Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. Kodek und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH & Co KG in Gänserndorf, gegen die Antragsgegnerin C***** GmbH, *****, vertreten durch zeiler.partners Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Antrag auf Abstellung und Feststellung (Streitwert 50.000 EUR), über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 14. November 2018, GZ 24 Kt 11/17y, 24 Kt 12/17w-32, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Zum bisherigen Verfahrensgang kann auf die Entscheidung 16 Ok 5/18y verwiesen werden.
Nach Aufhebung des mit Beschluss vom 27. Juni 2018 (ON 20) aufgetragenen Kostenvorschusses in Höhe von 120.000 EUR durch den Obersten Gerichtshof teilte das Erstgericht den Parteien mit, dass nach telefonischer Kontaktaufnahme und kursorischer Schilderung des Sachverhalts der Sachverständige aus dem Fachgebiet der Wettbewerbsökonomie, Univ.-Prof. Dr. *****, bekannt gegeben habe, er sei grundsätzlich bereit, einen Gutachtensauftrag zu übernehmen. Er schätze die Gutachtensgebühren mit 80.000 EUR bis 90.000 EUR netto (somit 96.000 EUR bis 108.000 EUR brutto). Das Erstgericht räumte den Parteien die Möglichkeit ein, sich dazu binnen drei Wochen zu äußern.
In ihrer Äußerung bezeichnet die Antragstellerin den in Aussicht genommenen Betrag als „eindeutig überhöht“. Aus der Mitteilung des Erstgerichts sei in keiner Weise ersichtlich, von welchen Annahmen der in Aussicht genommene Sachverständige ausgegangen sei. Es gebe keinerlei Informationen über den vom Sachverständigen geschätzten Aufwand, seine beabsichtigte Vorgehensweise und keinerlei Aufschlüsselung der Gesamtkosten. Das zu erstattende Gutachten für die Frage der Marktabgrenzung hänge ausschließlich von technischen, medizinischen und regulatorischen Aspekten ab, die ein Sachverständiger aus dem Fachgebiet „Wettbewerbsökonomie“ nicht begutachten könne. Vielmehr sei zur Frage der Marktabgrenzung die Beauftragung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet „medizinische Instrumente, Geräte“ oder eventuell auch „Augenheilkunde und Optometrie“ sinnvoll und sachgerecht.
Mit dem angefochtenen Beschluss trug daraufhin das Erstgericht der Antragstellerin den Erlag eines Kostenvorschusses von 108.000 EUR zur Deckung der voraussichtlichen Sachverständigengebühren für ein Gutachten aus dem Fachgebiet „Wettbewerbsökonomie“ zur Marktabgrenzung sowie zur Frage, ob der Antragsgegnerin eine marktbeherrschende Stellung zukomme, auf.
Die Schätzung des in Aussicht genommenen Sachverständigen entspreche den Erfahrungen des Kartellgerichts und sei deshalb nachvollziehbar. Die Erfahrungen mit diesem Sachverständigen hätten auch gezeigt, dass er nicht zu den „teuersten“ Sachverständigen aus dem Gebiet der Wettbewerbsökonomie zähle. Seine Gebührennoten entsprächen stets den Ansätzen des GebAG. Seine Schätzung sei daher unbedenklich und keinesfalls „eindeutig überhöht“.
Aus anderen Verfahren des Kartellgerichts seien die Stundensätze des Sachverständigen (400 EUR plus USt) und der wissenschaftlichen Mitarbeiter (250 EUR plus USt) bekannt. Ebenso zeige die Erfahrung, dass der Sachverständige seine Kostenschätzungen nicht überschreite.
Bei einer informativen Anfrage zur Kostenschätzung an einen Sachverständigen müsse mit einer kursorischen Schilderung des Sachverhalts das Auslangen gefunden werden, da dem noch nicht bestellten Sachverständigen schon aus datenschutzrechlichen Gründen, aber auch aus Kostengründen nicht der Inhalt des gesamten Aktes zur Verfügung gestellt werden dürfe. Sollte der ins Auge gefasste Sachverständige Sachwissen substituieren müssen, stehe ihm dies frei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den Beschluss des Erstgerichts dahingehend abzuändern, dass der Kostenvorschuss auf 10.000 EUR herabgesetzt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1.1. In der im selben Verfahren ergangenen Vorentscheidung 16 Ok 5/18y hat der Oberste Gerichtshof bereits die maßgeblichen Grundsätze für einen Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses im Kartellverfahren geklärt. Demnach hat die Höhe des Kostenvorschusses dem mit der Aufnahme des Beweises verbundenen Aufwand zu entsprechen. Maßgeblich für die Höhe des Kostenvorschusses sind dabei der voraussichtliche Arbeitsumfang des Sachverständigen sowie die Vorschriften des GebAG.
1.2. Ausdrücklich hat der Senat dort darauf hingewiesen, dass es durchaus zulässig ist, dass sich das Gericht bei der Abschätzung der Höhe des Kostenvorschusses an seiner Praxiserfahrung orientiert. Entgegen dem Rekursvorbringen ist der in der zitierten Entscheidung angeführte Betrag von 82.000 EUR keineswegs als absolute Höchstgrenze zu verstehen. Vielmehr diente dieser exemplarische Hinweis (ebenso wie der weitere Hinweis auf die absolute Höhe des Kostenvorschusses und dessen Verhältnis zum Streitwert von bloß 50.000 EUR) der Untermauerung einer diesbezüglichen Begründungspflicht durch das Erstgericht.
2. Im Vergleich zum ursprünglichen Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses von 120.000 EUR ermöglicht die Aktenlage nunmehr eine deutlich bessere Beurteilung der Höhe des aufgetragenen Kostenvorschusses. Im Sinne der Entscheidung 16 Ok 5/18y hat das Erstgericht vor seiner Beschlussfassung eine informative Anfrage an den in Aussicht genommen Sachverständigen gestellt. Die Einschätzung des Erstgerichts, dass bei einer derartigen informativen Anfrage der Sachverhalt lediglich überblicksweise geschildert werden kann, ist nicht zu beanstanden. Dem in Aussicht genommenen Sachverständigen muss aufgrund seiner Sachkunde und Erfahrung zugebilligt werden, die Höhe des voraussichtlich anfallenden Aufwands aufgrund der Angaben des Erstgerichts einschätzen zu können bzw erforderlichenfalls rückzufragen.
3. Der vom Erstgericht in Aussicht genommene Sachverständige ist als erfahrener und kompetenter Sachverständiger bekannt. Die vom Erstgericht angeführten Stundensätze erscheinen durchaus üblich und marktkonform. Nicht nachvollziehbar ist das Argument der Rekurswerberin, im Hinblick auf den Beruf des Sachverständigen als ordentlicher Universitätsprofessor sei der Stundensatz „massiv überhöht“; vielmehr sei ein „erheblich niedrigerer Stundensatz“ zu veranschlagen. Warum ein besonders qualifizierter Sachverständiger in einem noch dazu vom Gesetzgeber als schwierig eingestuften und daher in erster Instanz dem Oberlandesgericht zugewiesenen Verfahren zu einem Stundensatz arbeiten soll, der deutlich unter üblicherweise von Wirtschaftsanwälten verrechneten Stundensätzen liegt, ist dem Rekurs nicht zu entnehmen und auch nicht einsichtig.
4. Entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerin kann aus dem Umstand, dass pro Jahr maximal drei derartige Geräte installiert werden, noch nicht auf die Unangemessenheit des Kostenvorschusses geschlossen werden. Vielmehr hat der Senat bereits in der Entscheidung 16 Ok 5/18y darauf hingewiesen, dass die Marktabgrenzung nicht nur anhand des konkreten Gerätetyps vorgenommen werden kann. Hier können möglicherweise auch im Ausland bezogene vergleichbare Geräte anderer Marken oder Gebrauchtgeräte zu berücksichtigen sein. Diesbezüglich verweist das Erstgericht nunmehr nachvollziehbar darauf, dass die Antragstellerin selbst neben dem Excimer Laser MEL 80 auch Geräte der Antragsgegnerin mit VisuMax Femtosekunden Laser zum sachlich relevanten Markt gezählt hat. Auch die räumliche Marktabgrenzung durch die Antragstellerin (wobei das Erstgericht auf die Beilagen ./L und ./U verweist) wird ebenso zu prüfen sein wie die Frage, ob sich der sachlich relevante Markt auf private Anbieter beschränkt.
5. Allein die subjektive Einschätzung einer Partei von der Angemessenheit der Höhe der Sachverständigengebühren ist jedenfalls keine geeignete Grundlage für die Bemessung des Kostenvorschusses. Für den von der Rekurswerberin angestrebten Betrag von bloß 10.000 EUR bietet weder die Begründung ihres Rechtsmittels noch der sonstige Akteninhalt eine tragfähige Grundlage.
6. Im Übrigen muss dem Erstgericht grundsätzlich zugebilligt werden, aufgrund seiner Erfahrung mit Kartellverfahren die Höhe der voraussichtlich anfallenden Sachverständigengebühren zumindest größenordnungsmäßig annähernd einschätzen zu können.
7.1. Zwar sollen Beweisführer durch die Auferlegung eines Kostenvorschusses nicht von der Beweisführung abgehalten werden (vgl OLG Wien 2 R 179/12a = Sach 2012, 214). Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass diese aus sozialen Erwägungen vom verpflichtend vorgesehenen Erlag eines Kostenvorschusses (vgl § 365 ZPO) zu befreien sind. Der Auferlegung eines Kostenvorschusses in der voraussichtlich tatsächlich erforderlichen Höhe steht der angeführte Grundsatz nicht entgegen. Die Höhe des aufgetragenen Kostenvorschusses hat dem voraussichtlichen Aufwand des Sachverständigen-beweises zu entsprechen, sie darf nicht geringer, soll aber auch nicht höher sein (OLG Wien 2 R 179/12a = Sach 2012, 214). Der Richter hat bei der Bestimmung der Höhe des Kostenvorschusses grundsätzlich keinen Spielraum (Wiesleitner, Kostenfragen beim Sachverständigenbeweis im Verfahren vor den Zivilgerichten, ÖJZ 1992, 41; Krammer in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³, § 365 ZPO Rz 24). Die Höhe des aufzutragenden Kostenvorschusses hat sich stets daran zu orientieren, welcher berechtigte Gebührenanspruch des Sachverständigen zu erwarten ist. Dies liegt in Wahrheit auch im Interesse der Parteien: Durch den Kostenvorschuss sollen die Parteien eine realistische Grundlage für die Einschätzung erhalten, mit welchem Aufwand sie für die Erreichung ihres Prozessziels zu rechnen haben.
7.2. Eine Befreiung vom Erlag eines Kostenvorschusses könnte nur nach Maßgabe der Bestimmungen über die Verfahrenshilfe erfolgen. Einen diesbezüglichen Antrag (samt entsprechendem Vermögensverzeichnis) hat die Antragstellerin jedoch bisher nicht gestellt. In Hinblick auf die grundsätzliche Möglichkeit, jenen Parteien, die sich die Prozessführung nicht leisten können, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Verfahrenshilfe bewilligen zu können, geht auch der Einwand der Rekurswerberin, die Auferlegung des Kostenvorschusses verstoße gegen Art 6 EMRK, ins Leere.
8. Das ursprüngliche Argument, anstatt eines Sachverständigen für Wettbewerbsökonomie könne ein solcher für „medizinische Geräte“ oder für „Augenheilkunde und Optometrie“ bestellt werden, wird von der Rekurswerberin nicht aufrechterhalten.
9. Zusammenfassend erweist sich der angefochtene Beschluss daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Rekurs ein Erfolg zu versagen war.
Textnummer
E123975European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0160OK00006.18W.0122.000Im RIS seit
12.02.2019Zuletzt aktualisiert am
12.02.2019