Entscheidungsdatum
29.10.2018Norm
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1Spruch
W124 1437085-2/23E
W124 1437086-3/27E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter in der Beschwerdesache 1.) XXXX , 2.) XXXX , STA Afghanistan, alle vertreten durch XXXX , wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den am XXXX gestellten Antrag auf internationalen Schutz, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am XXXX zu Recht erkannt:
A)
Den Beschwerden wird insofern stattgegeben, als eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I Nr. 87/2012 idgF, iVm § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG auf Dauer für unzulässig erklärt und jeweils für die Dauer von zwölf Monaten BF 2 gemäß § 54 Abs. 1 Z 1, § 58 Abs. 2 iVm § 55Abs. 1 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" sowie BF 1 gemäß § 54 Abs.1 Z 2, § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 2 AsylG 2005, der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Herkunftsstaat der beiden beschwerdeführenden Parteien (im Folgenden: BF) ist Afghanistan. Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF 1) ist der Vater des Zweitbeschwerdeführers (im Folgenden: BF 2). Sie gehören der Volksgruppe der Tadschiken an und sind sunnitisch-muslimischen Glaubens.
BF 1 und BF 2 reisten am XXXX gemeinsam nach Österreich ein und stellten am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.
BF 1 gab in der mit ihm am XXXX aufgenommenen Niederschrift im Wesentlichen an, dass er im Krieg als Soldat gegen die Partei XXXX verletzt worden sei und später für den Geheimdienst gearbeitet habe. Anschließend habe er für den Geheimdienst XXXX gearbeitet.
Nachdem die Taliban an die Macht gekommen seien, habe BF 1 auf der Straße Kräuter verkauft. Bei dieser Tätigkeit habe der BF 1 Handschuhe getragen, weshalb ihn die Taliban nach dem Grund seiner Verletzung gefragt und ihn geschlagen hätten. Aus diesem Grunde sei er in den Iran gezogen.
Die letzten drei Jahre vor seiner Ausreise aus XXXX habe der BF in XXXX bei seinem Onkel gearbeitet und sich danach ein kleines Haus gemietet. BF 1 gehe davon aus, dass sein Onkel nach wie vor in XXXX leben würde.
2. Mit den Bescheiden vom XXXX und XXXX , wies das Bundesasylamt die Anträge auf internationalen Schutz des BF 1 und BF 2 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG), (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Staus des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. In Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Mit Spruchpunkt III. wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.
3. Gegen diese Bescheide wurden entsprechende Beschwerden erhoben.
4. Mit Beschluss des BVwG, Gerichtsabteilung XXXX vom XXXX wurden die Bescheide des BAA vom XXXX gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die Behörde dem BF 1 genauere und gezieltere Fragen in Bezug auf die konkreten Bedrohungssituationen und Ereignisse stellen hätte müssen und den BF 2 zu den maßgeblichen Umständen zumindest vernehmen hätte müssen, da zumindest nicht von vornherein auszuschließen gewesen sei, dass der Vater seinem Sohn Details seiner Fluchtgründe berichtet habe. Somit sei festzuhalten, dass es bezüglich Spruchpunkt I. im Zuge des erstbehördlichen Verfahrens zu keiner abschließenden Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des BF bzw. der BF gekommen sei und mehrere Punkte in Zusammenhang mit der Frage, ob und wie es zu konkreten Gefährdungsmomenten gekommen sei ungeklärt geblieben sei. Die belangte Behörde habe daher den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nur ansatzweise und oberflächlich ermittelt.
5. In der vom Rechtsvertreter am XXXX abgegeben Stellungnahme wurde darauf hingewiesen, dass auf Grund mangelhafter Ermittlungsverfahren die Situation des BF unterschätzt werden würde. Die Sicherheitslage würde sich in Afghanistan von Tag zu Tag verschlechtern. Dies würde vor allem seit der Ankündigung des Abzugs der internationalen Truppen der Fall sein.
Die Sicherheitslage würde des öfteres unterschätzt werden, als einige behaupten würden, dass die Stadt XXXX sehr sicher sei und nur die isolierten Provinzen problematisch sein würden. Dies stimme allerdings nicht. Täglich würden Anschläge auf die Stadt XXXX verübt werden. In der Folge wurden auszugsweise Berichte zur Sicherheitslage in der Stadt XXXX und anderen Städten bzw. Regionen in Afghanistan zitiert.
6. Am XXXX brachten der BF 1 und BF 2 eine Säumnisbeschwerde ein. Dabei wurde der Antrag a) nach § 16 Abs. 1 VwGVG gestellt innerhalb von drei Monaten über den genannten Antrag auf internationalen Schutz zu entscheiden, b) allenfalls die gegenständliche Säumnisbeschwerde dem BVwG vorzulegen.
Mit Schreiben vom XXXX wurde von der XXXX ein Lehrvertrag von BF 2 gemäß § 8b Abs 1 BAG für die Ausbildung im Lehrberuf Bäcker vorgelegt.
Mit Beschluss des BVwG vom XXXX wurde das BFA gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG beauftragt den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der im gegenständlichen Erkenntnis festgelegten Rechtsanschauung des BVwG binnen acht Wochen zu erlassen.
7. Mit Schreiben vom XXXX teilte das BFA XXXX dem BVwG mit, dass nach individueller Prüfung des Aktes eine Erledigung im vorliegenden Fall nicht fristgemäß erfolgen könne.
8. Am XXXX fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt. Darin führte der BF 2 im Wesentlichen aus, dass er in XXXX , geboren sei und bis zu seiner dortigen Ausreise mehrmals den Ort gewechselt habe. Die Geschwister des BF würden sich derzeit mit seiner Mutter in der Türkei aufhalten.
Hinsichtlich des Privat-, und Familienlebens führte der BF 2 im Wesentlichen aus, dass er in Österreich bereits die zweite Klasse der Berufsschule beendet habe und er Konditor und Bäcker sei. Im XXXX habe er sieben Jahre die Schule besucht, die ersten fünf Jahre die Grundschule und zwei weitere Klassen " XXXX ". In Österreich würde man diese mit der Hauptschule vergleichen. In der Klasse des BF 2 seien im Iran außer ihm und seinen Freund kein anderer Afghanen gewesen. Den Angaben des BF 2 nach habe der BF 1 im Iran als Gärtner und einfacher Arbeiter gearbeitet. Dieser würde derzeit auch einen Deutschkurs in der Nähe des Flüchtlingsheims besuchen. Begonnen habe er damit im XXXX . Der BF 2 würde mit seinem Vater Deutsch sprechen, wenn er zu Hause sei. Wenn BF 1 und BF 2 essen würden, würde BF 1 Fragen stellen und ihm BF 2 dabei helfen. Der BF 2 würde derzeit eine Bäcker-, und Konditorlehre absolvieren und die Berufsschule XXXX . besuchen. Das erste Berufsschuljahr habe BF 2 im XXXX absolviert, das zweite Berufsschuljahr würde Oktober XXXX beginnen und bis XXXX dauern. Während des Besuchs der Berufsschule, habe BF 2 im Internat gelebt. Die Frage, welche Torte der BF 2 am besten machen würde, beantworte dieser damit, dass er gerade in der Bäckerei sei und zuerst drei Jahre als Bäcker arbeiten müsse, um im vierten Jahr die Konditorei machen zu können. Seit dem Jahr XXXX würde er als Bäcker arbeiten, zuvor habe er keine Tätigkeit verrichtet. Im Monat würde er durchschnittlich ca. 800,-- Euro netto verdienen, wovon er 300,-- Euro Miete zahlen würde.
Seinem Freundeskreis würden überwiegend Österreicher angehören, die er aber auf Grund der ihm zur Verfügung stehenden Zeit nur ab und zu besuchen könne. Er würde um 10 oder 11 Uhr vormittags von der Arbeit nach Hause kommen und dann bis ca. 14.00 Uhr schlafen. Um 15:45 gehe er ins Fittneßcenter, wo er sich bis ca. 18.00 -19.00 Uhr aufhalten würde, da er dann schlafen gehen würde, weil er um zwei Uhr in der Früh mit der Arbeit beginnen müsse.
Den Ausführungen des BF 2 nach würde BF 1 zweimal in der Woche zu einem Training für alte Leute in XXXX gehen und zwei Mal in der Woche einen Deutschkurs besuchen. Außerdem würde es bei ihnen einen ca. 300 m2 großen Garten geben, indem der Vater des BF 1 Kräuter und Gemüse anpflanzen würde. Die Hausarbeiten würden so erledigt, dass bei ihnen zu Hause BF 1 die Hausarbeiten erledigen und BF 2 mithelfen würde, wenn es die Zeit erlaube.
Dem Verfahren wurde in der Verhandlung neben mehreren Unterstützungserklärungen des BF 1 und BF 2 das Jahres-, und Abschlusszeugnis des Polytechnischen Lehrgangs XXXX vom XXXX , das Jahreszeugnis der Berufsschule XXXX , der Lehrvertrag des BF 2 gemäß § 8b Abs. 1 BAG vom XXXX vorgelegt.
In den dem BVwG vorgelegten Arztbrief vom XXXX wurde dem BF 1 attestiert, dass aus psychiatrischer Sicht kognitive Gründe vorliegen würden, die den BF 1 an einem positiven Abschluss des Deutschkurses hindern würde.
Einem vom rechtsfreundlichen Rechtsvertreter am XXXX eingebrachten Schreiben wurde überdies das Jahreszeugnis für BF 2 der Berufsschule XXXX , Einzelhandel-Schwerpunkt Sportartikel, vorgelegt.
Am XXXX fand mit dem BF 1 vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt, in der dieser im Wesentlichen ausführte, dass er im Dorf Mesg XXXX , geboren sei. 22- 23 Jahre habe er in XXXX gelebt, bevor er in den Iran geflüchtet sei und dort ca. 20 Jahre gelebt habe, bevor er nach Österreich gekommen sei. Die drei Brüder des BF 1 würden nach wie vor in XXXX leben. Er sei nur kurz zur Schule gegangen, weil er arbeiten musste. Er glaube, dass dies drei Jahre gewesen seien. Er habe als Gemüseverkäufer, Zigarettenverkäufer und Straßenverkäufer gearbeitet, wobei er sich an die anderen von ihm verrichteten Tätigkeiten nicht mehr erinnern könne.
Während seines Wehrdienstes habe er für die Hezb- e Watan gearbeitet und als Soldat an der Front gekämpft. Dort habe er eine Verletzung erlitten, die die Arbeit des BF 1 beendet habe. Als die Taliban nach Afghanistan gekommen seien, hätten sie nach Leuten gefragt. Wenn diese ihnen verdächtig vorgekommen seien, d.h. wenn für sie festgestanden sei, dass diese am Krieg beteiligt gewesen wären, hätte man sie festgenommen. Als die Taliban den BF 1 angehalten hätten, hätten diese gesehen, dass diese Verletzungen nur davon herrühren konnten, dass der BF 1 eine Waffe getragen habe, worauf man ihn festgenommen habe. Nur durch die Zusammenarbeit mit den Nachbarn sei der BF 1 freigekommen und sei dann geflüchtet. Man habe ihn in der Folge in einem Raum gebracht, wo man auch andere Leute festgehalten habe. BF 1 habe dort jemanden kennen gelernt, der ihn mit der Bedingung freigelassen habe, dass er die Stadt für immer verlassen würde. Während der Anhaltung sei der BF 1 aufgefordert worden bekannt zu geben, wo sich die Waffen befinden würden. Er habe darauf geantwortet nichts davon zu wissen und einfacher Arbeiter zu sein. Man habe dem BF 1 gedroht ihn zu schlagen, ihm vorgehalten, dass sie alles wissen würden, um ihn unter Druck zu setzen und Angst zu machen. Man habe ihm auch erzählt, was die Taliban alles getan hätten, um den BF 1 klar zu machen, dass sie ihre Drohung umsetzten würden. Man habe dem BF 1 vorgeworfen, dass er Waffen besitzen würde und ihn getreten bzw. mit einer Peitsche geschlagen, nachdem er gemeint habe nur ein einfacher Arbeiter zu sein.
Zum damaligen Geheimdienst habe er insofern Kontakt gehabt, dass er an den Sitzungen teilgenommen habe, die vom Büroleiter des Geheimdienstes einberufen worden seien. Dort sei bestimmt worden, dass Leute an die Front geschickt worden seien und mit anderen Aufgaben vertraut gemacht worden seien. Damals habe der BF 1 nicht verstanden, dass es sich dabei um den Geheimdienst gehandelt und er gedacht habe, dass diese Leute für die Sicherheit der Bevölkerung arbeiten würden. Der Frage, ob der BF 1 selbst für den Geheimdienst gearbeitet habe, wich dieser insofern aus, dass er Leute für die Partei angeworben und nicht für den Sicherheitsdienst gearbeitet habe. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Soldat habe der BF 1 gekämpft und dabei gedacht, dass er im Rahmen der Partei für sein Land kämpfe und dies verteidigen würde.
Die Flucht sei ihm dadurch gelungen, dass in einer Nacht der Eingang, in welchem der BF 1 untergebracht gewesen sei, offengelassen worden sei und dieser das Gefühl gehabt habe, dass dies dazu dienen solle, dass er flüchten könne. In diesem Raum seien sie manchmal drei, vier oder fünf Personen gewesen. Mit dem BF sei keine andere Person geflohen.
Mit seinen Brüdern in Afghanistan würde er keinen Kontakt mehr haben, weil sie unterschiedliche politische Meinungen vertreten würden. BF 1 habe vor langer Zeit Afghanistan verlassen und wolle nicht mehr dorthin zurückgehe. Mit BF 2 habe er darüber nicht gesprochen, weil eine feindschaftliche Gesinnung nichts Gutes sein würde und er nicht wolle, dass BF 2 deswegen beeinflusst werden würde. Wenn er seinen Kindern von seiner Arbeit erzählen würde, würden diese verstehen, dass sie dort Feinde haben würden. BF 2 habe er davon nicht erzählt, weil er eine "Mauer" zwischen seiner früheren Tätigkeit und der Ansicht seiner Kinder über das Land aufbauen haben wollen.
Zu seinem Privat-, und Familienleben führte der BF 1 aus, dass er dreimal in der Woche in ein Seniorenhaus gehen würde. Dort würde der BF 1 mit den Leuten, die im Rollstuhl sitzen würden, spazieren gehen, für diese kochen und mit ihnen spielen. Einkaufen gehen würde er mit diesen zum " XXXX ". In einem Garten würde den BF 1 ein 20 Quadratmeter großer Boden zur Verfügung stehen. Dort würde er Gemüse anbauen. Dreimal in der Woche würde er derzeit einen Deutschkurs besuchen. Ansonsten koche er für BF 2 zu Hause, damit dieser genug Zeit habe, um zu lernen. Er würde versuchen zu BF 2 wie eine Mutter sein, indem er diesen motivieren würde seinen Lehrabschluss zu machen. Er würde zwar viel an seine Mutter denken, doch versuche BF1 ihn dazu zu bringen sich auf die Schule und den Beruf zu konzentrieren. Die Ehefrau des BF 2 halte sich derzeit mit den anderen drei Kindern in der Türkei auf. Ansonsten würde er in Österreich über einen großen Freundeskreis verfügen.
In der Verhandlung wurde ein Schreiben eines den BF 1 behandelnden Allgemeinmediziners vom XXXX vorgelegt, wonach durch eine "Merkfähigkeitsstörung" das Lernen der deutschen Sprache hochgradig eingeschränkt sei. Zurückgeführt werden würde dies einerseits organisch auf ein Schädelhirntrauma und andererseits auf psychische Gründe. In dem den BVwG in der Verhandlung vorgelegten Ärztebrief einer Fachärztin für Psychiatrie wurde ausgeführt, dass dem BF 1 eine entsprechende medikamentöse Behandlung empfohlen worden sei. Außerdem würden die kognitiven Beeinträchtigungen beim BF 1 schwer erfassbar sein. Einerseits wird dabei auf eine klinische Demenz hingewiesen, anderseits würden sich keine Hinweise auf organische Läsionen ergeben. Darüber hinaus wurden noch ein Konvolut an Unterstützungserklärungen vorgelegt.
In der mit dem BF 2 am XXXX fortgesetzten Verhandlung wurde von diesem von der Wirtschaftskammer O.Ö. ein Zeugnis zur Teilqualifizierung als Bäcker gem. § 8b Abs. 10 BAG und gleichzeitig der Bescheid der AUVA, Landesstelle XXXX , vom XXXX , vorgelegt, wonach festgestellt wurde, dass BF 1 eine Berufskrankheit zuerkannt wurde, die er sich als Dienstnehmer zugezogen habe. Darüber hinaus legte der BF 2 einen Lehrvertrag vom XXXX als Einzelhandelskaufmann-Schwerpunkt Sportartikel und den Bescheid des AMS vom XXXX für die Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung für den Zeitraum vom XXXX vor. Außerdem ein entsprechendes Jahreszeugnis der Berufsschule XXXX für die Fachklasse Einzelhandel-Schwerpunkt Sportartikel.
Zu seinem Aufenthalt in Afghanistan führte dieser in der Folge aus, dass er von seiner Geburt an im Iran 14 Jahre mit seiner Familie (Eltern, Geschwister) gelebt habe. Diese würden derzeit in der Türkei aufhalten. In Österreich sei er zunächst in XXXX aufhältig gewesen und sei nach fünf bis sechs Tagen nach XXXX gebracht worden. Dort sei er mit dem BF 1 in einer privaten Unterkunft untergebracht. Die Miete und Heizkosten in der Höhe von XXXX .- Euro würden von seinem Lohn in der Höhe von XXXX .-, Euro brutto bestritten. Darüber hinaus würde der Vater des BF noch eine Unterstützung von XXXX .- Euro und der BF 2 eine Leistung von der AUVA in der Höhe von XXXX .- Euro erhalten.
Andere Verwandte würden in Österreich nicht leben. Mütterlicherseits würden sich Verwandte noch in Großbritannien befinden. Mit diesen würde der BF 1 und BF 2 aber nicht in Kontakt stehen. Zu seiner Freizeit befragt, gab dieser an, dass er derzeit arbeiten würde, schwimmen gehe und mit seinen Freunden etwas unternehmen würde. Zu seinem Freundeskreis würden auch Österreicher angehören, wovon XXXX im Mühlkreis und XXXX leben würde. Verheiratet sei der BF nicht und habe auch keine Kinder.
Mit seiner Freundin XXXX würde er seit drei Monaten eine Beziehung führen. Ein gewöhnlicher Arbeitsalltag würde sich beim BF 2 so darstellen, dass er am Donnerstag und Sonntag jede Zweite Woche frei haben würde. Ansonsten würde er um 06:00 Uhr früh aufstehen, zum Bus gehen und in die Arbeit fahren, welche um 09:00 Uhr in der Früh beginnen und um 18:00 Uhr enden würde. Danach würde er regelmäßig ins Fitnessstudio " XXXX " gehen, wo er Mitglied sei. Dort würde er seit ca. einem Jahr vier bis fünf Mal eine Stunde pro Woche trainieren. Um 19:50 würde er mit dem Bus nach Hause fahren und um 20:40 ankommen. Dann würde er eventuell noch etwas mit seinen Freunden unternehmen oder direkt nach Hause gehen.
Am Wochenende würde es unterschiedlich sein, als er sich entweder mit seiner Freundin treffen oder eine Sportart machen würde. Meistens würde es sich dabei um Volleyball handeln.
Die Hausarbeit zu Hause würde meistens von seinem Vater, BF 1, übernommen werden und würde BF 2 diesen helfen, wenn er Zeit haben würde. Dabei putze BF 2 mit seinem Vater gemeinsam die Wohnung oder koche mit ihm gemeinsam. Sein Vater würde insofern auf dessen Hilfe angewiesen sein, als er ihn erinnern würde die Medikamente einzunehmen und keine Termine beim Hausarzt oder der Psychologin verpassen würde. Den genauen Tagesablauf seines Vaters würde er nicht kennen, wisse aber, dass er täglich zum Seniorenhaus gehen würde und mit alten Leuten etwas unternehmen und ihnen helfen würde. Ansonsten würde der im Garten sein und würde zu Nachbarn zum Gemüse pflanzen gehen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF 1 und BF 2, Vater und Sohn, sind Staatsangehörige von Afghanistan und nicht österreichische Staatsbürger. Sie sind Anfang Jänner XXXX illegal nach Österreich eingereist und halten sich seit fast sechs Jahren im Bundesgebiet auf.
BF 1 und BF 2 stellten am XXXX Anträge auf internationalen Schutz. Ihre Anträge wurden mit Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf deren Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.) und die BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (spruchpunkt III.).
Mit Beschluss des BVwG vom XXXX , Gerichtsabteilung XXXX , wurden die angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an das BFA zurückverwiesen.
Am XXXX wurde vom rechtsfreundlichen Rechtsvertreter eine Verletzung der Entscheidungsfrist gemäß Art 130 Abs. 1 Z 3 B-VG geltend gemacht. Es wurde der Antrag gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG gestellt innerhalb einer Frist von drei Monaten über die genannten Anträge auf internationalen Schutz zu entscheiden bzw. allenfalls die gegenständliche Säumnisbeschwerde dem BVwG vorzulegen.
Mit Beschluss des BVwG vom XXXX , der Gerichtsabteilung XXXX , wurde das BFA gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG beauftragt den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der im gegenständlichen Erkenntnis festgelegten Rechtsanschauung des BVwG binnen acht Wochen zu erlassen.
Am XXXX teilte das BFA dem BVwG unter Anschluss der Vorlage der Akten mit, dass nach individueller Prüfung des Aktes eine Erledigung im vorliegenden Fall nicht fristgemäß erfolgen könne.
In der Folge wurden die Verhandlungen mit BF 1 am XXXX und mit BF 2 am XXXX und XXXX durchgeführt.
BF 1 und BF 2 leben in Österreich in einem Familienverband, welcher schon seit der Geburt des BF 2 im Iran bestanden hat, zusammen.
BF 2 hat im Schuljahr XXXX die Polytechnische Schule XXXX , Fachbereich Metall, positiv absolviert. Anschließend hat der BF 2 im XXXX eine Lehre in der Bio-Bäckerei in XXXX begonnen und hat in weiterer Folge die Berufsschule bis zur zweiten Fachklasse für den Lehrberuf Bäcker im Schuljahr XXXX absolviert. Der BF 2 hat sich im Zuge dieser Tätigkeit eine Berufskrankheit (Asthma bronchilae, einschließlich Rhinopathie) zugezogen. Im Rahmen einer sogenannten Teilqualifizierung hat er die in seiner Lehrzeit als Bäcker erlernten Fertigkeiten und Kenntnisse nachgewiesen. Derzeit ist der BF als Einzelhandelskaufmann-Schwerpunkt Sportartikel in einem Geschäft in XXXX tätig und hat im XXXX die erste Klasse für diesen Fachbereich absolviert. Der BF 2 verfügt dafür über die entsprechende Beschäftigungsbewilligung und verdient im XXXX . Der BF 2 trägt mit seinem Lohn wesentlich an der Bestreitung seines Lebensunterhaltes und dem seines Vaters bei. Außerdem verfügt der BF über einen Freundeskreis, dem österreichische StaatsbürgerInnen angehören. Der BF geht in seiner Freizeit sportlichen Aktivitäten nach und kann sich im Alltag in Österreich ohne Probleme mühelos verständigen. Außerdem achtet BF 2, dass BF 1 die Medikamente regelmäßig einnimmt und seine ärztlichen Termine wahrnimmt.
BF 1 steht seit längerer Zeit unter psychchopharmakologischer Medikation und geht in Österreich keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Er übernimmt in der Wohngemeinschaft mit seinem Sohn die vornehmliche Hausarbeit. Außerdem ist er auf freiwilliger Basis in einem Altenheim tätig, indem er den dortigen HeimbewohnerInnen durch verschiedene Tätigkeiten zur Seite steht. BF 2 ist der deutschen Sprache nur eingeschränkt mächtig. Er verfügt aber mittlerweile auch über einen entsprechenden Freundes-, Bekanntenkreis in Österreich.
Im Übrigen wird auf den Verfahrensgang verwiesen, der der Entscheidung zugrunde gelegt wird.
1.2. Zur Situation in der afghanischen Republik
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).
Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).
Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).
Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).
Sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).
Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).
Zivilist/innen
Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017).Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul , Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).
Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).
High-profile Angriffe:
Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)
Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).
Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).
Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).
Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)
Interreligiöse Angriffe
Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).
Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).
Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).
ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte
Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:
Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann - dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um
3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter hohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).
Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
Taliban
Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):
Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen - in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen - dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).
Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich - laut afghanischen Beamten - ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).
Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar - in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Der IS war nach wie vor widerstandsfähig und bekannte sich zu mehreren Angriff auf die zivile Bevölkerung, aber auch auf militärische Ziele [Anm.: siehe High-Profile Angriffe] (UN GASC 20.12.2017). Unklar ist, ob jene Angriffe zu denen sich der IS bekannt hatte, auch tatsächlich von der Gruppierung ausgeführt wurden bzw. ob diese in Verbindung zur Führung in Mittleren Osten stehen. Der afghanische Geheimdienst geht davon aus, dass in Wahrheit manche der Angriffe tatsächlich von den Taliban oder dem Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurden, und sich der IS opportunistischerweise dazu bekannt hatte. Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in der östlichen Provinz Nangarhar zerstörten; hielt das die Gruppierungen nicht davon ab ihre Angriffe zu verstärken (Reuters 1.12.2017).
Sicherheitsbeamte gehen davon aus, dass der Islamische Staat in neun Provinzen in Afghanistan eine Präsenz besitzt: im Osten von Nangarhar und Kunar bis in den Norden nach Jawzjan, Faryab, Badakhshan und Ghor im zentralen Westen (Reuters 23.11.2017). In einem weiteren Artikel wird festgehalten, dass der IS in zwei Distrikten der Provinz Jawzjan Fuß gefasst hat (Reuters 1.12.2017).
Politische Entwicklungen
Der Präsidentenpalast in Kabul hat den Rücktritt des langjährigen Gouverneurs der Provinz Balkh, Atta Mohammad Noor, Anfang dieser Woche bekanntgegeben. Der Präsident habe den Rücktritt akzeptiert. Es wurde auch bereits ein Nachfolger benannt (NZZ 18.12.2017). In einer öffentlichen Stellungnahme wurde Mohammad Daud bereits als Nachfolger genannt (RFE/RL 18.12.2017). Noor meldete sich zunächst nicht zu Wort (NZZ 18.12.2017).
Wenngleich der Präsidentenpalast den Abgang Noors als "Rücktritt" verlautbarte, sprach dieser selbst von einer "Entlassung" - er werde diesen Schritt bekämpfen (RFE/RL 20.12.2017). Atta Noors Partei, die Jamiat-e Islami, protestierte und sprach von einer "unverantwortlichen, hastigen Entscheidung, die sich gegen die Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sowie gegen die Prinzipien der Einheitsregierung" richte (NZZ 18.12.2017).
Die Ablösung des mächtigen Gouverneurs der nordafghanischen Provinz Balch droht Afghanistan in eine politische Krise zu stürzen (Handelsblatt 20.12.2017). Sogar der Außenminister Salahuddin Rabbani wollte nach Angaben eines Sprechers vorzeitig von einer Griechenlandreise zurückkehren (NZZ 18.12.2017).
Atta Noor ist seit dem Jahr 2004 Gouverneur der Provinz Balkh und gilt als Gegner des Präsidenten Ashraf Ghani, der mit dem Jamiat-Politiker Abdullah Abdullah die Einheitsregierung führt (NZZ 18.12.2017). Atta Noor ist außerdem ein enger Partner der deutschen Entwicklungshilfe und des deutschen Militärs im Norden von Afghanistan (Handelsblatt 20.12.2017).
In der Provinz Balkh ist ein militärischer Stützpunkt der Bundeswehr (Handelsblatt 20.12.2017).
Quellen:
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al Jazeera (20.10.2017): Deadly attacks hit mosques in Kabul and Ghor,
http://www.aljazeera.com/news/2017/10/dozens-feared-dead-attacks-afghanistan-171020142936566.html, Zugriff 20.12.2017
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BBC (31.10.2017): Kabul Green Zone attacked by suicide bomber, http://www.bbc.com/news/world-asia-41819850, Zugriff 20.12.2017
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BBC (21.10.2017): Afghan suicide mosque attacks kill scores of worshippers, http://www.bbc.com/news/world-asia-41699320, Zugriff 20.12.2017
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BS - Business Standard (24.11.2017): Key Haqqani network leader among dozens killed in Afghanistan, http://www.business-standard.com/article/news-ani/key-haqqani-network-leader-among-dozens-killed-in-afghanistan-117112400292_1.html, Zugriff 21.12.2017
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Guardian (7.11.2017): Kabul TV station defiantly resumes broadcasting moments after Isis attack ends, https://www.theguardian.com/world/2017/nov/07/gunmen-attack-kabul-tv-station-after-explosion, Zugriff 20.12.2017
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Handelsblatt (20.12.2017): Afghanistan stürzt in politische Krise, http://www.handelsblatt.com/politik/international/gouverneurs-abloesung-afghanistan-stuerzt-in-politische-krise/20759742.html, Zugriff 21.12.2017
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KUNA - Kuwait News Agency (15.12.2017): Security operations kill 12 rebels in Afghanistan,
http://www.kuna.net.kw/ArticleDetails.aspx?id=2669249&language=en, Zugriff 21.12.2017
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Independent (20.10.2017): Kabul attack: Isis claims responsibility for Shia mosque suicide bombing killing at least 30 in Afghan capital,
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NYT - The New York Times (7.11.2017): A Leading Afghan TV Station Is Attacked in Kabul,
https://www.nytimes.com/2017/11/07/world/asia/kabul-shamshad-tv-attack.html, Zugriff 20.12.2017
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NYT - The New York Times (20.10.2017): Twin Mosque Attacks Kill Scores in One of Afghanistan's Deadliest Weeks, https://www.nytimes.com/2017/10/20/world/asia/afghanistan-kabul-attack-mosque.html, Zugriff 20.12.2017
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Reuters (23.11.2017): Islamic State beheads 15 of its own fighters: Afghan official,
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Reuters (16.11.2017): Kabul 'Green Zone' tightened after attacks in Afghan capital, Suicide bomber kills nine near Afghan political meeting,
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RFE/RL - Radio Free Europe Radio Free Liberty (18.12.2017): Afghan Party Cries Foul After Ghani Says Powerful Governor Has Resigned, https://www.rferl.org/a/afghanistan-noor-balkh-governor-resigns-fired-disputed/28924925.html, Zugriff 21.12.2017
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SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.10.2017): QUARTERLY REPORT TO THE UNITED STATES
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