Entscheidungsdatum
27.11.2018Norm
BBG §42Spruch
W265 2208028-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER, sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 09.10.2018, betreffend die Zurückweisung des Vorlageantrages gemäß § 15 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin beantragte am 16.11.2017 die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass".
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge: belangte Behörde), vom 14.05.2018, wurde der Antrag abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass sich aufgrund des medizinischen Beweisverfahrens die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Dem Bescheid wurde das medizinische Sachverständigengutachten vom 22.02.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 14.02.2018, sowie die Stellungnahme der Sachverständigen vom 09.05.2018, beigelegt.
3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde.
4. Im Rahmen des Beschwerdevorprüfungsverfahrens wurde seitens der belangten Behörde eine weitere Stellungnahme der bereits mit der Erstellung des medizinischen Sachverständigengutachtens vom 22.08.2018 beauftragen Fachärztin für Orthopädie eingeholt und wurde auf die Beschwerde eingegangen.
5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 14.08.2018 wies die belangte Behörde die Beschwerde ab.
6. Mit Schreiben vom 12.09.2018 beantragte die Beschwerdeführerin durch ihre bevollmächtigte Vertretung die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
7. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 09.10.2018 wies die belangte Behörde den Vorlageantrag zurück. Die belangte Behörde begründete dies damit, dass dieser am 12.09.2018 eingebracht worden wäre, und der angefochtene Bescheid zu diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftig gewesen wäre.
8. Dagegen hat die Beschwerdeführerin durch ihre bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde erhoben und bringt im Wesentlichen vor, mit Beschwerdevorentscheidung vom 14.08.2018 habe die belangte Behörde die Beschwerde abgewiesen, womit die begehrte Zusatzeintragung verwehrt worden sei. Diese Entscheidung der belangten Behörde sei der Beschwerdeführerin am 29.08.2018 zugestellt worden. Im Vorlageantrag vom 12.09.2018 sei "irrtümlich" die Zustellung mit 19.08.2018 datiert worden. Da es sich jedoch bei diesem Datum um einen Sonntag handle, sohin eine Zustellung gar nicht erfolgen könne, sei der Antragsverfasserin ein Rechtschreibfehler unterlaufen. Richtigerweise sei die Zustellung am 29.08.2018 erfolgt und habe die Beschwerdeführerin am 07.09.2018 bei der bevollmächtigten Vertretung vorgesprochen. Nachdem nur mehr wenige Tage bis zum Fristablauf verblieben seien, sei sofort mit der Konzipierung des Schriftsatzes begonnen worden und am 12.09.2018 ordnungsgemäß per E-Mail eingebracht worden. Die Einbringung sei mit E-Mail der belangten Behörde um 10.03 bestätigt worden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens durch Einsicht in den behördlichen Verwaltungsakt steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:
1.2. Die Beschwerdevorentscheidung wurde seitens der belangten Behörde ohne Rückschein an die Beschwerdeführerin zugestellt, und diese hat die Entscheidung am 29.08.2018 erhalten.
1.3. Der Vorlageantrag ist am 12.09.2018 bei der belangten Behörde eingelangt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen beruhen betreffend der Zustellung der Beschwerdevorentscheidung aus dem Verwaltungsakt der dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage gebracht wurde, worin ersichtlich ist, dass beschwerdegegenständlicher Bescheid am 17.08.2018 postalisch versendet worden ist, sowie dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach ihr die Beschwerdevorentscheidung am 29.08.2018 zugestellt worden ist.
2.2. Hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem der Vorlageantrag bei der belangten Behörde einlangte, beruhen die Feststellungen aus dem Verwaltungsakt der dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage gebracht wurde, woraus ersichtlich ist, dass der Vorlageantrag von der bevollmächtigten Vertretung der Beschwerdeführerin mit Datum 12.09.2019, Uhrzeit 09:58 Uhr per E-Mail an die belangte Behörde übermittelt wurde. Mit Datum 12.09.2018, Uhrzeit: 10:57 Uhr ersuchte die belangte Behörde um Digitalisierung des Vorlageantrages.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist,.
3.3. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
§ 15 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG lautet:
"§ 15. (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.
(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde
1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;
2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.
Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.
(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen."
Zustellung ohne Zustellnachweis
§ 26 Zustellgesetz lautet:
"§ 26. (1) Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.
(2) Die Zustellung gilt als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."
Daraus folgt:
3.4. Entsprechend dem Erkenntnis des VwGH vom 20.09.2006 2004/08/0087 muss die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folgen dafür auf sich nehmen, dass sie der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (vgl hiezu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage 1998, Seite 2046, E 1-3 wiedergegebene Judikatur).
3.5. Diese Judikatur des VwGH ist nicht nur auf die Behauptung einer gar nicht erfolgten Zustellung, sondern auch auf die Behauptung des Zustellzeitpunktes anwendbar. Da im Gegenstand die belangte Behörde die Beschwerdevorentscheidung ohne Zustellnachweis zugestellt hat, hat sie, da die Beschwerdeführerin die Zustellung an einem konkreten Tag behauptet, den Nachteil der von ihr gewählten Zustellart zu tragen, und ist hinsichtlich des Zeitpunktes der Zustellung der Beschwerdeführerin zu folgen.
3.6. Wie festgestellt, ist die Beschwerdevorentscheidung am 29.08.2018 der Beschwerdeführerin zugestellt worden und gilt somit an diesem Tag als zugestellt.
3.7. Daher berechnet sich die zweiwöchige Frist zur Stellung des Vorlageantrages ab diesem Tag und endete daher mit dem 12.09.2019.
3.8. Da der Vorlageantrag am 12.09.2018 bei der belangten Behörde einlangte, ist dieser sohin fristgerecht und war demgemäß der angefochtene Bescheid zu beheben.
3.9. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
3.10. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
3.11. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
3.12. Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
3.13. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Im Gegenstand handelt es sich um eine rein rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes, der sich eindeutig aus dem, von den Parteien nicht beeinspruchten, Akteninhalt ergibt und war daher eine mündliche Verhandlung zur Klärung desselben nicht notwendig.
ZU B) Unzulässigkeit der Revision:
3.14. Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.15. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
3.16. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei seiner Entscheidung auf die oben wiedergegebene Judikatur des VwGH und die klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Frist, Vorlageantrag, ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W265.2208028.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.02.2019