TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/29 97/08/0101

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Veröffentlicht am 29.06.1999
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;

Norm

SHG Wr 1973 §10 Abs1;
SHG Wr 1973 §13 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/08/0102

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerden des G in W, vertreten durch Dr. Susanne Fruhstorfer, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 13, gegen die Bescheide der Wiener Landesregierung vom 30. Jänner 1997, 1) Zl. MA 12-8252/77A I und

2) Zl. MA 12-8252/77A II, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Der Beschwerdeführer beantragte am 11. August 1995 beim Magistrat der Stadt Wien die Gewährung einer Sozialhilfe für die Zeit vom 12. August 1995 bis zum 11. September 1995 nach dem Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG) zur Deckung des Lebensunterhaltes. Mit dem mündlich verkündeten Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 11. August 1995 wurde dem Beschwerdeführer für den angegebenen Zeitraum eine Geldaushilfe von S 1.457,00 mit der Begründung bewilligt, dass von dem Richtsatz für einen Alleinunterstützten von

S 4.770,00 das Einkommen des Beschwerdeführers als Hausbesorger von

S 2.734,93 (inklusive Sonderzahlungen) und die Versehrtenrente des Beschwerdeführer von S 577,80 (inklusive Sonderzahlungen) abzuziehen seien. In seiner dagegen erhobenen Berufung beantragte der Beschwerdeführer die Zuerkennung einer höheren Geldaushilfe, weil er als Hausbesorger monatlich nur S 1.427,50 14 mal jährlich verdiene. In dem von der Behörde erster Instanz angenommenen Einkommen von S 2.734,93 seien 15 % Materialkosten sowie eine Auslage für die Heißwasserboilerbeheizung enthalten. Diese Beträge seien "für die Durchführung der notwendigen Arbeiten als Materialkosten" gewidmet und könnten daher nicht seinem Nettogrundentgelt zugerechnet werden.

Mit dem erstgenannten angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid. In der Begründung stützte sich die belangte Behörde im Wesentlichen darauf, dass der Einkommensbegriff des Wiener Sozialhilfegesetzes grundsätzlich umfassend zu verstehen sei, sodass er alle Einkünfte des Hilfe Suchenden umfasse, gleichgültig aus welchem Titel das Einkommen zufließe. Daher sei etwa der Materialkostenzuschuss von S 191,80 und die Lichtpauschale von S 27,30 dem Einkommen des Beschwerdeführers hinzuzurechnen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen, zur hg. Zl. 97/08/0101 protokollierten Beschwerde machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhalts des Bescheides geltend und beantragte dessen kostenpflichtige Aufhebung.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2. Der Beschwerdeführer beantragte am 7. November 1995 beim Magistrat der Stadt Wien die Gewährung einer Sozialhilfe für den Zeitraum vom 7. November bis zum 6. Dezember 1995 nach dem WSHG zur Deckung seines Lebensunterhaltes. Mit dem mündlich verkündeten Bescheid des Magistrats der Stadt Wien wurde dem Beschwerdeführer für den genannten Zeitraum eine Geldaushilfe von S 974,00 mit der Begründung gewährt, dass sich unter Anrechnung des Einkommens des Beschwerdeführers als Hausbesorger von monatlich S 2.920,72 (inklusive Sonderzahlungen) sowie einer Versehrtenrente von monatlich S 674,10 (inklusive Sonderzahlungen) als Richtsatzdifferenz ein Betrag von S 1.974,00 ergebe, von dem ein Betrag von S 1.000,00 zur Hereinbringung eines Überbezuges infolge Nichtmeldung einer Versehrtenrente ab dem 21. Jänner 1990 abzuziehen sei. Der Beschwerdeführer erhob (eine nicht in den vorgelegten Akten enthaltene) Berufung.

Mit dem zweitgenannten angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser gemäß § 66 Abs. 4 AVG insoweit Folge, als sie dem Beschwerdeführer für die Zeit vom 7. November 1995 bis zum 6. Dezember 1995 eine Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes von S 1.974,00 mit der Begründung gewährte, dass die Überbezugsrate von S 1.000,00 nicht abgezogen werden könne, weil der Überbezug zu diesem Zeitpunkt weder bescheidmäßig festgestellt worden sei noch nach einer privatrechtlichen Vereinbarung einbehalten werden könne. Der dem Beschwerdeführer gewährte Materialkostenzuschuss und die Lichtpauschale seien dem Einkommen hinzuzurechnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende, zur hg. Zl. 97/08/0102 protokollierte Beschwerde, in der dessen kostenpflichtige Aufhebung beantragt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In beiden Beschwerden macht der Beschwerdeführer geltend, dass seine Aufwendungen als Hausbesorger für Material (Putzmittel), erhöhten Lichtstromverbrauch und Heißwasser von der belangten Behörde nicht als einkommensmindernd berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus wird gegen den zweitgenannten Bescheid geltend gemacht, dass die belangte Behörde die dem Beschwerdeführer zufließende Versehrtenrente nicht als Einkommen hätte berücksichtigen dürfen.

Die für diese Beschwerdefälle anwendbaren Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973, in der hier maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 50/1993 lauten:

§ 10 Abs. 1 leg. cit.:

"Hilfe ist nur insoweit zu gewähren, als das Einkommen und das

verwertbare Vermögen des Hilfesuchenden nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 11) zu sichern."

§ 13 Abs. 1 leg. cit.:

"Die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hat unter Anwendungen von Richtsätzen zu erfolgen. Diese Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen."

Dafür, ob ein Einkommen den Anspruch auf Sozialhilfe mindern oder zum Erlöschen bringen kann, ist das "tatsächliche" Einkommen des Hilfeempfängers wesentlich. Dieses kann nur ein solches sein, das zur Befriedigung des Lebensbedarfs des Hilfeempfängers zur Verfügung steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 97/08/0017). Es ist daher grundsätzlich von einem umfassenden Einkommensbegriff auszugehen, der alle Einkünfte des Hilfesuchenden umfasst, gleichgültig aus welchem Titel sie ihm zufließen (Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, Seite 408 mwN; hg. Erkenntnis vom 5. Juli 1949, Slg. 930/A). Nur die zur Erzielung der Einkünfte erforderlichen Aufwendungen und echte (das heißt nicht pauschalierte oder bloß - etwa aus steuerlichen Gründen - so bezeichnete) Aufwandsentschädigungen, die einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber für tatsächlich getätigte Auslagen gewährt werden, dürfen als Einkünfte unberücksichtigt bleiben (Pfeil aaO).

Für den vom erstangefochtenen Bescheid umfassten Zeitraum der Geldaushilfe vom 12. August 1995 bis zum 11. September 1995 hat die belangte Behörde die Lohnauskunft vom 5. Jänner 1995 zu Grunde gelegt, wonach sich der Gesamtlohnbezug des Beschwerdeführers wie folgt zusammensetzt:

     Monatslohn                              S   2.403,00

     Licht- und Heißwasser                   S      90,00

     Wohnung                                 S     455,00

     Summe                                   S   2.948,00

     (abzüglich Sozialversicherung           S     603,73).

Weil dieser Betrag 14 mal jährlich zur Auszahlung gelangt, ergibt sich nach Abzug der Sozialversicherung das dem erstgenannten Bescheid zu Grunde gelegte monatliche Einkommen von S 2.734,93.

In einer später eingeholten Lohnauskunft wird für einen insoweit identen Zeitraum (vom 1. Jänner 1995 bis zum 31. Dezember 1995) bestätigt, dass dem Beschwerdeführer ein Nettomonatslohn von S 1.427,50, Zulagen ("Lichtpauschale; 15 % Materialkostenersatz + Entschädigung für Gangwaschen Heißwasser") von S 1.243,10 sowie an Naturalbezügen (Dienstwohnung) S 455,00, insgesamt also S 3.125,60 abzüglich Sozialversicherung von S 398,74 zur Verfügung stünden.

In einer dritten bei der belangten Behörde am 5. September 1995 eingelangten und sich wiederum auf denselben Zeitraum beziehenden Lohnauskunft wird die Zusammensetzung des Lohnbezuges des Beschwerdeführers wie folgt dargestellt:

     Monatslohn                              S   2.451,50

     Materialkostenzuschuss                  S     191,80

     Lichtpauschale                          S      27,30

     Naturalbezug Dienstwohnung              S     455,00

     insgesamt also                          S   3.125,60

     (abzüglich Sozialversicherung           S     398,74).

Es kann nun dahingestellt bleiben, wie sich das von der belangten Behörde im erstgenannten Bescheid zu Grunde gelegte Einkommen von S 2.734,93 monatlich (inklusive Sonderzahlungen) zusammensetzt, weil es dem Beschwerdeführer im Sinne der obigen Ausführungen jedenfalls tatsächlich zugekommen ist und grundsätzlich zur Befriedigung seines Lebensbedarfs zur Verfügung stand.

Der Beschwerdeführer hat jedoch bereits in der Berufung gegen den erstgenannten Bescheid darauf hingewiesen, dass er (für die Erzielung seiner Einkünfte als Hausmeister) an Materialkosten sowie an Auslagen für eine Heißwasserboilerbeheizung tatsächlich einen Betrag in Höhe der Differenz zwischen S 2.734,93 und S 1.427,50 habe aufwenden müssen. Die belangte Behörde hätte sich mit diesem Vorbringen auseinandersetzen und entsprechende Ermittlungen vornehmen müssen. Dabei wäre aber Folgendes zu beachten gewesen:

Sofern diese Ermittlungen nichts anderes ergeben hätten, hätte die belangte Behörde davon ausgehen müssen, dass der Materialkostenzuschuss, der nach § 8 HBG kein Entgelt darstellt (und daher nach den Bestimmungen des HBG nur zwölfmal pro Jahr gebührt), den tatsächlichen Aufwendungen des Beschwerdeführers entsprochen hat.

Dasselbe gilt für den zweitgenannten Bescheid. In diesem ist die belangte Behörde von einem monatlichen Einkommen von S 2.920,76 inklusive Sonderzahlungen ausgegangen, wobei auch dieser Betrag in den oben zitierten, den Beschwerdeführer betreffenden Einkommensbestätigungen Deckung findet. Der Beschwerdeführer hat hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass den in den Einkommensbestätigungen ausgewiesenen Zulagen tatsächliche Aufwendungen und Auslagen gegenüberstünden.

Hingegen ist der zweitgenannten Bescheid entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers insoweit rechtmäßig, als er die ihm zufließende Versehrtenrente von S 674,10 monatlich inklusive Sonderzahlungen ebenfalls als Einkommen wertet. Die Beeinträchtigung des Beschwerdeführers durch die Minderung der Erwerbsfähigkeit könnte nur dann Berücksichtigung finden, wenn sich daraus konkrete Belastungen ergäben, die seinen Bedarf vergrößern. Derartiges hat der Beschwerdeführer aber nie behauptet.

Die belangte Behörde hat ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht notwendige Feststellungen unterlassen. Sie hat damit die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes belastet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren. Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997080101.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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