TE OGH 2019/1/24 12Os155/18p

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Veröffentlicht am 24.01.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christoph G***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB aF und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 6 Hv 43/12s des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über den Antrag des Verurteilten Richard P***** auf Erneuerung des Strafverfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem am 26. März 2014 in Rechtskraft erwachsenen (ON 246), auch Schuld- und Freisprüche von sieben anderen Angeklagten enthaltenden Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 10. April 2012, GZ 6 Hv 43/12s-199, wurde Richard P***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB aF und mehrerer Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB aF schuldig erkannt.

Am 28. September 2015 begehrte Richard P***** die Wiederaufnahme des Verfahrens (ON 320). Diesen Antrag wies der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz – nach Durchführung von Erhebungen (vgl ON 346, 352 und 364) – mit Beschluss vom 7. Februar 2017 ab (ON 370).

Der dagegen gerichteten Beschwerde des Verurteilten Richard P***** (ON 371) gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 13. März 2017, AZ 1 Bs 25/17m (ON 374), nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen richtet sich der am 20. September 2017 beim Obersten Gerichtshof eingebrachte, auf eine Verletzung der „Art 6 iVm Art 5 MRK bzw Art 47 GRC“ gestützte Antrag des Richard P***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam.

Am 16. November 2017 fasste der Oberste Gerichtshof den Beschluss, die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 23. Jänner 2017 zu 13 Os 49/16d gestellten Antrag auf Vorabentscheidung abzuwarten. In diesem Ersuchen war die Rechtsfrage gestellt worden, ob das Unionsrecht dahin auszulegen sei, dass es den Obersten Gerichtshof verpflichtet, über Antrag eines Betroffenen die Überprüfung einer rechtskräftigen Entscheidung eines Strafgerichts hinsichtlich behaupteter Verletzung von Unionsrecht vorzunehmen, wenn das nationale Recht (§ 363a StPO) eine solche Überprüfung nur hinsichtlich behaupteter Verletzung der EMRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle vorsieht. Eine solche Verpflichtung hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 24. Oktober 2018 verneint (EuGH 24. 10. 2018, C-234/17, XC ua).

Mit Entscheidung des verstärkten Senats vom 30. November 2018, 13 Os 49/16d, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass ein Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens auch im erweiterten Anwendungsbereich des § 363a StPO – dessen Wortlaut folgend – nur wegen einer Verletzung der EMRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle gestellt werden kann.

Der Erneuerungsantrag ist daher schon aus diesem Grund unzulässig, soweit er eine Verletzung des Art 47 GRC releviert.

Zum Vorbringen des Erneuerungswerbers im Übrigen:

Die – hier zudem ohne weiteres Vorbringen bloß substanzlos (vgl aber RIS-Justiz RS0124359&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">RS0124359) aufgestellte – Behauptung eines Verstoßes gegen Art 5 EMRK kann nicht zum Gegenstand eines Erneuerungsantrags nach § 363a StPO gemacht werden (§ 1 Abs 2 GRBG; vgl RIS-Justiz RS0123350&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">RS0123350, RS0061089&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">RS0061089).

Weiters behauptet der Antrag – der Sache nach – eine Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK durch die (als willkürlich [vgl RIS-Justiz RS0129981] erachtete) Annahme des Beschwerdegerichts, das objektive Vorliegen einer (iSd § 84 Abs 1 StGB) schweren Körperverletzung sei für die Subsumtion des dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Verhaltens nach § 87 Abs 1 StGB nicht entscheidend (vgl dazu 12 Os 119/06a [verst Senat]; RIS-Justiz RS0122138; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 645), weshalb das (nur objektive) Nichtvorliegen einer solchen indizierende neue Beweismittel nicht Gegenstand einer Wiederaufnahme des Verfahrens wären (vgl RIS-Justiz RS0119249; Lewisch, WK-StPO § 353 Rz 8). Dabei übersieht der Beschwerdeführer, dass Art 6 EMRK im Verfahren betreffend die Wiederaufnahme eines früheren Verfahrens – mangels Entscheidung über eine „strafrechtliche Anklage“ (vgl dazu Meyer-Ladewig/Harrendorf/König in Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer EMRK4 Art 6 Rz 23 ff) – keine Anwendung findet (RIS-Justiz RS0105689&SkipToDocumentPage=True">RS0105689, RS0123200&SkipToDocumentPage=True">RS0120762).

Der Erneuerungsantrag war somit – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 363b Abs 1 und Abs 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung als unzulässig zurückzuweisen.

Textnummer

E123955

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00155.18P.0124.000

Im RIS seit

11.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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