TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/25 W262 2201130-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.10.2018
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Entscheidungsdatum

25.10.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W262 2201130-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch XXXX , Sekretär der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 20.06.2018, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 BBG und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass dem Antrag des Beschwerdeführers vom 22.12.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass Folge gegeben wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 22.12.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO und legte ein Konvolut an medizinischen Unterlagen und Befunden vor.

Auf dem Antragsformular zur Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO findet sich folgender Hinweis.

"Wenn Sie noch nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' sind, gilt dieser Antrag auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' in den Behindertenpass."

2. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 07.02.2018 erstatteten - Gutachten vom 22.05.2018 wurde auszugsweise Folgendes festgehalten:

"...

Derzeitige Beschwerden:

Beschwerden im Bereich des linken Fußes nach mehrmaliger Operation, die letzte Operation fand 2008 durch Frau Dr. XXXX statt, orthopäd. Schuhversorgung, Einschränkung der Gehleistung

...

Klinischer Status - Fachstatus:

Sauerstoffsättigung der Raumluft: pO2: 98 %, Puls: 82/min, keine Ruhedyspnoe.

Kopf: Zähne: saniert, Lesebrille, Sensorium frei, im Bereich der rechten Wange leicht eingesunkene Narbe nach Entfernung eines Myxofibrosarkoms und Entfernung eines Plattenepithelkarzinoms am rechten Nasenflügel, Nervenaustrittspunkte unauff.

Hals: keine Einflussstauung, Schilddrüse schluckverschieblich, Lymphknoten o.B.

Thorax: symmetrisch, rechts kleiner kirschkern großer verschieblicher Tumor

Herz: normal konfiguriert, arrhythmisch, Herztöne rein, keine pathologischen Geräusche

Lunge: vesikuläres Atemgeräusch, Basen gut verschieblich, son.

Klopfschall

Wirbelsäule: Halswirbelsäule frei beweglich, Kinn-Jugulum-Abstand 2 cm, seichte linkskonvexe Skoliose der Brustwirbelsäule, Fingerbodenabstand 25 cm, thorakaler Schober 30/33cm, Ott: 10/14cm, Hartspann der Lendenwirbelsäule, links paravertebral querverlaufende ca. 10cm lange blande Narbe nach Entfernung eines Hauttumors,

Abdomen: weich, über Thoraxniveau, Hepar und Lien nicht palpabel, keine Resistenz tastbar, blande Narbe im Bereich des Unterbauches links und rechts nach Nierenimplantation,

Nierenlager: beidseits frei

Obere Extremität: frei beweglich bis auf endlagige Elevationsstörung beider Arme, blande längsverlaufende Narben an beiden Schultergelenken nach stattgehabter Sehnenoperation, Globalfunktion und grobe Kraft beidseits erhalten, Nacken- und Kreuzgriff möglich.

Untere Extremität: frei beweglich, im Bereich des rechten Oberschenkels querverlaufende blande Narbe nach Hautentnahme, krepitierendes Reiben beider Kniegelenke bei geringer Valgisierung links, festem Bandapparat, Kniegelenksumfang rechts: 39 cm (links: 40 cm), keine Involutionsatrophie der Unterschenkelmuskulatur, seitengleicher Umfang beider Unterschenkels: 36 cm, blande Narben im Bereich beider distal Unterschenkel nach mehrmaliger Operation,

Bewegungsstörung des linken Sprunggelenkes 10/10/20°,

Bewegungsstörung des rechten Sprunggelenkes: 10/0/20°, keine signifikante Beinlängendifferenz, an beiden ventralen Vorfüßen Z-förmige blande Narben nach Operation, keine Ödeme, keine trophischen Hautstörungen, Reflex lebhaft auslösbar, Babinski negativ, Zehenballen- und Fersengang mühevoll möglich

Gesamtmobilität - Gangbild:

Leicht hinkendes Gangbild, ein Stock als Gehhilfe, keine objektivierbare Sturzneigung.

Status Psychicus:

Zeitlich und örtlich orientiert, ausgeglichene Stimmungslage, normale Kommunikation möglich

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Bösartige Neubildung der Prostata, Zustand nach Strahlentherapie 2014 Unterer Rahmensatz, da innerhalb der Heilungsbewährung kein Fortschreiten der Grunderkrankung dokumentiert

13.01.04

50

2

Zustand nach Entfernung von mehreren bösartigen Hauttumoren am Rücken und im Gesicht 2017 Unterer Rahmensatz, da innerhalb der Heilungsbewährung kein Fortschreiten der Grunderkrankung nachweisbar

13.01.03

50

3

Zustand nach 2-maliger Nierentransplantation (2002 und 2015) wegen Zystennieren mit zwischenzeitlicher Dialyse, Bluthochdruck, permanentes Vorhofflimmern, Zustand nach Elektroablation Oberer Rahmensatz, da zwar Kreatininspiegel

05.04.01

40

4

Nervenschädigung im Versorgungsgebiet des Nervus peroneus links nach Operation 1965 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da keine Peroneusschiene verwendet werden muss

04.05.13

30

5

Abnützungserscheinung am Stütz- und Bewegungsapparat, incipiente Coxarthrose beidseits Oberer Rahmensatz, da mehrere große Gelenke betroffen sind, jedoch nur endlagige Funktionsstörung objektivierbar ist; inkludiert Funktionsstörung an den Schultergelenken nach stattgehabter Operation und dem rechten Sprunggelenk

02.02.01

20

6

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung Unterer Rahmensatz, da kein ständiges Therapieerfordernis und keine Oxygenierungsstörung nachweisbar

06.06.01

10

7

Polyneuropathie mit Befall beider Beine Unterer Rahmensatz, da nur mildes Therapieerfordernis

04.06.01

10

8

Diabetes mellitus Typ II Unterer Rahmensatz, da derzeit mittels diätetischen Maßnahmen ausreichend behandelbar

09.02.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 70 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden unter lf. Nr. 1) wird durch die Gesundheitsschädigungen unter lf. Nr. 2) und 3) um jeweils eine Stufe erhöht, da diese Leiden bei der Gesamtleidensbeurteilung eine wesentliche Rolle spielen. Die übrigen Leiden erhöhen nicht, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken besteht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Zustand nach erfolgreicher Operation eines Grauen Stars ohne dokumentierte Einschränkung der Sehleistung bedingt keinen Grad der Behinderung.

...

Nachuntersuchung 02/2022 - da nach Ablauf der Heilungsbewährung eine Reevaluierung der Leiden unter lf. Nr. 1) und 2) erforderlich ist.

...

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine, da die anerkannten Gesundheitsschädigungen keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge haben. Im Gutachten wurde festgestellt, dass bei dem AW keine höhergradige Funktionsstörung der unteren Extremitäten vorliegt. Der AW kann eine kurze Wegstrecke von mehr als 300 Metern zu Fuß ohne Unterbrechung, ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung, ohne große Schmerzen und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Aufstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Ein Herzleiden, welches eine hochgradige Einschränkung der Auswurfleistung zur Folge hat und eine signifikante Belastungsstörung verursacht, kann bei der klinischen Untersuchung und aufgrund der vorliegenden Befunde nicht ermittelt werden. Es besteht keine massive hochgradige Atemnot schon bei geringster Belastung und keine Indikation für eine Langzeitsauerstofftherapie. Sohin sind öffentliche Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der dauernden Gesundheitsschädigungen zumutbar. Von den anerkannten Leiden unter lf. Nr. 1) bis 8) geht keine hochgradige Schwäche mit einer Belastungsstörung aus, die eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar macht.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein, da keine erhebliche Einschränkung des Immunsystems durch objektive medizinische Befunde belegt wird.

..."

3. Am 22.05.2018 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Beweisaufnahme mit und gab ihm die Möglichkeit, binnen einer Frist von drei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

4. Dem Beschwerdeführer wurde am 20.06.2018 ein bis 01.05.2022 befristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 70 v. H. und der Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" ausgestellt.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20.06.2018 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen. Begründend stützte sich die belangte Behörde im Bescheid auf das Sachverständigengutachten vom 22.05.2018, wonach die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht gegeben seien.

Das Sachverständigengutachten vom 22.05.2018 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage des Bescheides übermittelt.

6. Mit gesondert ergangenem - nicht verfahrensgegenständlichem - Bescheid der belangten Behörde vom 21.06.2018 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO abgewiesen.

7. Mit Schreiben vom 11.07.2018 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den Sekretär der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, fristgerecht eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 20.06.2018 und führte aus, dass eine Einschränkung der Gehleistung vorliege. Es gehe aus dem Sachverständigengutachten nicht hervor, wie er trotz Vorfußheberschwäche Niveauunterschiede beim Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe überwinden könne. Weiters seien die Abnützungserscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat bei incipienter Coxarthrose beidseits im Gutachten nicht berücksichtigt worden. Auch seien die Polyneuropathie in beiden Händen und Füßen sowie das Impingement Syndrom im linken Schultergelenk und die damit verbundene endlagige Elevationsstörung des rechten Gebrauchsarmes nicht beachtet worden. Bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung sei eine Behinderung der Ventilation nicht auszuschließen, was in Zusammenschau mit dem permanenten Vorhofflimmern und den Schwindelattacken eine Auswirkung im Sinne einer dauernden Gesundheitsschädigung darstelle. Darüber hinaus bestehe eine dauernde Sturzgefahr. Der Beschwerdeführer beantragte die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Orthopädie und Unfallchirurgie sowie der Kardiologie. Weiters legte er der Beschwerde den Befund eines Krankenhauses vom 02.07.2018 bei.

8. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 17.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

9. Das Bundesverwaltungsgericht holte in der Folge ein Gutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In diesem - auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.09.2018 erstatteten - Gutachten vom 22.09.2018 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt (ergänzt um die Fragestellung des Bundesverwaltungsgerichtes):

"...

STATUS:

Allgemeinzustand reduziert, Ernährungszustand gut.

Größe 170 cm, Gewicht 68 kg, RR 120/50, 75 a

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen. Skleren geringgradig ikterisch.

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. Dyspnoe beim Umkleiden. Dyspnoe nach etwa 10 m gehen, Stehen bleiben, Pause. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, Druckschmerz rechte Unterbauch, Narbe rechter ÜB, rechte Leiste

Integument: unauffällig.

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind handfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern F und S beidseits 0/90, Rotation endlagig eingeschränkt, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriffsind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind endlagig eingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen kurz möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits nicht durchführbar bei allgemeiner Schwäche.

Der Einbeinstand ist kurz mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist nicht möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, geringgradige Beinödeme beidseits, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Hüftgelenke und Kniegelenke unauffällig, Sprunggelenk, Fuß links:

Narbe nach Sehnenrekonstruktion, aktiv linker Fuß nicht beweglich, sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S beidseits 0/100, IR/AR 10/0/20, Knie seitengleich frei beweglich, Sprunggelenk und Zehen rechts ohne fällig beweglich, links Sprunggelenk aktiv nicht beweglich, Zehen geringgradig beweglich. Sprunggelenke passiv links OSG 5/0/30.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 25 cm, in allen Ebenen zur Hälfte eingeschränkt beweglich, Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einem Gehstock, das Gangbild ist mit Gehstock etwas breitbeinig und deutlich verlangsamt und vorgeneigt, barfuß zeigt Fallfuß links, Steppergang links, mittelgradige ataktische Gangbildbeeinträchtigung bei Polyneuropathie, Gehen ohne Stock nicht möglich. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration unauffällig; Antrieb verlangsamt, Stimmungslage ausgeglichen.

STELLUNGNAHME:

ad 1) Diagnosenliste:

1) Prostatakarzinom, Zustand nach Strahlentherapie

2) Zustand nach Entfernung von mehreren bösartigen Hauttumoren am Rücken und im

Gesicht 2017, Tumor Nebennierenrinde unklarer Herkunft, Verdacht auf Sekundärblastom,

pulmonale Rundherde derzeit regredient

3) Zustand nach 2-maliger Nierentransplantation wegen Zystennieren, Nephropathie Grad III,

Bluthochdruck, Vorhofflimmern, Dauerantikoagulation

4) Peroneusparese links

5) Abnützungserscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat mit geringgradigen

funktionellen Einschränkungen, vor allem im Bereich der Schultergelenke und Hüftgelenke

6) Chronisch obstruktive Lungenerkrankung, keine Dauertherapie erforderlich

7) Polyneuropathie

8) Diabetes mellitus Typ 2

ad 2) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten

vor?

Objektivierbar ist ein Fallfuß links bei Zustand nach komplexem Trauma und zweimaliger Revisionsoperation mit mäßiger Gangbildbeeinträchtigung, kompensierbar durch orthopädische Zurichtungen oder auch Orthesen. Im Bereich der Gelenke der unteren Extremitäten ist keine höhergradige Funktionseinschränkungen feststellbar. Die Polyneuropathie im Bereich der unteren Extremitäten führt zu einer mittelschweren ataktischen Gangbildbeeinträchtigung. Eine erhebliche Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten liegt nicht vor.

ad 3) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor? Kommt es im Hinblick auf Leiden 3 (Zustand nach 2-maliger Nierentransplantation, Bluthochdruck und permanentes Vorhofflimmern) und Leiden 6 (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung) zu einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit?

Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit ist gegeben. In Zusammenschau sämtlicher objektivierbarer Leiden, insbesondere Nephropathie bei Nierentransplantation und Tumorerkrankung mit Zustand nach Prostatakarzinom, Myxofibrosarkom und Rundherden, liegt eine Erkrankung vor, die im Sinne eines konsumierenden Verlaufs zu einer beträchtlichen Einschränkung des Allgemeinzustands geführt hat, sodass auch unter Beachtung von Bluthochdruck und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung geringgradiger Ausprägung, eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vorliegt.

ad 4) Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor?

Die nachgewiesene Polyneuropathie führt zu einer beträchtlichen Gangbildbeeinträchtigung, welche in Zusammenschau mit der erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit zu einer Verstärkung der Mobilitätseinschränkung führt.

ad 5) Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.

Ad 6) Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor?

Nein.

...

ad 4) Stellungnahme über die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zu benützen Öffentlicher Verkehrsmittel:

Wie oben ausgeführt liegen die Fähigkeiten des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht vor, sodass eine weitere Stellungnahme entfällt.

ad 5) Stellungnahme zu einer allfälligen zum angefochtenen Gutachten vom 22.5.2018 abweichenden Beurteilung:

Die in der Beschwerde vom 10. Juli 2018 vorgebrachten Einwendungen insbesondere im Hinblick darauf darauf, dass ein Aktionsradius von 200-300 m ohne übermäßigen Kraftaufwand nicht zu bewältigen sei, ist anhand nachgereichter Befunde nachvollziehbar und führt daher zu einer abweichenden Beurteilung.

ad 6) Feststellung ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist:

Dauerzustand. Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

10. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.10.2018 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird. Soweit nicht eine eingelangte Stellungnahme anderes erfordere, werde das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung auf Basis der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens erlassen.

11. Der Beschwerdeführer und die belangte Behörde ließen dieses Schreiben unbeantwortet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 22.12.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO ein, welcher von der belangten Behörde auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gewertet wurde.

Der Beschwerdeführer ist seit 20.06.2018 Inhaber eines bis 01.05.2022 befristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H. und der Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor."

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Prostatakarzinom, Zustand nach Strahlentherapie;

2) Zustand nach Entfernung von mehreren bösartigen Hauttumoren am Rücken und im Gesicht 2017, Tumor Nebennierenrinde unklarer Herkunft, Verdacht auf Sekundärblastom, pulmonale Rundherde derzeit regredient;

3) Zustand nach zweimaliger Nierentransplantation wegen Zystennieren, Nephropathie Grad III, Bluthochdruck, Vorhofflimmern, Dauerantikoagulation;

4) Peroneusparese links;

5) Abnützungserscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat mit geringgradigen funktionellen Einschränkungen, vor allem im Bereich der Schulter- und Hüftgelenke;

6) Chronisch obstruktive Lungenerkrankung, keine Dauertherapie erforderlich;

7) Polyneuropathie;

8) Diabetes mellitus Typ 2.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 22.09.2018 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Beim Beschwerdeführer besteht in Zusammenschau sämtlicher Leiden, insbesondere der Nephropathie bei Nierentransplantation und Tumorerkrankung mit Zustand nach Prostatakarzinom, Myxofibrosarkom und Rundherden ein beträchtlich reduzierter Allgemeinzustand, welcher unter Berücksichtigung des Bluthochdrucks und der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung trotz deren geringgradigen Ausprägung zu einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit führt. Darüber hinaus besteht aufgrund der Vorfußheberschwäche mit Sturzneigung, der Abnützungserscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat und der Polyneuropathie in beiden Beinen eine eingeschränkte Gehleistung mit mittelschwerer ataktischer Ganbildbeeinträchtigung. Ohne Verwendung eines Gehstocks kann sich der Beschwerdeführer nicht fortbewegen.

Das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400 Metern sowie das Ein- und Aussteigen in und aus einem öffentlichen Verkehrsmittel sind für den Beschwerdeführer - auch wegen der Polyneuropathie in beiden Händen und dem Impingementsyndrom in der linken Schulter - nicht bewältigbar.

Aufgrund der festgestellten Funktionseinschränkungen kann dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus medizinischer Sicht nicht zugemutet werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Antragstellung, Wertung der Anträge und zur Ausstellung eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zu den bestehenden Funktionseinschränkungen sowie zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung gründen sich auf das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 22.09.2018. Darin wurde auf die Art und Schwere der Leiden des Beschwerdeführers sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten setzt sich ausführlich mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffenen medizinischen Beurteilungen basieren auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen). In diesem Gutachten wurde nachvollziehbar dargelegt, dass beim Beschwerdeführer eine beträchtliche Gangbildbeeinträchtigung vorliegt, welche in Zusammenschau mit der Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit zu einer erheblichen Mobilitätseinschränkung führt. Hinzu tritt - trotz Verwendung eines Gehstockes - eine vermehrte Sturzneigung.

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten wurde der belangten Behörde und dem Beschwerdeführer unter Einräumung einer Frist zur Äußerung übermittelt. Die belangte Behörde und der Beschwerdeführer haben sich dazu nicht mehr geäußert.

2.3. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 22.09.2018. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

3.3. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

"§ 1. ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

..."

3.4. In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) - soweit relevant - insbesondere Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3:

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Die Voraussetzung des vollendeten 36. Lebensmonats wurde deshalb gewählt, da im Durchschnitt auch ein nicht behindertes Kind vor dem vollendeten 3. Lebensjahr im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Wegstrecken nicht ohne Begleitung selbständig gehen kann.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes ‚dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

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arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

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Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

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hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

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Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

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COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

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Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

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mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

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Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

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hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

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schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

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nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

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anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

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schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

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fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

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selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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