TE Vwgh Beschluss 2019/1/21 Ra 2018/17/0238

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Veröffentlicht am 21.01.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §43 Abs1;
VwGVG 2014 §46 Abs3 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des D P in S, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 10. Oktober 2018, 405- 10/449/1/28-2018, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Zum Zulässigkeitsvorbringen der Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff, sowie 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn 28, 62 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12. Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55 sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff und VfGH 12.6.2018, E 885/2018).

5 Entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei steht auch das in § 14 Abs. 3 GSpG enthaltene Erfordernis eines inländischen Sitzes für den Erhalt einer Konzession nicht mit Unionsrecht im Widerspruch. Da § 14 Abs. 3 dritter Satz GSpG von diesem Erfordernis eine Ausnahme enthält, werden mit dieser Bestimmung keine der unionsrechtlichen Vorgaben verletzt: Zwar stellt auch die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Nachsicht von der Sitzverpflichtung - nämlich eine vergleichbare Lotteriekonzession und eine vergleichbare staatliche Glücksspielaufsicht in dem Mitgliedstaat (der EU bzw. des EWR), in dem der Konzessionswerber seinen Sitz hat - eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar. Diese Beschränkung in § 14 Abs. 3 GSpG ist jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und genügt den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben (vgl. näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

6 Die Revision macht darüber hinaus geltend, die Beweiswürdigung sei in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden; nähere Feststellungen seien nicht nachvollziehbar: Die vom Revisionswerber vertretene Gesellschaft habe das Lokal nicht betrieben, drei der Geräte seien nicht überprüft worden und die verlesene Aussage der Zeugin, deren Arbeitgeberin "ein Hetzportal und ein Spitzelnetzwerk" betreibe, rühre "von der Bespitzelung von Privatpersonen durch andere Privatpersonen" her.

7 Das Revisionsmodell soll sich nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren. Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. etwa VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN).

8 Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - allerdings dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 14.8.2018, Ra 2017/17/0357, mwN).

9 Solches ist hier jedoch nicht erkennbar: Der Revisionswerber wurde wegen der sechsfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Tatbestand GSpG bestraft, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer ein bestimmtes Lokal betreibenden Gesellschaft verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Zwar hat der Revisionswerber die Inhaberschaft der von ihm vertretenen Gesellschaft im Beschwerdeverfahren ohne nähere Ausführungen bestritten und im Verlauf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens lediglich einen "Untermietvertrag" hinsichtlich der Räumlichkeiten vorgelegt. Das LVwG traf jedoch nähere gegenteilige Feststellungen, die es - anders als die Revision vorbringt - nicht allein auf den GISA-Auszug stützte und die es beweiswürdigend näher begründete. Die Feststellung, dass auf allen sechs Geräten virtuelle Walzenspiele angeboten wurden, gründet auf der diesbezüglichen Aussage der Zeugin (zur Qualifikation virtueller Walzenspiele als Glücksspiele z. B. VwGH 12.7.2018, Ra 2018/17/0134; das Vorliegen virtueller Walzenspiele wurde vom Revisionswerber unsubstantiiert bestritten). Die nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom LVwG angestellten beweiswürdigenden Überlegungen sind keinesfalls unvertretbar.

10 Der - an sich nur zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist im Übrigen auch nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 22.7.2017, Ra 2016/17/0109, mwN).

11 Gemäß § 46 Abs. 3 Z 1 VwGVG dürfen Niederschriften über die Vernehmung von Zeugen verlesen werden, wenn ihr persönliches Erscheinen wegen Krankheit nicht verlangt werden kann.

12 Soweit die Revision schließlich vorbringt, die Aussage der Zeugin hätte nicht verlesen werden dürfen, da die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 VwGVG nicht vorgelegen wären, weshalb ein Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, ist Folgendes auszuführen: Nach den Ausführungen des LVwG - die mit der Aktenlage im Einklang stehen - ist die Zeugin schwer erkrankt und sei mit ihrer Genesung frühestens im April 2019 zu rechnen; zu diesem Zeitpunkt sei die Frist des § 43 Abs. 1 VwGVG jedoch abgelaufen.

13 Diese einzelfallbezogene Beurteilung erscheint jedenfalls nicht derart unvertretbar, dass sie eine grundsätzliche Rechtsfrage aufwerfen würde. Ob sie inhaltlich zutrifft und ob das LVwG im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der Verlesung im Einzelfall in jeder Hinsicht richtig vorgegangen ist, berührt - auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Revisionswerber zur ersten Verhandlung, in der die Zeugin ausgesagt hat, ordnungsgemäß geladen, jedoch nicht erschienen ist -

keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

14 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen der Revision keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

15 Die Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 21. Jänner 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018170238.L00

Im RIS seit

12.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

08.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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