Entscheidungsdatum
12.12.2018Norm
AlVG §10Spruch
W255 2210413-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta KEUL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen die Bescheide des Arbeitsmarktservice XXXX vom 10.08.2018 und 16.08.2018, jeweils GZ XXXX, betreffend die Einstellung des Arbeitslosengeldes vom 01.08.2018 bis 20.08.2018 und der Notstandshilfe vom 21.08.2018 bis 11.09.2018 gemäß § 38 iVm. § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) beschlossen:
A) Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit
gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Arbeitsmarktservice XXXX zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) stellte am 26.02.2018 beim Arbeitsmarktservice XXXX (in der Folge: AMS) einen Antrag auf Arbeitslosengeld.
2. Zwischen dem AMS und dem BF wurde am 19.06.2018 eine Betreuungsvereinbarung abgeschlossen. Der BF sei zuletzt als Botenfahrer beschäftigt gewesen und habe einen Grad der Behinderung von mindestens 50 von Hundert (v.H.). Er habe Berufserfahrung als Maschinenschlosser mit Lehrabschlussprüfung, Bürokaufmann mit Lehrabschlussprüfung, sowie im Einkauf, als Logistiger und als Disponent. Zusätzlich verfüge er auch über die European Computer Driving Licence. Das AMS unterstütze den BF bei der Suche nach einer Stelle als Disponent, Botendienstfahrer, Staplerfahrer, Zusteller und im Einkauf in den Bezirken XXXX und XXXX.
3. Dem BF wurde in der Folge ein Jobangebot über eine Personalvermittlung in Aussicht gestellt. Am 28.07.2018 teilte der BF jedoch mit, dass er die Tätigkeit bei dem Unternehmen "XXXX XXXX XXXX" nicht aufnehmen könne, da die Bedingungen dort nicht akzeptabel seien.
4. Am 09.08.2018 nahm das AMS mit dem BF eine Niederschrift betreffend die Nichtannahme bzw. dem Nichtzustandekommen einer sonst sich bietenden Beschäftigung auf. Der BF habe am 01.08.2018 die Möglichkeit gehabt eine Beschäftigung als Staplerfahrer beim Dienstgeber "XXXX XXXX XXXX" mit einer Entlohnung laut Kollektivvertrag aufzunehmen.
Der BF erklärte hierbei, nach Belehrung über die Rechtsfolgen gemäß § 10 AlVG, dass er zu den Gründen für die Nichtannahme bzw. Nichtzustandekommen befragt worden sei und hinsichtlich der konkreten Entlohnung, der vom Unternehmen geforderten Arbeitszeit, der täglichen Wegzeit, den Betreuungspflichten oder aus sonstigen Gründen keine Einwendungen habe. Seine Einwendungen würden sich auf die angebotene berufliche Verwendung und auf seine körperlichen Fähigkeiten beziehen. Die ausgeschriebene Stelle habe nicht mit der tatsächlichen Verwendung (Maschinenbedienung) übereingestimmt. Die Arbeit mit Säurebecken, Sägen und Pressen sei für ihn zu gefährlich.
Der potentielle Dienstgeber führte aus, dass der BF eine Stelle beim Unternehmen "XXXX XXXX XXXX" per Mail abgelehnt habe, da für ihn die Arbeitsbedingungen nicht akzeptabel gewesen seien.
Der BF führte weiters aus, dass ihm bei der Betriebsbegehung gesagt worden sei, dass er mit Maschinen arbeiten müsse. Die Staplertätigkeit hätte maximal 30% der Arbeit ausgemacht. Aufgrund der Gefährlichkeit der Tätigkeit sei auch bei größter Hitze ein langes Arbeitsgewand zu tragen. Durch die Gefährlichkeit der Tätigkeit sowie aufgrund seiner Behinderung sei es ihm nicht möglich, die Arbeitsstelle anzunehmen.
5. Mit Bescheid des AMS vom 10.08.2018, GZ XXXX, wurde gemäß § 10 AlVG festgestellt, dass der BF vom 01.08.2018 bis zum 20.08.2018 kein Arbeitslosengeld erhalte, da er die Annahme einer ihm vom AMS zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung bei der "buntmetall XXXX XXXX" als Staplerfahrer ab 01.08.2018 verweigert bzw. vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. nicht berücksichtigt werden können.
6. Am 21.08.2018 stellte der BF beim AMS einen Antrag auf Notstandshilfe.
7. Mit Bescheid des AMS vom 16.08.2018, GZ XXXX, stellte das AMS fest, dass der BF gemäß §§ 38 iVm 10 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 21.08.2018 bis zum 11.09.2018 verloren habe, da er die Annahme einer ihm vom AMS zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung bei der "XXXX XXXX XXXX" als Staplerfahrer ab 01.08.2018 verweigert bzw. vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. hätten nicht berücksichtigt werden können.
8. Mit Schreiben vom 17.08.2018 und vom 30.08.2018 brachte der BF jeweils fristgerecht Beschwerde gegen die Bescheide des AMS vom 10.08.2018 und 16.08.2018 ein und führte auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass er sich die Stelle selbst gesucht habe. Bei dem Vorstellungsgespräch und dem anschließenden Rundgang sei ihm erklärt worden, dass die Haupttätigkeit die Bedienung von verschiedenen Anlagen wie Pressen, Sägen etc. sei. Auch die Arbeit bei einem Salpetersäurebecken sei Teil der Arbeit gewesen. Bei großer Hitze müsse lange Arbeitskleidung getragen werden. Die Staplertätigkeit sei nur ein kleiner Teil des Aufgabenbereichs. Da er 60 % Invalidität habe und ihm an der linken Hand sämtliche Finger fehlen, wolle der BF die Unversehrtheit seiner rechten Hand nicht gefährden.
9. Am 29.11.2018 wurde der Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das AMS führte u. a. aus, dass eine Rücksprache mit dem Arbeitsinspektorat NÖ, Mostviertel, gehalten worden sei, vom potentiellen Dienstgeber jedoch noch keine (angeforderten) Sicherheits- und Gesundheitsdokumente übermittelt worden seien und daher seitens des AMS noch keine Beurteilung der Zumutbarkeit im Sinne des AlVG möglich gewesen sei. Unter Berücksichtigung der mittlerweile eingetretenen Unzuständigkeit infolge Fristüberschreitung (im Hinblick auf eine allfällige Beschwerdevorentscheidung) werde der Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist am XXXX geboren und bezog zuletzt seit 26.02.2018 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.
Der BF hat einen Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H.
Der BF stellte am 26.02.2018 einen Antrag auf Arbeitslosengeld beim
AMS.
Dem BF wurde über eine Personalvermittlung ein Jobangebot bei der "XXXX XXXX XXXX" in Aussicht gestellt. Bei der angebotenen Stelle handelte es sich um Springertätigkeiten, die auch Arbeiten an Sägen und Pressen umfasst hätten.
Am 28.07.2018 teilte der BF mit, dass er die Tätigkeit bei der "XXXX XXXX XXXX" nicht annehmen werde.
Mit Bescheid des AMS vom 10.08.2018, GZ XXXX, wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes gemäß § 10 AlVG vom 01.08.2018 bis 20.08.2018 eingestellt. Eine Nachsicht wurde nicht erteilt.
Am 21.08.2018 stellte der BF einen Antrag auf Notstandshilfe beim
AMS.
Mit Bescheid des AMS vom 16.08.2018, GZ XXXX, wurde der Bezug der Notstandshilfe gemäß §§ 38 iVm § 10 AlVG vom 21.08.2018 bis 11.09.2018 eingestellt. Eine Nachsicht wurde nicht erteilt.
Gegen die Bescheide des AMS vom 10.08.2018 und 16.08.2018, jeweils GZ XXXX, erhob der BF fristgerecht Beschwerde.
In dem vom AMS geführten Verfahren wurden seitens des AMS notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen. Insbesondere führte das AMS keine ausreichenden Ermittlungen hinsichtlich der Zumutbarkeit der Arbeitsstelle durch. Die durchgeführten Ermittlungen des AMS reichen nicht ansatzweise für eine Entscheidung über den vorliegenden Sachverhalt aus.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakts.
Der Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus den übereinstimmenden Ausführungen des BF und des AMS in den angefochtenen Bescheiden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.
Zu A) Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung:
3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2017/24, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,
1) wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11).
§ 28 Abs. 3. zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Aus der Judikatur des VwGH zur vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung, d.h. im Tatsachenbereich, zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen und dass die verfahrensrechtliche Möglichkeit einer Rückverweisung nur ausnahmsweise möglich sein soll und hinsichtlich der Voraussetzungen der Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG streng zu prüfen ist (vgl. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0168; VwGH vom 26.01.2011, 2009/07/0094).
Gemäß des Erkenntnisses des VwGH vom 28.03.2008, 2005/12/01878, zu § 66 Abs. 2 AVG ist eine Zurückverweisung nach dieser Norm nur dann zulässig, wenn die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne dieser zitierten Norm kann sich dabei immer nur im Tatsachenbereich stellen, wobei es allerdings nicht maßgebend ist, ob eine Verhandlung im kontradiktorischen Sinn oder nur eine Vernehmung der Partei erforderlich ist. Die Voraussetzung für eine Kassation nach § 66 Abs. 2 AVG ist daher auch dann erfüllt, wenn zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes nur die Vernehmung einer Partei erforderlich ist.
In seinem Erkenntnis vom 20.02.2014, 2013/09/0166-10, zu einem Sachverhalt nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz stellte der VwGH zum Umfang der Ermittlungspflicht der belangten Behörde Folgendes fest:
"Gemäß § 60 AVG (...) sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (§§ 37 ff AVG), die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben (...). Die genannte Zusammenfassung wird in Bezug auf die Beweiswürdigung kurz ausfallen können, wenn keine einander widersprechenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorliegen. Bei Widersprüchen zwischen den Behauptungen und Angaben der Verfahrensparteien und sonstigen Ermittlungsergebnissen bedarf es aber einer klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der maßgeblichen, bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen, damit der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung der Behörde auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit überprüfen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2005, Zahl: 2002/08/0106). Nicht oder unzureichend begründete Bescheide hindern den Verwaltungsgerichtshof seiner Rechtskontrollaufgabe, wie sie in § 41 Abs. 1 VwGG zum Ausdruck kommt, insoweit zu entsprechen, als derartige Bescheide inhaltlich auch keine Überprüfung "auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes" zulassen (vgl. etwa das hg. Erkennntnis vom 26.02.2009, 2007/09/0088, mwN).
Damit stellt der Verwaltungsgerichtshof den Umfang der Ermittlungspflicht der belangten Behörde ausführlich dar.
3.3. Im vorliegenden Fall gab er BF an, dass ihm auf Grund seiner körperlichen Verfassung die Stelle bei der XXXX XXXX "XXXX XXXX XXXX" nicht zumutbar sei. Das AMS hat es hierbei unterlassen, hinreichende Ermittlungen bezüglich der Zumutbarkeit des Stellenangebots durchzuführen. Dem AMS war bewusst, dass der BF einen Grad der Behinderung von mindesten 50 v.H. hat, wie auch aus der Betreuungsvereinbarung vom 19.06.2018 hervorgeht. Der BF teilte in der Beschwerde zusätzlich mit, dass ihm an der linken Hand sämtliche Finger fehlen.
Da die vorgesehene Stelle als "Springertätigkeit" konzipiert war und somit auch das Bedienen von verschiedenen technischen Anlagen, wie zum Beispiel Sägen oder Pressen umfasste, hätte das AMS ermitteln müssen, ob dies in Hinblick auf die körperlichen Fähigkeiten des BF angemessen ist und ob hierdurch seine Gesundheit gefährdet wird.
Das bloße Anfordern von Sicherheits- uns Gesundheitsdokumente beim Arbeitsinspektorat NÖ, Mostviertel, ist für die Beurteilung des Sachverhalts nicht ausriechend. Zudem ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, dass das AMS mit den Ermittlungen bezüglich der Zumutbarkeit überhaupt erst nach Erlassen der Bescheide vom 10.08.2018 und 16.08.2018 und der dagegen erhobenen Beschwerde angefangen hat. In der Beschwerdevorlage des AMS vom 29.11.2018 bestätigt das AMS selbst, dass die Ermittlungen nicht abgeschlossen wurden und eine Überprüfbarkeit der Zumutbarkeit auf Basis der unvollständigen Ermittlungen (noch) nicht möglich ist. Dies insbesondere deshalb, da die vom Arbeitgeber angeforderten Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente noch nicht vorgelegt worden seien.
Es ist in erster Linie die Aufgabe des AMS, zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung den maßgeblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln und diese Aufgabe nicht etwa an die Rechtsmittelinstanz auszulagern. Es kann nicht festgestellt werden, dass der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.
Es war somit der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides - nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens - an das Arbeitsmarktservice XXXX zurückzuverweisen.
3.4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Im vorliegenden Beschwerdefall nimmt das Bundesverwaltungsgericht von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG Abstand, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass die angefochtenen Bescheide "aufzuheben" waren. Dieser Tatbestand ist auch auf Beschlüsse zur Aufhebung und Zurückverweisung anwendbar (vgl. zur gleichartigen früheren Rechtslage Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 22). Bei der Ermessensübung war dabei auch ausschlaggebend, dass es der Prozessökonomie und dem Sinn der gesetzlichen Ermächtigung zur Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG jedenfalls entspricht, dass der Aufhebungsbeschluss gefasst wird, wenn sich die grobe Ermittlungslücke bereits aus der Aktenlage und damit noch vor Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergibt. Die Abstandnahme von der Verhandlung steht diesfalls nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 18.725/2009) auch im Einklang mit dem einschlägigen Grundrecht nach Art. 6 EMRK (und folglich auch dem insofern - zufolge Art. 52 Abs. 3 GRC - mit gleichen Rechtsfolgen ausgestatteten Art. 47 GRC).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
In der rechtlichen Beurteilung zu Punkt A) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des VwGH ausgeführt, dass im erstinstanzlichen Verfahren notwendige Ermittlungen und Feststellungen unterlassen wurden. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegt keine grundsätzliche Rechtsfrage vor, weil § 28 Abs. 3 zweiter Satz inhaltlich § 66 Abs. 2 AVG (mit Ausnahme des Wegfalls des Erfordernisses der Durchführung einer mündlichen Verhandlung) entspricht und die Judikatur des VwGH betreffend die Zurückweisung wegen mangelhafter Sachverhaltsermittlung heranzuziehen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen Regelung (vgl. OGH vom 22.03.1992, 5 Ob 105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, körperliche Eignung, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W255.2210413.1.00Zuletzt aktualisiert am
08.02.2019