TE Vfgh Beschluss 2007/10/1 V14/07

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Veröffentlicht am 01.10.2007
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83 Natur- und Umweltschutz
83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Allg
TrassenV, BGBl II 390/2006, betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der S 33 Kremser Schnellstraße und der S 5 Stockerauer Schnellstraße
UVP-G 2000 §9 Abs4, §19 Abs4, §24 Abs11

Leitsatz

Zurückweisung des Antrags von sich als Bürgerinitiativenbezeichnenden Personenmehrheiten auf Aufhebung einerTrassenverordnung betreffend die Kremser und die StockerauerSchnellstraße mangels Legitimation; Antragsteller keineBürgerinitiativen mangels Vorliegens einer zur Unterstützunggeeigneten schriftlichen Stellungnahme zum Vorhaben im Sinne derVorjudikatur

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. a) Die einschreitenden "Bürgerinitiativen" begehren mit beim Verfassungsgerichtshof am 28. Februar 2007 eingelangtem, auf Art139 Abs1 B-VG iVm §24 Abs11 UVP-G 2000 (idF BGBl. 773/1996) gestütztem Antrag die Aufhebung der am 18. Oktober 2006 kundgemachten Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der S 33 Kremser Schnellstraße, Abschnitt Donaubrücke Traismauer, und der S 5 Stockerauer Schnellstraße, Knoten Jettsdorf, im Bereich der Gemeinden Traismauer, Krems, Gedersdorf, Grafenegg und Grafenwörth, BGBl. II 390/2006.

b) Zur Zulässigkeit ihres Antrages führen die Antragsteller aus, dass sie Bürgerinitiativen im Sinne des §19 Abs4 iVm §9 Abs4 UVP-G 2000 (idF vor der Novelle BGBl. I 153/2004) seien. Sie hätten im Rahmen des Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens innerhalb offener Frist je eine Stellungnahme verbunden mit der ausreichenden Anzahl an Unterschriften bei der Behörde eingereicht. Diese Stellungnahme [welche im Antrag wörtlich wiedergegeben wird und dem auf den Unterschriftenblättern abgedruckten Text (s. unter Pkt. 5.) entspricht] richte sich einerseits gegen ein konkretes Projekt, nämlich die Donaubrücke Traismauer, und enthalte andererseits eine klare Position (Stellungnahme) zu dem Vorhaben (es würden sogar einzelne Rechte geltend gemacht).

Damit seien die Bürgerinitiativen ex lege durch die fristgerechte Abgabe der damit verbundenen mehr als 200 Unterschriften gemäß §19 Abs4 UVP-G 2000 zustande gekommen.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die einschreitenden Bürgerinitiativen "nicht ex lege zustande gekommen" seien, so hätten sie durch die Erledigung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 25. Jänner 2005, Z BMVIT-312.433/0005-II/ST-ALG/2005, "Parteistellung im Verfahren sowie Antragslegitimation gemäß §24 Abs11 UVP-G" erlangt. Dieses Schreiben sei zwar nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet, dennoch komme ihm nach ständiger Rechtsprechung und Lehre Bescheidcharakter zu.

2. a) Der zur Verteidigung der Verordnung berufene Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie legte Verordnungsakten(teile) vor und erstattete eine Äußerung, in der er mit Blick auf die hg. Beschlüsse vom 14. Dezember 2006, V14/06, und vom 2. März 2007, V66/06, (- im Gegensatz zu seiner im Umweltverträglichkeitsprüfungs- und Verordnungserlassungsverfahren vertretenen Rechtsmeinung -) vom Nichtzustandekommen der Bürgerinitiativen ausgeht, und daher primär die Zurückweisung des Antrages begehrt.

b) Darauf haben die Antragsteller repliziert.

3. Mit seiner - nunmehrigen - rechtlichen Beurteilung der antragstellenden "Bürgerinitiativen" ist der Bundesminister im Recht:

Die einschreitenden "Bürgerinitiativen" stützen ihre Legitimation zur Anfechtung der Verordnung BGBl. II 390/2006, mit welcher der Verlauf einer Schnellstraße bestimmt wird, auf (die Verfassungsbestimmung des) §24 Abs11 UVP-G 2000 idF BGBl. 773/1996 (und den dort verwiesenen §19 Abs4). Diese Bestimmung ist zwar gemäß (der Verfassungsbestimmung des) §46 Abs19 Z2 UVP-G 2000 idF BGBl. I 153/2004 mit 1. Jänner 2005 außer Kraft getreten; sie ist aber nach dem dort verwiesenen Abs18 Z5 lita auf Verordnungen, die - wie unbestrittenermaßen die angefochtene - den Straßenverlauf von "Bundesstraßen ..., für die bis zum 31. Dezember 2004 die Kundmachung gemäß §9 Abs3 durchgeführt wird", festlegen, weiter anzuwenden. §24 Abs11 hat(te) folgenden Wortlaut:

"§24. ...

(11) (Verfassungsbestimmung) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen gemäß Abs1 auf Antrag der im §19 Abs3 und 4 genannten Parteien."

Der verwiesene §19 Abs4 UVP-G 2000 lautete wie folgt (die durch die Novelle BGBl. I 89/2000 verfügten Änderungen gegenüber der Stammfassung sind für die Frage der Antragslegitimation ohne Belang, sodass dahingestellt bleiben kann, ob Abs4 in dieser oder in der hier wiedergegebenen Fassung BGBl. I 89/2000 Anwendung findet):

"§19. ...

(4) Eine Stellungnahme gemäß §9 Abs4 kann durch Eintragung in eine Unterschriftenliste unterstützt werden, wobei Name, Anschrift und Geburtsdatum anzugeben und die Unterschrift beizufügen ist. Die Unterschriftenliste ist gleichzeitig mit der Stellungnahme einzubringen. Wurde eine Stellungnahme von mindestens 200 Personen, die zum Zeitpunkt der Unterstützung in der Standortgemeinde oder in einer an diese unmittelbar angrenzenden Gemeinde für Gemeinderatswahlen wahlberechtigt waren, unterstützt, dann nimmt diese Personengruppe (Bürgerinitiative) am Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für das Vorhaben und nach §20 als Partei oder als Beteiligte (Abs2) teil. Als Partei ist sie berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen, Rechtsmittel zu ergreifen und Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben."

Vertreter einer Bürgerinitiative gemäß §19 Abs4 ist nach §19 Abs5 UVP-G 2000 primär "die in der Unterschriftenliste als solche bezeichnete Person"; fehlt eine solche, sich ausdrücklich auf die Vertretereigenschaft beziehende Bezeichnung, gilt als Vertreter "die in der Unterschriftenliste an erster Stelle genannte Person".

4. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2006, V14/06, (unter Hinweis auf seine bereits in VfSlg. 16.242/2001 dargelegte Rechtsauffassung) ausführte, ist es für das Vorliegen einer Bürgerinitiative notwendig, dass die physischen Personen, die als Bürgerinitiative einschreiten, eine gleichgerichtete Interessenstruktur in Bezug auf den Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung aufweisen, wobei diese Identität der Einstellung durch zwei wesentliche gesetzliche Voraussetzungen zum Ausdruck kommt: Es können nur solche Personen eine Stellungnahme unterstützen, die zur Zeit der Auflage des Projektes in der Standortgemeinde oder in einer an diese unmittelbar angrenzenden Gemeinde für Gemeinderatswahlen wahlberechtigt waren und die weiters

"ihre Interessensphäre und deren Übereinstimmung mit jener der anderen Unterstützenden dadurch zum Ausdruck brachten, dass sie eine zu diesem Zeitpunkt notwendigerweise bereits vorliegende Stellungnahme unterzeichnen. §19 Abs4 UVP-G 2000 verlangt daher, dass eine bereits vorliegende schriftliche Stellungnahme zum Vorhaben und (wohl auch: oder) zur Umweltverträglichkeitserklärung durch die Unterschrift des zukünftigen Mitgliedes der Bürgerinitiative in Gestalt der Eintragung in eine Unterschriftenliste unterstützt wird und dass die zur Unterstützung erstellte Unterschriftenliste 'gleichzeitig mit der Stellungnahme' während der Auflagefrist einzubringen ist".

Die Stellungnahme muss also, um rechtlich relevant zu sein, zum Vorhaben oder zur Umweltverträglichkeitserklärung abgegeben werden.

Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an eine solche Stellungnahme hielt der Verfassungsgerichtshof im genannten Beschluss fest, dass eine wertende Meinung zum Projekt und/oder zur Umweltverträglichkeitserklärung genüge; diese aber derart beschaffen sein müsse, dass sich die Sachverständigen der Behörde im Umweltverträglichkeitsgutachten damit auseinandersetzen könnten, wobei eine bloß floskelhafte Ablehnung eines Projekts in der Absicht der Gründung einer verfahrensbeteiligten Bürgerinitiative nicht für hinreichend erkannt wurde.

5. Aus den vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes vorgelegten Verordnungsakten im Verein mit den von den einschreitenden "Bürgerinitiativen" vorgelegten Unterlagen ergibt sich für die Frage ihrer Antragslegitimation das Folgende:

a) Die öffentliche Auflage der Projektunterlagen erfolgte in der Zeit vom 10. Februar bis einschließlich 23. März 2004 (BMVIT 312.433/1-II/ST3-04, BMVIT 312.433/7-II/ST3-04).

b) Die ersteinschreitende "Bürgerinitiative" (im Folgenden auch: TABB) brachte ein als "Einwändungen als auch Stellungnahmen der BI TABB (Transitautobahnbrücke) Traismauer entsprechend UVP" bezeichnetes und mit 21. März 2004 datiertes Schriftstück sowie eine (aus 39 Blättern bestehende und von 316 Personen unterzeichnete) Unterschriftenliste ein (protokolliert zu BMVIT-312.433/14-II/ST3/04); die zweiteinschreitende "Bürgerinitiative" (im Folgenden auch: TNST) legte ein Schreiben vom 18. März 2004 mit dem Titel "Einwendungen als auch Stellungnahmen der BI Transitstop Nord-Süd entsprechend UVP" sowie ebenfalls eine [aus 70 Blättern bestehende und von 585 (laut Bürgerinitiative) bzw. 582 (laut Behörde) Personen unterzeichnete] Unterschriftenliste vor (protokolliert zu BMVIT-312.433/15-II/ST3/04). Von der drittantragstellenden "Bürgerinitiative" (im Folgenden auch: TNSH) wurde ein mit "Einreichprojekt 2003 - S 33 Donaubrücke Traismauer, Einwendungen im Rahmen der UVP" bezeichnetes, mit 21. März 2004 datiertes Schriftstück und eine (aus 39 Blättern bestehende und von 296 Personen unterzeichnete) Unterschriftenliste vorgelegt (protokolliert zu BMVIT-312.433/16-II/ST3/04).

Auf den Unterschriftenblättern selbst findet sich folgender Text, der mit Ausnahme der Bezeichnung der Bürgerinitiativen bei allen eingereichten Unterschriftsblättern identisch ist. Dieser lautet (Hervorhebung im Original):

"Unterschriftensammlung zur Gründung einer Bürgerinitiative

Mit der Unterschrift von 200 wahlberechtigten (der Gemeinden Gedersdorf, Rohrendorf, Grafenwörth, Traismauer und Krems oder Nachbargemeinden) ist die

Bürgerinitiative [auf rund einem Drittel der Blätter folgt hier der Name der ersteinschreitenden 'Bürgerinitiative']

(gemäß §19 UVP-Gesetz 2000) gegründet.

Ziel der Bürgerinitiative ist es, bei zukünftigen Umweltverträglichkeitsprüfungen in diesem Gebiet, speziell bei der Donaubrücke Traismauer Parteistellung zu erlangen und Einfluss zu nehmen.

Unsere besonderen Anliegen sind:

-

die Auswirkungen auf Gesundheit und Lebensqualität

-

Schutz der Natur

-

Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Konsequenzen

-

Eine Umfassende Betrachtung der Verkehrsnotwendigkeit

Mit meiner Unterschrift unterstützte ich die Gründung der Bürgerinitiative [auf rund einem Drittel der Blätter folgt hier der Name der ersteinschreitenden 'Bürgerinitiative']

[Es folgt eine Tabelle mit folgenden Spaltenüberschriften:

'Vor- und Zuname' - 'Anschrift, E-Mail' - 'Geb.-Datum' - 'Unterschrift' - 'Datum']"

c) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kam nach einer im Wege der Amtshilfe veranlassten (Teil-)Überprüfung der Unterschriftenlisten durch die Gemeinden Fels am Wagram, Grafenegg, Gedersdorf und Langenlois (TABB), Traismauer (TNST) bzw. Krems (TNSH) (BMVIT-312-433/0004-II/ST-ALG/2005, BMVIT-312-433/0003-II/ST-ALG/2005 und BMVIT-312-433/0002-II/ST-ALG/2005) zum Schluss, dass die nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof einschreitenden "Bürgerinitiativen" die "Voraussetzungen des §19 Abs4 UVP-G 2000 idF BG BGBl I Nr. 50/2002 zur Konstituierung einer Bürgeriniative" erfüllten. Die "Bildung" der Bürgerinitiativen wurde diesen und den mitwirkenden Behörden mit Schreiben vom 25. Jänner 2005, Z BMVIT-312.433/0005-II/ST-ALG/2005, mitgeteilt.

Dieses - auch von den antragstellenden "Bürgerinitiativen" zur Begründung ihrer Anfechtungslegitimation ins Treffen geführte - Schreiben hat folgenden Wortlaut:

"Betreff: Niederösterreich

S 33 Kremser Schnellstraße

Abschnitt Donaubrücke Traismauer,

Trassenfestlegung mit UVP,

Bildung von Bürgerinitiativen (§19 Abs4. UVP-G),

Ergebnis der Überprüfung

Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie teilt mit, dass sich im Zuge des Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens betreffend das Straßenbauvorhaben S 33, Kremser Schnelltstraße, Abschnitt Donaubrücke Traismauer, folgende Bürgerinitiativen gemäß §19 Abs4

UVP-G 2000 gebildet haben:

1) Bürgerinitiative 'Transitstop Nord Süd - Traisental (TNST)',

Vertreter der Bürgerinitiative: Herbert Benischek, [Adresse]

2) Bürgerinitiative 'Transitstopp Nord-Süd Hollenburg (TNSH)'

Vertreterin der Bürgerinitiatve: Helga Wannerer, [Adresse]

3) Bürgerinitiative 'Transitautobahnbrücke (TABB) Traismauer'

Vertreterin der Bürgerinitiative: Karin Kuna, [Adresse]

4) ...

Den Bürgerinitiativen kommt Parteistellung in den nachfolgenden Genehmigungsverfahren gemäß §24h Abs5 UVP-G 2000 und die Antragslegitimation gemäß §24 Abs11 UVP-G 2000 zu. Die angeführten Personen vertreten die Bürgerinitiativen und sind auch Zustellungsbevollmächtigte im Sinne des Zustellgesetzes, BGBl Nr. 200/1982 idgF.

Die genannten Bestimmungen des UVP-G 2000 sind solche des BGBl. Nr. 697/1993 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2002; das ist die Fassung vor der jüngsten Novelle durch das Bundesgesetz BGBl I Nr. 153/2004. Die angeführte letzte Novelle zum UVP-G ist auf Grund von Übergangsvorschriften auf das vorliegende Verfahren nicht anzuwenden.

Verteiler:

[es folgen die vier im Schreiben genannten Bürgerinitiativen sowie sechs mitwirkende Behörden; weiters der Projektwerber, die ASFINAG und ihr Vertreter, das Land Niederösterreich]

Für den Bundesminister:           Ihr(e)Sachbearbeiter/in:

[Name]                          [Name, Tel., Fax und E-mail]

elektronisch gefertigt"

6. Die einschreitenden "Bürgerinitiativen" erfüllen aus folgenden Gründen nicht die Voraussetzungen des §24 Abs11 iVm §19 Abs4 UVP-G 2000 (idF vor BGBl. I 153/2004):

a) Den unter Pkt. 5. beschriebenen Unterschriftenlisten fehlt der nach der dargestellten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erforderliche Zusammenhang mit den ebenfalls unter Pkt. 5. angeführten drei schriftlichen "Stellungnahmen" vom 21. März 2004 (TABB, TNSH) bzw. 18. März 2004 (TNST), die für sich betrachtet zur Unterstützung geeignete Stellungnahmen iSd §9 Abs4 UVP-G 2000 (gewesen) wären. Es finden sich auf diesen Unterschriftenlisten keine Hinweise darauf, dass die Unterschriften in Kenntnis und zur Unterstützung der entsprechenden inhaltlichen "Stellungnahmen" der Bürgerinitiativen abgegeben wurden; die jeweilige schriftliche "Stellungnahme" ist im Text der Unterschriftenliste nicht erwähnt. Gegen die Kenntnis spricht ferner, dass die inhaltlichen Stellungnahmen später datiert sind als die ganz überwiegende Anzahl der von den Unterschriftleistenden angegebenen Zeitpunkte ihrer Unterstützungserklärung. Den "Stellungnahmen" fehlt es sohin an dem erforderlichen Zusammenhang mit der jeweiligen Unterschriftenliste.

b) Davon scheinen auch die Einschreiter auszugehen, da sie zur Begründung ihrer Antragslegitimation nur auf den in den Unterschriftenlisten enthaltenen Text verweisen, nicht aber auf die soeben abgehandelten Stellungnahmen. Jener Text kann jedoch nicht als Stellungnahme iSd §9 Abs4 UVP-G 2000 angesehen werden: Der Text enthält nämlich keine inhaltliche Stellungnahme zum Vorhaben und/oder zur Umweltverträglichkeitserklärung, sondern trägt bloß floskelhaft die Anliegen "Auswirkungen auf Gesundheit und Lebensqualität", "Schutz der Natur", "Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Konsequenzen" sowie "[u]mfassende Betrachtung der Verkehrsnotwendigkeit" mit dem Ziel vor, eine Bürgerinitiative zu gründen, "Parteistellung zu erlangen und Einfluss zu nehmen".

Bereits im hg. Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 2006, V14/06, hat der Verfassungsgerichtshof zu einer vergleichbaren Unterschriftenliste die Auffassung vertreten, dass "[d]er auf den Unterschriftenblättern selbst abgedruckte Text ... nicht geeignet [ist,] als Stellungnahme iSd §9 Abs4 UVP-G 2000 gewertet zu werden, weil er inhaltlich nicht 'zum Vorhaben und zur Umweltverträglichkeitserklärung' des öffentlich aufgelegten Projekts Stellung nimmt, sondern vielmehr auf die Gründung einer Bürgerinitiative mit dem Ziel gerichtet ist, 'bei zukünftigen Umweltverträglichkeitsprüfungen ... Parteistellung zu erlangen und Einfluss zu nehmen'".

Daran ändert auch die von den Antragstellern in ihrer Replik vorgetragene Differenzierung der "Stellungnahme" nach dem UVP-G 2000 gegenüber "Einwendungen", die für die Parteistellung nach §42 AVG konstitutiv sind, nichts: Während es bei diesen Einwendungen um die Wahrung der Parteistellung im Zuge der Verteidigung individueller subjektiver Rechte geht, dient die "Stellungnahme" der Artikulation einer gemeinsamen Interessensphäre von mindestens 200 Personen (mit Wohnsitz in räumlicher Nähe zu einem umweltverträglichkeitsprüfungspflichtigen Projekt). Die Stellungnahme muss daher (vgl. den oben zitierten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 2006) auf ein konkretes Projekt bezogen sein (somit nicht - wie hier geschehen - nur abstrakte Umweltschutzinteressen zum Ausdruck bringen) und muss außerdem so beschaffen sein, dass daraus dieselbe Werthaltung der unterschreibenden Personen in Bezug auf das aufgelegte Projekt zum Ausdruck kommt.

c) Auch aus der Berufung auf das Schreiben des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 25. Jänner 2005 können die Antragsteller nichts zur Begründung ihrer Antragslegitimation gewinnen. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Beschluss vom 2. März 2007, V66/06, zu einer gleichlautenden Erledigung ausgesprochen hat, kann "die - schlichte - Mitteilung ... des Ergebnisses der vom Bundesminister veranlassten Überprüfung der überreichten Unterschriftenlisten an die Bürgerinitiativen und die mitwirkenden Behörden für sich keine normative Wirkung in Anspruch nehmen".

7. Die die Trassenverordnung vor dem Verfassungsgerichtshof anfechtenden "Bürgerinitiativen" erfüllen jeweils in Ermangelung einer zur Unterstützung iSd §19 Abs4 UVP-G 2000 geeigneten Stellungnahme die gesetzlichen Voraussetzungen nicht. Der Antrag wurde im Namen von Personenmehrheiten eingebracht, denen die Qualität einer Bürgerinitiative iSd §19 Abs4 iVm §24 Abs11 UVP-G 2000 nicht zukommt. Er war somit mangels Legitimation zurückzuweisen.

Bei diesem Ergebnis brauchte nicht näher untersucht zu werden, ob die als Vertreter der erst- und drittantragstellenden "Bürgerinitiative" jeweils einschreitende Person diese Befugnis zu Recht in Anspruch genommen hat [die vom Bundesminister im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren noch vertretene diesbezügliche Auffassung erscheint dem Verfassungsgerichtshof zumindest zweifelhaft: Da in beiden Fällen die Blätter lose überreicht wurden und im Fall der TABB die als Vertreterin bezeichnete Person zwar auf einem der Unterschriftenblätter (das im Akt auch an oberster Stelle erliegt) an erster Stelle genannt ist; diese Eintragung und Unterschrift aber - laut eigenen Angaben - in der letzten Spalte (erst) am 17. März 2004 und - wie ein Blick auf die anderen Eintragungen erweist - sohin erst nach Abgabe der Unterstützungserklärung durch den Großteil der in der Liste eingetragenen und unterfertigten Personen) erfolgte. Dieser Umstand erweckt zumindest Zweifel, ob es sich bei dieser Person tatsächlich um die "an erster Stelle auf der Liste Gefertigte - und somit eine allen sonst Unterschreibenden zumindest potentiell bekannte und ebenfalls von deren fingiertem rechtsgeschäftlichen Vertretungswillen erfasste Person -" (VfGH 2.3.2007, V66/06) handelt. Im Fall der TNST gilt Ähnliches, da hier zumindest auf einem der weiteren Blätter die Eintragung und Fertigung an erster Stelle (in der ersten Zeile) durch eine andere Person einen Tag vor der Eintragung und Fertigung der auf dem im Akt zu oberst erliegenden Blatt des Konvoluts als erstes genannten Person erfolgt ist].

8. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

Straßenverwaltung, Straßenverlaufsfestlegung, Umweltschutz,Umweltverträglichkeitsprüfung, Parteistellung, VfGH / Legitimation,Trassierungsverordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:V14.2007

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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