Entscheidungsdatum
11.12.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
I412 2210756-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA.
NIGERIA, vertreten durch: RA Edward W. DAIGNEAULT Solicitor (England) gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 30.11.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein nigerianischer Staatsangehöriger, wurde erstmals am 26.06.2012 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Österreich aufgegriffen. Dabei wies er sich mit einem nigerianischen Reisepass und einem griechischen Aufenthaltstitel aus. Maßnahmen nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG wurden nicht getroffen.
2. Am 06.08.2013 wurde der BF wegen des Verdachtes einer Übertretung nach dem Suchtmittelgesetz - SMG von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes angehalten. In weiterer Folge wurde über ihn die Untersuchungshaft verhängt. Am 05.09.2013 wurde der BF von einer Landespolizeidirektion einvernommen, da beabsichtigt war, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen.
3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 09.09.2013 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, wovon ein Teil von 7 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Der BF hat am 06.08.2013 gewerbsmäßig Suchtmittel einem anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, und zwar eine Kugel Kokain (Wirkstoff: Cocain) zu insgesamt 0,7 Gramm brutto um EUR 40,-.
4. Am 24.02.2014 wurde der BF neuerlich von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Bundesgebiet aufgegriffen. Der BF wies sich wieder mit einem nigerianischen Reisepass und einem griechischen Aufenthaltstitel aus. Er war auch aufrecht nach den Bestimmungen des Meldegesetzes gemeldet, hatte jedoch die höchst zulässige Aufenthaltsdauer überschritten. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) wurde von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes von diesem Sachverhalt in Kenntnis gesetzt und ersuchte um Erstattung einer Anzeige. Weitere Maßnahmen oder Verfügungen nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG wurden nicht getroffen.
5. Mit Beschluss eines Landesgerichtes vom 11.03.2014 wurde über den BF neuerlich die Untersuchungshaft verhängt. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 11.04.2014 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde die Probezeit der mit Urteil vom 09.09.2013 bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe auf 5 Jahre verlängert. Der BF hat am 08.03.2014 gewerbsmäßig Suchtgift, nämlich zwei Kugeln Kokain enthaltend Cocain zu gesamt 1,52 Gramm brutto und eine Kugel Heroin enthaltend Diacetylmorphin zu gesamt 0,87 Gramm brutto zum Kaufpreis von gesamt EUR 100,-- überlassen.
6. Mit Parteiengehör vom 10.07.2014 teilte das Bundesamt dem BF mit, dass beabsichtigt sei, eine Rückkehrentscheidung sowie ein Einreiseverbot zu erlassen. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, dazu innerhalb einer Frist von 10 Tagen eine Stellungnahme abzugeben. Dieses Schreiben wurde vom BF am 10.07.2014 persönlich übernommen, eine Stellungnahme gab er nicht ab. Das Bundesamt erließ in weiterer Folge weder eine Rückkehrentscheidung noch ein Einreiseverbot.
7. Am 17.10.2014 wurde der BF bedingt aus der Strafhaft entlassen. Das Bundesamt nahm von einer Schubhaftnahme Abstand, da der BF über einen nigerianischen Reisepass sowie einen gültigen griechischen Aufenthaltstitel verfügte und er beabsichtigte, am 19.10.2014 freiwillig nach Griechenland zurückzukehren.
8. Am 19.10.2014 kehrte der BF auf dem Luftweg nach Griechenland zurück.
9. Am 29.11.2018 wurde der BF neuerlich von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Bundesgebiet aufgegriffen. Dabei wies sich der BF wiederum mit einem nigerianischen Reisepass und einem griechischen Aufenthaltstitel aus. Der BF gab an, am 30.07.2018 nach Österreich eingereist zu sein und beabsichtige im Dezember wieder nach Griechenland auszureisen. Ein Wohnsitz in Österreich konnte nicht festgestellt werden. Der BF wurde nach Rücksprache mit dem Bundesamt gemäß § 40 BFA-VG festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum eingeliefert.
10. Am 30.11.2018 wurde der BF vom Bundesamt unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Englisch zur Prüfung einer Sicherungsmaßnahme sowie zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme. Er wohne seit 2014 an einer von ihm genannten Adresse im Bundesgebiet bei seiner Freundin und sei bei ihr auch behördlich gemeldet. Vor einem Monat habe sie ihn nach einem Streit abgemeldet, davon habe er aber nichts gewusst. Er habe bereits eine Fahrkarte nach Griechenland, wo er immer wieder hinfliege, da er ein DJ sei. Nach dem 24.10.2018 habe er sich einige Tage in der Slowakei aufgehalten und dort als DJ gearbeitet, danach sei er wieder nach Österreich eingereist, um sich mit seiner Freundin zu versöhnen. Im Besitz einer Aufenthalts- oder Beschäftigungsbewilligung sei er nicht, er dürfe nur in Griechenland arbeiten. Er habe in Österreich und der Slowakei bezahlte Arbeit als DJ aufgenommen ohne im Besitz eines arbeitsmarktrechtlichen Dokumentes zu sein. Über eine Kranken- bzw. Unfallversicherung in Österreich verfüge er nicht. Er wohne bei einer Freundin, deren Adresse er nannte und deren Richtigkeit durch eine im Rahmen der Einvernahme vorgenommene Abfrage des Zentralen Melderegisters bestätigt wurde. Bei dieser Adresse handelt es sich nicht um jene Adresse, an der der BF bis 24.10.2018 gemeldet war. Die Frage warum er bei seiner Freundin nicht gemeldet sei beantwortete der BF damit, dass er nicht an zwei Adressen gemeldet sein könne. An Barmittel habe er EUR 90,--, an Ersparnissen besitze er EUR 1.500,--. Er sei geschieden, habe keine Sorgepflichten und verfüge in Österreich über keine Familienangehörigen. In Nigeria sei er zuletzt im Jahr 2010 gewesen, dort befänden sich vier Schwestern und ein Bruder. In Griechenland habe er keine Angehörigen. Der BF nannte seine Adressen in Griechenland und Nigeria. In Nigeria werde er nicht strafrechtlich oder politisch verfolgt. Einer Erwerbstätigkeit gehe er nicht nach, seinen Lebensunterhalt bestreite er dadurch, dass er beim Einladen von Containern helfe, die nach Nigeria verschifft werden. In der Wohnung seiner Freundin befänden sich seine Effekten, einen Schlüssel für die Wohnung habe er nicht, er müsse diesen von der Frau holen, die dort dusche.
11. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 30.11.2018 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 - AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I). Gleichzeitig wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). In Spruchpunkt III. wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF "in die Vereinigten Staaten von Amerika" zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde aberkannt (Spruchpunkt V.). Gleichzeitig wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Dieser Bescheid wurde dem BF am 30.11.2018 durch persönliche Übernahme zugestellt.
12. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.11.2018 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG über den BF Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend wurde vom Bundesamt im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF nigerianischer Staatsangehöriger sei und über eine Aufenthaltsgenehmigung, ausgestellt durch die Republik Griechenland, verfüge. Der BF halte sich zumindest seit 123 Tagen im Bundesgebiet auf, über eine Meldeadresse verfüge er seit 24.10.2018 nicht mehr. Eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot gegen den BF sei durchsetzbar. Auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1 und 9 FPG sei von Fluchtgefahr auszugehen. Die Entscheidung sei verhältnismäßig, da der BF seine Ausreise nicht aus eigenen Mitteln organisieren könne, da es ihm nicht möglich gewesen sei, ausreichende Barmittel glaubhaft zu machen. Er sei für die Behörde nicht greifbar gewesen und habe die sichtvermerksfreie Aufenthaltsdauer bei weitem überschritten. Auf Grund seiner Wohn- und Familiensituation und seiner fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie auf Grund seines bisherigen Verhaltens könne auf ein beträchtliches Risiko des Untertauchens geschlossen werden. Dass er tatsächlich die Wohnung einer Freundin nutzen könne, sei auf Grund seiner Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme wenig bis kaum glaubhaft. Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels könne auf Grund der persönlichen Lebenssituation sowie auf Grund des bisherigen Verhaltens des BF nicht das Auslangen gefunden werden.
Dieser Bescheid wurde dem BF zeitgleich mit jenem Bescheid durch persönliche Übergabe zugestellt, mit dem eine Rückkehrentscheidung getroffen wurde.
13. Am 03.12.2018 stellte der BF einen schriftlichen Antrag auf Akteneinsicht und legte eine Vollmacht, lautend auf den Namen jener Freundin, die er in seiner Einvernahme vom 30.11.2018 namentlich genannt hatte, vor. Gleichzeitig legte er auch eine Buchungsbestätigung vom 02.11.2018 über einen Flug von Bratislava nach Athen am 11.12.2018 sowie einen Flug von Athen nach Bratislava für den 15.12.2018 vor. Als Fluggäste scheinen dabei der BF sowie seine in der Einvernahme vom 30.11.2018 genannte Freundin auf.
14. Am 05.12.2018 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 30.11.2018 sowie den hier gegenständlichen Bescheid, mit dem eine Rückkehrentscheidung getroffen wurde und festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF in "die Vereinigten Staaten von Amerika" zulässig sei.
Begründend brachte er im Wesentlichen vor, dass die Rückkehrentscheidung nicht erlassen hätte werden dürfen, da auf Grund der griechischen Aufenthaltsberechtigung der BF gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger aufgefordert hätte werden müssen, nach Griechenland zurückzukehren. Auf Grund des gebuchten Tickets wäre die Rückkehr auch glaubhaft gewesen. Eine Rückkehrentscheidung dürfe zwar erlassen werden, wenn die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit erforderlich sei. Dies sei aber beim BF nicht der Fall, der sich in den letzten vier Jahren er sich nichts habe zuschulden kommen lassen, sodass nicht mehr von einer aktuellen Gefährlichkeit auszugehen sei, weshalb auch das Einreiseverbot rechtswidrig sei.
15. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.12.2018, W250 2210753-1/8E wurde der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid stattgegeben und dieser sowie die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 30.11.2018 für rechtswidrig erklärt (Spruchpunkt I.). Mit Spruchpunkt II. wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
16. Das Bundesamt legte am 06.12.2018 die Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Verfahrensgang
Der unter I.1. bis I.16. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
1.2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen für eine Rückkehrentscheidung
Der BF ist ein volljähriger nigerianischer Staatsangehöriger, seine Identität steht fest. Er verfügt über einen bis 17.07.2021 gültigen nigerianischen Reisepass sowie über eine bis 10.03.2019 gültige Aufenthaltsberechtigung in Griechenland (Autonomous Residence Permit). Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.
Der BF weist folgende Verurteilungen in Österreich auf:
Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 09.09.2013 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, wovon ein Teil von 7 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Der BF hat am 06.08.2013 gewerbsmäßig Suchtmittel einem anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, und zwar eine Kugel Kokain (Wirkstoff: Cocain) zu insgesamt 0,7 Gramm brutto um EUR 40,-.
Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 11.04.2014 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde die Probezeit der mit Urteil vom 09.09.2013 bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe auf 5 Jahre verlängert. Der BF hat am 08.03.2014 gewerbsmäßig Suchtgift, nämlich zwei Kugeln Kokain enthaltend Cocain zu gesamt 1,52 Gramm brutto und eine Kugel Heroin enthaltend Diacetylmorphin zu gesamt 0,87 Gramm brutto zum Kaufpreis von gesamt EUR 100,-- überlassen.
Der BF hält sich seit 30.07.2018 in Österreich auf, die höchstzulässige Aufenthaltsdauer zu touristischen Zwecken von 90 Tagen hat er überschritten.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.11.2018 wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Vereinigten Staaten von Amerika zulässig ist. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde aberkannt. Die Voraussetzungen des § 52 Abs. 6 FPG wurden in diesem Bescheid nicht geprüft. Dieser Bescheid wurde dem BF am 30.11.2018 gleichzeitig mit dem Schubhaftbescheid zugestellt.
Der BF hat am 02.11.2018 einen Flug von Bratislava nach Athen für den 11.12.2018 gebucht.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2210753-1, die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 30.11.2018 die Schubhaft betreffend, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
2.1. Zum Verfahrensgang
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem unbedenklichen und unstrittigen Inhalt des Verfahrensaktes des Bundesamtes, des Aktes des Bundesverwaltungsgerichtes und des Aktes des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2210753-
2.2. Aus der im Akt des Bundesamtes einliegenden Kopie des von der nigerianischen Vertretungsbehörde in Athen am 18.07.2016 für den BF ausgestellten nigerianischen Reisepass ergibt sich, dass der BF ein volljähriger nigerianischer Staatsangehöriger ist. Dass er über einen bis 10.03.2019 gültigen griechischen Aufenthaltstitel verfügt, steht ebenfalls auf Grund der im Akt befindlichen Kopie des nigerianischen Reisepasses fest. Hinweise darauf, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt findet sich im Verwaltungsakt ebensowenig wie dafür, dass er Asylberechtigter oder Subsidiär Schutzberechtigter ist.
2.3. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt befindlichen Urteilsausfertigungen sowie aus dem Strafregister.
2.4. Dass sich der BF seit 30.07.2018 in Österreich aufhält, ergibt sich aus seiner Aussage vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen seiner Anhaltung am 29.11.2018. Dass er die zulässige Aufenthaltsdauer überschritten hat, wurde vom BF im Verfahren und insbesondere in seiner Beschwerde nicht bestritten.
2.5. Die Feststellungen zum Bescheid des Bundesamtes vom 30.11.2018, mit dem gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, beruhen auf der im Akt des Bundesamtes befindlichen Bescheidkopie. Dass dieser Bescheid und jener, mit welchem die Schubhaft angeordnet wurde, dem BF gleichzeitig übergeben wurden, ergibt sich aus den Zustellnachweisen beider Bescheide.
2.6. Aus der vom BF vorgelegten Buchungsbestätigung ergibt sich, dass er am 02.11.2018 einen Flug nach Griechenland für den 11.12.2018 gebucht hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1.
Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich 1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder 2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
Es steht fest, dass der Beschwerdeführer sich unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhielt. Dies diente dem BFA als Grundlage, um gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Allerdings wurde von der belangten Behörde nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer im Besitz eines Aufenthaltstitels des Mitgliedstaates Griechenland war.
Gemäß § 52 Abs. 6 FPG hat sich ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rspr., vgl. etwa das Erkenntnis vom 10.04.2014, Zl. 2013/22/0310 dargelegt, dass § 52 FPG die Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie umsetzt (siehe dazu RV 1078 BlgNR 24. GP 29). Art. 6 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie sieht vor, dass ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger mit einem Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates zunächst zu verpflichten ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Schon aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu Letzterem ergibt sich unzweifelhaft, dass der Gesetzgeber damit die Umsetzung des Art 6 Abs 2 RückführungsRL beabsichtigte (vgl. 1078 BlgNR XXIV. GP, S. 29): "Im vorgeschlagenen Abs. 2 wird auf die Vorgaben der Art. 6 Abs. 2 iVm Art. 7 Abs. 4 und Art. 8 Abs. 1 der RückführungsRL Bedacht genommen, die anstelle des Art. 23 Abs. 2 und 3 SDP treten. Letztgenannte regelten die Verpflichtung des Drittstaatsangehörigen, sich in den Vertragsstaat zu begeben, der ihm einen Aufenthaltstitel ausgestellt hat sowie dessen Abschiebung bei Missachtung dieser Verpflichtung oder im Fall der Verletzung des ordrepublic sowie die ausnahmsweise Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis trotz Illegalität. In diesem Fall ergeht gegen den Drittstaatsangehörigen grundsätzlich keine Rückkehrentscheidung, sondern nur dann, wenn er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt oder seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist."
Nun wurde im gegenständlichen Verfahren nicht aufgezeigt, dass vom Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht, die eine sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen aus dem Bundesgebiet erforderlich macht.
Wie auch aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zu Zl. 2210753-1 (Schubhaftverfahren) hervorgeht, hat die belangte Behörde in der angefochtenen Entscheidung die Prüfung des Sachverhalts nach diesem Maßstab unterlassen.
Zudem ist im gegenständlichen Verfahren von einer freiwilligen Ausreise des Beschwerdeführers nach Griechenland auszugehen.
In einem ähnlich gelagerten Fall wurde vom Verwaltungsgerichtshof kürzlich festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen, der im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates ist, nicht möglich ist, wenn er nicht zunächst aufgefordert wurde, sich in den betreffenden Mitgliedstaat zu begeben - mit Ausnahme der Fälle, in denen seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist oder er der Ausreiseaufforderung nicht nachgekommen war (VwGH vom 21.12.2017, Ra 2017/21/0234).
Nachdem, wie bereits dargelegt, im angefochtenen Bescheid keiner dieser zwei Ausnahmetatbestände vorliegt, hätte die belangte Behörde dieser im Hinblick auf den Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers in Griechenland gebotenen Anordnung nachkommen müssen.
3.2.
Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden.
Auch unter Beachtung der Vorgaben in Art. 11 der Rückführungs-RL, die davon ausgeht, dass eine "Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergeht", kann ein Einreiseverbot jedoch nie eigenständig erlassen werden, es bedarf immer einer zugrundeliegenden Rückkehrentscheidung, an die das Einreiseverbot anknüpft (Erläut RV2144 BlgNr 24. GP 23f.).
Wird eine Rückkehrentscheidung gegenstandslos, so erfasst das auch die damit im Zusammenhang stehenden Aussprüche. Das gilt auch für das an die Rückkehrentscheidung anknüpfende Einreiseverbot (vgl. VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037, VwSlg. 19268 A/2015), zumal es nach der insoweit umgesetzten Richtlinie 2008/115/EG keine von der Rückkehrentscheidung losgelösten Einreiseverbote gibt (vgl. EuGH Schlussanträge der Generalanwältin 26. Oktober 2017, Rs. C-82/16, K.A. ua).
Aufgrund der Behebung der gegen den BF ergangenen Rückkehrentscheidung kann auch das gegen ihn ausgesprochene Einreiseverbot nach dem Gesagten keinen Bestand haben. Das Einreiseverbot war daher ersatzlos zu beheben.
Daher war die mit Spruchpunkt II. verhängte Rückkehrentscheidung ebenso zu beheben wie die darauf aufbauenden Spruchpunkte, so dass der angefochtene Bescheid zur Gänze zu beheben war.
3.3.
Nur der Vollständigkeit halber ist zudem auszuführen, dass im bekämpften Bescheid eine Abschiebung des BF, bei dem es sich um einen Staatsbürger von Nigeria handelt, in "die Vereinigten Staaten von Amerika" angeordnet wurde und zudem nicht ersichtlich ist, dass von der belangten Behörde Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Nigeria in das Verfahren eingebracht wurden.
3.4.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2). Da der Bescheid aufzuheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.
3.5.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abschiebung, Aufenthaltstitel, Behebung der Entscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I412.2210756.1.00Zuletzt aktualisiert am
12.02.2019