TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/31 W132 2159021-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

31.10.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W132 2159021-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom XXXX , OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:

Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) hat mit dem Bescheid vom 28.06.2012 den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 25.04.2012 abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH festgestellt.

Dieser Entscheidung wurde das medizinische Sachverständigengutachten Dris. XXXX , Facharzt für Unfallchirurgie, zugrunde gelegt, welches basierend auf der am 22.05.2012 durchgeführten persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, erstellt worden ist.

2. Der Beschwerdeführer hat am 31.01.2017 bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvolutes neuerlich einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

2.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.03.2017, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH bewertet wurde.

2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH festgestellt.

Dem Bescheid wurde das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie beigelegt.

3. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, es sei nicht nachvollziehbar, warum nach der ersten Operation ein Grad der Behinderung von 40 vH festgestellt worden sei und nunmehr, nach einer zweiten Operation, der Grad der Behinderung nur mehr in Höhe von 20 vH festgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe Befunde von Ärzten, welche bestätigen würden, dass er nicht länger als 15 Minuten stehen und sitzen könne und auch nicht mehr als 5 kg tragen könne.

3.1. Mit dem - im Bundesverwaltungsgericht am 26.05.2017 eingelangten - Schreiben vom 26.05.2017 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde vorgelegt.

3.2. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.06.2017 wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass gemäß gemäß § 46 BBG neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.

3.3. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht von der bereits befassten Sachverständigen, Dr. XXXX , basierend auf der Aktenlage, ein mit 12.07.2017 datiertes Ergänzungsgutachten mit dem Ergebnis eingeholt, dass weder die erhobenen Einwendungen, noch die vorgelegten Beweismittel geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.

3.4. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs hat die belangte Behörde keine Einwendungen erhoben.

Der Beschwerdeführer hat zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht, die zum Teil bereits im Verfahren vor der belangten Behörde in Vorlage gebracht wurden. Neu vorgelegt wurde ein orthopädisches Gutachten, Dris. XXXX vom 28.03.2016.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 26.05.2017 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Die im Rahmen des Einwandes gegen das Parteiengehör am 07.08.2017 nachgereichten medizinischen Beweismittel wurden nach dem 26.05.2017 vorgelegt.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 20 vH.

1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemeinzustand gut. Ernährungszustand gut. Caput/Collum: Klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen. Thorax: Symmetrisch, elastisch. Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Blutdruck: 140/80. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz. Integument unauffällig.

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten: Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive

Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig. Die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten: Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang links mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar, rechts kaum durchführbar unter Schmerzangabe in der rechten Leiste. Der Einbeinstand ist links mit Anhalten möglich, rechts kaum durchführbar unter Schmerzangabe in der rechten Leiste. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich. Die Beinachse ist im Lot.

Muskelverhältnisse: Bandmaß Oberschenkel rechts 54 cm, links 55 cm, Unterschenkel rechts 38 cm, links 38,5 cm Beinlänge ident. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich. Hüftgelenk rechts: Narbe nach Hüfttotalendoprothese, kein Stauchungsschmerz, endlagig Rotationsschmerz, Beugeschmerzen. Deutliche Abwehrhaltung bei der Untersuchung. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften S rechts 0/90, links 0/120, IR/AR rechts 20/0/30, links 20/0/40, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist links bis 60° bei KG 5, rechts bis 40° bei KG 4 schmerzbedingt möglich.

Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig Hartspann paralumbal. Klopfschmerz über der unteren LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich. BWS/LWS:

FBA: 20 cm, in allen Ebenen endlagig eingeschränkt beweglich. Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einer Unterarmstützkrücke rechts geführt in Begleitung, das Gangbild mit Krücke rechts hinkend, ohne Krücke barfuß im Untersuchungszimmer deutlich rechts hinkend unter Teilbelastung rechts mit Anhalten vorgeführt. Gangbild mit Krücke zügig. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen

1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Zustand nach Beckenbruch mit Implantation einer Hüfttotalendoprothese rechts, Zustand nach Pfannenwechsel Wahl dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da mäßige Einschränkung des Bewegungsumfanges, kein Hinweis für Prothesenlockerung, Luxation oder Subluxation.

02.05.07

20 vH

02

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Cervicolumbalsyndrom Unterer Rahmensatz, da gute Beweglichkeit und kein neurologisches Defizit objektivierbar.

02.01.01

10 vH

Gesamtgrad der Behinderung

20 vH

 

 

Die führende Funktionsbeeinträchtigung unter Nr. 1 wird durch Leiden unter Nr. 2 nicht erhöht, da aufgrund des geringgradigen Ausmaßes von Leiden 2 keine maßgebliche negative Beeinflussung von Leiden 1 vorliegt.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte ärztliche ergänzende Sachverständigengutachten Dris. XXXX , datiert mit 12.07.2017, ist in Verbindung mit dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten Dris. XXXX schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.03.2017 erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der bis 26.05.2017 vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen und stehen im Einklang mit der Einschätzungsverordnung.

Die bis 26.05.2017 vorgelegten Beweismittel sind nicht geeignet, die gutachterlichen Feststellungen überzeugend in Frage zu stellen, Dr. XXXX fasst diese Befunde wie folgt zusammen:

­ Bericht Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie vom 30.01.2017:

Cervikalsyndrom, Lumbalgie, H-TEP re bei Acetabulumfractur, Z.n. Pfannenwechsel (2014). schmerzfreie Gehstrecke unter 50 m

­ CT-Becken sowie Oberschenkel rechts 15.01.2016: Ganz zarter Aufhellungssaum um die caudale Hälfte des Acetabulumimplantates

­ Dr. XXXX , 18.06.2015: plant. Fersensporn Ii, Coxarthrose re, Gonarthrose re, Lockerung d. Pfanne, St.p. H-TEP re am 26.8.2010, St.p Pfannenwechsel 05.2015. Subluxationen im Bereich des Hüftkopfes und V.a Schaftlockerung, Therapie: Konservatives Vorgehen

­ Orthopädische Abteilung vom 20.05.2014: Pfannenlockerung bei St.p. Beckenfraktur mit Osteosynthesematerial

Zusammenfassend führt die Sachverständige dazu aus, dass die in der Beschwerde angegebene ärztliche Empfehlung, nicht länger als 15 min stehen oder sitzen zu können und nicht mehr als 5 kg tragen zu können, weder befundmäßig im Akt dokumentiert ist, noch die Einschränkung, vor allem was das Sitzen anbelangt, nachvollzogen werden kann.

Zur im Bericht Dris. XXXX vom 30.01.2017 angegebenen schmerzfreien Gehstrecke unter 50 m, erläutert Dr. XXXX schlüssig, dass das bei der Begutachtung durchgeführte Untersuchungsergebnis maßgeblich ist, bei dem weder ein Hinweis für eine Lockerung noch für eine muskuläre Insuffizienz objektiviert werden konnte.

Zum Beschwerdevorbringen führt Dr. XXXX fachärztlich überzeugend aus, dass im Rahmen der persönlichen Untersuchung im Bereich des rechten Hüftgelenks weder ein Hinweis für eine Lockerung der Prothese (kein Stauchungsschmerz) noch eine maßgebliche Einschränkung des Bewegungsumfangs noch ein Hinweis auf eine relevante Instabilität oder muskuläre Insuffizienz gefunden wurden. Röntgenologisch liegt kein sicherer Hinweis auf eine Prothesenlockerung vor. Die geringgradig eingeschränkte Beugefähigkeit wurde in der Einschätzung berücksichtigt. Die Herabsetzung des Grades der Behinderung betreffend die Hüfte begründet die Sachverständige nachvollziehbar, dass aktuell eine nahezu seitengleiche Bemuskelung objektiviert werden konnte, wobei die festgestellten Maße mit dem bei der Untersuchung festgestellten Gangbild nicht vereinbar sind, weil eine Teilbelastung der rechten unteren Extremität über längere Zeit, zu einer entsprechenden muskulären Insuffizienz rechts führt, welche aber nicht feststellbar ist. Die Neueinstufung ist durch das gute Operationsergebnis ohne Hinweis auf Lockerung oder muskuläre Insuffizienz begründet, und wird auch durch die geringgradige Besserung des Bewegungsumfangs untermauert.

Die durch die belangte Behörde und das Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten Dris. XXXX stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein überzeugender Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Das Beschwerdevorbringen und die im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen sind nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 20 vH vorliegt, zu entkräften. Die Angaben des Beschwerdeführers konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Zur Erörterung der Rechtsfrage, dass die nachgereichten Beweismittel der Neuerungsbeschränkung unterliegen, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II.3.1.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)

Im Falle eines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach Ablauf des 31. August 2013 hat die Einschätzung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) zu erfolgen. Im Falle einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung bleibt - bei objektiv unverändertem Gesundheitszustand - der festgestellte Grad der Behinderung unberührt. (§ 55 Abs. 5 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. (§ 46 BBG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 57/2015)

§ 46 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 tritt mit 1. Juli 2015 in Kraft. (§ 54 Abs. 18 BBG)

Da die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 26.05.2017 vorgelegt worden ist, sind nach diesem Zeitpunkt nachgereichte Beweismittel nicht zu berücksichtigen.

Falls sich der Leidenszustand des Beschwerdeführers maßgebend verschlechtert hat bzw. sich die Funktionseinschränkungen künftig verschlechtern, ist es zulässig, abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen und kommt eine neuerliche Feststellung des Grades der Behinderung in Betracht. (vgl. dazu etwa VwGH vom 20.11.2012, Zl. 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.

Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass der in Höhe von 20 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß des Beschwerdeführers entspräche.

So wurde der beim Beschwerdeführer vorliegende Zustand nach Beckenbruch mit Implantation einer Hüfttotalendoprothese rechts und Zustand nach Pfannenwechsel, von Dr. Greutter, im Einklang mit der Einschätzungsverordnung unter Position 02.05.07, welche für Einschränkungen der Hüftgelenke geringen Grades einseitig bei einer Streckung/Beugung von bis zu 0-10-90° mit entsprechende Einschränkung der Dreh-und Spreizfähigkeit vorgesehen ist, mit 20 vH beurteilt. Im Rahmen der persönlichen Untersuchung konnte eine aktive Beweglichkeit der rechten Hüfte von S 0/90 und links 0/120 objektiviert werden. Nach Revisionsoperation der rechten Hüfte 2014, mit Entfernung des Ostensynthesematerials und Pfannenwechsel bei Pfannenlockerung, ist eine Besserung des Hüftleidens eingetreten.

Da ein Grad der Behinderung von zwanzig (20) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher das im angefochtenen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten geprüft und ein Ergänzungsgutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Die erhobenen Einwendungen waren allerdings - wie unter Punkt II.2. bzw. II.3.1. bereits ausgeführt - nicht geeignet die sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen zu entkräften bzw. relevante Bedenken an den gutachterlichen Schlussfolgerungen hervorzurufen. Die bis 26.05.2017 vorgelegten Beweismittel sind nicht geeignet, die gutachterliche Bewertung substantiiert in Zweifel zu ziehen. Das Vorbringen wird durch die beigebrachten Beweismittel nicht erhärtet. Der Beschwerdeführer wurde im behördlichen Verfahren persönlich fachärztlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente wurden in den eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W132.2159021.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten