Entscheidungsdatum
13.11.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W162 2187365-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M. als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER, BA MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Lange Gasse 53, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 10.01.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses, ausgestellt am 12.06.2017, mit einem Grad der Behinderung von 70 v. H. Er beantragte unter Vorlage eines Konvoluts an medizinischen Unterlagen am 12.06.2017 (einlangend) beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet) die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO, dies wurde von der belangten Behörde als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gewertet.
2. Im Auftrag der belangten Behörde erfolgte am 12.10.2017 eine Begutachtung aufgrund persönlicher Untersuchung durch einen Sachverständigen für Allgemeinmedizin. Dabei wurde im Sachverständigengutachten vom 02.01.2018 inhaltlich die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Darin wurde insbesondere festgestellt:
"1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine, da die anerkannten Gesundheitsschädigungen keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge haben. Im Gutachten wurde festgestellt, dass bei dem AW keine höhergradige Funktionsstörung der unteren Extremitäten vorliegt. Es finden sich im klinischen Befund keine signifikanten motorischen Ausfälle. Wie auch dem vorliegenden Befund des Krankenhaus XXXX aus 04/2017 zu entnehmen ist, kann der AW eine kurze Wegstrecke von 300 Metern zu Fuß ohne Unterbrechung, ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung, ohne große Schmerzen und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Aufstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Ein Herzleiden, welches eine hochgradige Einschränkung der Auswurfleistung zur Folge hat und eine signifikante Belastungsstörung verursacht, kann bei der klinischen Untersuchung und aufgrund der vorliegenden Befunde nicht ermittelt werden. Von dem anerkannten Leiden unter lf. Nr. 1) geht keine hochgradige Schwäche mit einer Belastungsstörung aus, die eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar macht.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein, da keine erhebliche Einschränkung des Immunsystems durch objektive medizinische Befunde belegt wird. "
3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.01.2018 hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen. Verwiesen wurde auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens.
4. Gegen diesen Bescheid wurde von der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht am 21.02.2018 Beschwerde erhoben, worin im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass der Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt habe, dass der Beschwerdeführer an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, kurz PAVK IIb, leide. In den Erläuterungen zu der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012, BGBl. I Nr. 51/20 seien beispielhaft Erkrankungen angeführt, die jedenfalls die Gewährung der beantragten Zusatzeintragung rechtfertigen würden. Auf Seite 3 dieser Erläuterungen werde angeführt, dass bei einer arteriellen Verschlusskrankheit ab II/b jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliege. Daher seien die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung jedenfalls gegeben. Erschwerend komme hinzu, dass der Beschwerdeführer an einer Niereninsuffizienz, mit mehrmals wöchentlich stattfindender Dialyse, einer koronaren Herzkrankheit mit Zustand nach Myokardinfarkt, an Bluthochdruck, an Diabetes mellitus, an einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom sowie an Schädigungen im Bereich des Bewegungsapparates leide. Deshalb wurde die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin beantragt.
5. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 27.02.2018 zur Entscheidung vorgelegt.
6. In der Folge wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Innere Medizin aufgrund persönlicher Untersuchung vom 10.07.2018 eingeholt. Dieses bestätigte inhaltlich die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und führte auszugsweise aus:
"Ergänzende Anamnese mit dem Beschwerdeführer:
Die Beingefäße machen ihm große Beschwerden, in der letzten Zeit sind beide Beine betroffen. ImBild kann nicht dargestellt werden
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Juni 2018 wurde eine Gefäßdehnung am rechen Bein durchgeführt, nach seinen Angaben ist eine Bild kann nicht dargestellt werden
Gefäßdehnung am linken Bein nicht möglich, das linke Bein soll operiert werden, er wartet derzeit auf den Termin und soll verständigt werden.Bild kann nicht dargestellt werden
Aktuelle Medikation. physikalische Behandlung und andere Maßnahmen:
Thrombo ASS, Plavix, Pantoloc, Calc Acet Medice, Amlodipin, Concor, Trajenta, Sortis, Lasix, Allopurinol, Astonin H, Restex, Vitarenal
Die duale Plättchenhemmung mit Thrombo ASS und Plavix soll für 3 Monate nach dem letzten Eingriff im Juni 2018) weitergeführt werde.
Ergänzung der Anamnese durch mitgebrachte Spitalsberichte, Röntgen- und Laborbefunde:
20.06. - 21.06.2018, XXXX, l. Medizinische Abteilung, geplante Aufnahme zur Durchführung einer PTA der Arterie femoralis superficialis dexta, PTA über 6 cm Länge der AFS Bild kann nicht dargestellt werden
rechts am 20.06.2018 - DAPT für 3 Monate, die übrigen Diagnosen wie schon bekannt.
Weiters legt er einen Befund aus dem XXXX vor:Bild kann nicht dargestellt werden
22.05.2018, XXXX, Abteilung für Gefäßchirurgie
Dopplerindex rechts 0,92, links 0,75, Laufband: 3 km/h, 12%, Ende 60 m, Schmerzen an den Oberschenkeln beidseits und Waden.
Befund:Bild kann nicht dargestellt werden
Der Patient kommt heute im Rahmen der Voruntersuchungen vor einer Nierentransplantation. Im Duplex der Carotiden finden sich beidseits keine Stenosen oder Plaques über 30%. AV Orthograd Im Duplex der Beine besteht links ein bekannter Verschluss der AFS und eine leichte Abgangsstenose der AFP.
Rechts mehrere hochgradige Stenosen der AFS von über 20%, ebenso mittelgradige Stenose der AFC (Befund vor der letzten Dehnung)
An den Füßen besteht ein schöner Hautzustand, keine Wunden. Kontrolle in 1 Jahr oder bei Bedarf. Dazu noch einige Detailbefunde.
Untersuchungsbefund (klinisch-physikalischer Status):
Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand Adipositas, 162 cm, 98 kg
Knochenbau: normal, Haut und Schleimhäute: unauffällig
Lymphknoten nicht tastbar
Augen: isokor, prompte Lichtreaktion
Zunge: normal, Zähne: alle entfernt, Prothese derzeit in Anpassung
Hals: unauffällig, Schilddrüse nicht tastbar, Pulse vorhanden, keine Gefäßgeräusche, Venen nicht gestaut
Thorax: fassförmig, blande Narben nach Gefäßzugängen,
Lunge: sonorer Klopfschall, vesikuläres Atemgeräusch bei etwas eingeschränkter
Basenverschieblichkeit, flaches Liegen gut möglich, keine Atemnot beim längeren Sprechen
Herz: reine rhythmische Herztöne
RR 130/80, Frequenz 80/Min. rhythmisch
Abdomen: adipös, Leber und Milz nicht abgrenzbar
Rektal nicht untersucht, Nierenlager frei
Extremitäten und Wirbelsäule: Wirbelsäule durch Adipositas in der Beweglichkeit gering Bild kann nicht dargestellt werden
eingeschränkt, Arme normal. Beine: Auf Palpation der Leistenregion wird verzichtet, da dort noch Schmerzen nach Gefäßeingriff, Muskelkraft der Beine seitengleich gut, Waden und Füße warm, keine Hautschäden, Fußpulse schwach tastbar Gangbild durch Adipositas verlangsamt, sonst normal
Beurteilung und Beantwortung der im nicht datierten Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes gestellten Fragen:
Frage 1: Diagnosen, die auch 1 0 der Behinderung bedingen:
-
Terminale Niereninsuffizienz
-
Koronare Herzkrankheit, Z. n. Myokardinfarkt 2011, Gefäßdehnung und Stentimplantation Bluthochdruck
-
Diabetes mellitus, ohne Insulinbehandlung
-
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
-
Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom
-
Periphere arterielle Verschlusskrankheit
-
Mittelgradige Hörstörung links bei normalem Hörvermögen rechts
Frage 2: Beurteilung:Bild kann nicht dargestellt werden
Was den Bewegungsapparat (Gelenke, Muskeln, Sehnen) und die nervlichen Funktionen betrifft, lässt sich keine höhergradige Einschränkung feststellen. Die allgemeine Schwerfälligkeit ist durch die Adipositas bedingt. Eine Beeinträchtigung ist durch die Gefäßschäden gegeben, am rechten Bein wurde durch Gefäßdehnung inzwischen eine wesentliche Verbesserung erzielt, wegen des linken Beines war er auch im XXXX zur Begutachtung und hat einen Befund vorgelegt. Aus der Bild kann nicht dargestellt werden
Diktion geht nicht hervor, dass Therapierefraktion vorliegt, vielmehr wurde eine OP gegenüber dem Beschwerdeführer als möglich bezeichnet und auch in Aussicht gestellt.
Frage 3: Die dort genannten Einschränkungen liegen nicht vor, es liegt auch keine arterielle Verschlusskrankheit nach Fontaine ab II b bei fehlender therapeutischer Option vor.
Frage 4: Dafür ergibt die Befragung und Untersuchung des Beschwerdeführers keinen Hinweis.
Frage 5: Eine anhaltende Erkrankung des Immunsystems liegt nicht vor.
Frage 6: Eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit, oder Taubheit liegt nicht vor.
Frage 7: Die in der Beschwerde geltend gemachten Diagnosen sind richtig, allerdings ist unter Anwendung der Einschätzungsverordnung zu berücksichtigen, ob bei einer arteriellen Verschlusskrankheit Stadium Il b Therapierefraktion vorliegt. Diese lasst sich aus den vorliegenden Befunden aus der XXXX und dem XXXX nicht ableiten, im Gegenteil wurde bislang die Durchblutung des rechten Beines interventionell verbessert und hinsichtlich des linken Beines eine operative Sanierung diskutiert und in Aussicht gestellt.
Frage 8: Stellungnahme zu Abl. 19: Hierbei handelt es sich vor allem um eine Abklärung der Armgefäße mit der Fragestellung Shunt-Anlage. Die PAVK an den Beinen wird erwähnt, dazu jedoch nicht weiter Stellung genommen, da nicht Fragestellung dieser Untersuchung.
Abl. 21: 05.05.2017, XXXX, Untersuchung der Beingefäße, hier keine Stellungnahme zu Therapiemöglichkeiten
Abl. 23-25: 17. - 21.05.2017, XXXX, l. Medizinische Abteilung, Beginn der Hämodialysebehandlung am 19.05.2017, Auflistung der schon bekannten Diagnosen, aus dem vorliegenden Befund können keine Schlüsse im Sinne der Fragestellung dieses Gutachtens gezogen werden, die Fußpulse werden im Status als schwach palpabel bezeichnet. Dies steht im Einklang mit der aktuellen Untersuchung.
Frage 9: Stellungnahme zu dem angefochtenen Gutachten, Abl. 37 - 40:
Die Feststellungen in diesem Gutachten sind im Wesentlichen richtig, anzuschließen ist, dass - auch wenn die Gehstrecke kürzer wäre als dort angegeben - aus keinem der vorliegenden Befunde abgeleitet werden kann, dass hinsichtlich der arteriellen Verschlusskrankheit der Beingefäße Therapierefraktion vorliegtBild kann nicht dargestellt werden
Frage 10: Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlichBild kann nicht dargestellt werden
Frage 11: Die nach der Neuerungsbeschränkung vorgelegten Befunde zeigen eine Besserung der Situation durch Dehnungseingriff am rechten Bein und unterstützen somit retrospektiv die Annahme, dass Therapierefraktion nicht vorgelegen hat."
7. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs hat die bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers das bisherige Vorbringen wiederholt und zudem vorgebracht, dass aus dem Gutachten nicht ersichtlich sei, wie sich die Niereninsuffizienz mit mehrmals wöchentlicher Dialyse sowie die Herzerkrankung auf die Möglichkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch den Beschwerdeführer auswirke. Weiters sei aus dem Gutachten in Zusammenhang mit den zitierten Befunden nicht ersichtlich, ob die Linksventrikelfunktion eingeschränkt sei und wie sich eine derartige Einschränkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken würde.
8. Mit Schreiben vom 27.09.2018 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht den befassten Sachverständigen um aktenmäßige Stellungnahme zu dem Vorbringen.
Am 15.10.2018 langte die Stellungnahme des befassten Sachverständigen ein. Darin wurde auszugsweise ausgeführt:
"Ergänzend wird festgestellt, dass im Gutachten die Auswirkungen der Niereninsuffizienz mit mehrmals wöchentlicher Dialyse sowie die Herzerkrankung auf die Möglichkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel berücksichtigt worden ist. Das Zurücklegen der erforderlichen kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel sind durch diese Erkrankungen nicht beeinträchtigt. Nicht möglich wäre dem Antragwerber, längere und/oder steilere Strecken zu bewältigen, auch kann er keine Lasten tragen.
In den vorliegenden Befunden ist kein Hinweis auf eine Einschränkung der Linksventrikelfunktion enthalten, wobei festzustellen ist, dass naturgemäß eine leichte Einschränkung der Linksventrikelfunktion klinisch nicht auszuschließen ist, eine höhergradige ist jedoch unwahrscheinlich, wenn man das Ergebnis der klinischen Untersuchung unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde (in mehreren Schilderungen des Status keine Dekompensationszeichen, normales Thoraxröntgen) miteinbezieht.
Die Beantwortung der Fragen bedingt daher keine Änderung des Gutachtens."
9. Das Bundesverwaltungsgericht brachte das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens im Zuge des Parteiengehörs gem. § 45 Abs. 3 AVG dem Beschwerdeführer zur Kenntnis. Bis dato langte keinerlei Stellungnahme ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Allgemeines
Der Beschwerdeführer stellte am 12.06.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO, welcher von der belangten Behörde als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gewertet wurde.
1.2. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Terminale Niereninsuffizienz; koronare Herzkrankheit, Zustand nach Myocardinfarkt 2011 und Stenting, Bluthochdruck; nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus; degenerative Veränderung der Wirbelsäule; obstruktives Schlafapnoesyndrom; periphere arterielle Verschlusskrankheit; mittelgradige Hörstörung link bei normalem Hörvermögen rechts
1.3. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar. Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung liegen zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vor. Keine der vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen bewirkt die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Es liegen keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten, sowie der Wirbelsäule vor. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist selbständig möglich, das Ein- und Aussteigen ist bei Beweglichkeit der oberen und unteren Extremitäten möglich. Der sichere Transport ist gewährleistet, das Anhalten ist dem Beschwerdeführer uneingeschränkt möglich. Es liegt keine Funktionsbeeinträchtigung vor, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zuließe.
Eine arterielle Verschlusskrankheit ab II b nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option konnte im gegenständlichen Fall nicht festgestellt werden.
2. Beweiswürdigung
Zu 1.1.: Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2. und 1.3.: Die Feststellungen zum Ausmaß und zur Beurteilung der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Innere Medizin vom 10.07.2018 aufgrund persönlicher Untersuchung ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen. Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten vervollständigt und bestätigt im Wesentlichen das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten.
Sämtliche vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, der befasste Sachverständige hat sich eingehend damit auseinandergesetzt. Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass führt, gründet sich auf das durch die belangte Behörde und das Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten. Unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers wurde festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer zum aktuellen Zeitpunkt zumutbar ist.
Der Facharzt für Innere Medizin hatte nach persönlicher Untersuchung nachvollziehbar ausgeführt, dass keines der in der Diagnoseliste festgehaltenen Leiden eine Funktionsbeeinträchtigung bewirke, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zuließe. Trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen (Terminale Niereninsuffizienz; koronare Herzkrankheit, Zustand nach Myocardinfarkt 2011 und Stenting, Bluthochdruck; nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus; degenerative Veränderung der Wirbelsäule; obstruktives Schlafapnoesyndrom; periphere arterielle Verschlusskrankheit; mittelgradige Hörstörung link bei normalem Hörvermögen rechts) erfüllt der Beschwerdeführer die Voraussetzungen der Zumutbarkeit.
Wenn der Beschwerdeführer in seinem Beschwerdevorbringen moniert, dass die Gehstrecke auf 200 bis maximal 300m eingeschränkt sei und in der Folge aufgrund der bestehenden peripheren arteriellen Verschlusskrankheit Schmerzen in den Beinen und Atemnot auftreten würden, so wird darauf verwiesen, dass die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers im Zuge einer persönlichen Untersuchung nach der Einschätzungsverordnung korrekt eingeschätzt und im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt wurden. Zudem führte der befasste Sachverständige nachvollziehbar in seinem Gutachten aus, dass zwar eine Beeinträchtigung durch die Gefäßschäden gegeben ist, jedoch wurde am rechten Bein durch eine Gefäßdehnung eine wesentliche Verbesserung erzielt. Hinsichtlich des linken Beins wurde ein Befund des XXXX vorgelegt, welcher keine Therapiefraktion dokumentiert. Es wurde lediglich eine operative Sanierung in Aussicht gestellt.
In seiner Stellungnahme vom 31.07.2018 (einlangend) durch die bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers wurde das bisherige Vorbringen erneut wiederholt, ohne dieses jedoch mittels Beweismitteln zu untermauern. Zudem wurde vorgebracht, dass aus dem eingeholten Sachverständigengutachten vom 10.07.2018 die Auswirkung der Niereninsuffizienz, der Herzerkrankung sowie die Einschränkung der Linksventrikelfunktion auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht ersichtlich sei und aufgrund dessen eine Ergänzung des Gutachtens beantragt werde. Diesem Vorbringen ist die ergänzende Stellungnahme des befassten Sachverständigen vom 09.10.2018 entgegenzuhalten, in der nachvollziehbar ausgeführt wurde, dass im Gutachten die Auswirkungen der Niereninsuffizienz mit mehrmals wöchentlicher Dialyse sowie der Herzerkrankung in Hinblick auf auf die Möglichkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel berücksichtigt wurde. Das Zurücklegen der erforderlichen kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel sind durch diese Erkrankungen nicht beeinträchtigt. Weiters wurde in den vorliegenden Befunden kein Hinweis auf eine Einschränkung der Linksventrikelfunktion dokumentiert. Eine leichte Einschränkung der Linksventrikelfunktion ist naturgemäß nicht auszuschließen, jedoch ist eine höhergradige Einschränkung aufgrund der Befundlage unwahrscheinlich.
Die von dem Beschwerdeführer vorgebrachten Einwendungen waren sohin nicht geeignet, eine Änderung der getroffenen Beurteilung vorzunehmen. Es wurden keine neuen Beweismittel vorgelegt.
Der erkennende Senat kommt zu dem Ergebnis, dass das eingeholte Gutachten nachvollziehbar, schlüssig und glaubwürdig die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel begründen.
Beweiswürdigend ist zudem auszuführen, dass dem Beschwerdeführer im Zuge des Parteiengehörs das Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens des Bundesverwaltungsgerichts jeweils umgehend zur Kenntnis gebracht wurde und der Beschwerdeführer dies unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen hat.
Der Beschwerdeführer ist dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des medizinischen Sachverständigengutachtens sowie an der ergänzenden Stellungnahme. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass das Sachverständigengutachten auf einer persönlichen Untersuchung basierte. Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde insgesamt umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.
Das eingeholte Sachverständigengutachten sowie die ergänzende Stellungnahme werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§9 Abs. 1 Z3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten (§ 1 Abs. 2 BBG).
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).
Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen (§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise).
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen).
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 263/2016 wird u.a. Folgendes ausgeführt:
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Aus den Erläuterungen zur Einschätzungsverordnung:
"Zu § 1 Abs. 2 Z 3:
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. (...)
Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor: - arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option - Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen - hochgradige Rechtsherzinsuffizienz - Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie - COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie - Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie - mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden."
Im gegenständlichen Fall wurde - wie bereits oben umfassend dargelegt - von einem Sachverständigen festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht an einer "arteriellen Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option" leidet.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).
Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014, 2012/11/0186 vom 27.01.2015).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080.
Für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Aus diesem Grund ist der Umstand betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel, "Leben am Land") oder den Transport von schweren Gepäckstücken und das Tätigen von Einkäufen rechtlich nicht von Relevanz und kann daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden (VwGH vom 22.10.2002, 2001/11/0258).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde in dem von dem Bundesverwaltungsgericht eingeholten, auf persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers basierendem, Sachverständigengutachten nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen.
Das von dem Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Innere Medizin vom 10.07.2018 aufgrund persönlicher Untersuchung am selben Tag, sowie die ergänzende Stellungnahme vom 12.10.2018 werden als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Die für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" erforderlichen Voraussetzung erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, erheblicher Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder psychischer, neurologischer und intellektueller Fähigkeiten und Funktionen bzw. das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankungen des Immunsystems oder eine hochgradige Sehbehinderung sind beim Beschwerdeführer nicht erfüllt.
Es ist daher im Beschwerdefall zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.
2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war - wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt - nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Der Beschwerdeführer wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren persönlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente und Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind und resultiert daraus keine geänderte Beurteilung. Das Vorbringen steht nicht im Widerspruch zum eingeholten Sachverständigenbeweis. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen.
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine - von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende - Neuregelung beabsichtigt.
Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W162.2187365.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.02.2019