Entscheidungsdatum
11.12.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I403 2139358-2/4E
I403 2141926-2/4E
I403 2196863-2/4E
I403 2196865-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX (alias XXXX), geb. XXXX, Staatsangehörige Nigerias und vertreten durch "Verein Menschenrechte Österreich" sowie Rechtsanwalt Edward DAIGNEAULT, XXXX, geb. XXXX, XXXX, geb. XXXX, XXXX, geb. XXXX, alle Staatsangehörige Nigerias, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter XXXX, diese vertreten durch "Verein Menschenrechte Österreich" und Rechtsanwalt Edward DAIGNEAULT, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2018, Zl. 1094170205/181021159, 1133492507/181021370, 1185086301/181021426 und 1185082302/181021396 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um eine volljährige Frau und ihre drei minderjährige Kinder. Es handelt sich um ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005.
Zum Vorverfahren:
Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin (und Vater der anderen Beschwerdeführer) hatte bereits am 03.02.2014 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, den er mit einer Verfolgung durch Boko Haram begründete, gestellt. Dieser Antrag war mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.05.2015, Zl. 1001345304-14072567, negativ entschieden worden. Die dagegen erhobene Beschwerde war mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.07.2015, GZ. I403 2107568-1, als unbegründet abgewiesen worden. Der Ehemann hatte daraufhin am 28.10.2015 einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Am 10.11.2015 stellte die Erstbeschwerdeführerin XXXX ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete sie wie folgt:
"Mein Mann war Taxifahrer in Nigeria, in Benin. Eines Tages fuhr ein Homosexueller mit ihm mit, daraufhin wurde meinem Mann von der Polizei vorgehalten, dass er auch homosexuell sei und deshalb ist er geflüchtet. Die Polizei sagte mir, dass ich meinen Mann suchen müsste, daraufhin kam ich in Kontakt mit der Madam. Sie schlug mir vor, in Italien als Prostituierte zu arbeiten. Das habe ich auch drei Wochen lang getan. Ich beschloss nach Österreich zu fliehen, weil mein Mann auch schon hier ist."
Mit Bescheiden vom 20.10.2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA; belangte Behörde) die Anträge der Erstbeschwerdeführerin und ihres Ehemannes auf internationalen Schutz als unbegründet ab. Zugleich erteilte das BFA keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die Erstbeschwerdeführerin und ihren Ehemann eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrug 14 Tage.
In weiterer Folge stellte die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin für die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 22.11.2016 ebenfalls negativ entschieden.
Mit Schriftsatz vom 21.03.2018 stellte die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin für die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer XXXX und XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Auch diese Anträge wurden mit Bescheid vom 20.04.2018 negativ entschieden.
Gegen alle Bescheide wurde Beschwerde erhoben. Am 05.07.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.07.2018, Zl. I411 2139358-1, I411 2141926-1, I411 2196863-1 und I411 2196865-1 wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.
Zum Folgeverfahren des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin:
Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin (und Vater der anderen Beschwerdeführer) stellte am 22.08.2018 seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz und machte geltend, dass sein Haus in Nigeria von den Leuten, die ihn suchen würden, niedergebrannt worden sei. Dies habe er drei Wochen zuvor von der Mutter seiner Frau erfahren. In seiner Einvernahme am 12.09.2018 führte er näher aus, dass das Haus bereits 2014 niedergebrannt worden sei, dass er allerdings kürzlich erfahren habe, dass der Vermieter seine Schwiegermutter aufgefordert habe, den Schaden zu bezahlen. Ansonsten sei der Fluchtgrund aus dem Vorverfahren weiterhin aufrecht, sein Anwalt habe ihm zur erneuten Antragstellung geraten.
Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 20.09.2018 wegen entschiedener Sache abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.10.2018, Zl. I411 2107568-3 als unbegründet abgewiesen.
Zum gegenständlichen Verfahren:
Am 25.10.2018 stellte die Erstbeschwerdeführerin für sich und ihre drei minderjährigen Kinder vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes ihren zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte sie an, dass ihre Tochter in Nigeria beschnitten werden würde, was sie nicht wolle. Zudem sei ihr Haus zerstört worden und verlange der Besitzer deswegen Geld von ihr.
In der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 16.11.2018 gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass es Schwierigkeiten mit ihrer Mutter geben würde, dass bereits eine bei der Mutter in Obhut befindliche Tochter weggelaufen sei, dass die Polizei sie suche. Sie habe in Nigeria noch nicht gewusst, dass Frauen in Nigeria Opfer von Genitalverstümmelung werden würden, davon habe sie erst in Österreich erfahren. Sie habe davon aber bereits im ersten Asylverfahren gewusst.
Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz vom 25.10.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Zugleich wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für eine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde nicht eingeräumt (Spruchpunkt VI.). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete die zurückweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass im gegenständlichen Folgeverfahren kein Sachverhalt vorgebracht worden sei, der nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens entstanden sei. Gegen den ebenfalls noch in Österreich aufhältigen Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bestehe eine aufrechte Rückkehrentscheidung.
Gegen die Bescheide wurde mit Schriftsatz vom 28.11.2018 Beschwerde erhoben und eine Vollmacht für die Vertretung durch den Verein Menschenrechte Österreich vorgelegt. Es wurde beantragt, den Beschwerdeführern Asyl, in eventu subsidiären Schutz zu gewähren, ihnen in eventu einen Aufenthaltstitel nach §§ 57 und 55 AsylG 2005 zu gewähren, die Rückkehrentscheidung zu beheben und festzustellen, dass die Abschiebung unzulässig ist, in eventu die Angelegenheit an das BFA zurückzuverweisen sowie eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 05.12.2018 vorgelegt. Am 05.12.2018 langte ein weiterer Schriftsatz, nunmehr erstellt durch Rechtsanwalt Edward DAIGNEAULT, beim BFA ein. Das ebenfalls mit "Beschwerde" betitelte Schreiben wurde vom BFA an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweit-, Dritt- und Viertbeschwerdeführer. In Nigeria leben vier weitere Kinder der Erstbeschwerdeführerin, die bei ihrer Mutter wohnen. Die Beschwerdeführer sind gesund, Staatsangehörige von Nigeria und bekennen sich zum christlichen Glauben. Sie gehören der Volksgruppe der Edo an. Ihre Identität steht nicht fest. Sie halten sich seit (mindestens) 10.11.2015 (Erstbeschwerdeführerin) und XXXX (Geburt der Zweitbeschwerdeführerin) sowie XXXX (Geburt des Dritt- und Viertbeschwerdeführers) in Österreich auf. Das Verfahren wird als Familienverfahren nach § 34 AsylG geführt.
Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der anderen Beschwerdeführer lebt in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt mit den Beschwerdeführern. Gegen ihn besteht eine aufrechte und durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Er ist gesund und arbeitsfähig.
Die Erstbeschwerdeführerin besuchte keine Schule und verdiente sich ihren Lebensunterhalt in Nigeria mit dem Verkauf von selbst zubereiteten Speisen an einem Stand. Sie ist arbeitsfähig.
Keiner der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft.
Die Beschwerdeführer verfügen in Österreich über keine weiteren familiären Anknüpfungspunkte. Sie weisen keine maßgeblichen sprachlichen, sozialen oder integrativen Verfestigungen auf. Ihren Lebensunterhalt bestreiten die Beschwerdeführer in Österreich aus Mitteln der Grundversorgung.
Die ersten Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz wurde mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2018 abgewiesen; die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.07.2018 als unbegründet abgewiesen; die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft. Unmittelbar danach stellte der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz; dieses Verfahren endete in Form einer Abweisung und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.10.2018. Wenige Tage danach, am 25.10.2018, wurde von der Erstbeschwerdeführerin für sich und ihre minderjährigen Kinder ein weiterer Folgeantrag gestellt.
Die Beschwerdeführer brachten im gegenständlichen Verfahren keine neuen Fluchtgründe und keine Änderung ihrer gesundheitlichen Situation bzw. der Lage in Nigeria seit Juli 2018 (Rechtskraft des letzten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes) vor. Die Situation in Nigeria hat sich in den letzten Monaten nicht entscheidungswesentlich verändert. Auch die Rechtslage blieb, soweit entscheidungsrelevant, unverändert.
Die aktuelle Situation im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer stellt sich auf Basis des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation im Wesentlichen wie folgt dar:
Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.
In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.
Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.
Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.
In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.
Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.
Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.
Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.
Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.
Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.
Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.
Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.
Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung. Etwa 20 Millionen nigerianische Frauen sind Opfer von FGM. Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären. Das kanadische Immigration and Refugee Board berichtet, dass es unterschiedliche Zahlen zur Prävalenz der FGM in Nigeria gibt. Einige Quellen geben an, dass über 40 Prozent% der Frauen in Nigeria FGM ausgesetzt sind. Laut anderen Quellen liegt die Prävalenz der FGM zwischen 25-27 Prozent. Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen, in weiten Teilen Nordnigerias ist der Anteil erheblich geringer. Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten. Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen. Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen.
Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.
2. Beweiswürdigung:
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen zur Volljährigkeit der Erstbeschwerdeführerin sowie zur Minderjährigkeit der Kinder ergeben sich aus dem Akt und sind augenscheinlich. Die Feststellung zum Familienstand, der Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und ihrer Konfession gründen sich auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin. Gesundheitliche Beeinträchtigungen wurden zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens vorgebracht. Nachdem die Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnten, stehen ihre Identitäten nicht fest. Die Feststellung zu den Familienangehörigen in Nigeria sowie zur beruflichen Situation der Erstbeschwerdeführerin vor ihrer Ausreise aus Nigeria ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben im Vorverfahren bzw. vor dem BFA. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer ihren Lebensunterhalt in Österreich aus Mitteln der Grundversorgung bestreiten, ist durch einen aktuellen Auszug des Betreuungsinformationssystems belegt. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem eigeholten Strafregisterauszug der Republik Österreich. Dass die Beschwerdeführer in Österreich (abgesehen vom Ehemann der Erstbeschwerdeführerin) über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügen und auch sonst nicht sozial bzw. integrativ verfestigt sind, ergibt sich aus den glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin im Vorverfahren bzw. vor dem BFA.
Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 19.11.2018 eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist.
Zunächst ist festzustellen, dass sich die Rechtslage in einzelnen Punkten durch das FRÄG 2018 geändert haben mag, allerdings nicht entscheidungswesentlich. Dies wurde in der Beschwerde auch nicht behauptet.
Es wurden auch keine neuen entscheidungsrelevanten Fluchtgründe vorgebracht, wie im Folgenden gezeigt wird:
In der Erstbefragung am 25.10.2018 verwies die Erstbeschwerdeführerin zunächst auf eine ihrer Tochter, der Zweitbeschwerdeführerin, drohende Genitalverstümmelung. Dies wird auch in der Beschwerde wiederholt. Auch in dem zweiten Schriftsatz, welcher nach Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht beim BFA einlangte und welcher vom Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeergänzung behandelt wird, wird die Genitalverstümmelung der Zweitbeschwerdeführerin ins Zentrum des Vorbringens gestellt, ohne allerdings darzulegen, warum diese im vorangegangenen Asylverfahren noch keine Erwähnung finden konnte (wie im Schriftsatz behauptet wird).
Vielmehr hatte die Erstbeschwerdeführerin in ihrer Einvernahme durch das BFA am 16.11.2018 angegeben, dass sie sich dieser Gefahr zwar in Nigeria noch nicht bewusst gewesen sei, sehr wohl allerdings während des ersten Asylverfahrens. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Erstbeschwerdeführerin im vorangegangenen Asylverfahren die Gefahr einer Genitalverstümmelung erstmals in der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren am 05.07.2018 thematisierte. Im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.07.2018 wurde diesbezüglich zwar auf das in § 20 BFA-VG normierte Neuerungsverbot verwiesen, darüber hinaus aber von Amts wegen festgestellt, dass weder die Erstbeschwerdeführerin noch ihr Ehemann einer Beschneidung ihrer Tochter zustimmen würden, so dass dieser auch keine Genitalverstümmelung drohe. Zusammengefasst muss daher für das gegenständliche Verfahren festgehalten werden, dass die behauptete Gefahr einer Genitalverstümmelung der Zweitbeschwerdeführerin bereits während des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden hatte und keinen neuen Sachverhalt darstellt; zudem wurde im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.07.2018 festgestellt, dass diese Gefahr aufgrund der ablehnenden Haltung der Eltern gegenüber dieser Praktik nicht besteht.
Für den Dritt- und Viertbeschwerdeführer wurden auch im gegenständlichen Verfahren keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
Soweit die Erstbeschwerdeführerin in der Einvernahme vor dem BFA vage darauf verwies, dass es in Nigeria Probleme mit der Polizei gegeben habe, dass diese nach ihr suche und dass ihre Mutter weggelaufen sei, reicht dies nicht aus, um eine neue inhaltliche Prüfung ihres Vorbringens zu rechtfertigen. Damit bezieht sie sich nämlich stets auf den Gegenstand des Vorverfahrens, in dem sie erklärt hatte, die Polizei würde sie suchen, weil ihr Ehemann als Taxifahrer immer einen homosexuellen Fahrgast befördert habe. Ein neuer Sachverhalt bzw. ein neues Fluchtvorbringen ergibt sich daraus nicht.
Soweit in der Beschwerde auch erklärt wird, die Erstbeschwerdeführerin habe mit Problemen mit dem Vermieter zu rechnen, da dieser Ersatz für das zerstörte Haus verlange, ist dieses Vorbringen erstens nicht geeignet, einen Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darzustellen und ergibt sich zweitens sowohl aus dem Vorverfahren wie auch aus der Aussage ihres Ehemannes während seines dritten Asylverfahrens, dass das Haus bereits 2014 zerstört worden war. Auch daraus ergibt sich daher kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt.
Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041). Eine Änderung der Situation in Nigeria in den vergangenen Monaten wurde zwar in der Beschwerdeergänzung vom 05.12.2018 behauptet, allerdings ohne darzulegen, was sich konkret in den letzten fünf Monaten geändert haben sollte. Soweit in der Beschwerde erklärt wird, die Beschwerdeführer würden in eine ausweglose Situation geraten, wurde es unterlassen darzulegen, was sich diesbezüglich seit Juli 2018 und damit seit Rechtskraft des Vorverfahrens geändert haben sollte.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser wurde in den angefochtenen Bescheiden umfangreich wiedergegeben, gegenständlich wurde nur auf die wichtigsten Punkte verwiesen. Diesen Feststellungen wurde von den Beschwerdeführern auch nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30. 5. 1995, 93/08/0207). Soweit daher in der Beschwerde (und auch in dem Schriftsatz, welcher am 05.12.2018 beim BFA einlangte und ebenfalls als "Beschwerde" betitelt ist) beantragt wurde, den Beschwerdeführern Flüchtlingsschutz bzw. allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren, kann dies nicht Sache des gegenständlichen Verfahrens sein. Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.
Zu A)
3.1. Zurückweisung des Antrages hinsichtlich des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide):
Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21. 3. 1985, 83/06/0023, u.a.). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht Anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden.
Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 8. 9. 1977, 2609/76).
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25. 4. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 9. 9. 1999, 97/21/0913; und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).
Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 24. 8. 2004; 2003/01/0431; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315; VwGH 24. 2. 2000, 99/20/0173; VwGH 21. 10. 1999, 98/20/0467).
Für das Bundesverwaltungsgericht ist die maßgebliche Frage des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens, ob das BFA den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.
Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt gemäß Abs. 1 das Vorliegen eines Bescheides, der mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht (mehr) bekämpft werden kann, voraus. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.07.2018 ist in formelle Rechtskraft erwachsen.
Das BFA hat - wie in der Beweiswürdigung zusammengefasst - völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass entschiedene Sache vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung der belangten Behörde an, dass die Angaben der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren nicht geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken und dass darin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann. Das Vorbringen rund um die angebliche Verfolgung durch die Polizei war bereits Gegenstand des Vorverfahrens. Die in der mündlichen Verhandlung im Vorverfahren vorgebrachte Gefahr einer möglichen Genitalverstümmelung der Zweitbeschwerdeführerin war - unabhängig von der Beurteilung der tatsächlichen Gefahr, welche im vorangegangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.07.2018 verneint wurde - bereits während des vorangegangenen Asylverfahrens gegeben; eine diesbezügliche Veränderung des Sachverhaltes liegt nicht vor. Im Übrigen wurde, wie bereits erwähnt, eine derartige Bedrohung im vorangegangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.07.2018 bereits verneint.
Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass von der Familie der Beschwerdeführer das Asylsystem systematisch missbraucht wird, um ihren Aufenthalt in Österreich zu verlängern. Der erste Antrag auf internationalen Schutz des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin (und Vater der anderen Beschwerdeführer) war mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.07.2015 als unbegründet abgewiesen worden. Bereits drei Monate später stellte der Ehemann einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Wenige Tage später stellte die Erstbeschwerdeführerin ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz. Nachdem die Anträge für die ganze Familie mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.07.2018 abgewiesen wurden, stellte der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin (und Vater der anderen Beschwerdeführer) bereits am 22.08.2018 seinen nunmehr dritten Antrag auf internationalen Schutz. Nachdem dieser wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde und dies mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.10.2018 bestätigt wurde, stellten unmittelbar darauf die Beschwerdeführer am 25.10.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Diese Vorgehensweise legt kein Schutzbedürfnis nahe, sondern lässt auf die Weigerung, die rechtskräftigen Entscheidungen der österreichischen Behörden bzw. Gerichte anzuerkennen, schließen.
Da daher weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre der Beschwerdeführer gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden kann. Die angefochtenen Spruchpunkte I. und II. waren sohin vollinhaltlich zu bestätigen.
3.2. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide):
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 57 AsylG wurde weder behauptet noch gibt es dafür im Verwaltungsakt irgendwelche Hinweise, so dass auch die Beschwerden gegen Spruchpunkt III. abzuweisen waren.
3.3. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide):
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.
Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. der Vater der minderjährigen Kinder hält sich ebenfalls in Österreich auf - allerdings unrechtmäßig. Über seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz wurde im Oktober 2018 rechtskräftig negativ entschieden und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie die Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt. Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, so greift sie wohl in das Privatleben der Familienmitglieder ein, nicht aber in ihr Familienleben (VwGH 22.11.2012, 2011/23/067; 26.02.2013, 2012/22/0239; 19.02.2014, 2013/22/0037; siehe auch EGMR, 9.10.2003, 48321/99, Slivenko gg Lettland, EGMR, 16.6.2005, 60654/00 Sisojeva gg Lettland).
Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführer. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).
Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes von drei Jahren davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes der Erstbeschwerdeführerin das Interesse an der Achtung ihres Privatlebens überwiegt. Die minderjährigen Beschwerdeführer wurden in Österreich geboren, doch befinden sich alle drei in einem anpassungsfähigen Alter, in welchem die Bindung zu den Eltern im Zentrum steht. Eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung im Bundesgebiet kann im Fall der zweijährigen Zweitbeschwerdeführerin und der 10 Monate alten Dritt- und Viertbeschwerdeführer nicht angenommen werden.
Es liegen auch bei der Erstbeschwerdeführerin keine Aspekte einer außerordentlichen Integration vor bzw. wurde diesbezüglich in der Beschwerde nur auf ihre Unbescholtenheit verwiesen. Hinsichtlich der strafrechtlichen Unbescholtenheit ist auszuführen, dass dies nach Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420), da der VwGH davon ausgeht, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.
Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt aber nicht vor, insbesondere da die Beschwerdeführer vom Ehemann der Erstbeschwerdeführer bzw. dem Vater der minderjährigen Kinder nach Nigeria begleitet werden können.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer darstellt.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.4. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V. der angefochtenen Bescheide):
Mit den angefochtenen Bescheiden wurde zudem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Nigeria zulässig ist. Dass die Beschwerdeführer von einem innerstaatlichen oder internationalen Konflikt oder von der Todesstrafe bedroht wären, wurde nie vorgebracht. In der Beschwerde wurde aber auch nicht aufgezeigt, dass eine Abschiebung die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK mit sich bringen würde. Es wurde zwar erklärt, dass die Beschwerdeführer in eine ausweglose Situation geraten würden, doch reicht nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die bloße Möglichkeit einer Existenzbedrohung nicht aus (VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19/0036-5). Der Verweis auf die schlechte finanzielle Lage einer Familie und auf drohende Arbeitslosigkeit, welche im ganzen Land herrschen würde, mag zwar die Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation im Falle der Rückführung aufzeigen, aber nicht die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit eine Verletzung des Art. 3 EMRK (VwGH, 23.03.2017, Ra 2016/20/0188). In der Beschwerde bzw. auch im vorangegangenen Verfahren wurde es unterlassen, eine konkrete Gefährdung der Beschwerdeführer aufzuzeigen. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass auch gegen den ebenfalls aus Nigeria stammenden Ehemann der Erstbeschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Die Gefahr einer Verletzung der in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte war im Übrigen auch im vorangegangenen Asylverfahren verneint worden.
Die Beschwerden waren daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes V. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.5. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V. der angefochtenen Bescheide):
Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für eine freiwillige Ausreise in Fällen einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68
AVG.
Die Beschwerden waren somit auch hinsichtlich des Spruchpunktes VI. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Die Beschwerdeführer beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).
Da der verfahrenseinleitende Antrag zurückzuweisen war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben. Der für die Zurückweisung maßgebliche Sachverhalt war auf Grund der Aktenlage klar.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltstitel,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I403.2141926.2.00Zuletzt aktualisiert am
12.02.2019