TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/13 L503 2187285-1

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Veröffentlicht am 13.09.2018
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Entscheidungsdatum

13.09.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L503 2187285-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die Richterin Mag.a JICHA sowie den fachkundigen Laienrichter RgR PHILIPP über die Beschwerde von XXXXgegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 07.12.2017, XXXX zu Recht erkannt:

A.) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: "BF") beantragte am 29.9.2017 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden kurz: "SMS") die Ausstellung eines Behindertenpasses. Ihrem Antrag legte sie diverse ärztliche Unterlagen bei (Kurzarztbrief des Klinikum W. vom 16.1.2016 - Riss des rechten Innenminiskus, Arthroskopische Meniskusnaht; Vorläufiger Kurzarztbrief des Klinikums W. vom 16.3.2017 - Karpaltunnelsyndrom rechts - Retinakulumspaltung; Radiologischer Befund vom 21.8.2017 - MRT der LWS, L4/L5 Zustand nach Discusoperation, Rezidivprolaps, L5/S1 Discushernie ohne neurale Bedrängung).

2. Daraufhin holte das SMS ein Sachverständigengutachten ein und wurde die BF am 16.11.2017 von Dr. M. S., einem Facharzt für Chirurgie, untersucht.

In dem in weiterer Folge von Dr. M. S. am 16.11.2017 erstellten medizinischen Sachverständigengutachten wird eingangs zu den derzeitigen Beschwerden der BF auszugsweise wie folgt ausgeführt:

"Anamnese:

2010-03 SVG Dr. Schmid

2016-01 Rupt men med gen dext, Kurzarztbrief, Abt. Unfallchir., Klinikum W.

2017-03 CTS re., Vorl. Kurzarztbrief, Abt. Unfallchir., Klinikum W.

Derzeitige Beschwerden:

Vorgutachten Einstufung wegen Wirbelsäulenbeschwerden mit 50 %.

Von Seiten des Operationsergebnisses des rechten Kniegelenkes sei sie zufrieden.

Nicht zufrieden ist sie aber mit dem Ergebnis nach Karpaltunnelspaltung rechts, es hätte sich dort ein Narbengewebe entwickelt. Es bestehen noch Schmerzen und Gefühlstörungen. Eine Operation wurde bis dato ausgeschlossen. Sie klagt weiterhin über Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, teilweise brennend, ohne periphere Ausfälle. Keine weiteren Angaben. [...]

Zusammengefasst wurde als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wie folgt festgehalten:

Tabelle kann nicht abgebildet werden

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, die führende Position werde wegen Geringfügigkeit bzw. fehlender Beeinflussung nicht weiter gesteigert.

3. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 7.12.2017 sprach das SMS aus, dass die BF mit einem Grad der Behinderung von 40% die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle; ihr Antrag vom 29.9.2017 sei daher abzuweisen.

Neben der Zitierung der rechtlichen Grundlagen (§§ 40, 41 und 45 BBG) wurde nochmals betont, dass laut eingeholtem Gutachten bei der BF lediglich ein Grad der Behinderung in Höhe von 40% vorliege, sodass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses (Grad der Behinderung von mindestens 50%) nicht vorliegen würden. Das dem Bescheid beiliegende und einen Teil der Begründung bildende Sachverständigengutachten sei als schlüssig erkannt und der Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt worden.

4. Mit Schreiben vom 13.12.2017 erhob die BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 7.12.2017. Darin bemängelte die BF eingangs, aus dem bekämpften Bescheid (gemeint: dem diesbezüglichen Gutachten) gehe der Befund vom 21.8.2017 (Anmerkung des BVwG: der radiologische Befund vom 21.8.2017 - MRT der LWS) in der Anamnese nicht hervor. Sie leide unter ständigen Schmerzen in ihrer Lendenwirbelsäule. Als sie untersucht worden sei, sei sie "direkt von der Physiotherapie" gekommen und sei dadurch natürlich beweglicher gewesen; nur halte dieser Zustand nie lange an. Sie könne weder lange stehen noch sitzen; ihre Beschwerden hätten sich nie verändert. Außerdem sei sie bereits mit einem Grad der Behinderung von 50% eingestuft worden.

5. Aufgrund der Beschwerde der BF holte das SMS ein weiteres Sachverständigengutachten ein und wurde die BF am 6.2.2018 von Dr. R. H., einer Fachärztin für Orthopädie, untersucht.

In dem sodann von Dr. R. H. am 20.2.2018 erstellten medizinischen Sachverständigengutachten wird eingangs zu den derzeitigen Beschwerden der BF auszugsweise wie folgt ausgeführt:

"Anamnese:

Vorgutachten 16.11.2017 (40%).

Z.n. Bandscheibenoperation auf Höhe L4/5.

Z.n. CTS OP rechts - persistierende Beschwerden.

Z.n. Arthroskopie linkes Schultergelenk mit Bursektomie und subacromialer Dekompression 372011 - weitgehend folgenlos ausgeheilt.

Z.n. Arthroskopie mit partieller Meniskektomie rechtes Kniegelenk 1/2016 - keine Restbeschwerden.

Derzeitige Beschwerden:

Frau S. berichtet von Dauerschmerzen im LWS Bereich mit Verstärkung unter längerdauernder, gleichförmiger Körperhaltung, auch nach der operativen Sanierung sei es nie zu Beschwerdebesserung gekommen, ein Rezidivbandscheibenvorfall auf OP Höhe ist radiologisch nachgewiesen.

Die Schmerzen strahlen rechts bis in die Kniekehle aus, Parästhesien werden beschrieben, ein Auslassen des Beines wird negiert.

Einschränkung z.B. beim Socken anziehen, Wärme lindert die Schmerzen, Tramal würde am besten helfen, wird aber schlecht vertragen.

Heilgymnastik wird unter physiotherapeutischer Anleitung regelmäßig durchgeführt.

Beschwerden im rechten Handgelenk nach CTS OP unverändert bei Narbengewebe, das auf den Nerv drückt.

[...]

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

21.8.2017 LWS MR:

Ergebnis:

TH12 - L4: unauffällig

L4/L5: Zustand nach Discusoperation mit links paramedianem Zugang, flacher, links dorso-lateraler Rezidivprolaps mit geringgradiger Sequestrierung nach cranial entlang der Dorsalfläche L4 über eine Strecke von 4 mm, die linke Nervenwurzel L5 am Duralsackabgang gering von ventral bedrängt und dorsalisiert. Epiduraie Fibrose im vorderen bis links antero-lateralen Epiduralraum, zusätzlich die linke Nervenwurzel L5 involvierend, mäßige Osteochondrose mit minimaler entzündlicher Aktivierung. L5/S1: flache dorso-mediane Discushernie ohne neurale Bedrängung, geringgradige Spondylarthrosen bds. Spinalkanalweite: regelrecht

Conus medullaris. Cauda: unauffällig.

16.1.2016 Arztbrief Unfallchirurgie Klinikum W.:

Diagnosen bei Entlassung M23.20 Rupt men med gen dext

Durchgeführte Maßnahmen NF020 R Ix Arthroskopische Meniskusnaht 15.01.2016.

[...]

Klinischer Status - Fachstatus:

[...]

WS-HWS: gerade, paravertebrale Muskulatur nicht verspannt,

Kinn-Sternumabstand: 1 cm, kein KS über gesamter HWS; Rotation:

60-0-60°.

WS-BWS: erhaltene physiologische Kyphose, paravertebrale Muskulatur nicht verspannt, Klopfschmerz thorakolumbaler Übergang.

WS-LWS: blande Narbe, Klopfschmerz über unterer LWS, ISG bds. druckschmerzhaft re>li; Lasegue bds. negativ, Lendenlordose, Beckengeradstand; FBA: 50cm.

[...]

Handgelenk rechts: blande Narbe nach CTS OP, KS; Kribbelparästhesien erste 3 radiale Finger, Pinzettengriff endlagig schmerzhaft.

[...]

Zusammengefasst wurde als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wie folgt festgehalten:

Tabelle kann nicht abgebildet werden

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, Hauptleiden sei das Leiden in Position 1 (Wirbelsäulenprobleme), das Leiden in Position 2 (Karpaltunnelsyndrom) erhöhe wegen fehlender zusätzlicher erheblicher Einschränkung den GdB nicht.

6. Am 27.2.2018 legte das SMS den Akt dem BVwG vor und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass aufgrund eines notwendigen Parteiengehörs der Abschluss des Verfahrens (gemeint: die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung) innerhalb der Frist nicht möglich sei.

7. Mit Schreiben zur Wahrung des Parteiengehörs vom 16.8.2018 übermittelte das BVwG der BF das Sachverständigengutachten von Dr. R. H. vom 20.2.2018 und räumte ihr die Möglichkeit ein, dazu binnen einer Woche ab Zustellung schriftlich Stellung zu nehmen.

Seitens der BF langte beim BVwG keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF ist 1971 geboren und in Österreich wohnhaft.

Mit Sachverständigengutachten von Dr. A. S. vom 6.4.2010 war der BF aufgrund von Wirbelsäulenbeschwerden ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 vH attestiert worden, wobei im Gutachten angemerkt wurde, dass eine Besserung möglich sei und in zwei Jahren eine Nachuntersuchung zu erfolgen habe.

1.2. Im verfahrensgegenständlichen Fall beantragte die BF am 29.9.2017 die Ausstellung eines Behindertenpasses und wurde sie zunächst am 16.11.2017 von Dr. M. S., einem Facharzt für Chirurgie, untersucht und von diesem ein Sachverständigengutachten erstellt, welches der BF einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 vH attestierte. Nach Erhebung der gegenständlichen Beschwerde - in der die BF zum einen konkret monierte, ein Befund vom 21.8.2017 sei nicht berücksichtigt worden und zum anderen auf ihre ständigen Schmerzen in ihrer Lendenwirbelsäule verwies - wurde die BF am 6.2.2018 von Dr. R. H., einer Fachärztin für Orthopädie, untersucht.

Basierend auf dem sodann am 20.2.2018 von Dr. R. H. erstellten medizinischen Sachverständigengutachten bestehen bei der BF folgende Funktionseinschränkungen und daraus resultierend folgender Gesamtgrad der Behinderung:

Tabelle kann nicht abgebildet werden

Hauptleiden ist das Leiden in Position 1 (Wirbelsäulenprobleme), das Leiden in Position 2 (Karpaltunnelsyndrom) erhöht wegen fehlender zusätzlicher erheblicher Einschränkung den GdB nicht.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des SMS.

2.2. Die oben getroffene Feststellung, wonach der BF mit Sachverständigengutachten von Dr. A. S. vom 6.4.2010 aufgrund von Wirbelsäulenbeschwerden ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 vH attestiert worden war, wobei im Gutachten angemerkt wurde, dass eine Besserung möglich sei und in zwei Jahren eine Nachuntersuchung zu erfolgen habe, folgt aus dem diesbezüglich im Akt befindlichen Gutachten.

2.3. Die oben getroffenen Feststellungen zu den bei der BF aktuell bestehenden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem vom SMS eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. R. H., einer Fachärztin für Orthopädie, vom 20.2.2018.

Dazu ist zunächst zu betonen, dass dieses Sachverständigengutachten ausführlich begründet, schlüssig und nachvollziehbar ist und keine Widersprüche aufweist. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen der klinischen Untersuchung am 6.2.2018 erhobenen Befund, entspricht den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Konkret muss man sich hier vor Augen halten, dass zunächst bereits am 16.11.2017 Dr. M. S., ein Facharzt für Chirurgie, ein ausführliches Sachverständigengutachten die BF betreffend erstellt hatte, wobei dieser die Wirbelsäulenbeschwerden der BF nachvollziehbar mit 40 vH sowie die Probleme der BF mit ihrer rechten Hand (Karpaltunnelsyndrom) nachvollziehbar mit 30 vH eingeschätzt hatte und so zu einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 vH gekommen war. Da die BF in ihrer daraufhin erhobenen Beschwerde zum einen konkret monierte, ein Befund vom 21.8.2017 sei nicht berücksichtigt worden und zum anderen auf ihre ständigen Schmerzen in ihrer Lendenwirbelsäule verwies, wurde sie am 6.2.2018 von Dr. R. H., einer Fachärztin für Orthopädie, ein weiteres Mal untersucht und wurde von Dr. R. H. sodann am 20.2.2018 das entsprechende Sachverständigengutachten erstellt.

Dieses Sachverständigengutachten geht eingehend und ausführlich auf sämtliche Leiden der BF ein und wurde darin insbesondere auch der von der BF in ihrer Beschwerde erwähnte radiologische Befund der LWS vom 21.8.2017 ausführlich berücksichtigt. Dessen ungeachtet kam auch die Zweitgutachterin - nach Begutachtung der BF - nachvollziehbar zum Ergebnis, dass der bei der BF bestehende Bandscheibenvorfall der Positions-Nr. 02.01.02 der Einschätzungsverordnung (Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule mittleren Grades; Rahmensatz 30-40%) zuzuordnen und mit 40 vH einzuschätzen ist (Konkret führt die Positions-Nr. 02.01.02 der Einschätzungsverordnung im Hinblick auf eine Einschätzung im Ausmaß von 40 vH aus: "Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, maßgebliche radiologische und/oder morphologische Veränderungen; maßgebliche Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben). Insofern deckt sich die von der Sachverständigen herangezogene Positionsnummer einschließlich der entsprechenden Einschätzung aber gänzlich mit dem Vorbringen der BF in ihrer Beschwerde (arg. die BF in ihrer Beschwerde: "Ich leide unter ständigen Schmerzen in meiner Lendenwirbelsäule"). Im Übrigen hat die Sachverständige das bei der BF an ihrer rechten Hand bestehende Karpaltunnelsyndrom nachvollziehbar mit 30 vH bewertet und ausgeführt, dass es hier insgesamt zu keiner Erhöhung kommen könne, sodass ein Gesamtgrad der Behinderung im Ausmaß von 40 vH besteht. Der Vollständigkeit halber sei zudem angemerkt, dass dem Gutachten aus dem Jahr 2010, das der BF eine Behinderung im Ausmaß von 50 VH (kein Dauerzustand) attestiert, gegenständlich kein maßgeblicher Beweiswert (wie auch keine rechtliche Relevanz) mehr zukommt, da es nunmehr um die aktuellen Leiden bzw. Funktionseinschränkungen der BF geht.

Schließlich ist die BF dem ergänzenden Gutachten von Dr. R. H. vom 20.2.2018 im Rahmen des ihr vom BVwG gewährten Parteiengehörs nicht entgegengetreten, sodass auch insofern davon auszugehen ist, dass sie diesem Gutachten nichts entgegenzusetzen vermag.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gemäß § 45 Abs 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Die hier einschlägigen Bestimmungen des BBG (bzw. EStG) lauten:

§ 1. [...] (2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

[...]

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen [...]

§ 35 EStG lautet auszugsweise:

§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

[...]

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

[...]

- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

[...]

3.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:

Das vom SMS eingeholte Sachverständigengutachten vom 20.2.2018 ist - wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt - richtig, vollständig und schlüssig. Die aktuellen Funktionseinschränkungen der BF wurden gemäß der Einschätzungsverordnung eingestuft, es ist bei der BF sohin von einem Grad der Behinderung von 40 vH auszugehen. Die BF erfüllt somit nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs 1 BBG.

Folglich ist die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gem. § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gem. Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage betreffend Verfahren und Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses stützen.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.

Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art 6 EMRK für Art 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl. VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 27.06.2013, B823/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 24.01.2013, 2012/21/0224; 23.01.2013, 2010/15/0196).

Im gegenständlichen Fall ergab sich aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten war. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich aufgrund der Aktenlage als geklärt.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L503.2187285.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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