TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/23 L508 2133955-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.10.2018
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Entscheidungsdatum

23.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L508 2133955-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA. Pakistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2016, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger aus Pakistan und der Volksgruppe der Bhatti sowie der schiitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 06.04.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 5).

2. Im Rahmen der Erstbefragung am 07.04.2013 (AS 9 - 19) gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er einerseits wegen seines schiitischen Glaubens verfolgt und mit dem Tode bedroht werden würde. Des Weiteren hätte er mit Dorfbewohnern Grundstücksstreitigkeiten. Diese würden ihn auch bedrohen.

3. Im Rahmen einer Einvernahme im Asylverfahren vor dem Bundesasylamt (nachfolgend: BAA) am 29.05.2013 (AS 57 - 79) gab der BF zu seinen Ausreisegründen befragt zu Protokoll, dass er - als Vorstand der schiitischen Dorfvereinigung - Streit mit der sunnitischen Dorfvereinigung gehabt habe. Man habe ihnen untersagt, das Pferd rauszuholen und solche Sachen. Im Zuge dieses Streits sei er auch angeschossen worden.

Nachgefragt zu Details gab der BF unter anderem zu Protokoll, dass der Streit im Jahr 2001 begonnen hätte. Die Sunniten hätten nicht gewollt, dass die Schiiten das Pferd herumführen. Seitens der Regierung hätten sie aber eine Erlaubnis, das Pferd entlang einer bestimmten Route herumzuführen. Ende April 2011 sei er dann neben der schiitischen Moschee im Dorf angeschossen worden. Im Zuge eines Streits sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen. Einer der Gegner habe eine Pistole hervorgeholt. Als ein Schiit versucht habe, ihn davon abzuhalten, habe sich im Gerangel ein Schuss gelöst und zufällig ihn am Fuß getroffen. Bei dem Streit seien einhundert Personen anwesend und zwanzig bis fünfundzwanzig Personen beteiligt gewesen. Dieser Streit hätte sich am Tag der beabsichtigten Prozession - dem vierzigsten Trauertag von Imam HUSSEIN - ereignet. Diese Feier finde immer am selben Tag statt. Die Feier sei am 24. Safar. Das westliche Datum hierfür kenne er nicht. Die Täter seien nach zwei bis vier Tagen in Haft gegen Bezahlung freigekommen. Er sei an der rechten Wade verletzt worden. Der Täter sei schräg rechts vor ihm - ca. vier Meter entfernt - gestanden. Es sei nur ein Schuss gefallen. Er sei achtzehn Tage im Spital gewesen und habe einen Verband, Injektionen und Tabletten bekommen. Erst nach einem Monat habe er normal gehen können. Den Grundstücksstreit habe sein Vater mit dessen Verwandten gehabt. Als Söhne seien sie miteinbezogen worden.

Im Übrigen wurden dem BF die vom BAA herangezogenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Pakistan zur Kenntnis gebracht und gab er hierzu folgende Stellungnahme (AS 73 - 75) ab: "In Pakistan herrscht viel Korruption, arme Leute werden nicht unterstützt und Shiiten werden in Pakistan immer wieder Ziel von Anschlägen."

4. Vom BAA wurde ein fachärztliches unfallchirurgisches Gutachten von XXXX, Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie, zur Frage, ob die vom Beschwerdeführer angegebenen "Misshandlungen" objektivierbar seien und ob der dafür angegebene Zeitraum glaubhaft nachvollzogen werden könne, in Auftrag gegeben (AS 87 - 101). Der medizinische Sachverständige führte in seinem Gutachten vom 14.07.2013 nach einer persönlichen Untersuchung des BF Nachfolgendes aus: "[...] Die beim AW vorhandenen Narben am rechten Unterschenkel sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch Verbrennung (z.B. Anhalten von brennenden Zigarren, glühenden Holzstücken, Ankommen an heissen Teilen eines Mopeds etc) entstanden, wobei damals nicht alle Hautschichten betroffen waren.

Die Narbenbildung ist zum heutigen Zeitpunkt komplett abgeschlossen, sodass eine Entstehung vor zumindest 18-24 Monaten anzunehmen ist.

Gegen die Schußverletzung sprechen folgende Tatsachen:

* Ein- und Ausschuß sind gleich groß

* Defektbildung am sog. Ausschuß

* Schußkanal entspricht nicht den Angaben des AW

* Sonographisch ist der Schußverlauf (Bindegewebs- bzw. Muskelnarben) nicht zu sehen

* Kaliber des Geschoßes mit einer Pistole nicht vereinbar

* Bei perforierender Wunde müßte die Narbe weiß sein, da die Pigmentschicht zerstört wäre

* Die geschilderte medizinische Versorgung ist komplett unglaubwürdig [...]"

5. Das fachärztliche unfallchirurgische Gutachten vom 14.07.2013 wurde dem BF im Zuge einer weiteren Einvernahme vor dem BAA (AS 125 - 135) am 28.08.2013 zur Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt. Der BF führte aus, dass auf ihn geschossen worden sei. Es gebe keinen Grund, weshalb er lügen sollte. Es sei geschossen worden und könne man ihn nochmals untersuchen lassen. Der Arzt habe von ihm verlangt, dass er gehe und dieser habe gesehen, dass es ohne Probleme nicht möglich sei.

Auf einen entsprechenden Vorhalt aus dem Gutachten, wonach der Barfußgang des BF raumgreifend elastisch ohne zu Hinken sei und der Zehenballen- und der Fersengang beidseits frei möglich seien, erwiderte der BF: "Was soll ich dazu sagen, der Arzt hat verlangt, dass ich auf dem Fußballen und auf den Zehenspitzen gehe, das war mir aber nicht möglich."

Sein Fuß sollte nochmal gescannt werden. Dann würde man sehen, dass er angeschossen worden sei.

Im Übrigen brachte der BF in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 28.08.2013 eine Polizeibestätigung in Kopie (AS 137 [Übersetzung: AS 183]), ein Schreiben eines schiitischen Zentrums im Original (AS 141 [Übersetzung: AS 155]) und einen Mitgliedsausweis bezüglich einer schiitischen Gruppierung im Original (AS 139) in Vorlage.

6. Am 08.08.2016 wurde der BF nochmals vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) niederschriftlich zu seiner privaten und familiären Situation in Österreich einvernommen (AS 193 - 201).

Zudem wurden dem BF die vom BFA herangezogenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Pakistan zur Kenntnis gebracht und gab er hierzu folgende Stellungnahme (AS 197 - 199) ab: "Ich bin seit drei Jahren und vier Monaten an demselben Ort. Ich habe immer die Wahrheit gesagt. Ich bitte sie, mich hier bleiben zu lassen."

7. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2016 (AS 203 - 279) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Die belangte Behörde würdigte das Fluchtvorbringen für unglaubwürdig. Im Rahmen einer Eventualbegründung wurde zudem ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer bei Glaubhaftunterstellung seines Vorbringens die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative offen stünde. Des Weiteren wurde begründend dargelegt, warum nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

8. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2016 (AS 283, 284) wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

9. Gegen den oa. Bescheid des BFA erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz vom 16.08.2016 (AS 305 - 312) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

9.1. Zunächst wurde das bisherige Vorbringen kurz wiederholt und moniert, dass seitens des Bundesamtes die Ermittlungspflichten nach § 18 AsylG nicht erfüllt worden seien.

9.2. Zur Beweiswürdigung wurde ausgeführt, dass das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz aufgrund der dem BF vorgehaltenen Unglaubwürdigkeit hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. abgewiesen habe. Diese Feststellung basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und verletzte § 60 AVG.

Bereits aufgrund der vom BFA herangezogenen Länderberichte sei offensichtlich, dass bei einer Rückkehr eine maßgebliche Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK drohe, zumal die Taliban weiterhin regelmäßig Anschläge in Belutschistan, Khyber-Pakhtunkhwa und in den Wirtschaftsmetropolen Karachi und Lahore verüben würden. Als Angehöriger des schiitischen Glaubens sei der BF besonders von Verfolgung durch sunnitische Extremisten, welche in weiten Teilen des Landes teils verheerende Übergriffe verüben würden, betroffen. Auch im Heimatdorf des BF würden die Schiiten die Minderheit darstellen und sei der vom BF ins Treffen geführte Zusammenstoß mit der gewaltbereiten sunnitischen Gruppe auch als Teil der konfessionellen und in zahlreichen Fällen auch tödlichen Konflikte im Land zu sehen.

Hätte das BFA den BF seinen Ermittlungspflichten entsprechend befragt, so hätte er bereits im Zuge seiner Einvernahme seine Fluchtgründe detaillierter schildern können.

Zudem halte die erkennende Behörde dem BF teilweise Widersprüche vor, wo diese überhaupt nicht vorgelegen seien. So sei dem Bescheid auf Seite 68 zu entnehmen: "... Gaben Sie noch an, dass 20 bis 50 aus einer Moschee gekommen und einer davon auf Sie geschossen hätte, ist der Anzeigebestätigung zu entnehmen, dass 20 bis 25 Personen entlang gegangen wären, wobei es zu einem Gerangel und der sich daraus ergebenden Schussabgabe gekommen wäre. ..." Der BF habe jedoch auch in der niederschriftlichen Einvernahme von 20 bis 25 Personen gesprochen, welche auf sunnitischer Seite an der Auseinandersetzung beteiligt gewesen seien (Bescheid, Seite 6) und sei somit der dem BF entgegen gehaltene Widerspruch nicht gegeben.

Auch dem BF vorgehaltene Widersprüche betreffend den Zeitraum zwischen fluchtauslösendem Ereignis und Ausreise könnten angesichts der bis zur niederschriftlichen Einvernahme verstrichenen Zeit und der psychischen Belastung, welche der Vorfall beim BF ausgelöst habe, nicht derart gravierend sein, dass dem BF deswegen die Glaubwürdigkeit gänzlich zu versagen gewesen wäre.

Der Vorhalt, wonach der BF angegeben habe, direkt vom Heimatdorf aus die Reise nach Europa angetreten zu haben, wohingegen er später in der Einvernahme ausgesagt hätte, dass er die letzten vier bis fünf Monate vor seiner Ausreise noch bei Verwandten gewohnt hätte, lasse sich ebenfalls leicht aufklären. Bereits am Ende der niederschriftlichen Einvernahme habe der BF versucht klarzustellen, dass sich das Haus der Verwandten praktisch in unmittelbarer Nachbarschaft zu jenem seiner Familie befinde und könne daher darin ebenfalls kein Widerspruch zur ersten Aussage, er wäre direkt aus seinem Heimatort abgereist, erblickt werden.

9.3. Der pakistanische Staat sei nicht willens und nicht in der Lage, ihn vor Verfolgung zu schützen. Hätte das BFA seine Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt angemessen gewürdigt und rechtlich richtig beurteilt, hätte es dem BF den Status des Asylberechtigten zuerkennen müssen.

9.4. Aus den Länderberichten ergebe sich, dass die Sicherheitslage in ganz Pakistan insbesondere für Angehörige der schiitischen Minderheit äußerst gefährlich sei. Eine Rückkehr nach Pakistan würde daher eine Verletzung von Artikel 2 und Artikel 3 EMRK darstellen. Wie bereits dargelegt, bestehe weder ein effektiver Schutz, noch stehe dem BF eine innerstaatliche Fluchtalternative offen und wäre diesem daher jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen. Hätte das BFA demnach seine Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, hätte dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen.

9.5. Die belangte Behörde habe das Prinzip des Refoulementverbots verletzt, indem es ausgesprochen habe, dass eine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei.

9.6. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei aufgrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zwingend geboten. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Rechtsprechung des VfGH betreffend Art. 47 GRC zur Zahl U 466/11 und U 1836/11 vom 14.03.2012 verwiesen. Im gegenständlichen Fall liegt der unionsrechtliche Bezug

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der zur Anwendung des Art. 47 GRC führt - in der Rückkehr-RL, der Qualifikations-RL und der Verfahrens-RL. Daher kommen die Verfahrensgarantien des Art. 6 EMRK - unter Maßgabe des Art. 47 GRC

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im Beschwerdeverfahren zur Anwendung. Diesbezüglich verlangte der EGMR in der jüngsten Entscheidung Denk gegen Österreich, 05.12.2013, 23396/09, zwingend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wenn die Rechtssache erstmals von einem Gericht entschieden wird und die Durchführung ausdrücklich beantragt wird (vgl. Denk gegen Österreich Rz 18).

9.7. Abschließend wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

* die angefochtene Entscheidung - allenfalls nach Verfahrensergänzung - beheben und dem BF den Status eines Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 AsylG zuerkennen;

* eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen;

* falls nicht alle zu Lasten des BF gehenden Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde geltend gemacht worden seien, diese amtswegig aufgreifen;

* in eventu den angefochtenen Bescheid des BFA - allenfalls nach Verfahrensergänzung - hinsichtlich Spruchpunkt II. beheben und dem BF den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG gewähren;

* in eventu den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes III. aufheben bzw. dahingehend abändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und dem BF ein Aufenthaltstitel gem. § 55 AsylG erteilt werde;

* in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen.

9.8. Mit diesem Rechtsmittel wurde jedoch kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

10. Mit Schreiben vom 16.09.2016 (OZ 3) übermittelte der BF an das Bundesverwaltungsgericht in Kopie eine ärztliche Bestätigung zum Beweis für seinen stationären Krankenhausaufenthalt.

11. Am 21.10.2016 langten per Telefax nochmals die bereits in Vorlage gebrachte Polizeibestätigung in Kopie und das Schreiben eines schiitischen Zentrums in Kopie beim Bundesverwaltungsgericht ein (OZ 6). Zudem brachte der BF eine Namensliste mit Unterstützern in Vorlage.

12. Aufgrund aktuellerer Länderfeststellungen zur Islamischen Republik Pakistan wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes mit Schreiben vom 10.09.2018 (OZ 9Z) gem. § 45 (3) AVG Beweis erhoben, dh. den Parteien des Verfahrens das Ergebnis der Beweisaufnahme zugestellt und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt; somit wurde insbesondere aufgrund der vorliegenden aktuelleren Feststellungen zur Islamischen Republik Pakistan (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle vgl. etwa Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß - im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997 - das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) bestätigt, dass die Feststellungen des BFA nach wie vor gültig sind (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise in diesem speziellen Fall einer sonst schlüssigen und umfassenden Beweiswürdigung des Bundesasylamtes siehe Erkenntnis des VwGH vom 17.10.2006, Zahl: 2005/20/0459-5, ebenso Beschluss des VwGH v. 20.6.2008, Zahl 2008/01/0286-6; vgl. auch Erk d. VfGH v. 10.12.2008,

U 80/08-15, wo der unterlassene schriftliche Vorhalt an den BF nach dem Verstreichen eines mehrjährigen Zeitraumes seit der Einbringung eines Rechtsmittels gegen den angefochtenen Bescheid in Bezug auf die aktuelle asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat und die Einräumung der Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen [neben dem zusätzlichen Unterlassen der Durchführung einer Verhandlung] ausdrücklich als Akt der behördlichen Willkür bezeichnet wurde und hieraus e contrario ableitbar ist, dass aus der Sicht des VfGH die Durchführung einer schriftlichen Beweisaufnahme gem. § 45 AVG im hier erörterten Umfang einen tauglichen Ermittlungsschritt darstellen kann, welcher das erkennende Gericht von der Verpflichtung zur Durchführung einer Verhandlung in gewissen Fällen befreien kann. Ein solcher Fall liegt hier vor.)

Gleichzeitig wurde der BF, binnen selbiger Frist, um Bekanntgabe ersucht, ob sich hinsichtlich seines Privat- oder Familienlebens seit Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides Änderungen ergeben haben bzw. aufgefordert seine derzeitige Lebenssituation in Österreich schriftlich darzustellen und gegebenenfalls durch geeignete Bescheinigungsmittel zu belegen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ließ diese Frist zur Stellungnahme ungenützt verstreichen.

13. Mit Telefax vom 25.09.2018 (OZ 10) legte der BF eine Einstellungszusage vom 24.10.2018 (offenbar richtig: vom 24.09.2018), ein Empfehlungsschreiben vom 24.09.2018 und eine ärztliche Überweisung vom 20.09.2018 an eine Gruppenpraxis für Radiologie vor.

14. Im Rahmen einer Stellungnahme vom 27.09.2018 (OZ 11) wurde seitens des Beschwerdeführers ausgeführt, dass er sich seit über fünf Jahren im Bundesgebiet befinde. Er sei sehr gut integriert und lerne sei etwa acht Monaten ein- bis zweimal in der Woche mit einer privaten Lehrerin die deutsche Sprache. Er sei fleißig und arbeitswillig. Hierzu sei bereits ein Empfehlungsschreiben vom 24.09.2018 und eine Arbeitszusage übermittelt worden. Zudem werde mit der Stellungnahme eine Beschäftigungszusage übermittelt, in welcher Ing. XXXX bestätige, den BF ab Frühjahr 2019 als Arbeiter in seinem Unternehmen zu beschäftigen. Der BF habe hier viele - auch österreichische - Freunde gefunden. Seine Freizeit verbringe der BF unter anderem damit, neben seinen Hilfstätigkeiten in seiner Unterkunft, ehrenamtlich auch anderen Personen im Dorf zu helfen und diese bei diversen Tätigkeiten zu unterstützen. Wenn es ihm möglich sei, besuche er die schiitische Gemeinschaft in Wien.

Der BF habe in den letzten Jahren zwei operative Eingriffe wegen Nierensteinen gehabt. Der BF befinde sich in medizinischer Behandlung und nehme Medikamente.

Was die Verfolgung von Schiiten und staatlichen Schutz betrifft, so gehe aus den vom BFA übermittelten Länderberichten hervor, dass militante Gruppen Angriffe auf Schiiten durchgeführt hätten. Pakistanische Taliban und andere terroristische Vereinigungen hätten in der vergangenen Dekade geschätzt 25.000 schiitische Muslime getötet. Auch sei Korruption weiterhin weit verbreitet. Zusätzlich wurden in diesem Zusammenhang auszugsweise weitere Länderberichte (U.S. Commission on international religious freedom, 2018 Annual Report, April 2018 und ACCORD: Anfragebeantwortung zu Pakistan:

Staatlicher Schutz bei Bedrohung durch nicht-staatliche Gruppen und Terrorismus, insbesondere in der Provinz Punjab) zitiert, wonach religiöse Minderheiten, wie die Schiiten, weiterhin Angriffen und Diskriminierungen von extremistischen Gruppen und der Gesellschaft ausgesetzt seien. Diese Angriffe würden ein allgemeines Sicherheitsproblem darstellen. Der pakistanische Staat schütze die religiösen Minderheiten nicht und verfolge Angriffe ihnen gegenüber nicht effektiv.

Zur Sicherheits- und Versorgungslage in Pakistan und im Punjab wurde zunächst ebenfalls auszugsweise auf die vom BFA übermittelten Länderberichte verwiesen und erläutert, dass insofern in diesen angemerkt werde, dass im Jahr 2017 14 Anschläge mit 61 Todesopfern verzeichnet worden sein, dem die aktuelle ACLED entgegengehalten werden dürfe, aus dem hervorgehe, dass es im Punjab 837 Vorfälle und 215 Todesopfer gegeben habe. Im Länderinformationsblatt werde auch ausgeführt, dass rund ein Drittel der registrierten IDPs keinen Zugang zu Trinkwasser gehabt habe, zwei Drittel habe es an ausreichender Nahrung gefehlt. Als weitere Problembereiche würden unzureichende Unterbringung und mangelnde Gesundheitseinrichtungen sowie generell die ungenügende Infrastruktur aufgelistet. Dem BF stehe daher auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

Schließlich gehe aus den Länderberichten hervor, dass die medizinische Versorgung in weiten Landesteilen unzureichend sei. Es fehle in der Regel an qualifizierten Personal, Arzneimitteln und Medizinbedarf. Es dürfe auch darauf hingewiesen werden, dass es keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen für Rückkehrer gebe.

Schließlich fänden sich im übermittelten Länderinformationsblatt keine Berichte zu Grundstücksstreitigkeiten. Hierzu dürfe auf die Judikatur des VfGH hingewiesen werden, die fordere, dass die Länderfeststellungen nicht nur allgemein gehalten sein dürfen, sondern sich mit der konkreten Situation des BF befassen müssen.

Der Stellungnahme sind - jeweils in Kopie - eine Beschäftigungszusage vom 27.09.2018 und ein Konvolut an medizinischen Unterlagen angeschlossen.

15. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des BFA unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des Bescheidinhaltes, des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde sowie des ergänzenden Ermittlungsverfahrens.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes sowie des ergänzenden Ermittlungsverfahrens.

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

2.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und dessen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger gehört der Volksgruppe der Bhatti an und ist schiitischen Glaubens.

Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat und seinem Wohnort, sowie des Umstandes, dass der Antragsteller zwei für Pakistan gebräuchliche Sprachen spricht sowie aufgrund seiner Kenntnisse über Pakistan ist festzustellen, dass es sich bei ihm um einen pakistanischen Staatsangehörigen handelt.

Die Mutter des BF ist bereits verstorben. Der Vater, die Ehegattin nach islamischem Recht, zwei Kinder und mehrere Geschwister des BF leben nach wie vor in Pakistan.

Der von ihm vorgebrachte Fluchtgrund (Bedrohung und Verfolgung wegen seines Glaubens durch die sunnitische Dorfvereinigung und wegen Grundstücksstreitigkeiten durch andere Dorfbewohner) wird mangels Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens nicht festgestellt. Es kann sohin nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus Gründen der GFK asylrelevant verfolgt bzw. dessen Leben bedroht wurde beziehungsweise dies im Falle einer Rückkehr nach Pakistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintreffen könnte.

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde.

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland festgestellt werden.

Selbst wenn man sein gesamtes Vorbringen als wahr unterstellen und daher annehmen würde, dass der BF wegen seines Glaubens durch die sunnitische Dorfvereinigung und wegen Grundstücksstreitigkeiten durch andere Dorfbewohner bedroht und verfolgt worden war, muss diesbezüglich festgestellt werden, dass sein Vorbringen keine Asylrelevanz entfalten würde (siehe rechtliche Würdigung zur Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative), zumal der Beschwerdeführer jedenfalls bei Grundstücksstreitigkeiten mit anderen Dorfbewohnern und der Bedrohung und Verfolgung wegen seines Glaubens durch die sunnitische Dorfvereinigung eine innerstaatliche Fluchtalternative in Anspruch nehmen kann und wäre dem BF jedenfalls auch eine Rückkehr nach Islamabad möglich und zumutbar. Es wären dort die existentiellen Lebensgrundlagen des Beschwerdeführers angesichts einer finanziellen Unterstützung durch seine in Pakistan lebenden Familienmitglieder (etwa Vater, Ehegattin nach islamischem Recht und Geschwister) - etwa durch Überweisungen - oder durch Aufnahme einer eigenen beruflichen Tätigkeit gesichert. In Anbetracht der Quellenlage sowie den vom Bundesverwaltungsgericht bei der Bearbeitung ähnlich gelagerter, Pakistan betreffender Verfahren gewonnenen Wahrnehmungen leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität in größeren Städten sicherer als auf dem Land. Selbst Menschen, die die Polizei wegen Mordes sucht, können in einer Stadt unbehelligt leben, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt (AA 21.08.2018). Die Hauptstadt Pakistans, Islamabad, gilt als vergleichsweise sicher. Das Hauptstadtterritorium Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten im Jahr 2016 (PIPS 1.2017). Im Jahr 2017 verzeichnete das Hauptstadtterritorium Islamabad drei Anschläge mit zwei Todesopfern. Zwei der Anschläge waren religiös-sektiererisch motiviert und richteten sich gegen Schiiten (PIPS 1.2018). Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen terroristischen Angriff (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018), weshalb hier von einer stabilen Sicherheitslage auszugehen ist. Diese Stadt ist für den Beschwerdeführer auch direkt erreichbar.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung. Beim BF wurden in Österreich zweimal Nierensteine diagnostiziert, weshalb zwei operative Eingriffe erfolgten. Des Weiteren erfolgt eine medikamentöse Behandlung und werden Kontrolluntersuchungen vorgenommen. Die letzte Überweisung an eine Gruppenpraxis für Radiologie stammt vom 20.09.2018. Aktuelle ärztliche bzw. medizinische Befunde, welche eine Behandlung in Österreich erforderlich erscheinen lassen, hat der BF jedoch nunmehr nicht in Vorlage gebracht.

Der BF lebte bis vor seiner Ausreise im Distrikt Sheikhupura im Nordosten der pakistanischen Provinz Punjab. Der BF hat in Pakistan die (Grund-)schule besucht, Schweißer/ Maler/ Anstreicher gelernt und ein Geschäft für Baumaterialien betrieben, welches er vor seiner Ausreise an einen Bruder verkaufte. Der BF verließ etwa zwischen Herbst 2011 und Frühling 2012 Pakistan und reiste nach einem längeren Aufenthalt in Griechenland Anfang April 2013 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich. In Österreich halten sich keine Verwandten des BF auf. Der BF befindet sich in der Grundversorgung und lebt von staatlicher Unterstützung. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF selbsterhaltungsfähig ist und über umfassende Deutschkenntnisse verfügt. Der BF erhält seit etwa Anfang 2018 einbis zweimal pro Woche Deutschunterricht von einer privaten Lehrerin. Bislang wurden aber weder eine Bestätigung über einen Deutschkursbesuch, noch eine Bestätigung über eine diesbezüglich erfolgreich abgelegte Prüfung in Vorlage gebracht. Er knüpfte normale soziale Kontakte und brachte ein Empfehlungsschreiben sowie eine Namensliste mit Unterstützern in Vorlage. Der BF verfügt über zwei Einstellungszusagen. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

Er hat mit Ausnahme seines nunmehrigen Aufenthalts in Europa sein Leben zum überwiegenden Teil in Pakistan verbracht, wo er sozialisiert wurde und wo sich nach wie vor seine nächsten Verwandten aufhalten.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr wieder bei seiner Familie wohnen wird können. Davon abgesehen ist der Beschwerdeführer als arbeitsfähig und -willig anzusehen. Der Beschwerdeführer spricht Punjabi und Urdu.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Pakistan festzustellen ist.

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan war insbesondere festzustellen:

Zur Lage in der Islamischen Republik Pakistan werden insbesondere folgende, - im Zuge der vorgenommenen Beweisaufnahme (siehe oben, Punkt I.12.) in das Verfahren eingeführte -, Länderfeststellungen dem Verfahren zugrunde gelegt:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 18.7.2018: Anschläge und Proteste im Vorfeld der Wahlen am 25.7.2018

Im Vorfeld der Wahlen am 25. Juli 2018 kam es zu zahlreichen Anschlägen mit Todesopfern (Dawn 13.7.2018a).

Am 13. Juli sind bei einem Selbstmordanschlag in Mastung, Provinz Belutschistan, nach offiziellen Angaben 149 Menschen ums Leben gekommen und über 200 Menschen verletzt worden (CNN 16.7.2018). Das Attentat hatte einer Veranstaltung der Baluchistan Awami Partei gegolten (Dawn 13.7.2018a; vgl. ORF 13.7.2018, CNN 16.7.2018). Es ist der schwerste Anschlag in Pakistan seit vielen Jahren - ähnlich viele Tote gab es zuletzt beim Angriff der Taliban auf die Armeeschule in Peschawar im Dezember 2014 mit ca. 150 Toten (Standard 14.7.2018) - und der Terrorangriff mit den zweitmeisten Todesopfern in der Geschichte Pakistans (CNN 16.7.2018). Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (ORF 13.7.2018; vgl. CNN 16.7.2018, Standard 14.7.2018), ebenso wie die Ghazi-Gruppe der radikalislamischen Taliban (Standard 14.7.2018). In Folge des Anschlages wurden die Wahlen im Wahlkreis PB-35 (Mastung) verschoben (Nation 14.7.2018).

Ebenfalls am 13. Juli wurden in Bannu [Provinz Khyber Pakhtunkhwa, nahe der Grenze zu den ehem. Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA)] bei einem Anschlag auf eine Wahlkampfveranstaltung des Chief Minister der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Akram Khan Durrani, vier Menschen getötet und 32 Menschen verletzt (Express Tribune 13.7.2018; vgl. News 13.7.2018). Durrani wurde bei dem Anschlag nicht verletzt (Express Tribune 13.7.2018; vgl. Dawn 13.7.2018b). Durrani tritt im Wahlkreis NA-35 (Bannu) als Kandidat der Partei Muttahida Majlis-i-Amal (MMA) an (Dawn 13.7.2018b; vgl News 13.7.2018). Ebenfalls in Bannu wurden wenige Tage zuvor am 7.7. bei einem Bombenangriff auf einen Konvoi des Kandidaten der Muttahida Majlis-i-Amal (MMA) für den Wahlkreis PK-89, Sherin Malik, sieben Personen, darunter der Kandidat, verletzt (Dawn 7.7.2018).

Am 10. Juli wurden bei einem Selbstmordanschlag in Peschawar, Hauptstadt der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, 22 Menschen getötet und 63 Personen verletzt (CNN 11.7.2018; vgl. Nation 11.7.2018). Unter den Toten befindet sich Haroom Bilour, Provinzvorsitzender der Awami National Party (ANP) (Dawn 10.7.2018a) und Kandidat für den Wahlkreis Peschawar PK-78 (Nation 11.7.2018; vgl. Dawn 10.7.2018a). Die Pakistanischen Taliban haben sich zu dem Anschlag bekannt (Dawn 10.7.2018a; vgl. CNN 11.7.2018). Die ANP war bereits im Vorfeld der Wahlen 2013 ein Hauptziel der Taliban (Nation 11.7.2018). Gemäß Angaben der Taliban wurde der Angriff auf Bilour aufgrund deren "anti-islamischen Politik" durchgeführt (Dawn 10.7.2018a; vgl. CNN 11.7.2018). Die Behörden gaben an, dass der Bombenanschlag ein gezieltes Attentat auf Haroom Biloor gewesen sei. Als Folge des Angriffes wurden die Wahlen im Wahlkreis PK-78 verschoben (Dawn 10.7.2018a).

Am 13. Juli kehrten der ehemalige Premierminister Nawaz Sharif und seine Tochter Maryam aus Großbritannien nach Pakistan zurück. Sie wurden bei ihrer angekündigten Ankunft am Flughafen Lahore verhaftet, nachdem sie eine Woche zuvor wegen Korruption in Abwesenheit zu zehn bzw. sieben Jahren Haft verurteilt wurden (CNN 13.7.2018; vgl. New York Times 13.7.2018). In Lahore kam es zu Protesten von Anhängern der Partei Pakistani Muslim League-Nawaz (PML-N), die vom ehemaligen Chief Minister der Provinz Punjab und derzeitigem Parteiführer der PML-N Shahbaz Sharif - Bruder des ehemaligen Premierministers - angeführt wurden (CNN 13.7.2018). Im Vorfeld der angekündigten Proteste wurden etwa 500 Mitglieder der PML-N von den Sicherheitskräften verhaftet (CNN 13.7.2018).

Am 9. Juli veröffentlichte die Nationale Behörde für Terrorismusbekämpfung (National Counter Terrorism Authority - NACTA) die Namen von sechs Persönlichkeiten, für die besondere Gefahr durch terroristische Angriffe bestünde: Imran Khan, Vorsitzender der Pakistan Tehreek-i-Insaf; Asfandyar Wali und Ameer Haider Hoti, Vorsitzende der Awami National Party; Aftab Sherpao, Vorsitzender der Qaumi Watan Party; Akram Khan Durrani, Vorsitzender der Jamiat Ulema-i-Islam-Fazl; und Talha Saeed, Sohn von Hafiz Saeed. Weitere Bedrohungen bestünden gegen die Führungsebenen der Pakistan Peoples Party und der Pakistan Muslim League-Nawaz. Das Innenministerium wurde angewiesen, die Sicherheitsvorkehrungen für die Parteiführungen zu erhöhen (Dawn 10.7.2018b). Für den Wahltag am 25.7. werden etwa 372.000 Sicherheitskräfte eingeteilt, um einen sicheren Ablauf der Wahl zu gewährleisten (CNN 11.7.2018; vgl. Nation 14.7.2018).

Quellen:

* CNN (11.7.2018): Pakistani Taliban claims responsibility for deadly election suicide attack, https://edition.cnn.com/2018/07/11/asia/pakistan-peshawar-taliban-suicide-attack-intl/index.html, Zugriff 17.7.2018

* CNN (13.7.2018): Former Pakistani Prime Minister Nawaz Sharif arrested after return,

https://edition.cnn.com/2018/07/13/asia/nawaz-maryam-sharif-return-intl/index.html, Zugriff 17.7.2018

* CNN (16.7.2018): At least 149 killed in Pakistan terror strike targeting political rally,

https://edition.cnn.com/2018/07/13/asia/pakistan-suicide-attack-balochistan-intl/index.html, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (10.7.2018a): TTP claims responsibility for Peshawar blast; ANP's Haroon Bilour laid to rest, https://www.dawn.com/news/1419202, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (10.7.2018b): Nacta names six politicians under threat from terrorists, https://www.dawn.com/news/1419042, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (13.7.2018): Mastung bombing: 128 dead, over 200 injured in deadliest attack since APS, IS claims responsibility, https://www.dawn.com/news/1419812, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (13.7.2018b): Blast targets convoy of JUI-F leader Akram Khan Durrani in Bannu, 4 killed,

https://www.dawn.com/news/1419792/blast-targets-convoy-of-jui-f-leader-akram-khan-durrani-4-killed, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (7.7.2018): 7 including MMA candidate injured in Bannu blast, https://www.dawn.com/news/1418562, Zugriff 17.7.2018

* Express Tribune, the (13.7.2018): Four die as blast targets Durrani,

https://tribune.com.pk/story/1756834/1-least-four-killed-16-injured-akram-durranis-convoy-comes-attack/, Zugriff 17.7.2018

* Nation, the (11.7.2018): Peshawar attack: death toll rises to 22, https://nation.com.pk/11-Jul-2018/peshawar-attack-death-toll-increase-to-20, Zugriff 17.7.2018

* Nation, the (14.7.2018): BAP candidate among 128 killed in Mastung blast,

https://nation.com.pk/14-Jul-2018/bap-candidate-among-128-killed-in-mastung-blast?show=preview/, Zugriff 17.7.2018

* News, the (13.7.2018): Four killed in bomb attack on Akram Durrani's rally in Bannu,

https://www.thenews.com.pk/latest/341264-several-injured-in-bomb-attack-near-convoy-of-ex-kp-cm-akram-durrani, Zugriff 17.7.2018

* ORF (13.7.2018): Anschlag in Pakistan: Zahl der Opfer steigt auf 128, http://www.orf.at//stories/2446861/, Zugriff 17.7.2018

* Standard, der (14.7.2018): Nach Selbstmordanschlag: Zahl der Toten steigt auf 140,

https://derstandard.at/2000083427458/Zwei-Bomben-im-pakistanischen-Wahlkampf-mindestens-20-Tote, Zugriff 17.7.2018

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat der sich aus den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zusammensetzt. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") ist eine eigene Verwaltungseinheit unter Bundesverwaltung. Für die "Federally Administered Tribal Areas" (FATA, Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) bestimmte bis 28.5.2018 die pakistanische Verfassung, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze nur dann gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet (AA 10.2017a). Am 28.5.2018 unterzeichnete Präsident Mamnoon Hussain die FATA Interim Governance Regulation 2018, die etwa zwei Jahre lang gültig sein wird (NHT 28.5.2018). Am 31.5.2018 wurden die FATA mit Khyber Pakhtunhkhwa vereinigt und die ehemaligen Stammesgebiete werden mittels der FATA Interim Governance Regulation durch die Provinz Khyber Pakhtunkhwa verwaltet (Geo.tv 31.5.2018).

Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10.2017a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan 207.774.520 Einwohner (PBS 2017a) ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit Baltistan (TET 25.7.2018). Das Land ist laut CIA World Factbook der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 23.2.2018).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform ("Eighteenth Amendment of the Constitution of Pakistan") verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10.2017a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 10.2017a).

Seit 1.8.2017 ist der bisherige Ölminister Shahid Khaqan Abbasi (von der Regierungspartei PML-N) neuer Ministerpräsident. Der bisherige Ministerpräsident Nawaz Sharif war am 28.8.2017 vorzeitig zurückgetreten, nachdem Pakistans Oberster Gerichtshof Sharifs Amtsenthebung angeordnet hatte. Grundlage für die Amtsenthebung ist das Verschweigen von Einkommen aus einer ausländischen Firmenbeteiligung, die Sharif der Wahlkommission bei seiner Registrierung als Kandidat 2013 hätte anzeigen müssen. Die Korruptionsvorwürfe gegen Sharif und seine Familie sind mit der "Panama-Papers-Affäre" verbunden (AA 10.2017a). Im April 2018 wurde Nawaz Sharif von einem fünfköpfigen Anti-Korruptionsgericht auf Lebenszeit von der Übernahme eines öffentlichen Amtes gesperrt (AJ 13.4.2018).

Die letzten Parlamentswahlen fanden am 11.5.2013 statt. Damals löste die Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Parteichef Nawaz Sharif eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung ab. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 bis 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte bei den Wahlen eine absolute Mehrheit der Mandate. Dieses deutliche Ergebnis ist auch auf das in Pakistan geltende Mehrheitswahlrecht zurückzuführen. Landesweit stimmten ca. ein Drittel der Wähler für die PML-N. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die PPP, gefolgt von der Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit, PTI) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion. Am 5.6.2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Für ihn war es, nach 1990 und 1999, die dritte Amtszeit als pakistanischer Regierungschef (AA 10.2017a).

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 % der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate, der Bruder von Nawaz Sharif, Shahbaz Sharif, wurde in seinem Amt als Chief Minister bestätigt. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei (NP) geführt, die eine Koalition mit der PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 10.2017a).

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 10.2017a). Die nächsten Parlamentswahlen finden am 15.7.2018 statt (Samaa 20.12.2017).

Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange in Islamabad. Anlass der Proteste war eine Zeile in der Novelle des Wahlgesetzes (Elections Act 2017), die nach Meinung der Demonstranten den Khatm-i-Nabuwwat-Eid [Anm.: legt die Endgültigkeit des Prophetentums Mohammads fest] veränderte (Dawn 28.11.2017). Nach diesen Änderungen wäre es Ahmadis etwas erleichtert worden, aktiv und passiv an Wahlen teilzunehmen (Nation 19.11.2017). Die Änderung am Eid wurde durch einen Parlamentsbeschluss rückgängig gemacht. Dennoch forderten die Demonstranten den Rücktritt von Justizminister Zahid Hamid. Nachdem der Islamabad High Court (IHC), der Supreme Court sowie verschiedene religiöse Parteiführer aufgefordert hatten, die Proteste zu beenden, hat der IHC letztlich die Distriktverwaltung aufgefordert, die Demonstranten "mit allen nötigen Mitteln" vom Autobahnknoten zu entfernen. Nach mehreren vergeblichen Verhandlungsrunden wurde Innenminister Ahsan Iqbal vom IHC verwarnt, er könne wegen Missachtung eines Gerichtsentscheides angeklagt werden. Weiters stellte der IHC fest, dass die Demonstranten aufgrund der wiederholten Missachtung der Gerichtsanordnung zur Auflösung der Proteste einen "terroristischen Akt" begangen hätten. Nach einem verstrichenen Ultimatum begann die Regierung am 25.11.2017 mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Die zur Unterstützung gerufene Armee verweigerte ihr Eingreifen, wodurch weitere Verhandlungen mit den Demonstranten notwendig wurden. Die Blockade wurde aufgelöst, nachdem einigen Forderungen der Demonstranten nachgegeben wurde, Zahid Hamid musste als Justizminister zurücktreten (Dawn 28.11.2017).

Mit der Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa am 31.5.2018 (Geo.tv 31.5.2018) wurde die Zahl der Abgeordneten in der Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa von 124 auf 145 erhöht. Insgesamt wird die ehemalige FATA von 21 Abgeordneten im kommenden Provinzparlament vertreten, davon sind vier Mandate für Frauen und einer für Nicht-Muslime reserviert. Die neue Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa wird innerhalb eines Jahres nach den Parlamentswahlen von 2018 erfolgen (Nation 27.5.2018). Die zwölf Sitze der [ehem.] FATA in der Nationalversammlung werden Khyber Pakhtunkhwa zugeschlagen; die Provinz verfügt in der kommenden Legislaturperiode über 60 statt bisher 48 Abgeordnetensitze (Geo.tv 16.5.2018). Politische Parteien durften in den [ehem.] Stammesgebieten (FATA) seit 2011 aktiv werden (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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