TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/19 L523 2160923-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.2018
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Entscheidungsdatum

19.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs11
AsylG 2005 §58 Abs7
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L523 2160925-1/13E

L523 2160928-1/13E

L523 2160923-1/7E

L523 2160930-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Tanja Danninger-Simader als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX1977 (BF1), XXXX, geb. XXXX1979 (BF2), XXXX, geb. XXXX2002 (BF3) und XXXX, geb. XXXX2006 (BF4), StA. Armenien, BF3-4 gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX (BF2), alle vertreten durch RA Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 09.05.2017, Zlen. XXXX, XXXX, XXXX, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.04.2018, zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. und IV. der angefochtenen Bescheide stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX, XXXX, XXXX und XXXX eine "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer 1 (BF1), armenischer Staatsbürger, stellte am 23.02.2004 unter dem Namen XXXX einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BAA) vom 03.06.2004, Zl. XXXX, abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF1 nach Armenien zulässig sei und der BF1 wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin 2 (BF2), armenische Staatsbürgerin, stellte am 18.02.2005 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BAA vom 02.05.2005, Zl. XXXX, abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF2 nach Armenien zulässig sei und die BF2 wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

Zum Fluchtgrund befragt gaben BF1 und BF2 an, dass der BF1 infolge einer Auseinandersetzung mit Todesfolgen von Privatpersonen mit großem politischem Einfluss bedroht und verfolgt worden sei.

2. Die gegen diese Bescheide eingebrachten Berufungen des BF1 und der BF2 wurden mit Bescheiden des Unabhängigen Bundesasylsenates (UBAS) vom 07.03.2007, Zl. XXXX, abgewiesen und BF1-BF2 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen. Diese Entscheidungen erwuchsen mit 08.03.2007 (BF1) bzw. 12.03.2007 (BF2) in Rechtskraft.

3. Der Antrag des BF1 auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des UBAS vom 07.03.2007 rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 20.04.2011 als verspätet zurückgewiesen.

4. Dem Antrag der BF2 auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 10.09.2007, Zl. XXXX, mit der Wirkung stattgegeben, dass die BF2 wieder die Rechtsstellung als Asylwerberin zukomme und eine Zurück- oder Abschiebung für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unzulässig sei.

Mit Beschluss des VwGH vom 20.02.2009, Zl. XXXX, wurde die Behandlung der Beschwerde der BF2 abgelehnt.

5. Über den BF1 wurde mit Bescheid vom 15.01.2010 zu Zl. XXXX wegen strafrechtlicher Verurteilungen ein unbefristetes Aufenthaltsverbot, rechtskräftig seit 03.02.2010, erlassen, welches infolge zwischenzeitlicher Änderung der Rechtslage als Rückkehrentscheidung iVm einem auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Einreiseverbot (bis 18.01.2020) zu werten ist.

6. Der BF1 reiste am 13.10.2011 und die BF2 am 28.10.2010 unter Gewährung von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet aus.

7. Die BF1-BF2 stellten am 01.08.2012 - nunmehr für BF1 unter dem Namen XXXX - die (zweiten) Anträge auf internationalen Schutz für sich und für ihre minderjährigen Kinder (BF3, geb. XXXX2002 und BF4, geb. XXXX2006), wobei für BF3 und BF4 keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht wurden.

Zum Fluchtgrund befragt beriefen sich die BF1 und BF2 auf ihre bisherigen Fluchtgründe und gaben zusätzlich an, dass der BF1 am 29.04.2012 von seinen Feinden angeschossen worden sei und ein Auge verloren habe.

Die Anträge der BF1-BF4 wurden mit Bescheiden des BAA vom 12.11.2012, Zl: XXXX und XXXX, EAST-West, wegen Zuständigkeit der Slowakei als unzulässig zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Ausweisung der BF1-BF4 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Slowakei zulässig sei.

8. Die gegen diese Bescheide eingebrachten Beschwerden wurde - nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 19.11.2012 - mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes (AsylGH) vom 17.12.2012, Zl. XXXX, XXXX, XXXX und XXXX, als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs mit 20.12.2012 in Rechtskraft.

9. Die für 10.01.2013 geplante Überstellung der BF1-BF4 in die Slowakei wurde aufgrund der Erkrankung eines Kindes storniert (AS 569 zum zweiten Asylantrag [AA]des BF1).

10. Die BF1-BF2 stellten am 04.02.2013 für sich und ihre beiden minderjährigen Kinder den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Hiezu wurden die volljährigen BF1-BF2 am gleichen Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Zum Fluchtgrund befragt beriefen sich die BF1-BF2 auf ihre bisherigen Fluchtgründe und gaben ergänzend an, dass der BF1 wegen seiner medizinisch notwendigen Versorgung in Österreich bleiben wolle und diese Behandlung in der Slowakei nicht bekommen könne.

Am 10.04.2014 wurden die BF1-BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Die BF1-BF2 brachten dabei zusammengefasst vor, dass sie nie in der Slowakei gewesen seien, sondern Österreich seit 01.08.2012 nicht mehr verlassen hätten. BF1 habe beim ersten Asylantrag aus Angst vor seinen Verfolgern einen falschen Namen angegeben. Nach der Rückkehr in sein Heimatland sei der BF1 am 29.04.2012 von seinen Verfolgern im Auto angeschossen worden. Grund dafür sei gewesen, dass der BF1 Zeuge bei der Ermordung eines Freundes gewesen sei und den Mörder kenne. Es sei aber jemand anders deswegen verhaftet worden.

Die BF2 sei selbst nicht bedroht oder geschlagen worden, sie sei aber einmal mit einem Auto verfolgt worden.

BF1 sei in Österreich drogenabhängig und deshalb mehrfach straffällig geworden. Er sei aber nunmehr clean, die letzte Verurteilung sei 2009 gewesen.

Im Zuge einer nochmaligen niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 11.01.2017 brachten die BF1-BF2 zu ihren bisherigen Fluchtgründen ergänzend vor, dass der BF1 nach dem Schussattentat von der Polizei mehrmals im Krankenhaus aufgesucht und bedroht worden sei, um ihn zu einer Falschaussage hinsichtlich des Täters zu bewegen. Er sei dann vorzeitig aus dem Krankenhaus geflüchtet.

Zum Aufenthalt in Österreich gaben die BF1-BF2 an, sie seien seit der letzten Asylantragsstellung durchgehend in Österreich aufhältig. BF1 benötigte für die Einvernahme einen Dolmetscher, wohingegen die Einvernahme der BF2, die Deutschprüfungen auf dem Niveau A2 und B1 abgelegt hat, auf Deutsch durchgeführt werden konnte. BF2 sei ehrenamtlich als Dolmetscherin tätig und verfüge über einen Arbeitsvorvertrag. BF3 sei in einem Chor und BF4 in einem Fußballverein.

11. Die Anträge auf internationalen Schutz der BF1-BF4 wurden mit Bescheiden des BFA vom 09.05.2017, Zlen. XXXX, XXXX, XXXX, XXXX, gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien abgewiesen. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurden nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die BF1-BF4 Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das BFA begründete seine abweisenden Entscheidungen im Wesentlichen damit, dass das Vorbringen der BF1-BF2, sie hätten ihr Land wegen eines mittlerweile mehr als 10 Jahre zurückliegenden Vorfalls, den der BF1 beobachtet habe und deshalb am 29.04.2012 Opfer eines Schusswechsels geworden sei, mangels zeitlichem Konnex und aufgrund von Widersprüchlichkeiten nicht glaubhaft sei. Auch könne ein Zusammenhang zwischen der Verletzung des Auges und dem Vorfall im Jahr 2003 nicht nachgewiesen werden. Zum Gesundheitszustand des BF1 wurde festgestellt, dass dessen ärztliche Behandlung sich auf die Medikation von Schmerzmittel beschränke, welche in weiterer Folge reduziert werden sollten.

Zudem wurde festgestellt, dass den BF1-4 auch keine Gefahr drohe, die eine Gewährung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Des Weiteren traf das BFA umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Armenien. Die Rückkehrentscheidung verletze nicht das Recht auf ein Privat- und Familienleben im Bundesgebiet und es würden auch die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 nicht vorliegen.

12. Mit Verfahrensanordnungen des BFA vom 10.05.2017 wurde gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG den BF1-4 amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt und gemäß § 52a Abs 2 BFA-VG die Verpflichtung mitgeteilt, bis zum 24.05.2017 ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

13. Die Bescheide wurden den BF1-4 am 12.05.2017 ordnungsgemäß zugestellt, wogegen am 24.05.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben wurde.

Nach Darlegung des Sachverhalts wurde dargelegt, dass die BF1-BF2 ihr Vorbringen glaubwürdig dargelegt hätten, die Ausführungen des BFA nicht nachvollziehbar seien und allfällige Widersprüchlichkeiten der BF der Bescheidbegründung nicht zu entnehmen seien. Zudem sei der armenische Staat weder schutzfähig noch schutzwillig. Auch sei das Ermittlungsverfahren schon deshalb mangelhaft gewesen, da zum Beweis dafür, dass es sich bei der Augenverletzung des BF1 um eine Schussverletzung handle, ein medizinisches Sachverständigen-Gutachten einzuholen gewesen wäre. Die BF seien zudem seit 2012 durchgehend in Österreich aufhältig und sozial integriert, der BF1 sei in medizinischer Betreuung und BF1-BF2 würden über Arbeitsvorverträge verfügen; eine Interessensabwägung des BFA sei jedoch nicht erkennbar.

14. Am 30.11.2017 stellte der BF1 einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthalts- bzw. Einreiseverbotes, welcher mit Bescheid des BFA vom 04.12.2017, Zl: XXXX, gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das anhängige Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ausgesetzt wurde.

15. Am 18.04.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache der BF1-BF4 eine öffentlich mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde den BF1-BF2 die Gelegenheit gegeben, neuerlich ihre Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie auch ihre Lebensumstände in Österreich genau zu erläutern. Ihnen wurde auch die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu den mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelten aktuellen Länderfeststellungen zu Armenien eingeräumt.

16. Mit Schriftsatz vom 26.04.2018 übermittelten die BF1-BF4 eine Stellungnahme, worin auf die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens, die Integration der Familie, die ärztliche Behandlung des BF1, die günstige Zukunftsprognose in Zusammenhang mit der strafrechtlichen Verurteilung des BF1 und die Arbeitsvorverträge für die BF1-BF2 verwiesen wurde. Der Stellungnahme waren Befunde, Meldebestätigungen und Bestätigungen der Caritas angeschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

1.1. Feststellungen zu den Personen

Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige von Armenien und Angehörige der armenisch apostolischen Glaubensgemeinschaft. BF1 ist mit BF2 verheiratet und dieser Verbindung entstammen die beiden minderjährigen Söhne BF3, geb. XXXX2002 und BF4, geb. XXXX2006. BF1-BF4 sind gemeinsam nach Österreich eingereist und sind seit ihrer Antragstellung im August 2012 durchgehend in Österreich aufhältig.

Zu den BF1-2:

Die BF1-BF2 sind in Erewan geboren und aufgewachsen. Der BF1 war als Schuhmacher im väterlichen Betrieb tätig, nach Schließung des Geschäfts war er bis zu seiner Ausreise nach Österreich arbeitslos. Die BF2 hat eine Ausbildung zur Lehrerin für Englisch und Politikwissenschaft absolviert (AS 141 zum 2. AA) und in ihrem Heimatland zunächst als Privatlehrerin und nach ihrer Rückkehr als Chefsekretärin einer Partei gearbeitet.

Die Asylanträge aus den Jahren 2004 (BF1) bzw. 2005 (BF2) wurden rechtskräftig abgewiesen; die BF2 kehrte mit ihren Kindern im Oktober 2010 freiwillig nach Armenien zurück, der BF1 im Oktober 2011.

Die Asylanträge vom 01.08.2012 wurde gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 wegen Zuständigkeit der Slowakei mit Rechtskraft 20.12.2012 zurückgewiesen. Die BF1-BF2 und ihre Kinder haben das österreichische Bundesgebiet seit ihrer Antragstellung am 01.08.2012 nicht verlassen.

In Armenien leben nach wie vor die Mutter und Geschwister des BF1.

BF1 wurde infolge einer Schussverletzung das linke Auge entfernt. Zusätzlich wurde beim BF1 eine Opiatabhängigkeit (derzeit substituiert), eine XXXX diagnostiziert. Seine XXXX wird medikamentös behandelt. Die BF2 ist gesund. Die BF1 und BF2 leiden an keinen lebensbedrohenden Erkrankungen und sind arbeitsfähig. Sie leben in Österreich von Leistungen der Grundversorgung für Asylwerber.

Die BF1-BF4 haben einen gemeinsamen Wohnsitz in Österreich und verfügen in Österreich über soziale und freundschaftliche Kontakte auch zu Österreichern. Die BF1-BF4 sprechen in unterschiedlich gutem Ausmaß Deutsch. Mit der BF2 konnte die mündliche Verhandlung weitgehend auf Deutsch geführt werden. BF1-BF2 verfügen über Arbeitsvorverträge, die BF2 über Bestätigungen hinsichtlich ihrer gemeinnützigen Tätigkeit sowie Unterstützungsschreiben. Die Familie lebt von der staatlichen Grundversorgung.

Gegen den BF1 wurde mit Urteil des BG für Strafsachen Graz vom 24.06.2002, RK 28.06.2002, wegen XXXX eine Geldstrafe von 70 Tagsätzen, mit Urteil des BG Graz vom 30.06.2005, RK 05.07.2005, eine Geldstrafe von 80 Tagsätzen und mit Urteil des BG Graz vom 19.04.2006, RK 25.04.2006, eine Geldstrafe von 70 Tagsätzen verhängt. Mit Urteil des LG für Strafsachen Graz vom 21.06.2006, RK 27.06.2006, wurde gegen den BF1 wegen XXXX eine Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 7 Monate bedingt, verhängt, wobei der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe am 27.06.2006 widerrufen wurde. Mit Urteil des LG für Strafsachen Graz vom 08.03.2007, RK 13.03.2007, wurde über den BF1 wegen XXXX eine Freiheitsstrafe von 7 Monaten verhängt. Am 11.11.2007 wurde der BF1 aus der Freiheitsstrafe bedingt entlassen, wobei diese bedingte Entlassung am 19.08.2009 widerrufen wurde. Mit Urteil des LG für Strafsachen Graz vom 19.08.2009, RK 24.08.2009, wurde der BF1 wegen XXXX zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

Die BF2 ist strafrechtlich unbescholten.

Zu den BF3-BF4:

Für den am XXXX2002 in Armenien geborenen BF3 wurde durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin in Österreich unter der Zahl XXXX erstmalig ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, wobei für ihn keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht wurden. Dieser Antrag wurde mit Rechtskraft 12.03.2007 abgewiesen (AS 53 zum 1. AA). Der von seiner gesetzlichen Vertretung am 01.08.2012 gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Rechtskraft 20.12.2012 wegen Zuständigkeit der Slowakei als unzulässig zurückgewiesen.

Der BF3 hielt sich von XXXX2002 bis zu seiner ersten Ausreise im Februar 2005 und ab seiner Rückkehr nach Armenien im Oktober 2010 bis zur abermaligen Ausreise im Juni 2012, somit etwa vier Jahre in seinem Heimatland Armenien auf, ansonsten lebt(e) der nunmehr sechzehnjährige BF3 etwa zwölf Jahre in Österreich. Der BF3 steht in einem Lehrverhältnis als XXXX und ist Mitglied in einem Fußballverein. Er ist strafrechtlich unbescholten und gesund.

Für den am XXXX2006 in Österreich geborenen BF4 wurde durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin in Österreich unter der Zahl XXXX erstmalig ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, wobei für ihn keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht wurden. Dieser Antrag wurde mit Rechtskraft 12.03.2007 abgewiesen (AS 53 zu 1. AA). Der von seiner gesetzlichen Vertretung am 01.08.2012 gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Rechtskraft 20.12.2012 wegen Zuständigkeit der Slowakei als unzulässig zurückgewiesen.

Der nunmehr zwölfjährige BF4 hielt/hält sich mit Ausnahme des etwa eineinhalbjährigen Zeitraums ab der Rückkehr seiner Familie nach Armenien im Oktober 2010 bis zur Einreise der Familie im Juni 2012 durchgehend in Österreich auf. Der BF4 besucht die Neue Mittelschule in XXXX und ist in einem Chor. Der BF4 ist gesund.

1.2. Länderfeststellungen

Hinsichtlich der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien, legt das erkennende Gericht seiner Entscheidung die aktuelle Version der Länderfeststellungen der Staatendokumentation zu Armenien - datiert mit 05.05.2017, zuletzt aktualisiert im Dezember 2017 - zu Grunde. Jene Länderfeststellungen wurden auch in Wahrung des Parteiengehörs den BF1-2 gemeinsame mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt und ihnen in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Von dieser Möglichkeit machten die BF1-BF2 keinen Gebrauch.

Auszugsweise werden aus den herangezogenen Länderfeststellungen insbesondere folgende Feststellungen explizit angeführt:

"Sicherheitslage

Kernproblem für die armenische Außenpolitik bleibt der Konflikt um Nagorny Karabach sowie die in diesem Zusammenhang geschlossenen Grenzen zu Aserbaidschan und zur Türkei. Seit dem Krieg (1992-94) um das überwiegend von Armeniern bewohnte Gebiet Bergkarabach, halten armenische Verbände etwa 17% des aserbaidschanischen Staatsgebiets (Bergkarabach und sieben umliegende Provinzen) besetzt. Im Zuge der bewaffneten Auseinandersetzungen mussten ca. eine Million Menschen ihre angestammte Heimat verlassen, überwiegend Aserbaidschaner, aber auch bis zu 200.000 Armenier. An der Waffenstillstandslinie kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Trotz der seit 1994 laufenden Vermittlungsbemühungen der Ko-Vorsitzstaaten (USA, Russland, Frankreich) der sogenannten Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und regelmäßiger Treffen der Außenminister Armeniens und Aserbaidschans bzw. der beiden Staatspräsidenten ist eine Lösung des Konflikts um Nagorny Karabach weiterhin nicht in Sicht (AA 3.2017a).

Bei heftigen Gefechten vom 2.4 bis 5.4.2016, den schwersten seit 22 Jahren zwischen den Nachbarländern Armenien und Aserbaidschan an der Frontlinie zu Nagorny Karabach, kam es zu Opfern unter den militärischen Einheiten. Laut aserbaidschanischen Angaben starben auch Zivilisten (Standard 3.4.2016, RFL/RL 4.4.2016). Das Verteidigungsministerium der de facto Republik Nagorny Karabach berichtete ebenfalls von zivilen Opfern (CN 2.4.2016). Am 5.4.2016 vereinbarten Aserbaidschan und Nagorny Karabach einen Waffenstillstand. Im Zuge der viertägigen Kampfhandlungen starben mehr als 64 Menschen (Standard 5.4.2016).

Am 25.2.2017 kam es erneut zu Zusammenstößen zwischen armenischen und Truppen von Nagorny Karabach einerseits und der aserbaidschanischen Armee andererseits, bei denen mindestens fünf aserbaidschanische Armeeangehörige den Tod fanden. Am 1.3.2017 wurde bei einem aserbaidschanischen Artillerieangriff u.a. eine armenische Kaserne zerstört und tagsdrauf griff Armenien aserbaidschanische Stellungen an (EurasiaNet 10.3.2017).

Mitglieder der außerparlamentarischen Oppositionsgruppe "Gründungsparlament" besetzten am 17.7.2016 in Jerewan eine Polizeistation und nahmen zeitweise mehrere Geiseln. Ein Polizist starb dabei (RFE/RL 17.7.2016). Die Geiselnehmer forderten die Freilassung von Schirajr Sefiljan, eines inhaftierten Oppositionsführers, und den Rücktritt des Staatspräsidenten. Kriegsveteran Sefiljan kritisierte vor allem das Verhalten der Regierung im Konflikt um die Region Nagorny Karabach (DW 17.7.2016). In der darauf folgenden Woche kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Demonstranten verlangten eine Versorgung der Geiselnehmer mit Lebensmitteln, was die Polizei jedoch ablehnte. Nach offiziellen Angaben wurden 51 Personen verletzt und 136 verhaftet (NZZ 21.7.2016). Bei erneuten Zusammenstößen am 29.7.2016 zwischen Sympathisanten der Besetzer der Polizeistation und Sicherheitskräften wurden 75 Personen verletzt und 20 verhaftet (RFE/RL 30.7.2016). Nach zwei Wochen endete der Konflikt um die besetzte Polizeistation mit der Kapitulation der bewaffneten Gruppe (RFE/RL 1.8.2016, vgl. Spiegel online 31.7.2016).

[...]

Rechtsschutz / Justizwesen

Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte: die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wird weiterhin durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert, auch wenn durch Gesetzesänderungen im Rahmen der "Judicial Reforms Strategy 2012-2016" gewisse Fortschritte, insbesondere bei der richterlichen Unabhängigkeit, zu verzeichnen sind. Die neue Verfassung hat die bisher weitreichenden Kompetenzen des Staatspräsidenten bei der Ernennung von Richtern reduziert. Es ist bekannt, dass einige Beamte in leitenden Funktionen der Justiz keine juristische Ausbildung haben. Verfahrensgrundrechte wie rechtliches Gehör, faires Gerichtsverfahren und Rechtshilfe werden laut Verfassung gewährt. Das Prinzip der "Telefonjustiz" - Machthaber nehmen Einfluss auf laufende Verfahren - soll in politisch heiklen Fällen nach wie vor verbreitet sein. In Bezug auf den Zugang zur Justiz gab es hingegen insoweit Fortschritte, als die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 22.3.2016).Die Gerichte hören weiterhin zu den Institutionen, denen seitens der Bevölkerung ein geringes Vertrauen entgegengebracht wird. Die Verfassungsreform sieht die Schaffung des Obersten Justizrates vor, um die Unabhängigkeit der Gerichte und Richter zu gewährleisten. 2016 gab es jedoch keine Entwürfe oder Konzepte im Justizbereich, die mit der Öffentlichkeit geteilt oder diskutiert wurden. Positiv war 2016 die Reform des Bewährungssystems, das einen alternativen Strafvollzug vorsah, was angesichts der oft inadäquaten Verhältnisse in den Haftanstalten wichtig ist (FH 29.3.2017).

Die Gerichtsbarkeit zeigt keine umfassende Unabhängigkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Berichten zufolge nimmt das Kassationsgericht eine dominante Stellung ein. Es diktiert den Ausgang aller wichtigen Fälle der niederen Gerichtsbarkeit. Diese Kontrolle seitens des Kassationsgerichts bleibt das dominante Problem, das die Unabhängigkeit der Justiz beeinflusst. Selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellt in einem Urteil vom 27.10.2016 fest, dass es dem Vorsitzenden des Kassationsgerichts an der notwendigen Distanz gemäß des richterlichen Neutralitätsgebotes mangelte (USDOS 3.3.2017).Richter unterliegen weiterhin des politischen Drucks von allen Ebenen der Exekutive, speziell seitens der Rechtsvollzugsorgane sowie der Hierarchie innerhalb der Justiz. Richter haben keine lebenslange Amtszeit, wodurch sie der Kündigung ausgesetzt sind und keine wirksamen Rechtsmittel besitzen, falls die Exekutive, die Legislative oder hochrangige Vertreter der Gerichtsbarkeit entscheiden, sie zu bestrafen. Vormalige Entlassungen von Richtern wegen ihrer unabhängigen Entscheidungen haben immer noch eine einschüchternde Wirkung auf die Justiz als Ganzes (USDOS 3.3.2017).

[...]

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist, ebenso wie der Nationale Sicherheitsdienst (NSD), direkt der Regierung unterstellt. Allein der Präsident hat die Befugnis, die Leiter beider Behörden zu ernennen. Die Aufgaben beider Organe sind voneinander abgegrenzt. Für die Wahrung der nationalen Sicherheit sowie für Nachrichtendienst und Grenzschutz ist der Nationale Sicherheitsdienst zuständig, dessen Beamte auch

Verhaftungen durchführen dürfen. . Der Polizeichef füllt in

Personalunion die Funktion des Innenministers aus. Ein Innenministerium gibt es nicht mehr. Das Fehlen der politischen Instanz wird damit begründet, dass damit eine "Politisierung" der Sicherheitsorgane verhindert werden soll (AA 22.3.2016).

Straffreiheit ist ein Problem und es gibt keine unabhängige Institution, die ausschließlich Polizeiübergriffe untersucht. Laut NGOs sehen sich die Gesetzesvollzugsorgane eher als Verteidiger der Autorität denn als Diener des Gesetzes und der Öffentlichkeit. Der Verteidigungsminister bemüht sich, die Disziplin auch durch den Einsatz von Lehroffizieren für Menschenrechte zu verbessern, wozu auch die Bereitstellung sozialer, psychologischer und Rechtskurse im Rahmen des Wehrdienstes dienen sollen. Im November 2015 wurde seitens des Verteidigungsministeriums das Zentrum für Menschenrechte und Integritätsbildung errichtet, mit dem Mandat, u.a. die Menschenrechte zu schützen, Ethik zu fördern und eine Anti-Korruptions-Politik einzuführen (USDOS 3.3.2017).Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 muss die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen (USDOS 3.3.2017).Am 17.7.2016 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der bewaffneten Gruppe "Sasna Tsrer", die eine Polizeistation besetzte, und Sicherheitsorganen. In jenen Tagen kam es zu Versammlungen von Demonstranten am Freiheitsplatz in Jerewan, welche laut der "Foundation Against the Violation of Law" (FAVL) unrechtmäßig verhaftet wurden. Zahlreiche Berichte zeigten, dass die Protestierenden Schlägen, Erniedrigungen und grausamen Behandlungen in Gewahrsam der Polizei ausgesetzt waren. Den Rechtsanwälten wurde der Zugang zu den verhafteten Demonstranten für mehrere Stunden verwehrt. Demonstranten wurden bis zu 32 Stunden statt der vorgesehenen maximal drei Stunden festgehalten und zwar ohne Wasser und Nahrung (FAVL 7.2016).

[...]

Korruption

Zu den gravierenden Demokratiedefiziten kommt die grassierende Korruption, vor allem im staatlichen Gesundheitswesen, der öffentlichen Verwaltung und der Gerichtsbarkeit. Die Korruption wird, neben dem Oligarchentum, als größtes Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung und den Aufbau einer Zivilgesellschaft Armeniens gesehen. Armenien hat trotz von Regierungsseite seit Jahren angekündigten Verbesserungen und verabschiedeten Antikorruptionsstrategien in den letzten Jahren nur geringe Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung gemacht (AA 22.3.2016).

Der Kampf gegen Korruption ist seit Jahren an der Spitze der politischen Agenda in Armenien, evident durch mehrere Rechtsreformen in Bezug auf Korruption, Integrität und Stärkung der Justiz. Nichtsdestotrotz sind sich Beobachter weitgehend einig, dass Korruption weiterhin ein wichtiges Problem für die armenische Gesellschaft darstellt. Die Justiz wird als besonders der Korruption zugeneigt angesehen (CoE-GRECO 25.6.2016).

Das Gesetz sieht zwar strafrechtliche Sanktionen für Korruptionsdelikte von Beamten vor, doch setzt die Regierung das Gesetz nicht effektiv um, sodass viele Beamte, die sich korrupter Praktiken bedienen, straffrei gehen. Es bestehen zahlreiche Anschuldigungen hinsichtlich Korruption in Regierungskreisen. Obwohl es die Verfassung verbietet, dass Geschäftsleute gleichzeitig öffentliche Positionen einnehmen, besetzen Oligarchen und Firmenleiter Sitze in der Nationalversammlung. Auch benützen zahlreiche Regierungsmitarbeiter ihre Ämter, um ihre privaten Geschäftsinteressen voranzutreiben. Oligarchen, die in Verbindung zur Regierung stehen oder selbst Regierungsposten einnehmen, monopolisieren die Wirtschaft. Überdies ignorieren die Behörden Medienberichte, aus denen hervorgeht, dass Regierungsvertreter in korrupte Machenschaften verstrickt sind (USDOS 3.3.2017).

[...]

Frauen

Verfassung und Gesetze schreiben die Gleichberechtigung von Männern und Frauen fest und verbieten die Diskriminierung auf der Basis des Geschlechts. Die Rolle der Frau in Armenien ist gleichwohl durch das in der Bevölkerung verankerte patriarchalische Rollenverständnis geprägt (AA 22.3.2016).

Trotz der belegten Gewalt gegen Frauen und des Drucks von Frauenrechtsgruppen und Aktivistinnen hat Armenien kein Gesetz, das die häusliche Gewalt kriminalisiert. Zudem hat Armenien die Konvention des Europarates über die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt nicht ratifiziert. Laut der der NGO "Coalition to Stop Violence Against Women" werden Fälle häuslicher Gewalt unterdurchschnittlich zur Anzeige gebracht und enden meist ungestraft. Jährlich langen bei der NGO 2.000 Anrufe über häusliche Gewalt ein (HRW 12.1.2017).

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Im World Gender Gap Index 2016 nahm Armenien Rang 102 von 144 Ländern ein. Insbesondere in den Subkategorien Gesundheit (Rang 143) und politische Teilhabe (Rang 125) schnitt das Land besonders schlecht ab (WEF 2016).

Kinder

Physische und psychische Gewalt gegen Kinder sowie entwürdigende Strafen sind in Schulen, Internaten sowie Kinderheimen und Waisenhäusern weiterhin weit verbreitet (AA 22.3.2016).

Personen unter 18 dürfen keine Überstunden, keine strapaziöse oder gefährliche Arbeit und keine Nacht- oder Feiertagsarbeit verrichten. Die Behörden wenden jedoch die entsprechenden Rechtsvorschriften nicht an. Die Strafen sind unzureichend, um die Einhaltung der Bestimmungen zu erwirken. Laut einer Studie des Nationalen Statistikamtes und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aus dem Jahre 2015 waren 11,6% der Kinder zwischen fünf und 17 beschäftigt. Die meisten der arbeitenden Kinder waren in der Land- und Forstwirtschaft und der Fischerei tätig. Von 39.300 betroffenen Minderjährigen hatten 31.200 mit einer gefährlichen Arbeit zu tun (USDOS 3.3.2016).

Am 8.3.2016 äußerte sich Maud De Boer-Buquicchio, Sonderberichterstatterin für Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie, vor dem UN-Menschenrechtsrat über Armenien. Sie lobte hierbei die Verfassungszusätze, die eine Stärkung des Kinderschutzes vorsehen, betonte jedoch gleichzeitig die Notwendigkeit, diese auch umzusetzen. Die Sonderberichterstatterin rief die armenischen Autoritäten auf, insbesondere das Gesetz gegen häuslicher Gewalt zu verabschieden sowie gleichermaßen Zusätze im Familienrecht, dem Strafrecht und dem Strafverfahrensrecht, die in der Ausweitung des Kinderschutzes münden sollten. Infolge eines mangelhaften Berichtswesens und eines unzulänglichen öffentlichen Bewusstseins besteht das Risiko, dass Fälle von Missbrauch, Gewalt und Ausbeutung von Kindern unentdeckt bleiben und kaum berichtet werden. Dies hat wiederum Auswirkungen auf den Zugang zu Betreuung und Genesung des Kindes, respektive resultiert in der Straflosigkeit der Täter, so die Sonderberichterstatterin (OHCHR 8.3.2016).

Grundversorgung

Die Wirtschaft hat sich immer noch nicht zur Gänze von der tiefen Rezession, die durch die globale Wirtschaftskrise 2008 ausgelöst wurde, erholt. Damals fiel das Bruttonationalprodukt um 14,1%. Armenien hat zu wenig für die Bekämpfung der Armut und gegen die sich ausweitenden Wohlstands- und Einkommensgefälle unternommen. Rund 1,2 Millionen Armenier leben von circa 3 Euro pro Tag. Die sozioökonomische Kluft hat zudem einen regionalen Aspekt. Durch die überproportionale Wirtschaftsaktivität in den urbanen Zentren hat sich die Einkommensschere zwischen Stadt und Land verstärkt. Der Zugang etwa zum Gesundheitswesen und zur Bildung sowie deren Qualität divergiert stark zwischen urbanen und ländlichen Regionen. Zu den strukturellen Defiziten gehört nebst den abnehmenden Investitionen auch eine übermäßige Abhängigkeit von Überweisungen aus dem Ausland (BS 2016).

Rücküberweisungen, Direktinvestitionen und private Kapitalzuflüsse sind ein bedeutender Faktor für die Wirtschaft: Die armenische Diaspora in Russland umfasst etwa 2 Millionen Menschen, darunter viele Arbeitsmigranten, die Geld an ihre Familien in Armenien überweisen. Nach Angaben der Zentralbank gingen die Geldtransfers der armenischen Diaspora im Jahr 2016 weiter auf 1,5 Mrd. USD zurück (2015: ca. 1,6 Mrd. USD). Die Arbeitslosenquote lag im Jahr 2015 offiziell bei 18,5%. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit ist jedoch erheblich höher. Sehr viele Menschen sind im informellen Sektor tätig. Einkommen werden oft nicht versteuert (AA 3.2017c).

Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Angaben des nationalen Statistikamtes für das Jahr 2014 zufolge leben 32,3 % der Armenier unterhalb der Armutsgrenze (2008: 29,2 %). Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt: 2015 wurde laut armenischer Zentralbank ein Betrag von etwa 1,209 Mrd. USD nach Armenien überwiesen, ein Rückgang von 30,1 % zum Vorjahr und das zweite Jahr in Folge. Davon flossen etwa 76 % aus der Russischen Föderation nach Armenien. Der starke Rückgang ist der wirtschaftlichen Lage, insbesondere der starken Abwertung des russischen Rubels geschuldet. Das die Armutsgrenze bestimmende Existenzminimum beträgt in Armenien ca. 60.000 armenische Dram (derzeit ca. 116 Euro) im Monat, der offizielle Mindestlohn 55.000 AMD (ca. 105 Euro). Das durchschnittliche Familieneinkommen ist dagegen mangels zuverlässiger Daten nur schwer einzuschätzen. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten und darüber hinaus privaten Geschäften und Gelegenheitstätigkeiten nach. Die wirtschaftliche Lage führt nach wie vor dazu, dass der Migrationsdruck anhält. In den ersten drei Quartalen 2014 haben, wie sich aus den Zu- und Ausreisestatistiken ergibt, 105.000 Menschen Armenien dauerhaft verlassen. Die wenigsten davon dürften nicht-armenische Ausländer sein. Unter den Auswanderern sind auch viele Hochqualifizierte, wie etwa Ärzte oder IT-Spezialisten (AA 22.3.2016).

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Sozialbeihilfen

Das Sozialsystem in Armenien umfasst derzeit: das staatliche Sozialhilfe-Programm, wie Unterstützung von Familien, einmaliger Geburtenzuschuss und Kindergeld bis zum Alter von zwei Jahren; das Sozialhilfeprogramme für Personen mit Handicap, Veteranen, Kinder, insbesondere medizinische und soziale Rehabilitationshilfe, Altersheime, Waisenhäuser, Internate sowie das staatliches Sozialversicherungsprogramm, bestehend aus Alters- und Behindertenrente, sowie Zuschüssen bei vorübergehender Behinderung und Schwangerschaft (IOM 8.2015).

Familienbeihilfen

Die monatliche Familienbeihilfe beträgt 17.000 Dram (Basiswert) plus

5.500 Dram bis 8.000 Dram monatlich für jedes Kind unter 18, abhängig von der Familiensituation, dem Familieneinkommen sowie der örtlichen Lage. Am ersten Schultag gibt es eine Einmalzahlung von 25.000 Dram (SSA 2016).

Einmalige Beihilfen

Diese können Familien gewährt werden, deren Bedürftigkeitspunktzahl unter dem Mindestschwellenwert von 34,00 (jedoch über 0) liegt. Die Entscheidung über die Bedürftigkeit einer Familie obliegt dem Sozialrat. Des Weiteren wird Familien verstorbener Soldaten eine Beihilfe in Höhe der Familiensozialhilfe gewährt. Die Anerkennung des Anspruchs der einmaligen Beihilfe wird alle drei Monate geprüft (IOM 8.2014).

Mutterschaftsgeld

Derzeit bestehen in Armenien drei Arten von Beihilfen in Verbindung mit Kindesgeburten. Einerseits die einmalige Mutterschaftsbeihilfe von 50.000 Dram. Darüber hinaus gibt es eine monatliche Zahlung von ca. 18.000 Dram im Monat an alle erwerbstätigen Elternteile, die ein Kind (bis zum 2. Lebensjahr) versorgen und sich in einem teilweise bezahlten Mutterschaftsurlaub befinden. Für das dritte und vierte Kind stehen je 1 Million Dram zu und zusätzlich 500.000 Dram auf ein Spezialkonto für das Kind, von dem vor dem 18. Lebensjahr nur für bestimmte Zwecke wie etwa für Schulgebühren Geld abgehoben werden darf. Ab dem fünften Kind wird der einmalige Geldbetrag bis auf 1,5 Millionen Dram erhöht plus einer halben Million auf das Spezialkonto. Außerdem haben Mütter das Recht auf einen Mutterschutzurlaub von 70 Tagen vor und 70 Tagen nach der Geburt. Dieser Zeitraum wird bei schwierigen auf 155 oder Mehrlingsgeburten auf 180 Tage erhöht. In diesem Zeitraum wird das Gehalt zu 100% weiter bezahlt. Es können bis zu drei Jahre unbezahlte Karenz in Anspruch genommen werden, ohne das es zum Verlust des Arbeitsplatzes kommt (Repat Armenia 2016).

Ab dem 1.1.2016 erhalten auch Frauen, die in keinem Arbeitsverhältnis stehen, die Geburtenbeihilfe in der Höhe von 50.000 Dram für das erste und zweite, bzw. eine Million für das dritte und vierte und 1,5 Millionen ab dem fünften Kind. Die monatliche Beihilfe von 18.000 Dram bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes sollte jedoch nach Aussagen des Arbeits- und Sozialministers weiterhin nur Frauen zukommen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen (ARKA 11.11.2015).

Senioren und Behinderte

Die sozialen Unterstützungsprogramme für Senioren und Behinderte basieren auf den Anforderungen des Gesetzes über die soziale Absicherung behinderter Personen in Armenien. Hierzu zählen die Vorbeugung von Behinderungen, die medizinische und soziale Rehabilitation und Prothesen sowie insbesondere prothetische und orthopädische Unterstützung behinderter Personen, die Bereitstellung von Rehabilitationsmitteln und soziale Dienste für Senioren und Behinderte. Bereits personalisierte Pensionisten können einen Preisnachlass von den öffentlichen Versorgungseinrichtungen (einschließlich Preisnachlässe für Gas und Strom) fordern. Alleinstehende Pensionisten über 70 Jahre und alleinstehende behinderte Erwachsene können Pflegeleistungen beim "In-house Social Service Center for lonely old and disabled persons" beantragen (IOM 8.2014).

Pensionen

Der Pensionsanspruch gilt ab einem Alter von 63 mit mindestens 25 Jahren abgeschlossener Beschäftigung; ab einem Alter von 59 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, wobei mindestens 20 Jahre erschwerte oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 oder mindestens 10 Jahre derartiger Arbeit nach dem 1. Januar 2014 verrichtet wurde; oder ab einem Alter von 55 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, einschließlich mindestens 15 Jahre in Schwerst- oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 bzw. mindestens 7,5 Jahre in einer solchen nach dem 1. Januar 2014. Eine verringerte Pension steht nach mindestens zehnjähriger Anstellung, jedoch erst ab 65 zu. Bei Invalidität im Rahmen der Sozialversicherung sind zwischen zwei und zehn Jahre Anstellung Grundvoraussetzung, abhängig vom Alter des Versicherten beim Auftreten der Invalidität. Die Invaliditätspension hängt vom Grade der Invalidität ab. Unterhalb der erforderlichen Zeiten für eine Invaliditätspension besteht die Möglichkeit einer Sozialrente für Invalide in Form einer Sozialhilfe. Zur Pensionsberechnung werden die Studienjahre, die Wehrdienstzeit, die Zeit der Kinderbetreuung und die Arbeitslosenzeiten herangezogen. Die Alterspension im Rahmen der Sozialversicherung beträgt 100% der Basispension von 16.000 Dram monatlich zuzüglich eines variablen Bonus. Die Bonuspension macht 500 Dram monatlich für jedes Kalenderjahr ab dem elften Beschäftigungsjahr multipliziert mit einem personenspezifischen Koeffizienten, basierend auf der Länge der Dienstzeit (SSA 2016).

Arbeitslosenunterstützung

2015 wurde die Arbeitslosenunterstützung zugunsten einer Einstellungsförderung eingestellt. Zu dieser Förderung gehört auch die monetäre Unterstützung für Personen die am regulären Arbeitsmarkt nicht wettbewerbsfähig sind. Das Arbeitsgesetz von 2004 sieht ein Abfertigungssystem seitens der Arbeitgeber vor. Bei Betriebsauflösung oder Stellenabbau beträgt die Abfertigung ein durchschnittliches Monatssalär, bei anderen Gründen hängt die Entschädigung von der Dienstzeit ab, jedoch maximal 44 Tage im Falle von 15 Anstellungsjahren (SSA 2016).

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Medizinische Versorgung

Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet. Die Leistungen werden in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist. Die primäre medizinische Versorgung ist wie früher grundsätzlich kostenfrei. Allerdings gilt dies nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre medizinische Versorgung.

Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei weitem.

Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die überbordende Korruption auf allen Ebenen, ein weiteres Problem die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals. Dies führt dazu, dass die Qualität der medizinischen Leistungen des öffentlichen Gesundheitswesens in weiten Bereichen unzureichend ist. Denn hochqualifizierte und motivierte Mediziner wandern in den privatärztlichen Bereich ab, wo Arbeitsbedingungen und Gehälter deutlich besser sind. Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der staatlichen medizinischen Einrichtungen mit technischem Gerät ist dagegen teilweise mangelhaft. In einzelnen klinischen Einrichtungen - meist Privatkliniken - stehen hingegen moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie sowie Computer- und Kernspintomographie zur Verfügung. Insulinabgabe und Dialysebehandlung erfolgen grundsätzlich kostenlos: Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze ist zwar beschränkt, aber gegen Zahlung ist eine Behandlung jederzeit möglich. Die Dialysebehandlung kostet ca. 50 USD pro Sitzung. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Jerewan möglich, auch in den Städten Vanadzor und Gyumri sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet.

Die größeren Krankenhäuser sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos. Problematisch ist die Verfügbarkeit von Medikamenten: Nicht immer sind alle Präparate vorhanden, obwohl viele Medikamente in Armenien in guter Qualität hergestellt und zu einem Bruchteil der in Deutschland üblichen Preise verkauft werden. Importierte Medikamente sind dagegen überall erhältlich und ebenfalls billiger als in Deutschland. Für die Einfuhr ist eine Genehmigung durch das Gesundheitsministerium erforderlich (AA 22.3.2016).

Die öffentlichen Sozialpflegedienste in Armenien sind sehr begrenzt. Der private Sektor ist an der Erbringung dieser Leistungen nicht beteiligt. Es gibt nur ein einziges Krankenhaus für geistig und körperlich behinderte Menschen und keine Pflegeheime für Patienten, die eine dauerhafte, langfristige Betreuung benötigen. Es gibt keine Vorkehrungen für eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen und keine Tagespflegeeinrichtungen für Patientengruppen mit speziellen Bedürfnissen und ebenfalls kein Sozialarbeiternetzwerk. Es gibt sieben regionale psychiatrische Kliniken, die lediglich eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen bei nur geringer medizinischer Versorgung bieten (IOM 8.2014).

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Behandlungsmöglichkeiten von Hepatitis C

Laut Hasmik Ghazinyan, ?Leiter der Hepatologie am medizinischen Zentrum "Nork" schätzte, dass 3-4 % der armenischen Bevölkerung mit Hepatitis C sind (MC 29.7.2014). Laut Angaben von Betroffenen machten die Therapiekosten zwischen 5.000 und 20.000 US-Dollar (IWPR 20.2.2015). In einem Antwortschreiben des Armenischen Gesundheitsministeriums bestätigte dieses im Oktober 2016, dass es noch kein staatliches Programm zur Bekämpfung von Hepatitis C gäbe (MHRA 21.10.2016).

Rückkehr

Rückkehrer werden grundsätzlich nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Für rückkehrende Migranten wurde ein Beratungszentrum geschaffen; es handelt sich um ein Projekt der französischen Büros für Einwanderung und Migration. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt (AA 22.3.2016).

Das offizielle Internet-Informationsportal "Tundarc" bietet potentiellen armenischen Rückkehrern, auch Doppelstaatsbürgern, wichtigen Informationen zu den zu beachtenden Formalitäten bei einer Rückkehr sowie den wichtigsten Themenbereichen, wie Gesundheitsfürsorge, Pension, Bildung oder Militärdienst an. Überdies findet sich eine Orientierung zu bestehenden Hilfsprogrammen (Tundarc o.D.).

Die Europäische Union startete am 31.1.2017 ein neues Projekt zur Unterstützung der Reintegration von armenischen Rückkehrern. Im Rahmen des Projekts sollen auch die Kapazitäten der Regierung und der NGOs im Bereich der Wiedereingliederung gestärkt werden. Das Projekt mit einem Budget von 493.000 Euro wird vollständig aus der Europäischen Union im Mobilität Partnership Facility-Programm finanziert, das vom Internationale Center for Migration Policy Development (ICMPD) implementiert wird (AN 31.1.2017).

Die Armenische Caritas implementiert das Projekt: "Migration and Development III", das bis Ende Februar 2019 läuft. Eine der Zielgruppen sind RückkehrerInnen aus der EU, der Schweiz und Liechtenstein. Jährlich soll zwischen 70 und 80 RückkehrerInnen bei ihrer Reintegration durch die Bereitstellung von Unterkunft, Beratung und Bildungsmaßnahmen sowie durch die Schaffung eines Unterstützungssystems bei Gründung eines Betriebes geholfen werden (AC 2017).

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1.3. Feststellungen zum Vorbringen der BF1-BF4

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 in Armenien einer aktuellen sowie konkreten, individuell gegen ihn gerichteten Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen - er sei wegen eines mittlerweile mehr als zehn Jahre zurückliegenden Vorfalls Opfer eines Schusswechsels geworden - ausgesetzt war oder er bzw. seine Familie im Falle einer Rückkehr nach Armenien der Gefahr einer solchen ausgesetzt wäre.

Hinsichtlich der gesundheitlichen Beschwerden des BF1 ist festzustellen, dass für diese in Armenien eine adäquate medizinische Behandlungsmöglichkeit gegeben ist.

2. Beweiswürdigung

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, den Akt des BVwG, die amtswegige Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems sowie insbesondere auch durch die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Aufgrund der vorliegenden, unbedenklichen und von den Verfahrensparteien nicht beanstandeten Aktenlage ist das Bundesverwaltungsgericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

2.1. Zum Verfahrensgang

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.

2.2. Zur Person der BF1-4:

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit und Glaubenszugehörigkeit sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen der BF1-BF4 gründen sich auf die in diesen Punkten übereinstimmenden glaubwürdigen Angaben der BF1-BF2 im Asylverfahren. Die Geburt des BF4 in Österreich geht aus der vorgelegten Geburtsbestätigung vom 28.06.2006 hervor (AS 133 zum 2. AA der BF2).

Zur Identität des BF1 ist auszuführen, dass diese laut Bescheid des BFA vom 04.12.2017, Zl: XXXX (OZ 9) zwar erst durch die Zusammenarbeit des Bundeskriminalamtes mit Interpol Eriwan im Jänner 2011 geklärt werden konnte, demzufolge aber nunmehr feststeht. Dass die BF2 die Ehefrau des BF1 und diese beiden wiederum die Eltern des BF3-BF4 sind, wurde auch vom BFA bereits festgestellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, an diesen festgestellten Identitäten zu zweifeln.

Der Gesundheitszustand des BF1 ergibt sich aus den verfahrensgegenständlich vorgelegten medizinischen Unterlagen (AS 187-205, 235, 241-253,439-447 zum zweiten AA und AS 101-127, 165, 183-187, 253-261,321 zum dritten AA sowie OZ 9 im Akt des BF1), wonach dem BF1 ein Zustand nach Schussverletzung und Entfernung des linken Auges, eine Opiatabhängigkeit (derzeit substituiert), XXXX diagnostiziert wurde. Die vom BF1 vorgebrachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen werden so weit als erwiesen angenommen. Es wird darauf hingewiesen, dass gerade in diesem Punkt eine erhöhte Mitwirkungspflicht durch die Parteien besteht (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601), weshalb sich das erkennende Gericht nicht veranlasst sieht, diesbezüglich weitere Ermittlungen zu tätigen. Die derzeitige Behandlung des BF1 besteht in der Einnahme von Medikamenten XXXX. Die beim BF1 gestellten Diagnosen lassen zwar auf einen angeschlagenen Gesundheitszustand schließen, sind aber nicht lebensbedrohlich, sodass dem BF1 eine Behandlung in Armenien aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts zugemutet werden kann. Auch wurde den Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid zu den vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten in Armenien in der Beschwerde nicht widersprochen und ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass die medizinische Grundversorgung grundsätzlich flächendeckend gewährleistet ist. Zusammenfassend stellen die beim BF1 gestellten Diagnosen keine derartigen Beeinträchtigungen dar, welche die Rückverbringung des BF1 nach Armenien im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig machen würde.

Dass die BF2-BF4 gesund sind, ergibt sich aus den durchgehenden Angaben der BF2 für sich selbst und ihre Kinder.

Dass BF1-BF2 auch arbeitsfähig sind, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben, geben sie doch beide selbst an, über Einstellungszusagen zu verfügen und (in Österreich) arbeiten zu wollen (Verhandlungsschrift [VHS], OZ8).

Dass die BF1-BF2 Deutsch auf unterschiedlichem Niveau sprechen, ergibt sich einerseits aus den vorgelegten Deutschzertifikaten, wonach der BF1 das Deutschzertifikat auf dem Niveau A2 absolviert hat, die BF2 auf dem Niveau A2 und B1. Die BF3 und BF4 besuchen in Österreich die Schule bzw. eine Lehre, ihre Deutschkenntnisse wurden mit "Befriedigend" beurteilt. Gerade von den sehr guten Deutschkenntnissen der BF2 konnte sich die erkennende Richterin in der mündlichen Verhandlung am 18.04.2018 überzeugen, zumal die Verhandlung mit der BF2 grundlegend auf Deutsch geführt werden konnte und die Dolmetscherin nur rudimentär benötigt wurde.

Der gemeinsame Wohnsitz ergibt sich aus den Angaben der BF1-BF2 in Übereinstimmung mit den Auszügen aus dem Melderegister, an denen kein Grund zu zweifeln besteht.

Der Bezug von Leistungen der Grundversorgung für Asylwerber ist dem Betreuungsinformationssystem zu entnehmen.

Die ehrenamtliche Tätigkeit der BF2 ergibt sich aus mehreren Bestätigungs- und Unterstützungsschreiben, worin der BF2 neben Dolmetschertätigkeiten auch Kinderbetreuung und sonstige gemeinnützige Arbeiten bestätigt werden.

Dass der BF3 zur Zeit eine Lehre als XXXX absolviert und der BF4 die Schule besucht ist den diesbezüglich vorgelegten Zeugnissen zu entnehmen,

Die festgestellten Verurteilungen des BF1 sowie die Unbescholtenheit der BF2-BF3 in Österreich ergeben sich aus den Strafregisterauszügen des Bundesministeriums für Inneres, an denen kein Grund zu zweifeln besteht. Der BF1 bestritt seine Verfehlungen auch nicht, gab er doch selbst an, dass er sein durch seine Drogensucht verursachtes Fehlverhalten bereue (AS 249 zum dritten AA) und um eine neue Chance ersuche (VHS, S 7).

2.3. Zum Fluchtvorbringen der beschwerdeführenden Parteien

Als fluchtauslösenden Vorfall gab der BF1 eine Schussverletzung, die letztendlich zum Verlust des linken Auges geführt habe, an. Die Attacke habe am 29.04.2012 in seinem Heimatland stattgefunden, Grund dafür sei ein Vorfall am 26.06.2003 gewesen, bei dem der BF1 Zeuge einer Ermordung gewesen sein will (AS 247 zum 3. AA). Die BF2 gab für sich selbst und die beiden Kinder keine eigenen Fluchtgründe an, sondern die Familie sei wegen der Probleme des BF1 geflüchtet.

Das BFA konnte keine glaubhafte und asylrelevante Bedrohung und Verfolgung des BF1 in Armenien feststellen und es sei auch kein Zusammenhang zwischen dem zeitlich weit zurückliegenden Vorfall - unabhängig von dessen Wahrheitsgehalt - und der nunmehr im Jahr 2012 erlittenen Schussverletzung feststellbar gewesen. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens insbesondere auch explizit unter Einbeziehung der abgehaltenen mündlichen Verhandlung, kam das Bundesverwaltungsgericht - wie zuvor auch das BFA - zum Schluss, dass dem Vorbringen des BF1 hinsichtlich der von ihm vorgebrachten Bedrohungssituation die Glaubwürdigkeit abzusprechen war.

So ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dem vom BF1 angegebenen Vorfall im

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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