

DS - Der Standard (30.10.2017): Die ukrainische Justizfassade bröckelt noch immer,

http://derstandard.at/2000066853489/Die-ukrainische-Justizfassade-broeckelt-noch-immer?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

-

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.12.2017): Das politische Risiko in der Ukraine ist zurück,

https://www.nzz.ch/finanzen/das-politische-risiko-in-der-ukraine-ist-zurueck-ld.1340458, Zugriff 19.12.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (9.11.2017): Der ukrainische Präsident verschleppt längst überfällige Reformen, https://www.nzz.ch/meinung/ukraine-revolution-im-rueckwaertsgang-ld.1327374, Zugriff 19.12.2017

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UA - Ukraine Analysen (13.12.2017): Ukraine Analysen Nr. 193, http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen193.pdf?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=Ukraine-Analysen+193&newsletter=Ukraine-Analysen+193, Zugriff 19.12.2017

KI vom 30.11.2017, Zeugen Jehovahs (relevant für Abschnitt 15/Religionsfreiheit)

In verschiedenen Regionen der Ukraine beklagen religiöse Minderheiten Diskriminierung durch lokale Behörden. Die ukrainischen Gesetze verbieten jedenfalls Diskriminierung aufgrund des Glaubens, und religiöse Gruppen haben auch Möglichkeiten im Gesetzgebungsprozess gehört zu werden. Ukrainische Gerichte haben an mehreren Orten Polizeistrafen aufgehoben, welche gegen Zeugen Jehovahs wegen der Verteilung ihrer Schriften an öffentlichen Orten verhängt worden waren. Es gibt Berichte von physischen Angriffen auf Zeugen Jehovahs und von Vandalenakten gegen ihre Einrichtungen. Für 2016 werden 21 Fälle von Vandalismus (davon drei Brandstiftungen) gegen Königreichhallen gezählt, während es 2015 noch 56 Fälle von Vandalismus (davon fünf Brandstiftungen) waren. Es gibt aber auch Berichte über behördliche Gegenmaßnahmen, etwa die Verurteilung von Tätern bei Körperverletzungen. 2015 hatte der Gemeinderat eines ukrainischen Dorfes im Oblast Kirovohrad alle Religionsgemeinschaften außer der lokalen orthodoxen Gemeinde verboten, darunter auch die Zeugen Jehovahs. Dieses Verbot wurde auf Intervention des Büros des Ombudsmanns zurückgenommen, was die Zeugen Jehovahs sehr begrüßten. (USDOS 15.8.2017a).

In früheren Jahren zählten die Zeugen Jehovahs 64 Körperverletzungen (2008-2014) und 190 Vandalenakte (2008-2013) bei, nach eigenen Angaben, 150.000 Mitgliedern. Sie beklagten die Passivität von Polizei und Gerichten bei der Verfolgung der Delikte (JW 28.7.2014). 2014-2016 zählten die Zeugen Jehovahs 115 Übergriffe; acht Täter wurden in diesem Zeitraum gerichtlich verurteilt. Auch beklagten sie Einmischung der Behörden bei der Errichtung von Königreichsälen (UNHRC 31.8.2017). Andererseits sehen die Zeugen Jehovahs in der Ukraine ihre Position im Land durch ein ukrainisches Gerichtsurteil gestärkt, das der Religionsgemeinschaft die Anmietung von Gebäuden erleichtert (JW 24.3.2017). Laut Bericht wurde der Tag der offenen Tür der Zeugen Jehovahs in Lemberg auch von Behördenvertretern besucht (JW 25.7.2017).

Die Zeugen Jehovas sind eine jener Religionsgemeinschaften, deren Angehörige in der Ukraine ausdrücklich für einen Wehrersatzdienst aus Gewissensgründen infrage kommen, was auch für den Mobilisierungsfall gilt, wie eindeutig gerichtlich bestätigt wurde (USDOS 10.8.2016) (siehe dazu Kap. 9.1. Wehrersatzdienst, Anm.).

Die Separatisten in den selbsternannten Volksrepubliken Donetsk (DPR) und Lugansk (LNR) sperrten unter anderem eine Reihe von Zeugen Jehovahs ein. Nachdem in der DPR ein Gesetz zum Verbot von Sekten erlassen wurde, wurden einige Königreichhallen der Zeugen Jehovas besetzt, zwei davon aber auch wieder zurückgegeben (USDOS 15.8.2017a). Auf der Krimhalbinsel wird faktisch russisches Recht umgesetzt (USDOS 15.8.2017b). Die Zeugen Jehovahs wurden auf der Krimhalbinsel im April 2017 durch Entscheidung des russischen Verfassungsgerichts für illegal erklärt, weil sie eine extremistische Organisation seien. Am 1. Juni 2017 wurden alle 22 Gemeinden dieser Religionsgemeinschaft auf der Krim (geschätzte 8.000 Mitglieder) amtlich abgemeldet. Am 9. Juni 2017 wurde einem Zeugen Jehovahs auf der Krim erklärt, er habe als solcher in der Russischen Föderation kein Recht auf einen Wehrersatzdienst aus Glaubengründen. Am 27. Juni 2017 wurde das Oberhaupt einer Gemeinde der Zeugen Jehovahs wegen unerlaubter Missionierungstätigkeit vor Gericht geladen und starb später am Tag an einer Herzattacke (OHCHR 25.9.2017).

Quellen:

? JW - Jehovahs Witnesses (24.3.2017): Oberstes Gericht der Ukraine stärkt Versammlungsfreiheit,

https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/rechtliche-entwicklungen/nach-region/ukraine/high-gericht-st%C3%A4rkt-versammlungsfreiheit/, Zugriff 29.11.2017

? JW - Jehovahs Witnesses (25.7.2017): Behörden­vertreter besuchen Zweigbüro von Jehovas Zeugen in der Ukraine am Tag der offenen Tür, https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/pressemitteilungen/nach-region/ukraine/behoerdenvertreter-besuchen-zweigbuero-jehovas-zeugen-tag-der-offenen-tuer/, Zugriff 29.11.2017

? JW - Jehovahs Witnesses (28.7.2014): Passivität der Strafverfolgungsbehörden in der Ukraine leistet weiteren Straftaten Vorschub,

https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/rechtliche-entwicklungen/nach-region/ukraine/religioes-motivierte-gewalt-bleibt-ungestraft/, Zugriff 29.11.2017

? OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (25.9.2017): Situation of human rights in the temporarily occupied Autonomous Republic of Crimea and the city of Sevastopol, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1506587856_crimea2014-2017-en.pdf, Zugriff 29.11.2017

? UNHRC - UN Human Rights Council (31.8.2017): Summary of Stakeholders' submissions on Ukraine; Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1510062028_g1725515.pdf, Zugriff 29.11.2017

? USDOS - US Department of State (15.8.2017a): 2016 Report on International Religious Freedom - Ukraine, http://www.ecoi.net/local_link/345317/489112_de.html, Zugriff 29.11.2017

? USDOS - US Department of State (15.8.2017b): 2016 Report on International Religious Freedom - Ukraine (Crimea), https://www.ecoi.net/local_link/345319/489113_de.html, Zugriff 29.11.2017

? USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - Ukraine, http://www.ecoi.net/local_link/328420/455696_en.html, Zugriff 29.11.2017

Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Ihr Staatsoberhaupt ist seit 7.6.2014 Präsident Petro Poroschenko. Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das Parlament (Verkhovna Rada) der Ukraine besteht aus einer Kammer; 225 Sitze werden über ein Verhältniswahlsystem mit Listen vergeben, 225 weitere Sitze werden in Mehrheitswahl an Direktkandidaten in den Wahlkreisen vergeben. 27 Mandate bleiben aufgrund der Krim-Besetzung und des Konflikts in der Ost-Ukraine derzeit unbesetzt. Im Parlament sind folgende Fraktionen und Gruppen vertreten (mit Angabe der Zahl der Sitze):

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka) 142

Volksfront (Narodny Front) 81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok) 43

Selbsthilfe (Samopomitsch) 26

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka) 20

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna) 20

Gruppe Wolja Narodu 19

Gruppe Widrodshennja 24

Fraktionslose Abgeordnete 48

(AA 2.2017a)

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik. Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Die Parteienlandschaft ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt (AA 7.2.2017).

Die Präsidentenwahlen des Jahres 2014 werden von internationalen und nationalen Beobachtern als frei und fair eingestuft (USDOS 3.3.2017a).

Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Visabefreiung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands (DS 11.6.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ukraine, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ukraine_node.html, Zugriff 31.5.2017

-

DS - Der Standard (11.6.2017): Ukrainer feierten Aufhebung der Visapflicht für die EU,

http://derstandard.at/2000059097595/Ukrainer-feierten-Aufhebung-der-Visapflicht-fuer-die-EU, Zugriff 19.6.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

Sicherheitslage

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).

Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).

Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).

Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon

9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des Internationalen Humanitären Rechts und der Menschenrechte dar. Der Konflikt wirkt sich auf die ganze Ukraine aus, da es viele Kriegsrückkehrern (vor allem Männer) gibt und die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hoch ist. Viele Menschen haben Angehörige, die getötet oder entführt wurden oder weiterhin verschwunden sind. Laut der Special Monitoring Mission der OSZE sind täglich eine hohe Anzahl an Brüchen der Waffenruhe, die in den Minsker Abkommen vereinbart wurde, zu verzeichnen (ÖB 4.2017).

Russland kontrolliert das Gewaltniveau in der Ostukraine und intensiviert den Konflikt, wenn es russischen Interessen dient (USDOS 3.3.2017a).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2017c): Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 12.7.2017

Halbinsel Krim

Die Halbinsel Krim wurde 2014 von der Russischen Föderation besetzt. Das "Referendum" über den Anschluss an Russland, welches auf der Krim durchgeführt wurde, wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen für ungültig erklärt. Die Resolution 71/205 der Generalversammlung der UN bezeichnet die Russische Föderation als Okkupationsmacht auf der Krim. Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der Machthaber zu beobachten:

Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erreicht wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen. Menschen, die keinen russischen Pass haben, wird der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verwehrt. Weiters bestehen Diskriminierungen aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität. Menschen mit anderer politischer Meinung werden verhaftet und unter Bezugnahme auf russische "Anti-Terror"-Gesetze zu Haftstrafen verurteilt. Auch werden Individuen entführt oder verschwinden plötzlich. Wenige bis keine dieser Fälle werden ausreichend investigativ und juristisch verfolgt. Besonders die ethnische Gruppe der Krimtataren, aber auch Ukrainer anderer ethnischer oder religiöser Gruppen, sind von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Der Mejlis, die krimtatarische gewählte Versammlung zur Repräsentation der Krimtataren, wurde am 18. April 2016 durch die lokalen Behörden suspendiert und am 26. April vom Russischen Obersten Gerichtshof als "extremistisch" eingestuft und verboten. Menschenrechtsorganisationen sowie Journalisten haben keinen uneingeschränkten Zugang zur Krim. Bestimmte Webseiten werden blockiert und unabhängige Medien mussten auf das ukrainische Festland übersiedeln. Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird massiv eingeschränkt. Am 7. März 2016 wurden in Simferopol alle öffentlichen Versammlungen verboten, die nicht von den Machthabern organisiert wurden (ÖB 4.2017).

Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Auf der Krim werden seit der völkerrechtswidrigen Annexion durch Russland im März 2014 staatliche Aufgaben von russischen Behörden ausgeübt. Die Einwohner wurden pauschal eingebürgert, es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Reisepässen, auszustatten. Einwohner der Krim, die ihr Widerspruchsrecht nutzten haben damit u.

a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren. Die Minderheit der Krimtataren unterliegt erheblichen Restriktionen. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit verschwinden, nicht mehr auf die Krim reisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren, das Selbstverwaltungsorgan Medschlis, wird von den de-facto-Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft, seine Mitglieder werden verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Medien stehen unter Druck, eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Seine Sendungen können auf der Krim nur noch im Internet und dort sehr eingeschränkt verfolgt werden. Auch jüngste Berichte von UNHCR sowie Amnesty International listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reicht. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert (AA 7.2.2017).

Auf der Halbinsel Krim sind Dissidenten das Ziel systematischen Missbrauchs und der Verfolgung durch die russischen Behörden. Es gibt Berichte über Fälle von Verschwindenlassen. Internationalen und nationalen Menschenrechtsbeobachtern wird die Einreise auf die Krim verweigert. Wenn Gruppen versuchen dort tätig zu werden, werden sie zum Ziel erheblicher Drangsale und Einschüchterung (USDOS 3.3.2017a).

Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen Staaten und internationale Organisation auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert. Die russischen Sicherheitsbehörden konsolidieren ihre Kontrolle der Halbinsel weiterhin und beschränken die Menschenrechte durch unverhältnismäßige Anwendung repressiver russischer Gesetze. Abweichende und Meinungen und Opposition zur Annexion der Krim werden von den russischen Behörden durch Einschüchterung unterdrückt. Dazu gehören Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlung, politische Prozesse, wiederholte grundlose Vorladungen durch die Sicherheitsbehörden, gegenstandslose Festnahmen, usw. Bestimmte Gruppen, vor allem ethnische Ukrainer und Krimtataren werden systematisch diskriminiert und ihre Menschenrechte eingeschränkt. Der Selbstverwaltungskörper der krimtatarischen Minderheit, der demokratisch gewählte Mejlis, wurde als extremistische Organisation verboten. Personen, welche die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft verweigern, werden beim Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Arbeitsmarkt diskriminiert. Es gibt auch Eingriffe in die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit, speziell durch Behinderung bei der Pflege des kulturellen Erbes und durch Einschränkung des Zugangs zu Unterricht in ukrainischer und krimtatarischer Sprache. Die Medienfreiheit auf der Krim wird ebenfalls eingeschränkt, unabhängige Medien gibt es nicht mehr. Die wenigen verbleibenden unabhängigen bzw. kritischen Journalisten wurden eingesperrt und wegen Extremismus angeklagt. Es kommt zu politischer Einmischung in gerichtliche Verfahren, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Diskriminierung ethnischer und sexueller Minderheiten. Tausende Personen flüchteten als Binnenvertriebene in die Ukraine. Bei den russischen Behörden auf der Krim herrscht betreffend Menschenrechtsverletzungen ein Klima der Straflosigkeit. Fälle von Entführung oder Tötung von Einwohnern der Krim in den Jahren 2014 und 2015 werden nicht angemessen untersucht (USDOS 3.3.2017b).

Die Rechte der Bevölkerung der Krim, besonders der Krimtataren, werden weitgehend verletzt. Der krimtatarische Mejlis wurde verboten und krimtatarische Führungspersönlichkeiten dürfen die Krim nicht betreten oder sind inhaftiert (FH 29.3.2017).

Auf der Krim setzten die de-facto-Behörden ihre Maßnahmen zur Unterdrückung jeglicher pro-ukrainischer Opposition fort, wobei sie zunehmend auf russische Gesetze zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus zurückgriffen und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Dutzende Personen anstrengten, die als illoyal betrachtet wurden. In keinem der Fälle von Verschwindenlassen, die sich im Anschluss an die russische Besetzung ereignet hatten, gab es gründliche Ermittlungen. Die russischen Behörden hielten Parlamentswahlen auf der Krim ab, die international nicht anerkannt wurden. Die bereits stark eingeschränkten Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wurden 2016 noch weiter beschnitten. Die Websites einiger unabhängiger Medienkanäle, die in den Jahren zuvor gezwungen waren, ihren Sitz auf das ukrainische Festland zu verlegen, wurden von den De-facto-Behörden auf der Krim gesperrt. Am 7. März 2016 verbot der Bürgermeister von Simferopol, der Hauptstadt der Krim, alle öffentlichen Versammlungen, die nicht von den Behörden organisiert wurden. Ethnische Krimtataren waren von dem Bestreben der De-facto-Behörden zur Beseitigung jeglicher pro-ukrainischer Opposition nach wie vor besonders stark betroffen. Am 18. April wurde der Medschlis, eine von der krimtatarischen Volksversammlung Kurultai gewählte Vertretung, aufgelöst und am 26. April von einem Gericht als "extremistisch" verboten. Das Verbot wurde am 29. September vom Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation bestätigt (AI 22.2.2017).

Russland setzt Kritiker der Krim-Okkupation weiterhin politischer Strafverfolgung aus und schränkt die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit weiter ein. Krimtataren werden unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung verfolgt (HRW 12.1.2017).

Die im Zuge der Annexion der Halbinsel Krim bzw. im Zuge der Kampfhandlungen im Osten bekanntgewordenen und nicht zuletzt durch OSZE-Beobachter wiederholt thematisierten Verschleppungen von Journalisten durch Separatisten sowie die Behinderung objektiver Berichterstattung gaben ebenfalls zu verstärkter Sorge Anlass (ÖB 4.2017).

Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren aus. Exemplarisch sei auf das Argument verwiesen, wonach Parkflächen während der Schulferien für Kinderaktivitäten freizuhalten und dementsprechend öffentliche kulturelle Veranstaltungen der Krimtataren aus Anlass des Tags der Flagge der Krimtataren in Simferopol am 26. Juni 2014 zu untersagen seien (ÖB 4.2017).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty Intern

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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