Entscheidungsdatum
12.12.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W261 2209824-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und den Richter Mag. Markus BELFIN sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 05.11.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte erstmals im Jahr 2015 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (in der Folge "belangte Behörde" genannt). Nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers am 07.05.2015 stellte der allgemeinmedizinische Sachverständige im Gutachten vom selben Tag die Funktionseinschränkungen "Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Bypass-Operation", "Hypertonie", "Zustand nach Kniegelenksersatz links", "Zustand nach Hüftgelenksersatz links" und "Diabetes mellitus" mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. fest.
Am 18.05.2018 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt und legte eine Reihe von ärztlichen Befunden vor.
Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 20.07.2018 erstatteten Gutachten vom 25.09.2018 stellte der medizinische Sachverständige die Funktionseinschränkungen "Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Bypass-Operation, Hypertonie, Zustand nach perkutanem Aortenklappenersatz", "Chronisch obstruktive Lungenerkrankung", "Funktionseinschränkungen im Bereich der Kniegelenke, Zustand nach Endoprotheseneinsatz", "Funktionseinschränkung im Bereich des linken Hüftgelenkes" und "Diabetes mellitus" mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. fest. Gegenüber dem Vorgutachten sei eine Verschlechterung der kardialen Situation eingetreten. Weiters sei die nunmehrige Diagnose unter Punkt 2 hinzugetreten. Die übrigen Gesundheitsschädigen des Vorgutachtens seien unverändert. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass lägen aus medizinischer Sicht nicht vor.
Mit Schreiben vom 25.09.2018 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis des ärztlichen Beweisverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.
Unter Zugrundelegung des ärztlichen Sachverständigengutachtens stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer am 05.11.2018 einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. und den Zusatzeintragungen "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese", "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" und "Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen" aus. Diesem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 05.11.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab. In der Begründung des Bescheides gab die belangte Behörde im Wesentlichen die Ausführungen des ärztlichen Sachverständigengutachtens, welche als schlüssig erachtet würden, wieder. Über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b-Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) sprach die belangte Behörde nicht ab. Die belangte Behörde übermittelte mit dem Bescheid das ärztliche Sachverständigengutachten an den Beschwerdeführer.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.
Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass er nicht mehr vom Haus zur Straßenbahn komme und ohne Auto keine Erledigungen wie Arzttermine oder Einkäufe machen könne. Er habe beim Stiegensteigen Schmerzen und fühle ein Brennen im Brustkorb. Weiters habe er Probleme in den Gelenken und müsse mehr rasten und sich in Ruhe bewegen. Der Beschwerdeführer schloss der Beschwerde keine Befunde an.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 21.1.2018 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.
Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers:
Allgemeinzustand: gering reduziert
Ernährungszustand: adipös
Größe: 170,00 cm Gewicht: 101,00 kg Blutdruck: 175/95
Klinischer Status - Fachstatus:
Habitus: Mittelgroß. Knochenbau: Normal. Hautfarbe: Normal.
Schleimhäute: Normal. Atmung: Keine Sprechdyspnoe. Hr. H. kann über etliche Minuten ohne Zeichen der Anstrengung sprechen.
Drüsen: Keine suspekten LKN.
Zunge: Normal. Zähne: Saniert.
Rachen: Bland. Hirnnerven: HNA frei. Hals: Normal lang. Arterien:
Pulse tastbar.
Venen: Nicht gestaut. Schilddrüse: Normgroß, schluckverschieblich.
Thorax: Narbe nach Bypass-OP. Lunge: Perkussion: Basen verschieblich, hypersonorer Klopfschall. Auskultation:
Vesikuläratmen.
Herz: Leicht arrhythmisch. Auskultation: abgeschwächtes VA. Puls:
72/min.
Abdomen: Adipöse Bauchdecken. Keine pathologischen Resistenzen tastbar.
Leber: Nicht palpabel. Milz: Nicht palpabel. Rectal: Nicht durchgeführt.
Nierenlager: Frei. Wirbelsäule: Halswirbelsäule: Unauffällig.
Brustwirbelsäule: Unauffällig. Lendenwirbelsäule:
Fingerspitzen-Bodenabstand im Sitzen 0 cm. Rumpfdrehung und -neigung endlagig eingeschränkt.
Obere Extremitäten: Keine artikulären Behinderungen im Bereiche der oberen Gliedmaßen.
Keine Angabe von Sensibilitätsstörungen, Faustschluss beidseits kräftig. Eudiadochokinese.
Untere Extremitäten: Hüftgelenke: Narbe nach TEP links, Bewegungsumfang 0/90.
Rechts: Endlagige Beugehemmung.
Kniegelenke: Beidseits endlagige Beuge- und Streckhemmung, Narben nach TEP.
Sprunggelenke: Flexion je zu 50 % eingeschränkt.
Keine Angabe von Sensibilitätsstörungen.
Fußpulse: Beidseits tastbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Verwendung einer Stützkrücke. Auch ohne diesen Behelf ist eine suffiziente Fortbewegung, wenn auch etwas breitspurig und verlangsamt, demonstrierbar.
Status Psychicus:
Zeitliche und räumliche Orientierung vorhanden, kein Hinweis auf mentale oder kognitive Beeinträchtigung, situativ angepasstes Verhalten. Kooperation vorhanden.
Der Beschwerdeführer hat folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
-
Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Bypass-Operation, Hypertonie, Zustand nach perkutanem Aortenklappenersatz
-
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
-
Funktionseinschränkungen im Bereich der Kniegelenke, Zustand nach Endoprotheseneinsatz
-
Funktionseinschränkung im Bereich des linken Hüftgelenkes
-
Diabetes mellitus
Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Der Beschwerdeführer verwendet zwar im häuslichen Bereich immer wieder über Stunden eine exogene Sauerstoffzufuhr, jedoch negiert er die Notwendigkeit einer exogenen Sauerstoffzufuhr während der Nacht oder bei Tätigkeiten außer Haus. Die Notwendigkeit einer exogenen Sauerstofftherapie ist erst seit Februar 2018 dokumentiert. Somit handelt es sich auch nicht um einen Zustand, welcher über den Zeitrahmen von 6 Monaten hinaus belegt ist. Es liegt keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit infolge der krankhaften Veränderungen im Bereiche des Herzens und der Lunge vor.
Das Zurücklegen von kurzen Wegstrecken von 300 bis 400 Meter ist dem Beschwerdeführer unter Zuhilfenahme einer Stützkrücke zumutbar.
Die Funktionen im Bereiche der oberen und unteren Gliedmaßen sind ausreichend, um sicher in ein öffentliches Verkehrsmittel zu gelangen, als auch ein solches zu verlassen. Die Greiffunktionen sind suffizient und somit ist auch ein sicheres Anhalten an Haltegriffen während des Transportes in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet.
Der verwendete Behelf in Form einer Stützkrücke stellt kein Hindernis für den Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel dar.
Es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz des Beschwerdeführers im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Zumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 25.09.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 20.07.2018, ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer - trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen - möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Der Beschwerdeführer leidet an Funktionseinschränkungen der Kniegelenke und des linken Hüftgelenkes, in der persönlichen Untersuchung zeigten sich die unteren Extremitäten jedoch ausreichend beweglich, um eine Wegstrecke von 300 bis 400 Metern zurückzulegen, ein öffentliches Verkehrsmittel zu erreichen und sicher ein- und auszusteigen. Der Beschwerdeführer verwendet eine Stützkrücke, welche kein Hindernis für den Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel darstellt, sondern zweckmäßig ist und dadurch die vermehrte Sicherheit der Gehleistung steigert. Darüber hinaus konnte sich der Beschwerdeführer bei der Statuserhebung auch ohne Verwendung der Stützkrücke wenn auch etwas breitspurig und verlangsamt, fortbewegen.
Es bestehen keine artikulären Behinderungen im Bereich der oberen Gliedmaßen und keine Sensibilitätsstörungen. Der Faustschluss ist beidseits kräftig. Damit ist auch der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln durch Festhalten an Haltegriffen gewährleistet.
Beim Beschwerdeführer liegen unbestritten Herz- und Lungenprobleme vor, sowohl die vorgelegten Befunde als auch die persönliche Untersuchung durch den Sachverständigen konnten jedoch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit im Sinne der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen belegen. Der Beschwerdeführer leidet an COPD II und verwendet zwar zuhause immer wieder über Stunden ein Sauerstoffgerät, negiert aber die Notwendigkeit einer exogenen Sauerstoffzufuhr während der Nacht oder bei Tätigkeiten außer Haus.
Darüber hinaus ist entsprechend den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit erst bei COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie anzunehmen. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er nicht in der Lage sei, zur Straßenbahn zu gehen und Alltagswege ohne Auto zu erledigen, sowie beim Stiegensteigen durch seine Atmung und Gelenke eingeschränkt sei, konnte daher durch das Ergebnis der medizinischen Untersuchung nicht objektiviert werden.
Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerde keine aktuellen Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen herbeizuführen bzw. die geeignet wären, eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und die allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen könnten.
Er ist mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen in der Beschwerde dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 25.09.2018 im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens vom 25.09.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 20.07.2018, und wird dieses Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 05.11.2018 der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 32/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
"§ 1 ....
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. .......
2. ......
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6) ..."
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:
"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):
...
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
...
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden..."
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgerichtshof von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. Ro 2014/11/0013).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im eingeholten Sachverständigengutachten vom 25.09.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 20.07.2018, nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers - trotz der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Mit dem Vorliegen der beim Beschwerdeführer objektivierten aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen vermag der Beschwerdeführer noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Beim Beschwerdeführer liegen ausgehend von diesem Sachverständigengutachten aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, aber auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor. Weiters sind keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert. Auch unter Berücksichtigung der beim Beschwerdeführer bestehenden dauerhaften Einschränkungen und deren Zusammenwirken vermag der Beschwerdeführer noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Dies gilt auch für das Lungenleiden des Beschwerdeführers; die oben auszugsweise wiedergegebenen beispielhaften Erläuterungen betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung im Hinblick auf das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit zeigen, dass der Verordnungsgeber hier sehr schwere Erkrankungen der Lunge bzw. des Herzens berücksichtigt. Der Beschwerdeführer leidet unbestritten unter COPD II (im Sachverständigengutachten vom 25.09.2018 zutreffend eingestuft unter der Positionsnummer 06.06.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung ["Moderate Form - COPD II"]). Die Funktionseinschränkung ist mit dem unteren Rahmensatz der Position eingestuft, da keine häufigere Infektexazerbationen nachgewiesen sind. Eine für die Vornahme der Zusatzeintragung erforderliche erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt gemäß den Erläuterungen der Verordnung jedoch erst bei COPD im Stadium IV mit Bedarf einer Langzeitsauerstofftherapie vor, weshalb eine Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen nicht erreicht wird.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, auf das über Veranlassung der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht und auf alle Einwände des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem der Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers und damit verbunden die Frage der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Der Beschwerdeführer hat keine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W261.2209824.1.00Zuletzt aktualisiert am
08.02.2019