Entscheidungsdatum
10.12.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W102 2163141-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. am XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrecht, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Wien, vom 12.06.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.02.2018 zu Recht:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 03.04.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung am 04.04.2015 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, dass er sein Heimatland aufgrund finanzieller und wirtschaftlicher Probleme verlassen habe.
I.2. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 24.02.2017 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass er von seinem Vater beschuldigt werde, seine psychisch Kranke Schwester vergewaltigt zu haben, wodurch diese schwanger geworden sei. Im Zuge der Abtreibung im Krankenhaus sei auch die Polizei informiert worden. Der Beschwerdeführer werde nunmehr von seinem Vater, der ihn nach islamischem Recht bestrafen wolle und von der Polizei verfolgt. Das Verhältnis zu seinem Vater sei bereits vorher nicht gut gewesen, er habe ihn oft geschlagen und manchmal nicht ins Haus gelassen. Er komme aus einer streng konservativen Familie, sei aber selbst nicht streng religiös und Tänzer und Rapper gewesen. Das habe sein Vater nicht akzeptieren wollen und ihn auch beschuldigt, homosexuell zu sein.
I.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.06.2017, zugestellt am 20.06.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs, 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
I.4. Mit Verfahrensanordnung vom 13.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Rechtsberatungsorganisation zur Seite gestellt.
I.5. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.06.2017 richtet sich die am 28.06.2017 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, dass dem Beschwerdeführer wegen der ihm unterstellten Vergewaltigung seiner Schwester Verfolgung durch seinen Vater drohe. Mit Schutz von staatlicher Seite könne der Beschwerdeführer nicht rechnen.
I.6. Am 16.10.2017 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein, in der dieser ausführt, ihm drohe im Fall einer Rückkehr aufgrund seiner Tätigkeit als Musiker Verfolgung durch die Taliban sowie Verfolgung durch seinen Vater aufgrund der ihm unterstellten Ehrverletzung der angeblichen Vergewaltigung seiner Schwester. Auch werfe ihm sein Vater vor, homosexuell zu sein. Die Taliban würden über eine große geographische Reichweite verfügen. Spätestens seit der Flucht des Beschwerdeführers habe dessen Vater seine Vermutungen publik gemacht und würde dem Beschwerdeführer nunmehr Verfolgung zahlreicher Akteure drohen. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei schlecht und eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe für den Beschwerdeführer nicht.
I.7. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 15.02.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme. Befragt zum Fluchtgrund schilderte der Beschwerdeführer, sein Vater sei streng gläubig und dagegen gewesen, dass sich der Beschwerdeführer mit Tanz und Gesang beschäftigt habe. Seine psychisch kranke Schwester sei schwanger gewesen und der Vater habe ihn beschuldig, sie vergewaltigt zu haben. Er habe gedroht, den Beschwerdeführer zu töten und ihn vor ein islamisches Gericht zu bringen. Für die ihm unterstellte Tat drohe ihm Verfolgung aufgrund einer ihm unterstellten politischen und religiösen Gesinnung.
I.8. Am 21.02.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein, in der ausgeführt wird, dass dem Beschwerdeführer außerehelicher Geschlechtsverkehr ("Zina") vorgeworfen werde. Dies sei nach dem afghanischen Strafrecht, der Scharia und der traditionellen Rechtsprechung eine schwere Tat. Es bestehe ein Zusammenhang zum Konventionsgrund der politischen Gesinnung und der Religion.
I.9. Am 06.03.2018 und am 21.09.2018 legte der Beschwerdeführer diverse Integrationsunterlagen vor.
I.9. Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
* Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr 2017/2018 vom 13.02.2018
* Sozialbericht des Samariterbundes vom 10.02.2018
* Semesterzeugnis für das Schuljahr 2017/2018 vom 02.02.2018
* Abschlussbericht XXXX - Jugendcollege
* Kursbesuchsbestätigung für das XXXX - Jugendcollge vom 04.09.2017
* Sozialbericht der Caritas vom 22.02.2017
* Kursbesuchsbestätigung für das XXXX - Jugendcollge vom 16.02.2017
* Empfehlungsschreiben der Bezugsberaterin am XXXX - Jugendcollege vom 14.02.2017
* ÖSD Zertifikat Deutsch B1, "nicht bestanden" vom 19.01.2017
* Kursbesuchsbestätigung für einen Intensivdeutschkurs Grundstufe A2.3 vom 25.08.2016
* Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr 2015/2016 vom 01.07.2016
* Schulnachricht für das Schuljahr 2015/2016 vom 29.01.2016
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geborenXXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.
Die Identität des Beschwerdeführers steht, mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
II.1.2. Zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer wurde in XXXX, Bezirk XXXX, Provinz Ghazni, Afghanistan geboren und lebte dort bis zu seiner Ausreise im November 2013 in den Iran. Er hat im Herkunftsstaat zehn Jahr die Schule besucht. Im Iran hielt sich der Beschwerdeführer etwa ein Jahr auf und arbeitet als Steinmetz.
Die Eltern des Beschwerdeführers, drei Brüder und zwei Schwestern leben nach wie vor im Herkunftsort des Beschwerdeführers. Ein weiterer Bruder hält sich in Finnland auf.
II.1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Die psychisch kranke, damals minderjährige Schwester des Beschwerdeführers wurde Ende 2013 Opfer einer Vergewaltigung und als Folge davon schwanger. Der Vater des Beschwerdeführers beschuldigt den Beschwerdeführer, er habe seine Schwester vergewaltigt und geschwängert. Der Beschwerdeführer hat diese Tat nicht begangen.
Im Zuge der Abtreibung im Krankenhaus wurde auch die Polizei von den Anschuldigungen gegen den Beschwerdeführer informiert.
Das Verhältnis des Beschwerdeführers zu seinem Vater war bereits vorher schlecht. Der Beschwerdeführer interessiert sich für Gesang und Tanz. Der Vater des Beschwerdeführers lehnt diese Interessen seines Sohnes ab. Er ist sehr religiös.
Dem Beschwerdeführer drohen im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe bis hin zur Tötung durch seinen Vater, staatliche Stellen und private Personen wie etwa die lokale Gemeinschaft oder die Taliban, weil ihm unterstellt wird, er habe Geschlechtsverkehr mit seiner Schwester gehabt und dadurch gegen das islamische Recht verstoßen. Dass der Beschwerdeführer sich der Auffindung durch seinen Vater durch Umzug in eine größere Stadt entziehen könnte, ist nicht wahrscheinlich. Auch, dass der Beschwerdeführer sich der von seinem Vater ausgehenden Gefahr dadurch entziehen könnte, indem er sich unter den Schutz der afghanischen Behörden stellt, ist nicht zu erwarten.
Dass der Beschwerdeführer die Vorwürfe gegen ihn in einem fairen gerichtlichen Verfahren würde entkräften können, ist nicht zu erwarten.
II.1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers zählt zu den volatilen Provinzen Afghanistans mit hoher Präsenz an regierungsfeindlichen Gruppierungen.
"Zina" bezeichnet im Islam den Geschlechtsverkehr zwischen Menschen, die nicht verheiratet sind. "Zina" ist nach dem Koran verboten und wird in der islamischen Rechtsprechung weitgehend bestraft. Da alle außerehelichen sexuellen Beziehungen als "Zina" bezeichnet werden, wird kaum zwischen Vergewaltigung und einvernehmlichen Geschlechtsverkehr differenziert.
Nach dem afghanischen Strafgesetzbuch beträgt die Höchststrafe für "Zina" sieben Jahre bzw. in Ausnahmefällen bis zu zehn Jahre. Für Vergewaltigung ist im Fall der Minderjährigkeit des Opfers eine zehnjährige Freiheitsstrafe vorgesehen.
Nach der Scharia ist "Zina" mit Auspeitschung bis hin zu Steinigung zu bestrafen. Auch Männer sind betroffen. Außereheliche Beziehungen gelten im Herkunftsstaat bei allen ethnischen Gruppen als Vergehen und schwere Ehrverletzung der Familie und werden bestraft. Bedroht oder sogar getötet werden sowohl Frauen als auch Männer.
Häufig werden Auspeitschungen und/oder Steinigungen nur aufgrund von Annahmen und Spekulationen verhängt.
Sanktionen oder Strafaktionen durch die erweiterte Gemeinschaft und lokale Machthaber abseits der Familie sind ebenso möglich.
Auch zu Verurteilungen und Exekutionen durch Taliban-Gerichte kann es kommen.
Die Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen erfolgt nicht einheitlich. Etwa 80 % der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst. Gerichte missachten das kodifizierte Recht häufig zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten. In Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um.
Das Justizsystem ist wenig leistungsfähig. Manche Amtsträgerinnen und Amtsträger in Gemeinden und Provinzen gründen ihre Entscheidung auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodes oder traditionelle Bräuche.
Im Gerichtswesen ist Korruption weit verbreitet. Afghanische Gerichte sind durch die öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar.
Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Normenhierarchie gibt es nicht, weswegen nicht feststeht, welches Gesetz in Fällen des Konfliktes zwischen traditionellem islamischem Recht und der Verfassung und dem internationalen Recht zur Anwendung kommt. Dies führt zur willkürlichen Anwendung eines Rechts und zu Menschenrechtsverletzungen.
Trotz des in der afghanischen Verfassung verankerten Folterverbotes kommt es zu Fällen von Folter durch Angehörige der Polizei und des Militärs. Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt wurden, sind ungültig. In der Regel lassen Richter unter Zwang erlangte Geständnisse dennoch zu. Afghanische Richterinnen und Richter stützen ihre Verurteilungen fast ausschließlich auf Geständnisse. So erlangt das Geständnis als "Beweismittel" überdurchschnittliche Bedeutung und erhöht den Druck auf nationale Sicherheitskräfte und Polizei, ein Geständnis zu erzwingen. Die Kontrollmechanismen sind nicht durchsetzungsfähig, weswegen eine Sanktionierung groben Fehlverhaltens durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden selten erfolgt.
Verdächtige werden oft lange über die gesetzliche Frist von 72 Stunden hinaus festgehalten, ohne einem Staatsanwalt oder Richter vorgeführt zu werden. Einen rechtlichen Beistand erhalten Inhaftierte nur selten.
Die Todesstrafe ist nach der afghanischen Verfassung und im afghanischen Strafgesetzbuch nur für besonders schwere Delikte vorgesehen, droht aber unter dem Einfluss der Scharia auch bei anderen "Delikten". Oft wird sie nach unfairen Verfahren verhängt.
Der afghanische Staat interveniert meist nicht bei Konflikten wegen unerlaubter Beziehungen außerhalb der Ehe. Vor allem im ländlichen Gebiet sind Ehrenmorde häufig.
II.2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde ging in ihrem Bescheid bereits von der Glaubwürdigkeit der diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers aus.
Das Geburtsdatum ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Sachverständigengutachten zum Lebensalter vom 01.06.2015, dem der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist. In seiner Einvernahme vom 24.02.2017 bestätigte er viel mehr, älter zu sein, als bei seiner Asylantragstellung angegeben. Mangels Relevanz des genauen Geburtsdatums für das Verfahren und weil der Beschwerdeführe unbedenkliche nationale Identitätsdokument bzw. sonstige Bescheinigungsmittel nicht vorlegen konnte, hält das Bundesverwaltungsgericht an der bisherigen Verfahrensidentität unter Beibehaltung des vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angenommen Geburtsdatums fest. Dies dient allerdings lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei, stellt seine Identität jedoch nicht im Sinne einer Vorfragenbeurteilung iSd § 38 AVG fest.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.
II.2.2. Zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben. Auch die belangte Behörde schenkte diesen Angaben des Beschwerdeführers Glauben.
II.2.3. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers stützen sich im Wesentlichen auf seine vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seiner Einvernahme am 24.02.2017 und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.02.2018 getroffenen Aussagen.
Der Beschwerdeführer brachte dabei durchgehend, weitgehend stringent und im Kern gleichbleibend vor, dass sein Vater ihm die Vergewaltigung seiner Schwester und damit auch die Schuld an ihrer daraus resultierenden Schwangerschaft unterstelle und ihn deshalb der islamischen Tradition folgend umbringen wolle. Er schildert umfangreiche Details, die sich zu einem konsistenten, umfassenden Bild der Gesamtsituation zusammenfügen und antwortet auch auf Nachfrage stets plausibel und detailliert und nicht ausweichend. Insbesondere fügt sich dieser neue Vorwurf des Vaters an den Beschwerdeführer auch konsistent in das vom Beschwerdeführer in seinen Aussagen gezeichnete Bild der sonstigen Beziehung zwischen Vater und Sohn ein. Unter Berücksichtigung dessen nämlich, dass der Beschwerdeführer seinen Vater als konservativen und religiösen Menschen beschreibt und auch der lebensnahen Schilderungen zum allgemeinen Verhältnis zwischen ihm und seinem Vater, aus denen sich auch die Feststellung zum Verhältnis des Beschwerdeführers zu seinem Vater ergibt, erscheint es durchaus plausibel, dass der Vater des Beschwerdeführers auch die Vergewaltigung der Schwester seinem aus seiner Sicht "missratenen" Sohn unterstellt.
Zum von der belangten Behörde in ihrer Beweiswürdigung aufgegriffenen vermeintlichen Widerspruch zwischen den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung am 04.04.2015 und der Einvernahme am 24.02.2017 ist zunächst auszuführen, dass die Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz AsylG insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Naturgemäß werden daher in der Erstbefragung keine umfangreichen Angaben zu den Fluchtgründen gemacht und auch ein der behördlichen Ermittlungspflicht entsprechendes Hinwirken auf Angaben zu möglicherweise asylrelevanten Ereignissen im Herkunftsstaat unterbleibt. Insbesondere der Beschwerdeführer als im Zeitpunkt der Erstbefragung (nach sämtlichen im Verfahren aufgekommenen Geburtsdaten) Minderjähriger hätte aber wohl der behördlichen Anleitung bedurft, um seine asylrelevanten Ausreisegründe aus seinem Erfahrungsschatz im Herkunftsstaat herauszufiltern und zu erkennen, dass der Bedrohung durch seinen Vater diesbezüglich Relevanz zukommen könnte und die entsprechenden Erlebnisse zu schildern. Insbesondere sind die in der Erstbefragung am 04.04.2015 gemachten Angaben mit jenen in der Einvernahme am 24.02.2017 nicht unvereinbar, insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass die Weiterreise vom Iran aus erst etwa ein Jahr nach der Flucht aus dem Herkunftsstaat erfolgte.
Nach § 18 Abs. 3 AsylG ist bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen, wobei § 15 AsylG Mitwirkungspflichten im Verfahren normiert. Hierzu ist insbesondere auszuführen, dass Verletzungen der Mitwirkungspflicht durch den Beschwerdeführer nicht aktenkundig sind, sondern aus dem Akt viel mehr hervorgeht, dass der Beschwerdeführer zeitgerecht und aus eigener Initiative verfahrensrelevante Dokumente vorgelegt hat. Daraus ergibt sich das Bild eines gewissenhaften Antragstellers, der beim Bundesverwaltungsgericht auch dadurch einen starken Eindruck persönlicher Glaubwürdigkeit zu erwecken vermag.
Dieser Eindruck wird auch von den von der belangten Behörde beweiswürdigend aufgegriffenen Ungereimtheiten bei den Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsdatum nicht getrübt, gibt dieser doch in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 24.02.2017 von sich aus ein Geburtsdatum an, demzufolge er bereits volljährig ist. Die anschließende Konfrontation durch die belangte Behörde mit einem Mindestalter wirkt dagegen im aktenkundigen Verlauf der Einvernahme unplausibel, hatte der Beschwerdeführer doch kurz zuvor ein höheres Lebensalter behauptet.
Das Bundesverwaltungsgericht kann sich den beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde zur persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers daher nicht anschließen, sondern gewinnt in Zusammenschau mit den lebhaften und lebensnahen Schilderungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 15.02.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht viel mehr den starken Eindruck, dass dem Beschwerdeführer eine hohe persönliche Glaubwürdigkeit zukommt.
Auch vor dem Hintergrund der vorliegenden Länderinformationen und der Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat erscheint die vom Vater ausgehende Gefahr auch durchaus plausibel, ist diesen doch zu entnehmen, dass in Fällen unehelichen Geschlechtsverkehres (zu dem wie festgestellt auch die Vergewaltigung zählt) die Familienehre verletzt ist und die größte Gefahr daher von der Familie ausgeht (siehe dazu insbesondere der vom Beschwerdeführer in das Verfahren eingebrachte Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan:
Zina, ausserehelicher Geschlechtsverkehr von Alexandra Geiser vom 02.10.2012).
Die Feststellung zur Minderjährigkeit der Schwester im Zeitpunkt der Vergewaltigung ergeben sich aus den vom Beschwerdeführer gleichbleibend gemachten Angaben zum Alter seiner Schwester.
Die Feststellung dazu, dass der Beschwerdeführer sich der von seinem Vater ausgehenden Gefahr auch durch Umzug in einer größere Stadt nicht wird entziehen können, ergibt sich einerseits aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.02.2018, wo er ausführt, sein Vater könne ihn suchen lassen und er würde sein Leben nicht auf der Flucht vor seiner Familie verbringen wollen und andererseits auch aus den Länderinformationen, wo zur Flucht vor der Familie im Fall einer Verfolgung wegen "Zina" etwa nach Kabul ausgeführt wird, dass auch dort mit weiterer Verfolgung zu rechnen sei (siehe Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Zina, ausserehelicher Geschlechtsverkehr von Alexandra Geiser vom 02.10.2012, insbesondere S. 6).
Insbesondere erscheint diese Gefahr auch unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.02.2018 bewegt geschilderten Ereignisablaufes, nachdem er vom Iran und von Österreich aus doch versucht hatte, seine Familie zu kontaktieren, als gegeben.
Die Feststellung dazu, dass der Beschwerdeführer nicht damit rechnen kann, bei den afghanischen Behörden Schutz vor der vom Vater ausgehenden Gefahr zu finden, ergibt sich insbesondere daraus, dass den vorliegenden Länderberichten zu entnehmen ist, dass der Staat eine Einmischung in innerfamiliäre Konflikte wegen "Zina" üblicherweise unterlässt (siehe dazu im Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Zina, ausserehelicher Geschlechtsverkehr von Alexandra Geiser vom 02.10.2012, S. 5).
Eher ist dem vorliegenden Berichtsmaterial zufolge damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführer im Falle eines Versuches, sich unter den Schutz der afghanischen Behörde zu stellen, sich auch mit staatlicher Strafverfolgung konfrontiert sähe (siehe dazu in den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat sowie den diesbezüglichen beweiswürdigenden Ausführungen), wobei das Bundesverwaltungsgericht die eigentlich gebotene Differenzierung zwischen Vergewaltigungsvorwürfen und Vorwürfen, sich des Verbrechens der "Zina" schuldig gemacht zu haben, nicht übersieht, wozu noch rechtlich auszuführen sein wird.
Die Feststellung dazu, dass dem Beschwerdeführer auch Übergriffe von Seiten anderer privater Akteure drohen, erscheint vor dem Hintergrund der vorliegenden Länderinformationen plausibel, denen zufolge selbst eine Einigung unter den betroffenen Familien nicht zwingend verhindert, dass es zusätzlich zu Sanktionen oder Strafaktionen seitens der erweiterten Gemeinschaft oder lokaler Machthaber kommt (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Zina, ausserehelicher Geschlechtsverkehr von Alexandra Geiser vom 02.10.2012, S. 3, sowie Beschreibung einiger Vorfälle auf S. 5).
Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer auch Übergriffe durch staatliche Stellen drohen, ergibt sich ebenfalls aus den vorliegenden Länderinformationen und wird diesbezüglich auf die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat sowie die zugehörigen beweiswürdigenden Ausführungen verwiesen. Hierzu ist auch anzumerken, dass dadurch, dass die Behörden im Herkunftsstaat durch den Vater des Beschwerdeführers bereits von den Vorwürfen Kenntnis erlangt haben, die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen auch staatlichen Strafverfolgung nochmals erhöht wird.
II.2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die Feststellung zur Sicherheitslage und zur Präsenz regierungsfeindlicher Gruppierungen in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers fußt auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand: 30.01.2018, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.10. Ghazni (S. 75-76.).
Die Feststellungen zu den Sanktionen für "Zina" und Vergewaltigung im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Zina, ausserehelicher Geschlechtsverkehr von Alexandra Geiser vom 02.10.2012 (siehe insbesondere S. 2-4).
Die Feststellungen zu Sanktionen und Strafaktionen durch die erweiterte Gemeinschaft, lokale Machthaber und die Taliban fußt auf dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Zina, ausserehelicher Geschlechtsverkehr von Alexandra Geiser vom 02.10.2012 (S. 3 und 5).
Die Feststellung zur Anwendung der unterschiedlichen Rechtsquellen, zum Justizsystem und zum Islamvorbehalt ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand: 30.01.2018, Kapitel 4. Rechtsschutz/Justizwesen (S. 143-144). Bestätigung findet sie auch im vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Zina, ausserehelicher Geschlechtsverkehr von Alexandra Geiser vom 02.10.2012 (S. 2).
Die Feststellungen zur Folter und zur Untersuchungshaft sind dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand: 30.01.2018, Kapitel 6. Folter und unmenschliche Behandlung (S. 148-194) entnommen. Die Feststellungen zur hohen Bedeutung von Geständnissen als Beweismittel und zu erzwungenen Geständnissen findet auch Deckung in vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Zina, ausserehelicher Geschlechtsverkehr von Alexandra Geiser vom 02.10.2012 (S. 2).
Die Feststellungen zur Todesstrafe sind dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand: 30.01.2018, Kapitel 14. Todesstrafe (S. 160-161) entnommen.
Die Feststellung dazu, dass der Staat in Konflikte wegen außerehelicher Beziehungen meist nicht interveniert, ist dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Zina, ausserehelicher Geschlechtsverkehr von Alexandra Geiser vom 02.10.2012 (S. 5) entnommen.
Zur Seriosität und Plausibilität der herangezogenen Erkenntnisquelle zur Beurteilung der Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-G verpflichtet ist, die gesammelten Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten (allgemeine Analyse) und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Angesichts der umfassend angeführten vielfältigen Erkenntnisquellen und des dargestellten übereinstimmenden und schlüssigen Gesamtbildes der Situation in Afghanistan im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 30.01.2018 besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. In dieses Gesamtbild fügt sich auch der vom Beschwerdeführer in das Verfahren eingebrachte Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Zina, ausserehelicher Geschlechtsverkehr von Alexandra Geiser vom 02.10.2012 schlüssig ein, der ebenso umfassende seriöse Erkenntnisquellen zitiert und in den Fällen inhaltlicher Überschneidung mit dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 30.01.2018 die dort dargestellten Informationen wie auch oben im Detail bereits angemerkt bestätigt. Auch haben weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde ein Vorbringen dahingehend erstattet, dass die aufbereiteten Informationen in den fallrelevanten Punkten die Lage im Herkunftsstaat nicht realitätsgetreu abbilden würden.
Zur Aktualität der herangezogenen Quellen ist auszuführen, dass sich neueren Quellen eine für das gegenständliche Verfahren maßgebliche Veränderung der Umstände im Herkunftsstaat nicht entnehmen lässt, weswegen die herangezogenen Informationen einen für die Beurteilung ausreichenden Grad der Aktualität aufweisen.
Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Feststellungen daher auf die bereits zitierten Quellen.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person unter anderem, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Religion politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Die grundsätzliche Asylrelevanz einer Verfolgung wegen außerehelichem Geschlechtsverkehr unter dem GFK-Anknüpfungspunkt der Religion hat der VwGH in seiner Rechtsprechung bereits bejaht (VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0141), wobei er unverhältnismäßige staatliche Strafverfolgungsmaßnahmen bzw. private Verfolgung bei gleichzeitiger Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme staatlichen Schutzes wegen dieser unverhältnismäßigen staatlichen Strafverfolgungsmaßnahmen voraussetzt und diesbezüglich ausreichende Feststellungen zum Tatsachensubstrat der möglichen Verfolgung verlangt (VwGH 30.05.2015, Ra 2015/20/0030).
II.3.1. Zum Fluchtvorbringen einer Verfolgungsgefahr wegen "Zina" durch den Vater des Beschwerdeführers oder andere private Akteure
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
Wie festgestellt, konnte der Beschwerdeführer glaubhaft machen, dass ihm durch seinen Vater bzw. auch andere private Akteure Verfolgung aufgrund der ihm unterstellten Vergewaltigung seiner Schwester droht, weil ihn diese für dieses Vergehen nach islamischer Tradition aufgrund der Scharia wegen des Verbrechens der "Zina" bestrafen möchte.
Damit ist nach der oben zitierten Judikatur ein Konnex zu einem der Fluchtgründe nach der Genfer Flüchtlingskonvention - nämlich dem der Religion - gegeben. Aus den Feststellungen ergibt sich auch, dass der Beschwerdeführer mit staatlichem Schutz vor der Verfolgung durch seinen Vater nicht rechnen kann.
II.3.2. Zur Gefahr staatlicher Verfolgung wegen "Zina" bzw. Vergewaltigung
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der staatlichen Strafverfolgung im Allgemeinen keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn zu erblicken. Unter bestimmten Umständen, nämlich dann, wenn die strafrechtliche Verfolgung auf ein nationalen Normen zuwiderlaufendes Verhalten des Betroffenen im Einzelfall, das etwa auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht, abzielt und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Es kommt somit auf die angewendeten Rechtsvorschriften, die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an. (VwGH, 20.12.2016, Ra 2016/01/0126 mwN)
Im Zusammenhang mit der Verquickung von Staat und Religion in muslimischen Staaten besteht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Erfordernis einer Prüfung auch dem Schutz religiöser Werte dienender Strafvorschriften unter dem Gesichtspunkt einer unterstellten politischen Gesinnung. Die völlige Unverhältnismäßigkeit staatlicher Maßnahmen, die wegen eines Verstoßes gegen bestimmte im Herkunftsstaat gesetzlich verbindliche Moralvorstellungen drohen, kann unter diesem Blickwinkel asylrelevant sein (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 mwN).
Hierzu ist fallgegenständlich auszuführen, dass die im Herkunftsstaat für das Verbrechen der "Zina", wozu im Herkunftsstaat nach den Feststellungen auch die Vergewaltigung zählt, unter dem Einfluss der Scharia völlig unverhältnismäßige Körperstrafen wie Auspeitschung und Steinigung zur Anwendung gebracht werden.
Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass ein legitimer staatlicher Strafanspruch aufgrund von Vergewaltigungsdelikten grundsätzlich zu bejahen ist. Im Fall des Beschwerdeführers kommt jedoch hinzu, dass er die Tat, für die er verfolgt wird, nicht begangen hat, wobei sich aus den Feststellungen auch ergibt, dass mit einem fairen Verfahren, in dem der Beschwerdeführer die gegen ihn erhobenen Vorwürfe mit Unterstützung eines Rechtsbeistandes wird ausräumen können, nicht zu rechnen ist und dass Auspeitschungen und Steinigungen häufig aufgrund bloßer Mutmaßungen erfolgen sowie, dass auch staatliche Gerichte die Scharia anwenden. Im Fall einer Verhaftung - wie festgestellt sind die Behörden des Herkunftsstaates informiert von den Tatvorwürfen gegen den Beschwerdeführer - wäre der Beschwerdeführer den Feststellungen zufolge außerdem potenziell der Folter ausgesetzt, um ein Geständnis zu erzwingen.
Folglich droht dem Beschwerdeführer auch unter dem Konventionsanknüpfungspunkt der (unterstellten) politischen Gesinnung Verfolgung durch den afghanischen Staat selbst.
II.3.3. Zum Nichtvorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative
Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.
Vor einer Verfolgung durch seinen Vater kann der Beschwerdeführer wie festgestellt auch nicht durch Umzug in eine andere Stadt Schutz finden.
Zur staatlichen Verfolgung ist auszuführen, dass nachdem die Verfolgungsgefahr gerade vom Staat ausgeht, dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in anderen vom Staat kontrollierten Teilen des Herkunftsstaates nicht zur Verfügung steht.
Auch eine innerstaatliche Fluchtalternative in Teilen des Staates, die etwa unter Kontrolle der Taliban stehen, ist für den Beschwerdeführer nicht verfügbar, kommt es doch den Feststellungen zufolge auch durch Taliban-Gerichte zu Verurteilungen und Bestrafungen wegen "Zina" im Rahmen des von ihnen etablierten parallelen Rechtssprechungssystems.
Insgesamt ergibt sich aus den Feststellungen, dass "Zina" im ganzen Staatsgebiet von allen ethnischen Gruppen unter dem Einfluss der Scharia als Verbrechen betrachtet und schwer bestraft wird, sodass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung steht.
II.3.4. Zum weiteren Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Zum weiteren Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, nämlich, dass ihm auch aufgrund seines Interesses für Tanz und Gesang oder aufgrund unterstellter Homosexualität Verfolgung im Herkunftsstaat droht, oder zur Frage, ob dem Beschwerdeführer als schiitischer Hazara Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit droht, ist auszuführen, dass sich aufgrund der bereits bejahten Verfolgungsgefahr wegen "Zina" eine Auseinandersetzung mit weiteren möglichen Fluchtgründe erübrigt.
II.3.5. Zur Nichtanwendbarkeit des § 3 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016:
Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass § 3 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 nach § 75 Abs. 24 AsylG auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt haben, nicht anzuwenden. Nachdem der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz am 03.04.2015 gestellt hat, ist § 3 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 daher nicht anzuwenden.
Dem Beschwerdeführer war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat bei seinen rechtlichen Ausführungen seine Grundlage in der unter A) zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Asylrelevanz einer Verfolgung wegen außerehelichen Geschlechtsverkehres unter dem Gesichtspunkt der religiösen Verfolgung und dem der (unterstellten) politischen Gesinnung gefunden. Auch bei seinen Ausführungen zur Asylrelevanz privater Verfolgung und staatlicher Strafverfolgung folgt das Bundesverwaltungsgericht der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Für die Frage, ob der Beschwerdeführer glaubhaft machen konnte, dass ihm von staatlicher bzw. privater Seite Verfolgung droht und dass staatlicher Schutz und eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht bestehen, waren dagegen ausschließlich beweiswürdigende Erwägungen maßgeblich.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, private Verfolgung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W102.2163141.1.00Zuletzt aktualisiert am
08.02.2019