Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei eins e***** GmbH & Co KG, *****, Deutschland, vertreten durch Urbanek & Rudolph Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.132.083,95 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2018, GZ 4 R 81/17m-52, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. März 2017, GZ 39 Cg 37/13d-48, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 70.940,28 EUR (darin 2.177,88 EUR Umsatzsteuer und 57.873,01 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin betreibt als deutsches Energieversorgungsunternehmen ein Kraftwerk, das CO2 ausstößt. Sie hat nach den Regelungen des Kyoto-Protokolls und des EU-Emmissionshandelssystems einen Bedarf an Emissionszertifikaten.
Die Beklagte erstellt und verwaltet das „C***** CDM Portfolio“, um daran teilnehmenden Unternehmen den Erwerb unter anderem von „Certified Emission Reductions“ („CERs“) aus („CDM“-)Projekten auf der Grundlage jener Regelungen zu ermöglichen.
Im August 2008 schlossen die Parteien einen „Teilnahmevertrag“ „C***** CDM Portfolio“ ab. Die Beklagte sollte nach diesem Vertrag Zertifikate bis zum Erreichen des vereinbarten Auftragsvolumens von 300.000 CERs im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erwerben und diese unverzüglich nach ihrem Eingang anteilig an die Teilnehmer übertragen. Ein Anspruch des Teilnehmers auf die Übertragung bestimmter Jahresmengen an Zertifikaten oder bestimmter Zertifikate aus Einzelprojekten bestand nach dem Vertrag nicht. Der Teilnehmer verpflichtete sich für die innerhalb der Periode (1. 1. 2008 bis 23. 4. 2013) gelieferten Zertifikate nach Auftragsvolumen gestaffelte Fix-Preise zu zahlen.
In Abwicklung dieses Vertragsverhältnisses übertrug die Beklagte der Klägerin in insgesamt acht Lieferungen insgesamt 241.319 CERs zu einem Gesamtpreis von 2.992.355,60 EUR.
Die von der Beklagten gelieferten Zertifikate entsprachen den im Vertrag vereinbarten Portfolio- und Projektkriterien; sie stammten insbesondere aus Projekten, die die Beklagte hinsichtlich der vertraglichen Anforderungen geprüft, bewertet und letztlich ausgewählt hatte, um dem Vertrag entsprechende Zertifikate liefern zu können. Die Beklagte hat dabei nicht über den Ursprung der Zertifikate getäuscht, indem sie etwa angegeben hätte, dass die von ihr jeweils gelieferten Zertifikate aus anderen als den tatsächlichen Projekten stammen. Der ökologische Hintergrund der zu erwerbenden Zertifikate, wie er in den Portfolio- und Projektkriterien geregelt ist, das heißt ihr Ursprung aus ökologischen Projekten, war der Klägerin wichtig gewesen, um ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu steigern. Durch die Tätigkeit der Beklagten hat sich die Klägerin selbst entsprechende Anstrengungen und den Einsatz für den Erwerb notwendiger Aufwendungen erspart.
Abseits von den im Vertrag geregelten Anforderungen wurden keine weiteren Anforderungen an die von der Beklagten zu liefernden Emissionszertifikate vereinbart oder besprochen; insbesondere war es der Klägerin – nach dem der Beklagten Eröffneten – nicht wichtig, ob die Beklagte die Zertifikate unmittelbar von Projektbetreibern oder über Zwischenhändler erwirbt.
Mitte Jänner 2011 teilte die Beklagte der Klägerin (wie auch den anderen Fonds-Teilnehmern) mit, dass mit Verzögerungen bei den ins Auge gefassten Projekten zu rechnen sei und nicht garantiert werden könne, dass das erwünschte Zertifikatevolumen vermittelt werden kann. Sie fragte deshalb bei der Klägerin an, ob diese mit einer Reduktion des Auftragsvolumens um 30 % bzw auf 200.000 Zertifikate einverstanden sei, und formulierte auch eine entsprechende Modifikation des Teilnahmevertrags; die Klägerin reagierte darauf allerdings nicht. In einem Gespräch informierte die Beklagte die Klägerin auch darüber, dass aufgrund von Verzögerungen bei bestimmten Projekten diese durch andere ausgetauscht werden müssten, um rechtzeitig und im vereinbarten Umfang CERs liefern und so den Zeitplan der Vertragsabwicklung einhalten zu können; die Beklagte bot der Klägerin an, die Differenz zwischen jener Menge an vertragskonformen CERs, mit denen zu rechnen sei (nämlich 200.000), und dem vertraglich vereinbarten Volumen (nämlich 300.000) über den Spot-Markt zum geltenden Marktpreis zu beschaffen, wobei CERs zum damaligen Zeitpunkt mit 11,40 EUR gehandelt wurden. Auch darauf ging die Klägerin nicht ein; eine Verlängerung kam für sie vor allem deshalb nicht in Betracht, weil sie die Zertifikate bis April 2013 bei der Emissionshandelsstelle abgeben wollte. Die von der Beklagten erworbenen Zertifikate reichte die Klägerin zur „Begleichung“ ihrer CO2-Emissionen bei der vorgesehenen Abgabestelle (unbeanstandet) ein.
Am 10. 10. 2012 kündigte die Klägerin den Vertrag mit der Beklagten schriftlich auf.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten 2.132.093,95 EUR. Aus dem von ihr mit der Beklagten geschlossenen „Beschaffungsdienstleistungsvertrag“ habe sich deren Verpflichtung zur Lieferung von auf dem „Primärmarkt“ generierten CERs ergeben, welche Verpflichtung die Beklagte zu fast 95 % nicht eingehalten, sondern CERs am Sekundärmarkt erworben habe; damit habe die Beklagte den Vertrag schlecht erfüllt. Die Klägerin hätte den Vertrag nicht abgeschlossen, wenn es ihr nicht auf den Erwerb von Zertifikaten vom Primärmarkt angekommen wäre. Der Erwerb von Zertifikaten aus von der Beklagten ausgewählten, überprüften und betreuten Projekten sei deswegen für die Klägerin von entscheidender Bedeutung gewesen, weil sie als Energieversorger im öffentlichen Eigentum besondere Vorsicht bei der Auswahl der Projekte walten lassen müsse und nachvollziehbare ökologische und ökonomische Effekte der Projekte für die öffentliche Präsentation im Interesse der Klägerin gelegen seien; die Klägerin habe den Teilnahmevertrag daher aus wichtigem Grund gekündigt. Der Klagsbetrag ergebe sich aus der Differenz zwischen dem von der Klägerin bezahlten Betrag von 12,40 EUR pro Zertifikat und den geringeren Beträgen, die die Beklagte bei Beschaffung der Zertifikate am Sekundärmarkt habe aufwenden müssen; die Forderung werde auf Gewährleistung und Schadenersatz gestützt. Es liege aufgrund des vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten außerdem Verkürzung über die Hälfte vor. Da der Beschaffungsdienstleistungsvertrag ein Optionsvertrag sei, sei das Verhältnis der wechselseitig zu erbringenden Leistungen im Zeitpunkt der jeweiligen Optionsausübung zu bewerten, was erstmals am 27. 10. 2011 der Fall gewesen sei.
Die Beklagte wendete ein, der Klägerin sei es bei Vertragsabschluss darum gegangen, Berechtigungen zur Emission des Treibhausgases CO2 zu erwerben. Das Angebot der Beklagten, solche Emissionszertifikate zu einem Fixpreis zwischen 12,40 und 12,90 EUR pro Zertifikat zu liefern, sei für die Klägerin attraktiv gewesen, weil der Preis damals bei 20 EUR pro Zertifikat gelegen sei. Die von der Beklagten gelieferten Emissionszertifikate hätten den vertraglich vereinbarten Kriterien entsprochen, auch eine Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärmarkt sei dem Vertrag nicht zugrunde gelegen. Verkürzung über die Hälfte liege nicht vor, weil im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses der vereinbarte (Fix-)Preis deutlich unter dem damaligen (Markt-)Preis für Zertifikate gelegen sei; beim zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag habe es sich nicht um einen Optionsvertrag gehandelt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe der Klägerin geliefert, was zwischen den Parteien vereinbart worden war; die Klägerin habe die Zertifikate auch ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt. Der Vertrag habe zwar bei einem verständigen Erklärungsempfänger allenfalls die nicht ganz unbegründete Vorstellung auslösen können, die Zertifikate würden (primär) unmittelbar in Zusammenarbeit mit Projektbetreibern erworben, doch berühre dies die Hauptleistungspflicht der Beklagten nicht; dieser Erwartungshaltung stehe kein im Vertrag vereinbarter Teil des Entgelts gegenüber. Ein Irrtum darüber, wo die Beklagte ihrerseits die Zertifikate erwirbt, sei daher rechtlich nicht relevant. Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche stünden der Klägerin daher nicht zu. Zur (angeblichen) Verkürzung über die Hälfte meinte das Erstgericht, die Beurteilung des Wertverhältnisses von Leistung und Gegenleistung habe zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu erfolgen, lediglich bei Optionsverträgen komme es auf den Zeitpunkt der Optionsausübung an. Ein Optionsvertrag sei von den Parteien allerdings nicht abgeschlossen worden, sehe doch der Vertrag nicht einen späteren, von irgendeiner (auch nur stillschweigenden) Erklärung abhängigen Zeitpunkt seines In-Geltung-Tretens vor, er beschreibe vielmehr unmittelbar die Abwicklung der zwischen den Parteien begründeten Geschäftsbeziehung; der Umstand, dass die Zahlungsverpflichtung der Klägerin durch den – auch erst nach und nach erfolgenden – Eingang der Zertifikate bedingt war, ändere nichts daran, dass das Vertragsverhältnis bereits begründet und nicht von irgendeinem späteren, willentlichen Akt abhängig war. Zum Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses habe die Klägerin kein Vorbringen erstattet.
Das Berufungsgericht verwies in seinem Aufhebungsbeschluss die Sache an das Erstgericht zurück und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist; es fehle Rechtsprechung zur Frage des nach § 934 Satz 4 ABGB maßgeblichen Bewertungszeitpunkts für Leistungen in einem Vertragsverhältnis wie dem vorliegenden und überhaupt zur Auslegung von Verträgen im relativ neuen Wirtschaftszweig des Emissionszertifikatehandels.
In der Sache selbst teilte das Berufungsgericht zwar die Auffassung des Erstgerichts, dass die Klägerin ihren Anspruch nicht auf Gewährleistungs- und Schadenersatzrecht stützen könne, meinte aber, bei dem zwischen den Parteien abgeschlossenen „Teilnahmevertrag“ handle es sich um einen Optionsvertrag. Dieser bilde noch nicht das Erwerbsgeschäft selbst, sondern nur den Rahmen für allenfalls erst folgende Erwerbsgeschäfte, die nach Beistellung einer Bankgarantie durch die Klägerin von der Beklagten ohne Zutun der Klägerin zustande kommen sollten. Zwar seien bereits im Teilnahmevertrag der Preis (Fixpreis pro Stück nach Vertragspunkt) und das Kaufobjekt (CERs) festgelegt worden; ob, wann und in welchem Umfang im Vertragszeitraum Erwerbsvorgänge stattfinden würden, sei aber offen und letztlich der Beklagten vorbehalten geblieben. Insbesondere seien vorerst weder eine Leistungspflicht der Beklagten noch eine Zahlungspflicht der Klägerin begründet worden. Die Klägerin habe sich zwar verpflichtet, der Beklagten eine bestimmte Geldsumme für den Kauf der Zertifikate (sogleich) zur Verfügung zu stellen und nach Abschluss des Vertrags oder Erreichen des Mindestportfolios eine Bankgarantie zur Absicherung ihrer Zahlungsverpflichtungen beizubringen; weiters sehe der Vertrag ein angestrebtes Portfolio-Volumen (Höchstvolumen) und ein Mindestvolumen vor. Der Start des Portfolios sollte aber erst mit Erreichen des Mindestvolumens erfolgen. Darüber hinaus habe die Klägerin keinen Anspruch auf Übertragung bestimmter Jahresmengen an Zertifikaten oder bestimmter Zertifikate aus Einzelprojekten gehabt. Eine Zahlungspflicht ihrerseits sei erst durch die Übertragung der Zertifikate begründet worden. Zum Erwerb von Zertifikaten durch die Klägerin im Rahmen des Teilnahmevertrags sollte letztlich ein einseitiges Tätigwerden der Beklagten, nämlich deren eigener Erwerb der Zertifikate und deren Übertragung an die Klägerin als Teilnehmerin führen. Wie bei der Option sei für den Erwerb also ein mehraktiger Vorgang vorgesehen gewesen; der Abschluss des Rahmenvertrags habe als solcher noch keinen Erwerb begründet. Eine Verpflichtung zur Übertragung von Zertifikaten an die Klägerin sei für die Beklagte erst mit dem „Erwerb der Zertifikate im Rahmen der abgeschlossenen Kaufverträge“ entstanden, es könne daher auch nur dieser Zeitpunkt für die Beurteilung des Wertverhältnisses zwischen Preis („Fixpreis“) und der im Wesentlichen in der vermittelten Berechtigung (Marktwert der Zertifikate) bestehenden Leistungen der Beklagten maßgebend sein. Diese Wertverhältnisse seien vom Erstgericht festzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten ist zulässig; er ist auch berechtigt.
1. Nach Punkt 16 des zwischen den Parteien abgeschlossenen „Teilnahmevertrags“ ist auf den gegenständlichen Sachverhalt österreichisches Recht anzuwenden.
2. Der – auch dem gegenständlichen Vertragsverhältnis zugrunde liegende – europäische Emissionshandel dient der Reduzierung von Kohlendioxidemissionen und dem Schutz des globalen Klimas. Er geht auf das Kyoto-Protokoll zurück und legt eine maximal zulässige Emissionsmenge für Treibhausgase fest. Energieversorger, energieintensive Industriebetriebe und Fluggesellschaften erhalten für ihre Anlagen von der Regierung bestimmte Mengen von Emissionsberechtigungen in Form von Zertifikaten. Ein Zertifikat berechtigt zum Ausstoß von einer Tonne Kohlendioxid. Verbrauchen Unternehmen weniger Zertifikate, als ihnen zugeteilt wurden, können sie die Zertifikate an Unternehmen verkaufen, die mit ihren Emissionsrechten nicht auskommen (vgl bloß Gritsch, Die konzeptionelle Ausgestaltung des Emissions-handelssystems, in Hack/Bartholl/Hartmann, Emissions-zertifikate [2010] 31; siehe auch http://www.umweltbundes-amt.at/umw
e
ltsituation/industrie/emissionshandel/). Die Zertifikate werden an der Börse, über Broker (etwa Banken) oder direkt am Primärmarkt ersteigert.
2.1. Das EU-weite Treibhausgas-Emissions-handelssystem („EU-ETS“ – EU Emission Trading Scheme) läuft seit 2005. Grundlage für dieses EU-ETS ist die Emissionshandelsrichtlinie (Richtlinie 2003/87/EG, zuletzt geändert durch Richtlinie 2009/29/EG), die in Österreich mit dem Emissionszertifikategesetz (EZG) umgesetzt wurde. Die erlaubte Emissionsmenge wird nach bzw in jeder Handelsperiode reduziert. Die erste Emissionshandelsperiode umfasste die Jahre 2005 bis 2007, die zweite die Jahre 2008 bis 2012. Die dritte Handelsperiode hat im Jahr 2013 begonnen und läuft bis 2020 (https://www.bmu.de/themen/
klima-energie/emissionshandel/emissionshandel-was-ist-das/). Seit Beginn des internationalen Handels gemäß dem Kyoto-Protokoll am 1. 1. 2008 sind für österreichische Unternehmen in der Periode 2008–2012 folgende Zertifikate und Kyoto-Einheiten handelbar (= Herkunft der Zertifikate ohne Status des bisherigen Handels):
• EU Allowances (EUA): Emissionszertifikate für den Emissionshandel innerhalb Europas (EU-Emissionshandelssystem). Ein EUA berechtigt zur Emission von einer Tonne CO2 (Kohlendioxid) bzw CO2-Äquivalent in einem bestimmten Zeitraum. EUAs werden im österreichischen Emissionshandelsregister als „AAUs ab 2008“ bezeichnet. EUAs können sowohl von Anlagenbetreibern als auch von Luftfahrzeugbetreibern für die Einhaltung genutzt werden.
• Emissions Reduction Units (ERU), die aus Assigned Amount Units (AAU) konvertiert wurden (ERU aus AAU): Kyoto-Einheiten, die aus Joint Implementation-Projekten generiert werden. Dabei wandeln die Gastländer, in denen die Projekte durchgeführt werden, eine Anzahl von AAUs in ERUs um. Anschließend werden diese von der Registerstelle des Gastlandes in die Registerstelle der InvestorInnen transferiert und dort deren Konten gutgeschrieben.
• Certified Emissions Reductions (CER): Kyoto-Einheiten, die aus Clean Development Mechanism-Projekten (CDM) generiert werden (Gritsch aaO 37). Sämtliche CERs werden über eine eigene CDM-Registerstelle abgewickelt. CDM-Maßnahmen bewirken im Gegensatz zu JI-Projekten eine Erhöhung der Gesamtmenge an Emissionsberechtigungen, weil zusätzliche Zertifikate geschaffen werden. Sie werden erstmals durch das Projekt generiert.
• Removal Units (RMU): Für nationale Senkenaktivitäten in Annex-B Staaten werden sogenannte RMUs vergeben (Gritsch aaO 34).
2.2. Die betroffenen Anlageninhaber und Luftfahrzeugbetreiber müssen jährlich eine von unabhängigen Prüfeinrichtungen verifizierte Emissionsmeldung an die zuständige Behörde einbringen. Nach § 53 EZG haben Unternehmen im Falle einer nicht erfolgten Abgabe einer ausreichenden Anzahl von Zertifikaten zur Abdeckung ihrer Emissionen im Vorjahr eine Sanktionszahlung zu entrichten. Die Sanktionszahlung beträgt 100 EUR pro fehlendem Zertifikat. Die Leistung der Sanktionszahlung entbindet die Unternehmen allerdings nicht von der Verpflichtung, Emissionszertifikate in Höhe der Emissionen abzugeben (http://www.emissionshandelsregister.at/ms/emissionshandels-register/de/ehr_service/ehr_faq/).
Da die Gesamtzahl der Zertifikate EU-weit fixiert ist und jährlich verringert wird, führt dieses System langfristig zu Emissionsreduktionen, ohne den einzelnen Marktteilnehmern ein spezifisches Emissionsziel vorzuschreiben. Der durch Angebot und Nachfrage entstandene „CO2-Preis“ ist ein Maß dafür, welche CO2-Minderungsmaßnahmen wirtschaftlicher sind als das Bezahlen für Zertifikate (http://www.umweltbundesamt.at/
umweltsituation/industrie/emissionshandel/eh_allgemein/).
Weltweit werden jährlich Emissionsrechte für 144 Milliarden Dollar umgesetzt. 90 % des Börsenhandels kontrolliert die US-Terminbörse ICE über ihre Tochterunternehmen European Climate Exchange in London und Chicago Climate Exchange. Transaktionen können nur über das Unionsregister abgewickelt werden. Dieses überprüft und stellt sicher, dass Übertragungen nach dem für den Emissionshandel geltenden Recht durchgeführt werden.
2.3. § 44 EZG qualifiziert das Emissionszertifikat als Ware. Das Zertifikat steht für die Emission einer bestimmten Menge Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum; eine physische Verbriefung des Zertifikats gibt es nicht (Kohlbach, EZG 2011 [2012] § 44 Rz 1). Für das Verpflichtungsgeschäft über Emissionszertifikate gelten die für Kaufverträge über bewegliche unkörperliche Sachen/Rechte einschlägigen Bestimmungen des ABGB (vgl Gritsch, Der Rechtscharakter von Emissionszertifikaten: Kapitalmarkt- und zivilrechtliche Aspekte, in Hack/Bartholl/Hartmann, Emissions-zertifikate 159 [169]; Ates, Der Handel mit Emissionszertifikaten [2011] 92; Riedler, Der Handel mit Emissionszertifikaten aus zivilrechtlicher Sicht, RdU 2006, 147). Da das Zertifikat eine Ware ist, richtet sich die Übertragung nach allgemeinen sachenrechtlichen Übertragungsregeln: Mit Einigung zwischen Verkäufer und Käufer über Ware und Preis, Genehmigung durch das Unionsregister und das European Union Transaktion Log (EUTL) bzw International Transaction Log (ITL) wird die Transaktion in Form von Gut- und Lastschriften auf die Konten der Beteiligten gebucht. Ein Vertrag zwischen Verkäufer und Käufer ist somit aufschiebend bedingt durch die Genehmigung durch das Unionsregister. Erst mit tatsächlicher Buchung in der Registerstelle ist das Emissionszertifikat wirksam übertragen, und das Eigentum geht auf den Erwerber über (Ates aaO 90; siehe auch http://www.emissionshandelsregister.at/ms/emissionshandels-register/de/ehr_service/ehr_faq/).
Der Verkauf begründet eine Gattungsschuld, sodass der Verkäufer das Beschaffungsrisiko trägt, wenn er ihm noch nicht zustehende oder noch nicht für ihn eingetragene Emissionsrechte veräußert, der Verkäufer hat verschuldensunabhängig für (Rechts-)Mängel nach den §§ 922 ff ABGB einzustehen. Der Kaufvertrag kann wegen Willensmängeln angefochten werden; der Verkäufer kann etwa wegen Zahlungsverzugs des Käufers nach § 918 ABGB zurücktreten (Hack, Kaufverträge über Emissionsrechte [„ERPA“], in Hack/Bartholl/Hartmann, Emissionszertifikate 49 [65]; Riedler, RdU 2006, 147). Vertragsanfechtung wegen Irrtums, List, Drohung oder laesio enormis wirkt dinglich ex tunc, beseitigt also das dem Erwerb zugrundeliegende Titelgeschäft rückwirkend auf den Vertragsabschluss-zeitpunkt, sodass zwischenzeitig vorgenommene Übertragungen von dinglichen Rechten unwirksam sind. Wird ein dem Erwerb von Emissionszertifikaten zugrundeliegendes Verpflichtungsgeschäft mit dinglicher Wirkung beseitigt, so ist die Registereintragung anfänglich materiell unrichtig (Hack aaO 81; Riedler, RdU 2006, 147 mit Verweis auf die gleichgestaltete Lage im Grundbuchsrecht). Umgekehrt besteht bei Vertragsanfechtung mit bloß obligatorischer Wirkung ex nunc nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückübertragung bzw kommen bereicherungsrechtliche Ansprüche in Frage (Riedler, RdU 2006, 147).
2.4. Primärmarkt ist jener Markt, innerhalb dessen die Emissionszertifikate erstmalig für den jeweiligen Zeitraum zugeteilt werden. Sind die Emissionszertifikate einmal emittiert, so eröffnet § 19 EZG die Möglichkeit für jede natürliche und juristische Person, Zertifikate zu erwerben und weiterzuverkaufen, womit ein Sekundärmarkt geschaffen wird (Hofstätter/Hristov/Ressler, CO2-Emissionszertifikate und Umsatzsteuer, ÖStZ 2005/375, 204). Sämtliche Zertifikate, auch aus CDM-Projekten generierte Zertifikate, können am Sekundärmarkt gehandelt werden, wenn die entsprechenden Treibhausemittenten die zusätzlichen Zertifikate zur Abdeckung ihres CO2-Ausstoßes nicht benötigen (Gritsch aaO 37). Der Sekundärmarkt übernimmt die Aufgabe der Verteilung der Emissionsberechtigungen. Anbieter auf den Sekundärmärkten sind verpflichtete Akteure, die etwa eine kostenlose Überausstattung an Zertifikaten haben oder diese aus Kostenminimierungsgründen zwischenzeitlich veräußern wollen. Außerdem sind Teilnehmer der Primärmärkte Anbieter auf dem Sekundärmarkt.
Auf dem Primärmarkt werden Zertifikate durch die Mitgliedstaaten mittels Auktionen erstausgegeben. In der zweiten Handelsperiode wurden sowohl Future- als auch Spot-Produkte im Primärmarkt auktioniert. Die Versteigerungen liefern wichtige Preissignale an die Marktteilnehmer im Sekundärhandel, gleichzeitig liefert der Sekundärhandel auch wichtige Signale für die Auktionen. Beide Märkte sind eng verknüpft, jedoch nicht identisch. Insbesondere unterscheiden sich die Transaktionskosten zwischen dem Primärmarkt und dem Sekundärmarkt. Zusätzlich unterscheiden sich die so genannten „Haltekosten – Cost of Carry“ je nachdem, ob es sich um Spot- oder um Future-Produkte handelt. Auch die Tatsache, dass sowohl mehrere Auktionsplattformen als auch mehrere Sekundärhandelsplätze existieren und sich teilweise erheblich in Hinblick auf Zugang, Kosten und Marktliquidität unterscheiden, rechtfertigt Preisabweichungen, die nicht zu Arbitrage führen.
2.5. Wenngleich eine Differenzierung zwischen der Teilnahme am Primärmarkt und am Sekundärmarkt Unterschiede in der Erwerbsart aufweist, hat das erworbene Zertifikat jeweils die gleichen bedungenen Eigenschaften, weil es sich bei der Unterscheidung zwischen Primärmarkt und Sekundärmarkt nur um eine Varianz in der Erwerbsmodalität handelt. Es ist somit das erworbene Zertifikat das gleiche, egal ob es am Primärmarkt oder Sekundärmarkt generiert wurde; je nach Erwerbsmodalität bestehen aber Preisunterschiede. Um welche Art von Zertifikat es sich handelt, ist von vornherein bestimmt und offengelegt, so sind zumindest die am Sekundärmarkt zirkulierenden Zertifikate standardisiert ausgestaltet (Gritsch aaO 170). Auch Zertifikate aus CDM- oder JI-Projekten können am Sekundärmarkt erworben werden.
3. Die Vorinstanzen sind – aufgrund der vom Berufungsgericht überprüften Feststellungen des
Erstgerichts – davon ausgegangen, dass der Klägerin weder Gewährleistungsansprüche noch Schadenersatzansprüche wegen Nicht- oder Schlechterfüllung durch die Beklagte zustehen. Mit diesen – von den Vorinstanzen – verneinten Anspruchsgrundlagen, die nach eigener Auffassung der Klägerin „natürlich“ in einem Konkurrenzverhältnis zu den Ansprüchen aus Verkürzung über die Hälfte stehen, setzt sich die Klägerin im Rekursverfahren nicht (mehr) auseinander. Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung kann die Klägerin ihre Ansprüche aber auch nicht auf Verkürzung über die Hälfte stützen:
3.1. § 934 ABGB räumt dann, wenn bei zweiseitig verbindlichen Geschäften ein Teil nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem anderen gegeben hat, von diesem an dem Gemeinwert erhalten hat, dem verletzten Teil das Recht ein, die Aufhebung und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern.
3.2. Die Klägerin hat bereits in der Klage vorgebracht, sie habe Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen dem tatsächlich von der Beklagten für die Anschaffung bezahlten Preis und dem an die Klägerin verrechneten Preis, weil sich die Beklagte einer „rechtswidrigen Vorgehensweise“ bedient habe, indem „nämlich nicht Zertifikate aus den vereinbarten Projekten generiert wurden […], sondern diese Zertifikate billig am Spot-Market beschafft wurden“; die Klägerin „stütz[e] ihr Klagebegehren dabei insbesondere auf Ansprüche aus laesio enormis“. Die von der Klägerin behauptete Grundlage für den von ihr geltend gemachten Anspruch, nämlich die „rechtswidrige Vorgehensweise“, haben die Vorinstanzen allerdings aufgrund der getroffenen Feststellungen zutreffend verneint.
3.3. Der erkennende Senat teilt auch nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, der gegenständliche „Teilnahmevertrag“ sei einem Optionsvertrag gleichzuhalten:
3.3.1. Der Optionsvertrag ist ein durch die Abgabe der Optionserklärung bedingter Vertrag (RIS-Justiz RS0024131). Optionsverträge räumen einem Beteiligten das Recht ein, durch einseitige Erklärung ein inhaltlich vorausbestimmtes Schuldverhältnis in Geltung zu setzen. Bei der Option wird das in Aussicht genommene Rechtsverhältnis nicht durch (neuerliches) Zusammenwirken beider Parteien, sondern bloß durch einseitige Gestaltungserklärung begründet (Gruber in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 [2017] § 936 Rz 5 mit weiteren Nachweisen). Ein Optionsvertrag kann dabei grundsätzlich zwar auch im Handel mit Emissionszertifikaten vorliegen; er wird dann aber regelmäßig als solcher bezeichnet und dient vor allem dem Verkauf von Zertifikaten, die durch erhoffte Überproduktion generiert werden (Hack in Hack/Bartholl/Hartmann, Emissionszertifikate 49 [54]).
3.3.2. Zwischen den Parteien wurde hingegen eine Vereinbarung geschlossen, welche die Beauftragung zur Erstellung und Verwaltung eines Portfolios hinsichtlich des Erwerbs von Emissionszertifikaten zum Inhalt hatte. Die Beklagte verpflichtete sich zur Auswahl und zum Erwerb von Emissionszertifikaten aus Projekten, die sie der Klägerin in vereinbarter Menge weitergibt und damit zu deren Abdeckung des CO2-Ausstoßes bereitstellt. Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung eines im Vertragszeitpunkt festgelegten Fixpreises, welcher mittels Bankgarantie nach Überschreibung der generierten Zertifikate bezahlt wird.
Betrachtet man den Erwerb von Zertifikaten am Sekundärmarkt mittels Teilnahmeverträgen aus zivilrechtlicher Sicht, so ist der Teilnahmevertrag somit als Verpflichtungsgeschäft sowie die Übertragung des Emissionszertifikats gegen Zahlung des Preises mittels Bankgarantie als Verfügungsgeschäft zu klassifizieren (Gritsch in Hack/Bartholl/Hartmann, Emissions-zertifikate 159 [168]). Einer der zentralen Verträge im Rahmen eines Emissionszertifikatehandels ist der Vertrag über den Kauf der Emissionszertifikate (ERPA – Emission Reduction Purchase Agreement). Dabei kann es sich um einen reinen Kaufvertrag oder um einen Kauf mit Projektfinanzierung handeln. Wesentlich für ein ERPA ist die frühzeitige Festlegung des Kaufpreises vor einem Preisanstieg bzw Preisverfall zwischen Vertragsabschluss und Lieferung. Damit soll das aus der Natur der Sache innewohnende Risiko bereits vorab zwischen Käufer und Verkäufer aufgeteilt sein (Hack aaO 53).
3.3.3. Damit kann aber von einem zweiaktigen Verfahren im Sinn eines Optionsvertrags im vorliegenden Fall insofern nicht ausgegangen werden, als beide Parteien sich bereits im Abschluss des Teilnahmevertrags zu einer Leistung verpflichteten, die nicht an die Annahme einer späteren Option geknüpft ist (vgl Gritsch aaO 43). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hängt der Abschluss des Vertrags somit nicht von einem weiteren einseitigen Tätigwerden einer der Parteien ab, sondern stellt die Überschreibung der erworbenen Zertifikate durch die Beklagte sowie die Einlösung des Fixpreises mittels Bankgarantie die Erfüllungshandlung des Teilnahmevertrags dar. Kommt eine der Parteien ihrer Leistung nicht nach, handelt es sich dabei nicht um eine verpasste Optionsausübung, sondern um eine Vertragsverletzung, gegen die mit den Instrumenten des ABGB vorgegangen werden kann (Verzugsregelungen udgl; Hack aaO 53). Dass die einzelnen Zertifikatslieferungen nicht bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Teilnahmevertrags bekannt waren, entspricht der wirtschaftlichen Realität und hat insofern keine Relevanz für das Zustandekommen des Vertrags, sondern betrifft allein die Erfüllungshandlungen der Beklagten (Krejci, Optionsausübung und laesio enormis insbesondere bei gesellschaftsvertraglichen Aufgriffsrechten, in FS Koziol [2010] 215 [227]).
Gegen das Vorliegen einer optionsvertragsähnlichen Vereinbarung spricht außerdem, dass es sich bei der Beschaffung von Zertifikaten durch die Beklagte um ein Auftragsverhältnis handelt, das nicht auf die Gewährung von Kaufoptionen gerichtet ist, sondern die Verschaffung von Zertifikaten für die Klägerin zum Inhalt hat. Dass das Portfolio erst mit Erreichen eines Mindestvolumens startet, ist nicht als einseitiges Tätigwerden der Beklagten zu sehen, sondern als festgesetzter Termin zur Leistungserfüllung ähnlich einem vertraglich vereinbarten Liefertermin.
3.3.4. Nach § 934 Satz 3 ABGB wird das Missverhältnis des Werts nach dem Zeitpunkt
des geschlossenen Geschäfts (bei einem – hier nicht vorliegenden – Optionsvertrag nach dem Zeitpunkt der Ausübung des Optionsrechts [4 Ob 159/01p]) bestimmt; der Wert der gekauften Sache ist daher abgestellt auf diesen Zeitpunkt festzustellen (RIS-Justiz RS0018871). Bei Abschluss des Teilnahmevertrags im Jahr 2008 lag der Preis für Emissionszertifikate nach dem Vorbringen der Beklagten bei 20 EUR pro Zertifikat (AS 25) – die Klägerin hat dieses Vorbringen nicht bloß nicht substanziiert bestritten, sondern sogar eingeräumt, dass der Wert der CERs zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung über der Hälfte des vertraglich vereinbarten Fixpreises gelegen sein könnte (AS 49) –, die Parteien vereinbarten einen Fixpreis zwischen 12,40 und 12,90 EUR pro Zertifikat. Eine Verkürzung über die Hälfte liegt somit nicht vor.
4. Damit war aber die zur Gänze abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. In Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof besteht gemäß § 23 RATG grundsätzlich Anspruch auf (lediglich) den einfachen Einheitssatz.
Textnummer
E123977European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00086.18T.0124.000Im RIS seit
12.02.2019Zuletzt aktualisiert am
02.08.2019