TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/23 I421 1427862-2

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Veröffentlicht am 23.11.2018
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Entscheidungsdatum

23.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I421 1427862-2/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch: VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH gegen den Bescheid des BFA, RD Wien, Außenstelle Wien vom 11.05.2018, Zl. 594778010-1499348, zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 wird dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria zuerkannt.

Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten bis zum 22.11.2019 erteilt.

In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt II. bis V. des angefochtenen Bescheids ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.06.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.06.2012, Zl. 12 07.039-BAT, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 09.06.2012 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sowie der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 leg. cit. Abgewiesen und wurde der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.09.2014, Zl. W105 1427862-1/8E, wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen wurde der Beschwerde stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Mit angefochtenem Bescheid vom 11.05.2018, nachweislich zugestellt am 17.05.2018, wurde der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).

Mit Verfahrensanordnung vom 14.05.2018 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Mit fristgerecht eingebrachtem Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer Beschwerde in vollem Umfang an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Schriftsatz vom 11.06.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 12.06.2018, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist nigerianischer Staatsbürger, er hat seinen Herkunftsstaat unter der Motivation seine soziale Situation zu verbessern, verlassen. Er war in Nigeria keinerlei Verfolgungsrisiken ausgesetzt.

Der BF litt an Tuberkulose. Weiters ist der BF HIV-infiziert. Die HIV-Infektion ist ausgebrochen, dabei handelt es sich um eine fortgeschrittenen chronische HIV-Infektion. Der anfänglich schlechte Zustand des BF bei vorliegen einer Tuberkulose hat sich aufgrund der angewandten Therapie und der guten Mitarbeit des BF gebessert. Die Anti-retro-virale Therapie muss auf Lebenszeit des BF fortgesetzt werden.

Der BF ist zu dem stark sehbehindert, dies wahrscheinlich als Folge der toxischen Medikamentenwirkung bei Tuberkulosetherapien.

Der BF ist ledig. Er hat keine Verwandten in Österreich.

Der BF hat in Nigeria keine Verwandten, insbesondere keine Geschwister und sind seine Eltern verstorben.

Medizinische Versorgung

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Das öffentliche Gesundheitssystem wird von den drei Regierungsebenen geleitet (VN 14.9.2015) und das Hauptorgan der Regierung für das Gesundheitswesen ist das Bundesgesundheitsministerium (IOM 8.2014). Die Bundesregierung ist zuständig für die Koordination der Angelegenheiten in den medizinischen Zentren des Bundes und Universitätskliniken. Die Landesregierung ist zuständig für allgemeine Spitäler, die Kommunalregierung für die Medikamentenausgabestellen (VN 14.9.2015).Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik, die vom Bundesgesundheitsministerium finanziert wird (IOM 8.2014).

Öffentliche (staatliche Krankenhäuser): Diese umfassen die allgemeinen Krankenhäuser, die Universitätskliniken und die Fachkliniken. Die Gebühren sind moderat, doch einigen Krankenhäusern fehlt es an Ausrüstung und ausreichendem Komfort. Es treten oftmals Verzögerungen auf und vielfach werden Untersuchungen aufgrund der großen Anzahl an Patienten nicht sofort durchgeführt (IOM 8.2014). Die Kosten von medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden; die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von umgerechnet 10 bis 25 Cent ein: Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, so ferne vorhanden (ÖBA 9.2016).

Private Krankenhäuser: Hierbei handelt es sich um Standard-Krankenhäuser. Diese Krankenhäuser verfügen nur teilweise über eine ausreichende Ausstattung und müssen Patienten für Labortests und Röntgenuntersuchungen oftmals an größere Krankenhäuser überweisen. Diese Krankenhäuser sind im Allgemeinen teurer (IOM 8.2014).

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 4.7.2017). Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen.

Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Zu den Fachkliniken zählen orthopädische Kliniken, psychiatrische Kliniken etc. (IOM 8.2014).

Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate von rund 90.000 Neugeborenen jährlich, die während der ersten 28 Tage nach ihrer Geburt sterben, rangiert Nigeria auf Platz 12 von 176 untersuchten Ländern und gilt auch innerhalb des südlichen Afrikas als "einer der gefährlichsten Orte" um geboren zu werden (GIZ 7.2017b). Die aktuelle Sterberate unter 5 beträgt 128 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten. Die mütterliche Sterblichkeit liegt bei 545 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten (ÖBA 9.2016).

Laut dem Gesundheitsministerium gibt es weniger als 150 Psychiater in Nigeria (IRIN 13.7.2017).

Insgesamt gibt es in Nigeria acht psychiatrische Krankenhäuser, die von der Regierung geführt und finanziert werden. Sechs weitere psychiatrische Kliniken werden von Bundesstaaten unterhalten (SFH 22.1.2014; vgl. WPA o.D.). In diesen psychiatrischen Kliniken werden unter anderem klinische Depressionen, suizidale Tendenzen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Schizophrenie und Psychosen behandelt (SFH 22.1.2014). Es existiert kein mit deutschen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht werden, aber nicht adäquat behandelt werden können (AA 21.11.2016; vgl. SFH 22.1.2014). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker nigerianischer Staatsangehöriger an, die abgeschoben werden sollen. Die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 195.000Naira (ca. 570 Euro). Zudem ist dort auch die stationäre Behandlung psychischerErkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 21.11.2016).

Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nurzehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 21.11.2016). Gemäß dem Exekutivsekretär des NationalHealth Insurance Scheme (NHIS) beträgt nach zwölf Jahren die Zahl der Nigerianern, die durch das NHIS krankenversichert sind, 1,5 Prozent (Vanguard 22.6.2017). Hilfsorganisationen, die für notleidende Patienten die Kosten übernehmen, sind nicht bekannt. Aufwändigere Behandlungsmethoden, wie Dialyse oder die Behandlung von HIV/AIDS, sind zwar möglich, können vom Großteil der Bevölkerung aber nicht finanziert werden (AA 21.11.2016). Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 7.2017b). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 21.11.2016). Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen (IOM 8.2014). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen (IOM 8.2014; vgl. AA 21.11.2016). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 3.3.2017).

Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein (IOM 8.2014). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient -auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 21.11.2016). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria undHIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 9.2016).

In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 21.11.2016).

Es gibt zahlreiche Apotheken in den verschiedenen Landesteilen Nigerias. Die National Agency for Food and Drug Administration and Control (NAFDAC) hat ebenfalls umfangreiche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass diese Apotheken überwacht werden und der nigerianischen Bevölkerung unverfälschte Medikamente verkaufen (IOM 8.2014). Trotzdem bliebt die Qualität der Produkte auf dem freien Markt zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25 Prozent aller verkauften Medikamente), die aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt wirken (AA 21.11.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der

Bundesrepublik Nigeria

-

AA - Auswärtiges Amt (4.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung),

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff

4.7.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017b): Nigeria - Gesellschaft,

http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 2.8.2017

-

IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247

436/17297905/Nigeria_-

_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 4.7.2017

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ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

-

SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (22.1.2014): Nigeria:

Psychiatrische Versorgung,

http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1391265297_document.pdf, Zugriff 4.7.2017

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016

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-

Vanguard (22.6.2017): Health insurance: FG calls for scrapping of HMOs,

http://www.vanguardngr.com/2017/06/health-insurance-fg-calls-scrapping-hmos/, Zugriff 4.7.2017

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VN - VisitNigeria (14.9.2015): Nigeria Healthcare System - The Good and the Bad,

http://www.visitnigeria.com.ng/nigeria-healthcare-system-the-good-and-the-bad/, Zugriff 4.7.2017

-

WPA - World Psychiatric Association (o.D.): Association of Psychiatrists in Nigeria (APN),

http://www.wpanet.org/detail.php?section_id=5&content_id=238, Zugriff 12.6.2015

HIV/AIDS

Nigeria hat die zweitgrößte HIV-Epidemie der Welt (NACA 2015; vgl. UNAIDS 10.2.2016). Für das Jahr 2015 schätzt UNAIDS, dass etwa 3,5 Millionen (2,6-4,5 Millionen) Menschen mit HIV in Nigeria leben. Davon sind etwa 1,9 Millionen (1,4-2,4 Millionen) Frauen im Alter ab 15 Jahren an HIV erkrankt.

Die Anzahl der Kinder im Alter bis 14 Jahren wird auf 260.000 (190.000 bis 360.000) geschätzt (UNAIDS 2015).

Es wird geschätzt, dass im Jahr 2014 etwa 1.665.403 HIV-erkrankte Menschen antiretrovirale Medikamente (ARV) benötigten. Die Anzahl der an HIV erkrankten schwangeren Frauen, die ARVProphylaxen bekamen, um die Mutter-Kind-Übertragung von HIV zu verhindern, stieg von 57.871 im Jahr 2013 auf 63.350 im Jahr 2014 (NACA 2015). Laut UNAIDS wurden bis März 2017 1.336.383 Menschen mit HIV und Aids für Behandlungen eingeschrieben. Der UNAIDS Landesdirektor berichtet, dass Nigeria diesen Fortschritt erreichen konnten, da sie eine "Testen und Behandeln Strategie" eingeführt haben. Menschen, die einen positiven Test haben, werden sofort behandelt unabhängig ihrer CD4Werte (DP 1.6.2017). Medikamente gegen HIV/Aids können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 9.2016).

Laut jüngsten Schätzungen sinkt die Zahl der Neuinfektionen stetig. Im Jahr 2012 waren es 253.506 Neuinfektionen während die Anzahl im Jahr 2014 auf 227.518 sank. Im Jahr 2014 gab es 174.253 AIDS-bedingte Todesfälle (NACA 2015).

Die internationale Organisation AVERT führt vielfältige Kampagnen zur Steigerung der öffentlichen Aufmerksamkeit, Aufklärung und Prävention durch. Zur Bekämpfung der weiteren Ausbreitung von HIV-AIDS wurde 2002 von Seiten der Regierung die National Agency for the Control of HIV/AIDS (NACA) gegründet (GIZ 7.2017b). NACA ist für die Umsetzung des nationalen HIV/AIDS Programms zuständig. Sie koordiniert und kontrolliert die Aktivitäten auf der Ebene der Bundesstaaten und LGAs. Das Programm zielt einerseits auf Aufklärung und Prävention und anderseits auf die Behandlung von HIV/AIDS (SF 26.3.2014; vgl. NACA 2015). Laut NACA gibt es in Nigeria im Jahr 2014 1.047 Zentren

(im Jahr 2013 waren es 820), in denen antiretrovirale Behandlung angeboten wird (NACA 2015). Im Jahr 2014 gab es 8.114 HIV-Test- und Beratungszentren in Nigeria (NACA 7.2015). Im Bundesstaat Lagos gab es im Jahr 2013 laut MedCOI 57 kostenlose HIV-Test- und Beratungszentren (UKHO 5.2015).

Für 2016 bis 2020 gibt es von NACA eine eigene Strategie für Jugendliche und junge Erwachsene, nämlich die National HIV Strategy for Adolescents and Young People 2016-2020. Das Ziel dieser Strategie ist es, die Anzahl neuer HIV-Infektionen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Nigeria zu verringern (UNESCO o. D.; vgl. NACA 2016).

Personen mit HIV/AIDS verlieren oft ihre Jobs oder es wird ihnen Gesundheitsversorgung verweigert (USDOS 3.3.2017). Der damalige Präsident, Goodluck Jonathan, unterzeichnete 2014 ein neues Gesetz, das Menschen mit HIV und AIDS vor Diskriminierungen schützen soll. Laut dem HIV/AIDS Anti-Discrimination Act 2014 ist es illegal, Menschen aufgrund ihrer Infektion zu diskriminieren.

Arbeitgebern, Einzelpersonen oder Organisationen ist es untersagt, einen HIV-Test als Voraussetzungfür eine Anstellung oder Zugriff auf Dienste zu fordern (UNAIDS 11.2.2015).

Quellen:

-

DAH - Deutsche AIDS-Hilfe (11.4.2014): Nigeria: Keine Diskriminierung von HIV-Positiven, aber

hohe Strafen für Homosexuelle,

http://www.aidshilfe.de/de/aktuelles/meldungen/nigeria-keinediskriminierung-

von-hiv-positiven-aber-hohe-strafen-fuer-homosexue, Zugriff 26.6.2017

-

DP - Daily Post (1.6.2017): Nigeria enrolls 1.3m HIV/AIDS victims on antiretroviral drugs in first

quarter of 2017 - UNAIDS,

http://dailypost.ng/2017/06/01/nigeria-enrolls-1-3m-hivaids-victimsantiretroviral-

drugs-first-quarter-2017-unaids/, Zugriff 26.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017b): Nigeria - Gesellschaft,

http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 2.8.2017

-

NACA - National Agency for the Control of AIDS (2016): National HIV Strategy for Adolescents

and Young People 2016-2020,

http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---ed_protect/---protrav/---

ilo_aids/documents/legaldocument/wcms_532857.pdf, Zugriff 2.8.2017

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NACA - National Agency for the Control of AIDS (2015): Federal Republic of Nigeria, Global AIDS

Response, Country Progress Report, Nigeria GARPR2015,

http://www.unaids.org/sites/default/files/country/documents/NGA_narrative_report_2015.pdf,

Zugriff 26.6.2017

-

NACA - National Agency for the Control of AIDS (7.2015):

End-Of-Term Desk Review Report Of

The 2010 -2015 National Hiv/Aids Strategic Plan, http://naca.gov.ng/wordpress/wpcontent/

uploads/2016/11/NSP-2010-2015-end-term-desk-review-report_0.pdf, Zugriff 26.6.2017

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ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

-

SF - Schweizerische Flüchtlingshilfe (26.3.2014): Nigeria:

Behandlung von HIV/Aids,

https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/afrika/nigeria/nigeria-behandlung-von-hivaids.

pdf, Zugriff 26.6.2017

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UKHO - UK Home Office (5.2015): Country Information; Nigeria:

Medical and Healthcare issues,

https://www.medcoi.eu/Source/Detail/8106, Zugriff 26.6.2017

-

UNAIDS (2015): HIV and AIDS estimates (2015),

http://www.unaids.org/en/regionscountries/countries/nigeria/, Zugriff 26.6.2017

-

UNAIDS (11.2.2015): Nigeria passes law to stop discrimination related to HIV,

http://www.unaids.org/en/resources/presscentre/featurestories/2015/february/20150211_nigeria_l

aw, Zugriff 26.6.2017

-

UNAIDS (10.2.2016): Investing in the AIDS response in Nigeria,

http://www.unaids.org/en/resources/presscentre/featurestories/2016/february/20160210_Nigeria,

Zugriff 26.6.2017

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 -

Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

Anfragebeantwortung: Existieren in Delta State, Agbor, oder evtl. zumutbar erreichbarer Nähe medizinische Einrichtungen zwecks Behandlungsmöglichkeiten inklusive Medikamentierung der vorliegenden HIV-Erkrankung?

Die nächste größere Stadt in der Nähe von Agbor ist Benin City [Anm.: Distanz gemäß Routenplaner v. Google Maps 72km]. In Benin City ist die Behandlung von HIV möglich [ambulante und stationäre Behandlung durch einen Facharzt für HIV sowie durch einen Internisten, Laboruntersuchungen CD4 Zählung und Messung der Viruslast (gem. BMA-10243)].

In Benin City sind die angegebenen Medikamente (bzw. deren Wirkstoffe) verfügbar:

Truvada (Emtricitabin & Tenofovirdisoproxil) verfügbar gem. BMA-10243 in Benin City

Norvir (Ritonavir) verfügbar gem. BMA-8382 in Abuja

Prezista (Darunavir) verfügbar gem. BMA-8382 in Abuja

Mexalen (Paracetamol) verfügbar gem. BMA-10161 in Abuja

Üblicherweise sind in Nigeria (z.B. Abuja) verfügbare Medikamente in ganz Nigeria verfügbar - direkt oder auf Bestellung in dafür vorgesehenen Apotheken.

Einzelquellen:

Die Originale folgender Anfragebeantwortungen von MedCOI werden als

Anlage übermittelt:

? Local Doctor via MedCOI (31.10.2017): BMA-10243

? Local Doctor via MedCOI (3.8.2016): BMA-8382

? Local Doctor via MedCOI (13.10.2017): BMA-10161

MedCOI berichtet, dass üblicherweise in Nigeria (z.B. Abuja) verfügbare Medikamente in ganz Nigeria verfügbar sind - direkt oder auf Bestellung in dafür vorgesehenen Apotheken.

However, all of your requested medication have an green traffic light, which means that they are available in the capital city.

For medication applies that they can be delivered in the requested city via an order throughout an chain pharmacy in Nigeria. So the most important thing is the availability on treatment in the requested city, like Benin City now.

MedCOI (24.10.2017): Korrespondenz per E-Mail, übermittelt via E-Mail am24.10.2017

2. Beweiswürdigung:

Die betroffenen Feststellungen ergeben sich widerspruchsfrei aus den Verfahrensakten.

Aus dem diesbezüglichen widerspruchsfreien Angaben des BF.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus den im Akt befindlichen Befundberichten, welche insbesondere mit der Beschwerde vorgelegt wurden.

Die Feststellungen zur medizinischen Versorgung und im speziellen zur medizinischen Versorgung von HIV/AIDS- Kranken werden aus dem bekämpften Bescheid und der angeführten Beweismittel übernommen (Seite 37 bis 42, AS 471 bis 476).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Falle des Beschwerdeführers ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im Gegensatz zu den Entscheidungen AMEGNIGAN gg. Niederlande bzw. NDANGOYA gg. Schweden zugrundeliegenden Sachverhalten bei ihm AIDS bereits ausgebrochen ist. Der Beschwerdeführer leidet zudem an einer starken Sehbehinderung.

Der EGMR hatte sich in diesen vorgenannten Entscheidungen vor allem auf das Kriterium gestützt, dass AIDS noch nicht ausgebrochen war. Bei dem Beschwerdeführer kommt sohin im Vergleich erschwerend hinzu, dass bei ihm sofort nach Absetzen der medikamentösen Behandlung mit einer dramatischen Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu rechnen wäre, der es ihm verunmöglichen würde, sich den Zugang zu den von ihm benötigten Medikamenten zu verschaffen.

Gegenständlich ist zudem davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer ein zeitnaher Zugang zu einer medikamentösen Versorgung in Nigeria verwehrt wäre. Er verfügt über keine finanziellen Mittel, keine finanzielle Unterstützung und keinen stabilen Rückhalt. Das Fehlen jeglichen sozialen und familiären Netzwerkes, das dem Beschwerdeführer einen Zugang zu den nicht durchgängig für jedermann zur Verfügung stehenden Medikamenten erleichtern würde, erhöht die Gefahr wesentlich, dass der Beschwerdeführer keine Therapie erhalten würde.

Eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria würde ihn aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes der realen Gefahr aussetzen, bald nach seiner Ankunft unter qualvollsten Umständen zu sterben. Im Urteil vom 2.5.1997, 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"] hatte der EGMR in einem ähnlich gelagerten Fall eine Abschiebung als Verletzung von Art. 3 EMRK beurteilt.

Im konkreten Fall hat der Beschwerdeführer ein derart schweres existenzbedrohendes Krankheitsbild glaubhaft machen können, dass daher davon auszugehen wäre, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellen würde.

Da im gegenständlichen Fall dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung nicht (mehr) vor.

Daher waren die Spruchpunkte II. bis V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 iVm. § 27 VwGVG ersatzlos aufzuheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltstitel, befristete
Aufenthaltsberechtigung, Behebung der Entscheidung,
berücksichtigungswürdige Gründe, Einreiseverbot, ersatzlose
Behebung, freiwillige Ausreise, Frist, medizinische Versorgung, real
risk, reale Gefahr, Rückkehrentscheidung, subsidiärer Schutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I421.1427862.2.00

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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