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L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;Norm
ABGB §273;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch die einstweilige Sachwalterin I, Rechtsanwältin in W, diese vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 9. Jänner 1997, Zl. MA 12-12795/90, betreffend Rückforderung von Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach dem Wiener Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid, der hinsichtlich der mit seinem ersten Punkt erfolgten Einstellung der Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit dem 30. April 1996 als nicht angefochten unberührt bleibt, wird hinsichtlich der mit seinem zweiten Punkt erfolgten Anordnung der Rückzahlung von zu Unrecht empfangenen Geldleistungen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bezieht seit dem Jahre 1983 eine Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG). Zuletzt wurde dem Beschwerdeführer mit dem Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 9. Oktober 1995 eine monatliche Geldleistung von S 9.459,-- ab dem 1. Oktober 1995 auf die Dauer unveränderter Verhältnisse zuerkannt.
Mit dem Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 12. Juli 1996 wurde die zuerkannte monatliche Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit dem 30. April 1996 auf Grund geänderter Einkommens- und Vermögensverhältnisse eingestellt. Im Zuge amtlicher Erhebungen war festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer über verwertbares Vermögen in Form von zwei Liegenschaften bzw. Liegenschaftsanteilen verfüge.
In einem Aktenvermerk vom 1. August 1996 hielt der Magistrat der Stadt Wien fest, dass beim Bezirksgericht Josefstadt ein Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters über den Beschwerdeführer anhängig sei. Der Beschwerdeführer habe keinerlei finanzielle Mittel mehr und der Verkauf der Grundstücke sei ihm auf Grund seines psychischen Zustandes nicht möglich.
Am 12. September 1996 erging folgender Bescheid des Magistrats der Stadt Wien:
"Gemäß § 32 WSHG sind die (vom Beschwerdeführer) in der Zeit vom 1.1.1993 bis 30.4.1996 zu Unrecht empfangenen Geldleistungen in der Höhe von S 431.621,-- in 172 Raten zu S 2.500,-- und einer Rate zu S 1.621,--, beginnend mit 1.12.1996, zurückzuzahlen."
Seine Berufung gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 12. Juli 1996 begründete der (damals unvertretene) Beschwerdeführer folgendermaßen:
"Auch wenn ich an den Erstbesten meine Immobilien verschleudern sollte - ein Grundbesitz - aus dem ich übrigens nachweislich nie einen wie immer gearteten finanziellen Nutzen gezogen habe - hätte ich nicht im Handumdrehen Bargeld nicht einmal für die Bestreitung tagtäglicher Ausgaben.
Dass der Todesfall durch den ich zu den Immobilien kam ein Erbfall ist muss der zuständigen Referentin letztlich klar gewesen sein. (...) Bei meiner Vorsprache am Sozialreferat wurde die Peinlichkeit meiner Krankheit und sonstigen prekären Lebenssituation links liegengelassen. Ich habe wieder einen Prozess gegen die Aufkündigung meiner Wohnung zu führen. Ein fachärztliches Artest und die entsprechenden Gerichtsakten habe ich vorgelegt. Im Rahmen dieses Prozesses wurde übrigens ein Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit einer Sachwalterbestellung für mich eingeleitet."
Seine Berufung gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 12. September 1996 begründete der (damals unvertretene) Beschwerdeführer folgendermaßen:
"In dem Bescheid vom 12. September 96 bezüglich Rückzahlung von Sozialhilfe wird die Summe des zurückzuerstattenden Betrages vom 1. Jänner 1993 an berechnet. Da die Vollzugsanordnung der zuständigen Grundbuchgerichte Klosterneuburg und Linz erst am 27. bzw. 28. Dezember 1993 erfolgte, bin ich de facto erst ab Anfang 1994, das heisst ein Jahr später als die Berechnung ansetzt, effektiv als Besitzer der jeweiligen Liegenschaften eingetragen und melde aus diesem Grunde Berufung gegen die Art der Berechnung und Höhe des Rückzahlungsbetrages an. Desgleichen berufe ich gegen Höhe und Beginn der Ratenzahlungen mit Dezember 1996. Keine der beiden Liegenschaften ist so schnell zu veräußern, und auf Linz habe ich als Besitzer lediglich eines Drittels überhaupt keinen Einfluss.
Ohne Vorliegen eines Erlöses aus dem Verkauf eines diese Objekte bin ich außerstande auch noch Ratenzahlungen in dieser Höhe ab Dezember zu leisten."
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Jänner 1997 wies die belangte Behörde beide Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte die angefochtenen Bescheide.
Zur Begründung verwies die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer Eigentümer der Liegenschaft EZ 274 der KG Kritzendorf, Bezirksgericht Klosterneuburg (mit den Grundstücksnummern 312/1 und 312/2, jeweils landwirtschaftlich genutzt, mit einer Gesamtfläche von 2782 m2) und Eigentümer von einem Drittelanteil an der Liegenschaft EZ 1123 der KG Urfahr, Bezirksgericht Linz, Pichlerstraße 1, Am Grünen Hang 6 (mit den Grundstücksnummer 301/23 und 1161, jeweils Baufläche, mit einem Gebäude, Gesamtfläche 893 m2) sei, und zwar jeweils auf Grund der Einantwortungsurkunde vom 24. Dezember 1992. Diese Grundstücke stellten jedenfalls ein verwertbares Vermögen im Sinne des WSHG dar. Der Beschwerdeführer sei seiner Meldepflicht nicht nachgekommen und habe sein Eigentumsrecht an den genannten Liegenschaften verschwiegen. Er sei mit der Ladung vom 24. Mai 1996 aufgefordert worden, vor der Behörde zu erscheinen, um hinsichtlich des Verkaufes der Liegenschaften eine Vereinbarung zu treffen. Weil der Beschwerdeführer dieser Ladung unentschuldigt keine Folge geleistet habe, sei auf Grund seiner mangelnden Mitwirkung von einer unverzüglichen Verwertbarkeit der Liegenschaft auszugehen. Im Übrigen berief sich die belangte Behörde insbesondere auf die Bestimmung des § 32 (Anzeige- und Rückerstattungspflicht) WSHG. Eine gänzliche Nachsicht der Rückerstattung von Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gemäß § 32 Abs. 3 WSHG wäre nur bei geringfügigem Verschulden des Beschwerdeführers möglich. Eine solche könne aber in der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seinen Liegenschaftsbesitz absichtlich verschwiegen habe, um in den Bezug von Sozialhilfeleistungen zu gelangen, nicht erblickt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Unterbleiben der Verpflichtung zur Rückzahlung der vom 1. Jänner 1993 bis zum 30. April 1996 empfangenen Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sowie in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren verletzt und beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wiederholt und präzisiert sein bereits in der Berufung erstattetes Vorbringen, dass er psychisch schwer krank sei und seit über 20 Jahren in nervenärztlicher Behandlung stehe. Mit Beschluss des BG Josefstadt vom 23. August 1996 sei eine einstweilige Sachwalterin mit seiner Vertretung betraut worden. Hätte die belangte Behörde Feststellungen über seine Geschäftsunfähigkeit getroffen, so wäre die Rückzahlung der Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 32 Abs. 3 WSHG wegen geringfügigen Verschuldens nachzusehen gewesen.
Der § 32 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG), LGBl. Nr. 11/1973, in der hier maßgebenden Fassung
LGBl. Nr. 50/1993, lautet samt Überschrift:
"Anzeige- und Rückerstattungspflicht
§ 32. (1) Der Empfänger von Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes oder dessen gesetzlicher Vertreter hat jede Änderung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse, auf Grund derer Form und Ausmaß der Hilfe neu zu bestimmen wären oder die Hilfe einzustellen wäre, unverzüglich dem Magistrat anzuzeigen.
(2) Die durch Verletzung der in Abs. 1 bestimmten Anzeigepflicht zu Unrecht empfangenen Leistungen sind vom Empfänger rückzuerstatten. Über die Rückerstattung ist mit Bescheid zu entscheiden.
(3) Die Rückerstattung kann in angemessenen Teilbeträgen bewilligt werden, wenn die Rückerstattung in einem Betrag dem Verpflichteten nicht zumutbar ist. Die Rückerstattung kann auch gänzlich nachgesehen werden, wenn das Verschulden des Verpflichteten geringfügig ist und die Folgen unbedeutend sind, oder durch die Rückerstattung der Erfolg der Sozialhilfe gefährdet wäre."
Haben sich während der Leistungsgewährung die Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere die Einkommens- und Vermögenssituation des Hilfeempfängers, geändert, so trifft diesen eine Anzeigepflicht. Verletzt er diese Pflicht und kommt es dadurch zu einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Leistungen, so ist der Hilfeempfänger zur Rückerstattung von Leistungen verpflichtet.
Soweit die Rückforderung auf die Rückerstattungspflicht gemäß § 32 WSHG gestützt wird, kann in Ermangelung von Feststellungen der belangten Behörde über den Wert bzw. die Verwertbarkeit der Liegenschaften des Beschwerdeführers nicht beurteilt werden, in welchem Ausmaß Leistungen zu Unrecht empfangen worden sind. Von diesem Ausmaß könnte es auch abhängen, ob eine Rückerstattung - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - gänzlich nachgesehen werden könnte: Wie sich aus dem zitierten § 32 Abs. 3 WSHG ergibt, erfordert diese Nachsicht nämlich nach dem ersten Fall des zweiten Satzes sowohl ein geringfügiges Verschulden des Beschwerdeführers als auch unbedeutende Folgen.
Im Hinblick auf die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters durch den Beschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 23. August 1996, GZ 2P 226/96x, wäre überdies zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer für den Fall einer zu Unrecht empfangenen Leistung in Anbetracht einer schon vorher beeinträchtigten Gesundheit überhaupt ein Schuldvorwurf hinsichtlich der Verletzung der aus § 32 Abs. 1 WSHG resultierenden Anzeigepflicht gemacht werden kann (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. März 1993, Zl. 92/08/0183, betreffend eine Rückforderung gemäß § 25 Abs. 1 AlVG, sowie Müller,
Ein geschäftsunfähiger Arbeitsloser, RdA 1994, 72ff).
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich aus § 32 Abs. 2 WSHG keine Durchbrechung der Rechtskraft des Gewährungsbescheides ableiten lässt. Die genannte Gesetzesstelle stellt nur auf Änderungen in den Verhältnissen des Hilfeempfängers ab, die der Entscheidung über die Hilfegewährung nachfolgen. Eine Rückforderung in anderen Fällen könnte nur dann im Wege der Analogie auf § 32 WSHG gestützt werden, wenn der Gewährungsbescheid (bei Vorliegen der Voraussetzungen dafür) im Wege der Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG beseitigt würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1997, Zl. 95/08/0320).
Soweit ein Anspruch gegen den Beschwerdeführer auf den § 26 WSHG gestützt werden sollte, wären die Voraussetzungen hiefür nicht in diesem Verfahrensstadium, sondern allenfalls in einem eigenen Verfahren und daher (zunächst) durch die Behörde erster Instanz zu prüfen.
Weil die von der Behörde vorgenommenen Feststellungen den angefochtenen Spruch des Bescheides nicht zu tragen vermögen, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. Juni 1999
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997080448.X00Im RIS seit
13.07.2001