Entscheidungsdatum
10.12.2018Norm
AVG §13 Abs7Spruch
L517 2182504-1/11E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter XXXX als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid (Behindertenpass) des Sozialministeriums Landesstelle Oberösterreich vom 01.12.2017, XXXX beschlossen:
A)
Das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, n i c h t z u l ä s s i g.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
25.10.1996 - Bescheid des Bundessozialamtes: Feststellung der Zugehörigkeit der beschwerdeführenden Partei (bP) zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ab 20.05.1996 mit einem GdB von 60 v.H.
13.01.1997 - Ausstellung eines Behindertenpasses - GdB 60%
19.09.2017 - Antrag der bP auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass beim Sozialministeriumservice, XXXX(belangte Behörde, bB)
21.11.2017 - Erstellung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens, GdB 50 v.H.
01.12.2017 - Schreiben der bB: Feststellung des Grades der Behinderung von 50 v.H.
08.01.2018 - Beschwerde der bP
11.01.2018 - Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht
03.04.2018 - Manuduktion der bP / Ankündigung von Befunden
07.06.2018 - Befundvorlage durch die bP
27.08.2018 - Ersuchen an die Allgemeinmedizinerin um Gutachtensergänzung
22.09.2018 - Gutachtensergänzung
08.10.2018 - Verständigung der bB und bP vom Ergebnis der Beweisaufnahme / keine Stellungnahmen
13.11.2018 - Manuduktion der bP
19.11.2018 - Schreiben (Mail) der bP: Zurückziehung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0. Feststellungen (Sachverhalt):
Die bP ist österreichische Staatsbürgerin und an der im Akt befindlichen XXXX Adresse wohnhaft.
Mit Bescheid der bB vom 25.10.1996 wurde die Zugehörigkeit der bP zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ab 20.05.1996 mit einem GdB von 60 v.H. festgestellt und am 13.01.1997 der Behindertenpass ausgestellt.
Die bP stellte am 19.09.2017 einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass.
Auf Grundlage des im Auftrag der bB durch eine allgemeinmedizinische Sachverständige nach der Einschätzungsverordnung erstellten Gutachtens vom 21.11.2017, welches einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. feststellte, wurde der bP mit Schreiben der bB vom 01.12.2017 mitgeteilt, dass ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt worden sei und wurde ihr ein neuer Behindertenpass ausgestellt.
In Folge der dagegen erhobenen Beschwerde, wurde, nach Beschwerdevorlage am BVwG, sowie nach Manuduktion des Gerichts, der Ankündigung der Beibringung eines neuen Befundes und nach erfolgter Vorlage von Befunden, das Beweisverfahren durch das Gericht neu eröffnet und in dessen Auftrag die Allgemeinmedizinerin um Gutachtensergänzung dahingehend gebeten, ob die Befunde zu einer Änderung der vorgenommenen Einschätzung führten, was von der Sachverständigen in ihrer Gutachtensergänzung vom 22.09.2018 verneint wurde.
Die bB und bP wurden vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt, Stellungnahmen sind nicht erfolgt.
Am 13.11.2018 erfolgte seitens des BVwG eine telefonische Manuduktion der bP. Mit Mail der bP vom 19.11.2018 zog die bP den Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung zurück.
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.
Das Schreiben der bP vom 19.11.2017 ist eindeutig formuliert und lässt keine Zweifel am Willen der bP, den verfahrenseinleitenden Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung zurück zu ziehen.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
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Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBl 51/1991 idgF
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Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
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Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl Nr. 283/1990 idgF
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Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
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Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 2.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
2.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; ...
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 19b BEinstG hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Verfahren über Beschwerden betreffend die Feststellung der Begünstigteneigenschaft durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Bezug nehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 2.1. im Generellen und die unter Pkt. 2.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Nach Ansicht des Gerichtes liegt zwar die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes für die Prüfung der Beschwerde vor. Eine Senatszuständigkeit, wie sie im § 19b BEinstG normiert ist, wird dadurch aber nicht begründet. Dies ergibt sich u.a. aus § 28 iVm § 31 VwGVG in Zusammenschau mit der zitierten Bestimmung des BEinstG. Laut § 19b BEinstG liegt eine zwingende Senatszuständigkeit hinsichtlich Verfahren Feststellung der Begünstigteneigenschaft. vor
Im gegenständlichen Fall bedarf es aber keiner Entscheidung auf Grundlage der zitierten Bestimmung.
Schlussfolgernd liegt keine Zuständigkeit für einen Senat iSd § 19b BEinstG, sondern eine Einzelrichterzuständigkeit iSd § 6 BVwGG vor.
2.3. Eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerk) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens kommt nicht in Betracht, handelt es sich doch bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung iSd § 31 Abs. 1 VwGVG. Eine Verfahrenseinstellung ist unter anderem dann vorzunehmen, wenn die Beschwerde rechtswirksam zurückgezogen wurde (VwGH 29.04.2015, Zl. Fr. 2014/20/0047).
§ 13 Abs. 7 AVG enthält (seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998) die ausdrückliche Vorschrift, dass ein Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden kann. Der Gesetzgeber wollte § 13 Abs. 7 AVG nach dem Vorbild des § 237 ZPO einführen (so die RV 1167 BlgNR, XX GP, 26). Zu dieser Bestimmung entspricht es einhelliger Ansicht, dass die Rechtsfolgen des § 237 Abs. 3 ZPO (insbesondere also, dass die Klage als nicht angebracht anzusehen ist) automatisch mit dem Zugang der Erklärung des Klägers an das Gericht eintreten, sodass einem die Prozessbeendigung aussprechenden Beschluss nur deklarative Bedeutung zukommt (Hinweis E 21. Oktober 2005, 2002/12/0294). Auch nach der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des § 13 Abs. 7 AVG bewirkte eine Antragsrückziehung das Ende des Verfahrens, ohne dass es einer behördlichen Entscheidung bedurfte (vgl. E 29. März 2001, 2000/20/0473). Die Zurückziehung eines Antrags zieht daher - wenn sie dem Vorbild des § 237 ZPO vergleichbare Rechtswirkungen haben sollte - keinen weiteren, über die formlose Einstellung des Verfahrens hinausgehenden Akt der Behörde nach sich. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Behörde, die in der Sache zu entscheiden hat, über den verfahrensauslösenden Antrag noch keinen Bescheid erlassen hat. Ist ein Bescheid erlassen, wurde er also einer der Verfahrensparteien gegenüber rechtswirksam zugestellt, treten aber bereits Bescheidwirkungen ein, die nur durch die rechtzeitige Erhebung eines zulässigen Rechtsmittels wieder beseitigt werden können. Ist dies nicht der Fall, erhebt also keine der Verfahrensparteien ein Rechtsmittel, so werden diese Bescheidwirkungen nicht sistiert und eine Antragsrückziehung nach Erlassung eines Bescheids erweist sich als unzulässig (VwGH 25.07.2013, 3013/07/0099).
Bei den Rechtskraftwirkungen von Bescheiden wird zwischen der formellen und der materiellen Rechtskraft unterschieden. Versteht man unter formeller Rechtskraft, dass ein Bescheid durch die Parteien nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angefochten werden kann, so bezieht sich der Begriff der materiellen Rechtskraft auf die mit dem Bescheid verbundene Bindungswirkung für die Behörden und für die Parteien. Mit der materiellen Rechtskraft wird die Unabänderlichkeit (Unwiderrufbarkeit) des Bescheids verbunden; der Bescheid kann demnach von der Behörde von Amts wegen nicht mehr abgeändert oder aufgehoben werden, soweit es nicht eine Ermächtigung zur Abänderung oder Aufhebung eines Bescheids gibt. Die Unabänderlichkeit tritt aber schon mit Erlassung des Bescheids - vor der formellen Rechtskraft - ein; der noch nicht formell rechtskräftigte Bescheid darf nur auf Grund eines ordentlichen Rechtsmittels einer Partei abgeändert oder aufgehoben werden. Ab Eintritt der formellen Rechtskraft darf ein Bescheid nur aufgehoben oder abgeändert werden, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist (VwGH 25.07.2013, 3013/07/0099).
Entscheidend für die Zulässigkeit der Zurückziehung ist allein, ob ein Antrag noch unerledigt ist und daher zurückgezogen werden kann. Mit der Erlassung eines Bescheids und den damit sofort einhergehenden Rechtswirkungen ist der Antrag als erledigt anzusehen. Nur dann, wenn die materielle Rechtskraft des Bescheids dadurch beseitigt wird, dass dagegen eine - zulässige und fristgerechte - Berufung erhoben wird, ist sowohl der verfahrenseinleitende Antrag als auch der Berufungsantrag offen. Beide Anträge können dann auch bis zur Erlassung des Berufungsbescheids zurückgezogen werden. Erfolgt die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags während offener Rechtsmittelfrist, jedoch ohne Erhebung eines Rechtsmittels, so erfolgt sie zu spät und zieht keine Rechtswirkungen mehr nach sich (VwGH 25.07.2013, 3013/07/0099).
Im gegenständlichen Fall wurde von der bP zulässig und fristgerecht gegen den Bescheid der bB vom 01.12.2017 am 08.01.2018 Beschwerde erhoben, die materielle Rechtskraft damit beseitigt. Der verfahrenseinleitende Antrag der bP auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung vom 19.09.2017 war somit noch unerledigt und konnte daher zulässig durch die bP mit beim BVwG am 19.11.2018 eingelangtem Mail zurückgezogen werden.
Aufgrund des Vorliegens dieser unmissverständlichen Erklärung der bP war das Beschwerdeverfahren spruchgemäß iSd § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG einzustellen.
2.4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
In diesem Sinne ist die Revision nicht zulässig.
Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Verfahrenseinstellung, ZurückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L517.2182504.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.02.2019