Entscheidungsdatum
15.01.2019Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §45 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
gekürzte Ausfertigung
gemäß § 29 Abs. 5 iVm § 50 Abs. 2 VwGVG
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Köhler über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien (Polizeikommissariat …) vom 10.08.2018, Zl. ..., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 05.12.2018
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. Folge gegeben, dieser Spruchpunkt aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. Folge gegeben, dieser Spruchpunkt aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
III. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof, soweit diese nicht bereits gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ausgeschlossen ist, nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 10.08.2018 wurden dem Beschwerdeführer zwei Tathandlungen angelastet. Mit Spruchpunkt 1. wurde er wegen der Missachtung der mündlichen, verkehrspolizeilichen Weisung eines Einsatzbeamten zu einem Parkplatz zuzufahren gemäß § 97 Abs. 4 iVm § 99 Abs. 3 lit. j StVO bestraft (100,– Euro Geldstrafe, 1 Tag Ersatzfreiheitsstrafe). Mit Spruchpunkt 2. wurde er wegen Telefonierens während der Fahrt ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung gemäß § 102 Abs. 3 5. Satz iVm § 134 Abs. 3c KFG bestraft (72,– Euro Geldstrafe, 1 Tag Ersatzfreiheitsstrafe).
Gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF. BGBl. I Nr. 24/2017, kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG nicht beantragt wurde, zu enthalten.
Gemäß § 50 Abs. 2 VwGVG hat die gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses im Fall der Verhängung einer Strafe überdies die als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung sowie die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände in Schlagworten (Z 1), im Fall des § 45 Abs. 1 VStG eine gedrängte Darstellung der dafür maßgebenden Gründe (Z 2) zu enthalten.
Das Verwaltungsgericht hat am 05.12.2018 in der gegenständlichen Beschwerdesache eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und sodann das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet.
Die in der mündlichen Verhandlung angefertigte Niederschrift, welcher eine Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG angeschlossen war, wurde dem Beschwerdeführer unmittelbar ausgefolgt und der belangten Behörde sowie dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie am 07.12.2018 zugestellt. Somit wurde die Niederschrift sämtlichen zur Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof legitimierten Parteien und Organen zugestellt.
Keine zur Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof beziehungsweise Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof legitimierte Partei und kein hierzu legitimiertes Organ hat innerhalb der gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG normierten Frist von zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift einen Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG gestellt.
Deshalb kann das Erkenntnis gemäß § 29 Abs. 5 iVm. § 50 Abs. 2 Z 2 VwGVG gekürzt ausgefertigt werden.
Wesentliche Entscheidungsgründe:
Spruchpunkt I.
Es steht fest, dass der Beschwerdeführer am 11.04.2018, um 12:35 Uhr durch die C.-gasse in Wien mit dem Fahrzeug ... fuhr und auf Höhe der Kreuzung mit der D.-gasse von einem Organ der öffentlichen Sicherheit wahrgenommen wurde. Der Beschwerdeführer hielt ein Handfunkgerät in seiner Hand, weshalb ein Organ der öffentlichen Sicherheit auf ihn aufmerksam wurde. Im Zuge der Amtshandlung (die quasi mitten auf der Straße begann, weil der fließende Verkehr zunächst durch einen LKW blockiert war) ermittelte das Organ, dass es sich um ein Handfunkgerät handelte.
Es steht nicht zweifelsfrei fest, dass der Beschwerdeführer eine Anordnung, zu einem Parkplatz zuzufahren missachtet bzw. die vorgeworfene Übertretung des § 97 Abs. 4 iVm § 99 Abs. 3 lit. j StVO begangen hat. Aufgrund des geschilderten Ablaufes der Amtshandlung, auch bedingt durch die ungünstige Lage (Durchzugsverkehr in einer Einbahnstraße, durch die auch eine Buslinie führt), ist nicht ausgeschlossen, dass dem Beschwerdeführer nicht bewusst war, dass er zur Fortsetzung der Amtshandlung sein Fahrzeug in eine Einfahrt bewegen sollte. Schließlich ist auch vom Organ der öffentlichen Sicherheit zugestanden, dass er sich Richtung Heck des Fahrzeuges bewegt hat. Eine Wahrnehmung, dass die Amtshandlung beendet ist und keine weitere Anweisung getroffen wurde, ist nicht ausgeschlossen, weshalb die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann und im Zweifel zugunsten des Beschwerdeführers das Straferkenntnis in seinem Punkt 1 wegen § 45 Abs. 1 Z 1 VStG aufzuheben und das Verfahren einzustellen ist.
Spruchpunkt II.
Gemäß § 102 Abs. 3 5. Satz KFG ist einem Lenker während des Fahrens das Telefonieren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung sowie jegliche andere Verwendung des Mobiltelefons, ausgenommen als Navigationssystem, sofern es im Wageninneren befestigt ist, verboten.
Aus dem strafrechtlichen Analogieverbot und dem klaren Gesetzeswortlaut der zitierten Bestimmung ergibt sich, dass dieses Gebot sich nur auf das Telefonieren sowie sonstige Tätigkeiten mit einem Mobiltelefon (ausgenommen navigieren) bezieht. Das Funken mit einem Handfunkgerät erfüllt somit nicht den Tatbestand des § 102 Abs. 3 5. Satz KFG. Es ist wohl aufgrund der unterschiedlichen Funktionsweise auch eine unterschiedliche Behandlung durch Gesetzgeber gewollt. Schließlich ist auch die Verwendung eines Mobiltelefons als Navigationsgerät ausgenommen, weil eingebaute oder temporär angebrachte Navigationsgeräte zulässig sind und solche wohl in Bezug auf Handhabung und Bedienung in gleicher Weise verwendet werden wie ein entsprechend genutztes Handy. Dies ergibt sich auch aus den Erläuterungen zur entsprechenden Gesetzesnovelle (ErläutRV 1054 BlgNR XXV. GP, 9 zu § 102 Abs. 3 5. Satz eingefügt mit der 32. KFG-Novelle, BGBl. I 40/2016). Ebenso gibt es in KFZ eingebaute Funkgeräte, deren Handhabung zulässig ist und sich von jener eines Handfunkgerätes nicht wesentlich unterscheidet, weil bei einem eingebauten Funkgerät regelmäßig ein Handmikrofon zur Bedienung notwendig ist. Im Übrigen bestehen aber Unterschiede zwischen der Handhabung von Mobiltelefonen und Handfunkgeräten; diese sind wohl idR einfacher zu bedienen als jene (Display, Wahlvorgang etc.). Somit ist davon auszugehen, dass Funkgeräte wie Navigationssysteme in KFZ zulässig sind und von § 102 Abs. 3 KFG nicht erfasst sind. Hätte der Gesetzgeber jede Ablenkungsmöglichkeit beschränken wollen, hätte er dies mit einem entsprechend weiter gefassten Gesetzeswortlaut entsprechend normiert.
Die Bestrafung wegen gemäß § 102 Abs. 3 5. Satz iVm § 134 Abs. 3c KFG war daher aufzuheben, weil der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat (§ 45 Abs. 1 Z 2 VStG).
Spruchpunkt III.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs. 8 VwGVG.
Spruchpunkt IV.
Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache 1. eine Geldstrafe von bis zu 750,– Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von maximal 400,– Euro verhängt wurde. § 99 Abs. 3 (hier lit. j) StVO sieht einen Strafrahmen von bis zu 726,– Euro und nur eine Ersatzfreiheitsstrafe (von bis zu zwei Wochen). Gegenständlich wird auch nur eine Geldstrafe in der Höhe von 100,– Euro verhängt.
Im Übrigen ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies gilt vorliegendenfalls insbesondere für die Amtspartei (Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG). Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Die Rechtslage ist aufgrund der zitierten Gesetzeslage klar (siehe die Ausführungen zum klaren Gesetzeswortlaut der maßgeblichen Bestimmungen samt Materialien betreffend § 102 Abs. 3 5. Satz KFG) und durch die Rechtsprechung geklärt. Der gegenständlich vorgenommenen Würdigung kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Gekürzte Ausfertigung; Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung; Verwendung des Mobiltelefons; Handfunkgerät; NavigationssystemEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.031.007.13649.2018Zuletzt aktualisiert am
11.02.2019