Entscheidungsdatum
10.12.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs3Spruch
W164 2167718-2/4Z
Beschluss
Teilentscheidung:
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Mag. Ariane Olschak, Asyl in Not, Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2018, Zl. 1078565906/150874275 betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages und Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung, beschlossen:
A)
1. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben.
2. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 31.1.2018 wird gemäß § 33 Abs 4 VwGVG aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 16.07.2015 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005.
Mit Bescheid vom 07.07.2017, Zl. 1078565906+15087275, hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 16.07.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 3 iVm §2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II), dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt und gem § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Gem. § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. (Spruchpunkt III.) Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz wurde gem. § 18 Abs 1 Z 3 BFA-Verfahrensgesetz idgF die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass gem. § 55 Abs 1a FPG keine Frist zur freiwilligen Ausreise bestehe (Spruchpunkt V.).
Dieser Bescheid wurde dem BF gemeinsam mit einer Verfahrensanordnung gem. § 52 Abs 1 BFA-VG am 18.7.2017 (erster Tag der Abholfrist) an seinem ausgewiesenen Wohnsitz durch Hinterlegung zugestellt.
Mit 31.1.2018 brachte der BF vertreten durch Mag Ariane Olschak, p. A. Asyl in Not, Wien unter gleichzeitiger Vorlage einer Vollmacht bei der belangten Behörde einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein und brachte zur Begründung vor, weder der BF, noch die mit der Verwaltung der Post beauftragten Personen seiner Unterkunft hätten Kenntnis von der oben genannten Zustellung erlangt. An der Meldeadresse des BF sei es von Juni bis September 2017 zu Problemen mit der Zustellung von Postsendungen gekommen. Der BF legte zwei Schreiben des die genannte Unterkunft betreuenden XXXX vor, mit denen bestätigt wurde, dass der BF seit seinem Einzug vom 11.1.2016, durchgehend an der verfahrensgegenständlichen Adresse wohnhaft war und dass es in der Zeit von Juni 2017 bis September 2017 im genannten Haus Probleme mit der Zustellung von Postsendungen gegeben habe. Postsendungen seien nur unregelmäßig eingetroffen. Bewohner hätten die Betreuer aufgesucht und mitgeteilt, dass sie Briefsendungen nicht erhalten hätten. Mehrere Personen hätten Briefe, Ladungen oder auch Pakete nicht erhalten. Die Post sei kontaktiert worden, jedoch ohne Erfolg.
Der BF brachte durch seine Rechtsvertretung gleichzeitig Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.07.2017, Zl. 1078565906-15087275, ein.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 04.05.2018, Zl. 1078565906/150874275, hat die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 31.1.2018 gemäß § 33 Abs 1 VwGVG idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.) und festgestellt, dass gem. § 33 Abs 4 VwGVG dem Antrag auf Wiederseinsetzung die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werde.
Zur Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, die Zustellung des genannten Bescheides vom 07.07.2017 und der genannten Verfahrensanordnung sei ordnungsgemäß durch Hinterlegung am 18.07.2017 beim Postamt 1165 Wien erfolgt, nachdem ein Zustellversuch am 17.07.2017 nicht erfolgreich gewesen sei. Die Verständigung über die Hinterlegung sei laut Rückschein in der Abgabeneinrichtung eingelegt worden. Im vorliegenden Fall sei kein unabwendbares Ereignis iSd § 33 Abs 1 VwGVG gegeben. Bereits im Bescheid vom 07.07.2017, Zl. 1078565906+15087275, sei die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausgeschlossen worden. Dieser Bescheid sei dem BF durch Hinterlegung "rechtskräftig" zugestellt worden. Der BF habe diesen Bescheid nicht innerhalb der Beschwerdefrist bekämpft. Er sei an der genannten Meldeadresse gemeldet und daher greifbar. Es sei ein Heimreisezertifikat seine Person betreffend erwirkt worden. Der Termin für die Abschiebung stehe nicht fest. Daraus ergebe sich, dass das private Interesse des BF an der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. am Verbleib im Bundesgebiet dem öffentlichen Interesse am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende rechtzeitige und zulässige Beschwerde, mit der die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wurde und weiters beantragt wurde, dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit gem § 28 Abs 3 VwGVG zur Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Der BF verwies weiters auf VwGH 2007/21/0022, AW 2001/20/0580 und 2002/20/0078 und beantragte, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Mit Schreiben vom 21.6.2018 brachte der BF eine ergänzende Beweisvorlage ein. Mit Schreiben vom 05.12.2018 wurde eine Beschwerdeergänzung eingebracht und auf die Bedeutung der aufschiebenden Wirkung hingewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde, mit dem ein Antrag auf Widereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde.
Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit (Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG) haben gemäß § 22 Abs 2 VwGVG aufschiebende Wirkung.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der BF durch die verfahrensgegenständliche Beschwerde bezogen auf die Rechtsfolgen der angefochtenen Entscheidung ex lege so gestellt ist, als wäre die von ihm angefochtene Entscheidung der belangten Behörde über seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch nicht ergangen.
Dies hat für den vorliegenden Fall zu Folge, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung über die aufschiebende Wirkung des bei der belangten Behörde eingebrachten Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf das nun zur Entscheidung insgesamt zuständige Bundesverwaltungsgericht übergegangen ist.
Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob dem Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufschiebende Wirkung zuerkannt werden kann.
Gemäß § 33 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet wie folgt:
(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. Nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, bir bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,
bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
§ 33 Abs 4 VwGVG trifft über die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unmittelbar keine Aussage.
§ 33 Abs 4, vierter Satz entspricht § 71 Abs 1 AVG. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur letztgenannten Bestimmung ergibt sich daraus eine Verpflichtung, amtswegig zwischen den Interessen des Antragstellers und jenen der übrigen Parteien sowie den öffentlichen Interessen abzuwägen. Dem Wiedereinsetzungsantrag ist -insoweit nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehenaufschiebende Wirkung (auch ohne darauf gerichtetes Begehren der Partei) zuzuerkennen, wenn dem Antragsteller sonst ein unverhältnismäßiger Nachteil entstünde. (VwGH 2002/20/0297,2002/20/0078, 2006/20/0237, Hengstschläger-Leeb, AVG, MANZ, 2009, vierter Teilband, RZ 131).
Das VwGVG regelt in § 22 Abs 1 VwGVG, unter welchen Voraussetzungen Beschwerden iSd Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG (betreffend Akte unmittelbarer behördlicher Befehls und Zwangsgewalt, die keine aufschiebende Wirkung haben) die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist: Hier ist - auf Antrag des Beschwerdeführers - die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zu zuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem andauern der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Diese Vorgaben können im Verfahren nach § 33 Abs 4 VwGVG sinngemäß angewendet werden. (Eder/Martschin/Schmid, das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte,. NWV, 2. überarbeitete Auflage, 2017, K23 zu § 33 VwGVG).
Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stehen keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen. Dem BF droht ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Verlust seiner Rechtsstellung als Asylwerber und damit offenkundig ein unverhältnismäßiger Nachteil. Dem Antrag des BF vom 31.01.2018 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Damit sind auch die Rechtswirkungen des mit Spruchpunkt IV im Bescheid vom 07.07.2017 ausgesprochenen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung betreffend das Verfahren in der Hauptsache aufgeschoben. Der BF hat die Rechtstellung eines Asylwerbers.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Der vorliegende Beschluss bildet eine Teilentscheidung: Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom 04.05.2018 richtet, wird darüber gesondert entschieden werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W164.2167718.2.00Zuletzt aktualisiert am
08.02.2019