Entscheidungsdatum
30.11.2018Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13Spruch
W131 2176669-1/12E
TEILERKENNTNIS IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK über die Beschwerde des XXXX, geb XXXX, StA Afghanistan, gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2017, Zl XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Nach seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer (= Bf) am 08.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab der Bf anlässlich seiner Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, dass er sich 16 Jahre lang illegal im Iran aufgehalten habe. Das Leben im Iran sei schlecht gewesen. Aufgrund seines illegalen Aufenthaltes habe er sich nicht einmal eine Sim-Karte für sein Telefon besorgen können. Aus diesem Grund habe er beschlossen, die Flucht nach Europa anzutreten.
Anlässlich seiner am 16.10.2017 durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab der Bf, befragt nach seinen Fluchtgründen an, dass die Taliban seinen Vater umgebracht und ihm eine Ohrfeige verpasst hätten. Als ein Nachbar des Bf dann mit seiner Familie in den Iran geflohen sei, habe seine Mutter den Nachbar gebeten, den Bf mitzunehmen. Im Iran habe er sich dann 15 Jahre lang aufgehalten. Während seines illegalen Aufenthaltes im Iran sei er zwar nie persönlich konkret bedroht worden, als im Iran illegal aufhältiger Afghane sei man aber Diskriminierungen ausgesetzt. Wenn man von der Polizei aufgegriffen werden würde, hätte man nur zwei Möglichkeiten, entweder man werde nach Afghanistan abgeschoben, oder nach Syrien in den Krieg geschickt. Während seines Aufenthaltes im Iran habe er nur heimlich rausgehen können und habe stets auf der Hut sein müssen, nicht von der Polizei aufgegriffen zu werden.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24.10.2017, sprach die belangte Behörde aus, dass der Antrag des Bf "hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt I.) und "gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG [...] hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf [seinen] Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen" wird (Spruchpunkt II.). Ferner sprach sie aus, dass dem Bf ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt und gegen ihn "[g]emäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF", eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBI. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt wird, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Weiters legte sie gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG für die freiwillige Ausreise des Bf eine Frist von 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).
Gleichzeitig stellte die belangte Behörde dem Bf den Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem BVwG zur Seite.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die fristgerecht bei der belangten Behörde einlangte. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Bf seine bisherigen Aussagen aufrecht hält. Der Bf fürchte sich vor einer Abschiebung nach Afghanistan, da bereits sein Vater von den Taliban getötet und der Bf von ihnen eine Ohrfeige verpasst bekommen hätte. Aufgrund der bisherigen Ausführungen des Bf sei diese Frucht auch wohlbegründet. Weiters wird vorgebracht, dass sich der Bf mit seinen 27 Jahren in einem wehrfähigen Alter befinden würde und somit im Fall seiner Rückkehr mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, insbesondere aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, von einer (Zwangs-)Rekrutierung bedroht sei. Dem Bf würde keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen und würde es ihm bei einer Rückkehr nicht möglich sein, sich einem Zugriff durch die Taliban zu entziehen. Die belangte Behörde habe auch nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Bf beinahe sein gesamtes Leben im Iran verbracht habe und seit mehreren Jahren keinen Kontakt mehr mit seiner Familie habe und zu seinem Herkunftsland auch keinerlei wirtschaftliche oder soziale Bezugspunkte habe, weshalb er in Afghanistan auch keinerlei Zukunftsperspektiven hätte und ihm deshalb zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen wäre. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit dem gesamten individuellen Vorbringen des Bf sachgerecht auseinanderzusetzen und diesbezüglich ein adäquates Ermittlungsverfahren zu führen. Der angefochtene Bescheid leide daher an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel.
4. Mit Schreiben vom 07.11.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dazugehörigen Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (= BVwG) zur Entscheidung vor. Bereits im Vorlageschreiben teilte die belangte Behörde mit, dass sie auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
5. Schließlich fand am 15.11.2018 vor dem BVwG unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an der auch der Bf und ein Vertreter seines bevollmächtigten Vereins ebenfalls teilnahmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Bf
Der Bf ist afghanischer Staatsangehöriger. Er gehört zur Volksgruppe der Hazara und bekennt sich selbst zum Islam schiitischer Ausrichtung. Der Bf wurde am XXXX in der Provinz Mazar-e Sharif geboren und ist auch dort aufgewachsen. In Afghanistan hat der Bf vier Jahre lang die Schule besucht. Er kann zwar sinnerfassend lesen, aber nicht schreiben. Seine Muttersprache ist Dari. Im Alter von ca 10 Jahren hat der Bf Afghanistan verlassen und ist in den Iran gegangen. Im Iran hat er mehrere Hilfstätigkeiten verrichtet (ua im Metallbereich oder als Maler und Schweißer).
Der Vater des Bf ist bereits verstorben. Der Bf hat bereits seit mehreren Jahren keinen Kontakt mehr mit seiner Mutter. Es konnte nicht festgestellt werden, ob und über welche Angehörigen der Bf noch in Afghanistan verfügt.
Beim Bf handelt es sich um einen volljährigen jungen und arbeitsfähigen Mann. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten.
Der Bf steht derzeit (aufgrund einer für März geplanten HNO-Operation) in ärztlicher Behandlung.
Der Bf ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den vorgebrachten Fluchtgründen des Bf
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Bf im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Private, sei es vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen, wie seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder seines langjährigen Aufenthalts im Iran und jüngst auch in Europa) zu erwarten hätte.
Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass der Bf bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban zu befürchten hätte oder er künftig als besonderes Ziel der Taliban hervorstechen würde.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat
Unter Bezugnahme auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand 29.06.2018), werden folgende entscheidungsrelevanten, die Person des Bf individuell betreffenden Feststellungen zur Lage in Afghanistan getroffen:
1.3.1. Balkh
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).
Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).
Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:
Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).
Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).
Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).
Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).
In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:
Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Balkh
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).
Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh
Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).
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1.3.2. Religionsfreiheit und Schiiten
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).
Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).
Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).
Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).
Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).
Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).
Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).
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Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara (USDOS 15.8.2017). Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016). Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (CRS 13.12.2017).
Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 11.4.2018). Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 15.8.2017).
Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30% (AB 7.6.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 15.8.2017).
Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (USDOS 15.8.2017). Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet (CRS 13.12.2017). In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (HRW 2018; vgl. USCIRF 2017).
Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten (USDOS 15.8.2017).
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1.3.3. Ethnische Minderheiten, insbesondere Hazara
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5.2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).
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Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).
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Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).
So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).
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1.3.4. Wehrdienst, Wehrdienstverweigerung/Desertion
Afghanistan kennt keine Wehrpflicht. Das vorgeschriebene Mindestalter für die freiwillige Meldung beträgt 18 Jahre (CIA 2018; vgl. AA 5.2018). Da die Tätigkeit als Soldat oder Polizist für den großen Teil der jungen männlichen Bevölkerung eine der wenigen Verdienstmöglichkeiten darstellt, erscheint die Notwendigkeit für Zwangsrekrutierungen jedoch eher unwahrscheinlich (AA 5.2018).
Gemäß dem afghanischen militärischen Strafverfahrenskodex von 2008 wird die permanente Desertion mit einer Haftstrafe von zwei bis fünf Jahren bedroht. Bei Desertionen während einer Sondermission beträgt die maximale Haftstrafe zwischen fünf und fünfzehn Jahren. Eine Abwesenheit von mehr als 24 Stunden wird als unerlaubt definiert [Anm.: Absent without official leave, AWOL]. In der Praxis werden Deserteure jedoch in der Regel nicht rechtlich verfolgt. Im Jahr 2016 wurde ein Soldat wegen Desertion in erster Instanz zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt; Berichten zufolge wurde dies zu einem Medienfall, was u.a. auf die Seltenheit solcher Verurteilungen hinweist und auf die Absicht schließen lässt, ein Exempel zu statuieren (SEM 31.3.2017).
2015 musste die afghanische Armee ca. ein Drittel ihrer 170.000 Soldaten wegen Desertion, Verlust bzw. dem niedrigen Anteil an Weiterverpflichtungen ersetzen (Reuters 18.1.2016). Im Jahr 2017 wurde vom Special Inspector General for Afghanistan (SIGAR) festgestellt, dass ca. die Hälfte der afghanischen Soldaten (83 von 152), die in den USA Fortbildungen besuchten, sich während ihres Aufenthalts unerlaubt vom Dienst entfernten; dies könne u.a. negative Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft der ANSDF haben (SIGAR 30.10.2017). Dem Kommandanten der US-amerikanischen Truppen in Afghanistan zufolge ist die Zahl der Desertionen im Land gestiegen: Monatlich verlassen mindestens 4.000 Soldaten die ANDSF; diese Aussage wurde am nächsten Tag vom Verteidigungs- und Innenministerium dementiert. Desertionen sind in Afghanistan seit ca. 40 Jahren an der Tagesordnung (SEM 31.3.2017).
Als Gründe für Desertion und unerlaubtes Fernbleiben gelten Korruption, die Angst vor den Taliban, niedrige Gehälter, schlechte Lebensbedingungen (FP 20.10.2017; vgl. SEM 31.3.2017). Das Problem der Abwesenheit in der ANA wird ebenso damit begründet, dass Soldaten oftmals nicht in ihrer Heimatprovinz dienen. Viele von ihnen müssen einen langen Reiseweg auf sich nehmen, um in ihre Heimatdörfer zu gelangen und ihren Familien die Löhne geben zu können (CRS 13.12.2017; vgl. USDOD 6.2016, AA 5.2018). Diese Deserteure werden schon aufgrund der sehr hohen Zahlen bezüglich vorübergehender Abwesenheiten nach Rückkehr zu ihrem ursprünglichen Standort wieder in die Armee aufgenommen (AA 5.2018). Allerdings ist die Zahl der unerlaubt Abwesenden in den letzten Jahren etwas gesunken, da nun fast jede Bezahlung der ANA-Soldaten elektronisch durchgeführt wird (CRS 13.12.2017).
...
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des Verfahrensaktes des BVwG.
2.2. Die Feststellungen hinsichtlich der Person des Bf, seines persönlichen und beruflichen Werdeganges sowie seiner familiären Verhältnisse beruhen auf den diesbezüglichen gleichlautendenden und insoweit glaubhaften Aussagen des Bf während des gesamten Verfahrens.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand stützten sich ebenfalls auf die gleichlautenden und insoweit glaubhaften Aussagen des Bf im Laufe des Verfahrens sowie auf die vorgelegten unbedenklichen Unterlagen (insbesondere die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten ärztlichen Unterlagen iZm der dem Bf bevorstehenden Operation im März 2019).
2.3. Eine individuelle Verfolgung oder Bedrohung wurde vom Bf in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan nicht substantiiert geltend gemacht und ist auch im Hinblick auf die sonstigen Merkmale des Bf, zB als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara mit schiitischen Glauben, nicht zu erkennen. Auf die Ausführungen des Bf, die sich auf Vorkommnisse im Iran bezogen war aus rechtlichen Gründen nicht näher einzugehen (vgl hierzu auch die rechtlichen Ausführungen unter Pkt 3.3.).
2.4. Aus einer Gesamtschau sowohl des Verfahrens vor der belangten Behörde als auch vor dem BVwG ergibt sich daher, dass der Bf trotz der zahlreichen Gelegenheiten nicht imstande war, eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen in Bezug auf seinen Herkunftsstaat (Afghanistan) geltend zu machen. Es konnte weder eine konkret gegen die Person des Bf gerichtete asylrelevante Verfolgung festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst irgendwelche Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung des Bf im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen für wahrscheinlich erscheinen lassen hätten. Dass das BVwG die vom Bf vorgebrachte Bedrohung durch die Taliban als nicht glaubhaft beurteilt hat, ergibt sich insbesondere aus Folgendem:
2.4.1. Eingangs ist nur der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass der Bf in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes hinsichtlich seiner Fluchtgründe noch nichts von einer vermeintlichen Bedrohung durch die Taliban angab, sondern sich seine Ausführungen lediglich auf seinen Aufenthalt im Iran bezogen (AS 11). Erst in der Einvernahme vor der belangten Behörde schilderte der Bf, dass sein Vater von den Taliban aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara umgebracht worden sei. Auf die Frage, weshalb er von den Taliban geohrfeigt worden sei, gab der Bf an "[w]eil ich ein Kind war und als sie meinen Vater angegriffen haben, habe ich geschrien. Deshalb bekam ich eine Ohrfeige." (AS 103).
2.4.2. Weiters verstrickt sich der Bf auch in Widersprüche iZm seiner Begründung, weshalb nur er aus Afghanistan habe fliehen müssen. Zunächst gab der Bf an, dass sein älterer Bruder (der zum damaligen Zeitpunkt 12 Jahre alt war) in Afghanistan habe bleiben müssen, um für den Lebensunterhalt der Mutter zu sorgen. Auf die Frage, ob die Mutter keine Angst gehabt habe, dass die Taliban auch den Bruder des Bf etwas antun könnten, führte der Bf zunächst aus, dass es keinen anderen Weg gegeben hätte, gab aber später an, dass die "Taliban [...] mit jungen Kindern nicht zu tun [hätten]". Zum Zeitpunkt der Ermordung des Vaters durch die Taliban war der Bf selbst erst 10 Jahre alt. Konfrontiert mit dem Widerspruch wonach der Bf zunächst angab, Afghanistan aufgrund der drohenden Gefahr durch die Taliban habe verlassen müssen und mit seiner Aussage, dass die Taliban Kindern nichts antun würden, antwortete der Bf lediglich ausweichend und sichtlich bemüht seine vorigen Aussagen abzuschwächen "Manchmal haben die Taliban auch Vier- oder Fünfjährige umgebracht. Aber meine Mutter meinte, dass sie zumindest mich in Sicherheit bringen würde. Mein älterer Bruder musste dort bleiben, damit meine Mutter im Haushalt unterstützt" werde (AS 103 und 104).
Eine mit naheliegender Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung durch die Taliban konnte daher nicht glaubhaft gemacht werden.
2.4.3. Selbst unter der Prämisse, dass man dem Vorbringen des Bf hinsichtlich der von ihm vorgebrachten historischen Verfolgung bzw Bedrohung durch die Taliban dennoch Glauben schenken würde, ist zu berücksichtigen, dass mittlerweile schon einige Zeit vergangen ist und zudem wohl nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass der Bf bei einer Rückkehr in einen anderen Landesteil seines Herkunftsstaates (weiterhin) eine Verfolgung und/oder Bedrohung durch die Taliban zu befürchten habe. Diese Einschätzung des BVwG wird auch insbesondere durch die eigenen Angaben des Bf in der mündlichen Verhandlung gestützt, wonach er auf die Frage, was er bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten habe, in erster Linie die allgemeine schlechte Sicherheitslage vorbringt und nur in einem Nebensatz auch auf eine - allerdings ebenfalls nur allgemein bezogene - vermeintliche Bedrohung durch die Taliban hinweist. Zudem gab er - im Widerspruch zu seinen Aussagen während seiner Einvernahme vor der belangten Behörde - auch an, aufgrund seiner Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit (der Bf ist schiitischer Hazara) nirgends in Afghanistan in Ruhe leben zu können (S 3 und 4 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Nähere Ausführungen dazu, welche Gefahren der Bf konkret persönlich bei einer Rückkehr zu befürchten hätte, machte er nicht.
2.4.4. Abschließend sei noch zu erwähnen, dass der Bf von den Taliban nie konkret persönlich bedroht wurde. Auch habe es nie eine konkrete Verfolgungshandlung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit gegeben oder hätte er in Afghanistan Probleme aufgrund seiner Religion gehabt ("LA: Sind Sie jemals von den Taliban bedroht worden? VP [=Bf]: Nein. Die Taliban bedrohen einen nicht, sondern sie erledigen es gleich an Ort und Stelle. [...] Ich habe zwar von den Taliban eine Ohrfeige bekommen, aber ich wurde nicht bedroht."; AS 105).
2.5. Die auszugsweise unter Pkt II. 1.3 wiedergegebenen Länderfeststellungen ergeben sich aus den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das BVwG kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zu Grunde gelegt werden konnten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides
3.1. Zunächst ist festzuhalten, dass die Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichts durch den Anfechtungsumfang der Beschwerde begrenzt ist, sofern der im angefochtenen Bescheid enthaltene Abspruch rechtlich in mehrere selbstständige Teile trennbar ist (vgl VwGH 24.02.2016, Ra 2015/09/0138).
Bei den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides handelt es sich um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche. Demgemäß sind diese Aussprüche nicht nur separat anfechtbar, sondern können sie auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Es besteht zwischen diesen gemäß den maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 und des FPG 2005 lediglich insofern ein rechtlicher Zusammenhang, als es für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind, sodass im Fall der Aufhebung eines Spruches ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann (VwGH 06.07.2016, Ra 2014/01/0217; 28.01.2015, Ra 2014/20/0121, mwN).
Betreffend § 3 AsylG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) wurde vom erkennenden Richter im Rahmen der mündlichen Verhandlung das Ermittlungsverfahren gemäß § 39 Abs 3 AVG idF BGBl I 2018/56 geschlossen. Aufgrund der vorliegenden Entscheidungsreife und des in § 39 Abs 2 leg cit normierten gesetzlichen Gebots der Raschheit und Zweckmäßigkeit konnte gegenständlich über die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides bereits jetzt entschieden werden, zumal es gemäß § 17 VwGVG iVm § 59 Abs 1 letzter Satz AVG zweckmäßig erschien, insoweit rasch zu entscheiden und erst in weiterer Folge die in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG relevierten Gesundheitsfragen und sonstigen Fragen - va im Bereich der § 8 AsylG - danach gehörig abzuklären.
3.2. § 3 Abs 1 AsylG 2005 verweist auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK (VwGH 24.6.2010, 2007/01/1199).
Flüchtling im Sinne der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (VwGH 25.3.1999, 98/20/0431 uva).
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.3. Anhand des durchgeführten Ermittlungsverfahren und des nunmehr festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass sich die vom Bf behauptete Furcht, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt nur dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK (taxativ) festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung angemerkt, hat der Bf kein konkretes asylrelevantes Fluchtvorbringen erstattet bzw konnte ein solches von ihm nicht glaubhaft gemacht werden. Soweit sich der Bf bei seinem Vorbringen auf Ereignisse im Iran stützt, gilt es festzuhalten, dass eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen hier schon deshalb nicht besteht, da sich die begründete Furcht vor Verfolgung auf jenes Land beziehen muss, dessen Staatsangehörigkeit der Asylwerber besitzt (in diesem Fall Afghanistan). Die Furcht vor Verfolgung in einem Land, das nicht das Heimatland ist, kann nämlich dadurch abgewendet werden, dass man den Schutz des Heimatlandes in Anspruch nimmt (VwGH 08.11.1989, 89/01/0338). Zudem ist eine Abweisung eines Asylantrages nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn sich die vom Asylwerber konkret geschilderten, seine Person betreffenden Fluchtgründe nicht auf eine Bedrohung in seinem Herkunftsstaat beziehen, sodass insofern keine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat behauptet wurde (VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240).
3.4. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle auch festgehalten, dass der Bf in seinem Herkunftsstaat auch aufgrund von generalisierenden Merkmalen unabhängig von individuellen Aspekten über eine die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkrieges hinausgehende "Gruppenverfolgung" nicht ausgesetzt wäre: Der Verwaltungsgerichtshof (= VwGH) hat dazu ausgeführt, dass die schwierige allgemeine Lage einer ethnischen Minderheit oder der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft - für sich allein - nicht geeignet sei, die für die Anerkennung einer Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten drohenden Verfolgungshandlung dazutun (VwGH 31.01.2002, 2000/20/0358). Der Bf gehört als Hazara zwar einer ethnischen und als Schiite auch einer religiösen Minderheit an, doch ist festzuhalten, dass sich für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara - wie aus den zugrunde gelegten Länderfeststellungen ersichtlich - die Situation in der Zwischenzeit deutlich verbessert hat, wenngleich die gesellschaftlichen Spannungen fortbestehen und in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder aufleben und sich auch in konfessionell bedingten Terrorangriffen zB gegen Schreine und Moscheen äußern. Vor dem Hintergrund der Feststellungen ist jedoch davon auszugehen, dass weder die Zugehörigkeit einer Person zur ethnischen Minderheit der Hazara noch die Zugehörigkeit einer Person zur religiösen Minderheit der Schiiten ausreicht, um davon ausgehen zu müssen, dass diese Person der Gefahr einer Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse bzw einer bestimmten Glaubensgemeinschaft ausgesetzt wäre (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande vgl. auch EGMR 05.07.2016 AM/NL, Beschw Nr 29.094/09, VGH München vom 04.01.2017 - 13a ZB 16.30600, wonach Hazara in Afghanistan zwar einer gewissen Diskriminierung unterliegen, derzeit und in überschaubarer Zukunft aber weder einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung noch einer erheblichen Gefahrendichte ausgesetzt sind; weiters etwa VG Lüneburg 06.02.2017, 3 A 126/16 unter Verweis auf Bay. VGH 04.01.2017, 13a ZB 16.30600; Bay. VGH 19.12.2016 - 13a ZB 16.30581; VG Augsburg 07.11.2016, Au 5 K 16.31853; VG Würzburg, 28.10.2016, W 1 K 16.31834; [schweizerisches] Bundesverwaltungsgericht 11.01.2017, E-5136/2016). Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.
3.5. Auch hinsichtlich der vom Bf (insbesondere erst in der Beschwerde) vorgebrachten Befürchtung einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt zu sein oder einer asylrelevanten Verfolgung aus sonstigen Gründen ergaben sich im Laufe des Verfahrens keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der Bf konnte sohin weder eine ihm drohende asylrelevante Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft machen noch ist eine solche auf Grund des Ermittlungsverfahrens hervorgekommen.
3.6. Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich für den Bf eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht herleiten:
Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des VwGH keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl etwa VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529; 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist (dies gilt gleichermaßen für die vom Bf angedeuteten Gefahren, die sich aus der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan ergeben).
3.7. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass das BVwG eine allfällige - nicht asylrelevante - Gefährdung des Bf durch die derzeitige Sicherheitslage in Afghanistan in seiner noch zu erlassenden Entscheidung (betreffend die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides) zu prüfen und zu berücksichtigen haben wird.
3.8. Da nach Ansicht des BVwG das Fluchtvorbringen des Bf in seiner Gesamtheit nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl erfüllt, war die gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids erhobene Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (s die unter Punkt II. zitierte Rechtsprechung) auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Glaubwürdigkeit, Gruppenverfolgung, individuelle Gefährdung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W131.2176669.1.00Zuletzt aktualisiert am
08.02.2019