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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VStG §51 Abs7 idF 1995/620;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des A D in E, vertreten durch Dr. Günter F. Kolar und Dr. Andreas Kolar, Rechtsanwälte in 6020 Innbruck, Neuhauserstraße 10, gegen die in einer gemeinsamen Ausfertigung zusammengefassten Bescheide der Kammer und des Einzelmitgliedes des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 4. März 1998, Zlen. 1/17-13/1996, 17/75-13/1996, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 (Bescheid der Kammer) sowie nach § 4 Abs. 1 lit. a und b und § 99 Abs. 2 lit. e StVO 1960 (Bescheid des Einzelmitgliedes) bestraft.
Mit Beschluss vom 23. Februar 1999, B 1474/98, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer
"in seinem Recht auf Einstellung des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 7 VStG 1991 verletzt, da seit dem Einlangen der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis bis zur Berufungsentscheidung bereits mehr als 15 Monate vergangen waren und das erstinstanzliche Straferkenntnis somit von Gesetzes wegen außer Kraft getreten war, wobei im gegenständlichen Verfahren nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zugestanden ist."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis am 23. März 1996 bei der belangten Behörde eingelangt. Über diese Berufung sei mit Bescheiden der belangten Behörde vom 12. März 1997 entschieden worden. Diese seien mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 1997 (Zlen. 97/03/0151, 0269) aufgehoben worden. "Das nunmehr angefochtene Berufungserkenntnis" sei am 4. März 1998 mündlich verkündet worden. Die Verfahrensdauer - einschließlich der Zeit des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof - belaufe sich somit auf nahezu 24 Monate. Entgegen der in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung sei die Zeit des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof in die Frist des § 51 Abs. 7 VStG einzurechnen. Dies folge daraus, dass die genannte Bestimmung (in der Fassung BGBl. Nr. 620/1995) ausdrücklich bestimme, dass nur die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht in die Frist einzurechnen seien. Selbst wenn man aber von einer Nichteinrechnung der Zeit des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ausgehen wollte, könnte nur eine Hemmung, nicht aber eine Unterbrechung der Frist von 15 Monaten angenommen werden, weil andernfalls der Zweck des § 51 Abs. 7 VStG, "dass auch und insbesondere in Verwaltungsstrafsachen innerhalb angemessener Frist entschieden wird", vereitelt würde.
Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizutreten.
§ 51 Abs. 7 VStG in der Fassung vor der Änderung durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 620/1995 lautete:
"Wird eine Berufungsentscheidung nicht innerhalb von 15 Monaten ab der Einbringung der Berufung erlassen, so gilt der angefochtene Bescheid als aufgehoben und das Verfahren ist einzustellen. Dies gilt nicht in Sachen, in denen nicht nur der Beschuldigte das Recht der Berufung hat."
Dazu vertrat der Verwaltungsgerichtshof unter Berufung auf die zu § 51 Abs. 5 VStG (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 299/1984) entwickelte Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 17. Dezember 1984, Slg. Nr. 11621/A) die Auffassung, dass der Berufungsbehörde dann, wenn die Berufungsentscheidung innerhalb der Frist von 15 Monaten erlassen, jedoch durch den Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden sei, neuerlich eine Frist von 15 Monaten ab Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses an sie eingeräumt sei (vgl. das hg.
Erkenntnis vom 7. November 1995, Zl. 95/05/0002).
Mit 1. Juli 1995 trat § 51 Abs. 7 VStG in der Fassung des
Bundesgesetzes BGBl. Nr. 620/1995 mit folgendem Wortlaut in Kraft:
"Wenn eine Berufungsentscheidung nicht innerhalb von 15
Monaten ab Einlangen der Berufung erlassen wird, dann gilt der angefochtene Bescheid als aufgehoben und ist das Verfahren einzustellen. Dies gilt nicht in Sachen, in denen nicht nur der Beschuldigte das Recht der Berufung hat. Die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist nicht in diese Frist einzurechnen."
In der Regierungsvorlage (131 Blg NR 19. GP, 8) wurde dazu ausgeführt:
"Während nach § 31 Abs. 3 VStG hinsichtlich der Strafbarkeitsverjährung und der Vollstreckungsverjährung die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht in die Frist einzurechnen ist (wobei lege non distinguente davon auszugehen ist, dass auch das Verfahren gemäß Art. 139 und Art. 140 B-VG, nicht nur jenes nach Art. 144 B-VG, an welches vielleicht primär gedacht gewesen sein mag, umfasst ist), fehlt in § 51 Abs. 7 VStG betreffend die Frist zur Entscheidung für den unabhängigen Verwaltungssenat über die Berufung in Verwaltungsstrafverfahren eine Bezugnahme auf diese Verfahren. Während ein verwaltungsgerichtliches Verfahren im vorliegenden Zusammenhang nicht in Betracht kommt, ist die Möglichkeit der Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof sehr wohl gegeben. Gemäß Art. 129a Abs. 3 B-VG gilt Art. 89 B-VG auch für die unabhängigen Verwaltungssenate. Diese haben daher im Falle von Bedenken gegen die im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden Gesetze oder Verordnungen aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit bzw. Gesetzwidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung des Gesetzes bzw. der Verordnung zu stellen. Es erscheint daher geboten, § 51 Abs. 7 VStG in diesem Sinne zu ergänzen.
Im Hinblick auf Art. 177 des EG-Vertrages wird sich in Zukunft für den Fall der Einholung einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auch die Frage der Auswirkung einer derartigen Vorlage auf das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten stellen. § 51 Abs. 7 wird daher dahingehend ergänzt, dass die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht in die Frist eingerechnet wird.
Bei dieser Gelegenheit wird überdies der Wortlaut für die Regelung des Beginnes des Fristenlaufs geändert. Im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, der das Wort 'Einbringung' bisher schon im Sinne von 'Einlangen' verstand, wird ausdrücklich auf das 'Einlangen' abgestellt."
Aus diesen Ausführungen erhellt, dass die neue Regelung des § 51 Abs. 7 VStG in Bezug auf die Nichteinrechnung von Verfahrenszeiten lediglich die Fälle der Anhängigkeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften während der Dauer eines noch nicht durch Berufungsentscheidung abgeschlossenen Berufungsverfahrens betrifft; für die hier strittige Frage der Einrechnung der Zeit eines mit einem aufhebenden Erkenntnis beendeten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in die Frist für die neuerlich zu erlassende Berufungsentscheidung ergeben sich daraus keine Aufschlüsse.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht daher keinen Anlass, im Anwendungsbereich des § 51 Abs. 7 VStG in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. Nr. 620/1995 von seiner bisherigen, oben dargestellten Rechtsprechung abzugehen.
Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 30. Juni 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999030173.X00Im RIS seit
20.11.2000