TE Bvwg Beschluss 2018/12/14 W178 2170543-2

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Veröffentlicht am 14.12.2018
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Entscheidungsdatum

14.12.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W178 2170543-2/9E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Maria PARZER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.07.2018, Zl. 1095231305-180628853 erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend HerrnXXXX, geboren am XXXX, StA Afghanistan beschlossen:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2

Asylgesetz 2005 ist rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 18.11.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. In seiner Ersteinvernahme gab der Bf an, er aufgrund der Taliban seine Heimat verlassen habe. Diese hätten gefordert das mit ihnen in den Heiligen Krieg ziehe. Seine Cousins mütterlicherseits hätten explosive Gegenstände in ihrem Zimmer deponiert, das von zivilen Polizisten durchsucht worden sei und ihm sei vorgeworfen worden, mit dieser Sache zu tun zu haben. Aus diesem Grund könne er nicht zurückkehren.

Bei seiner Einvernahme vor dem BVA gab er an, dass er aus Alingar in der Provinz Laghman stamme, seine Familie lebe dort. Er sei verheiratet. Er habe vor seiner Ausreise im Lebensmittelgeschäft seines Vaters mitgearbeitet. Nach dem Abschluss seiner Schule hätten die Taliban gesagt er müsse den Dschihad mitmachen. Sie ihm gedroht ihn mitzunehmen. Er sei von Zuhause in das Stadtzentrum ausgezogen und habe dort mit seinem Bruder gewohnt er habe einen Kurs für Architekten und Mathematik belegt. Es seien zwei Cousins zu Ihnen gekommen und hätten zwei Packungen bei ihnen gelassen. Es kamen dann drei Personen in Zivilbekleidung zu ihnen und sagte ihm, dass in den Verpackungen Waffen für Terror seien. Er sei daraufhin in die Provinz Nangahar geflüchtet und habe Afghanistan verlassen. Diese drei Zivilpersonen hätten ihn auch beschuldigt wegen Dingen, die seine Cousins früher gemacht hätten. Die Behörden würden seinen Vater fragen, wo er sich aufhalte. Die Taliban würden erfahren, wenn er sich wieder in Afghanistan aufhalte.

3. Mit Erkenntnis des BFA vom 31.08.2017 wurde dem Antrag in Bezug auf die Zuerkennung von Asyl und subsidiärem Schutz keine Folge gegeben und gemäß § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Bf eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei hinsichtlich seiner persönlichen Angaben und insbesondere hinsichtlich seines Ausbildungswegs in weiten Teilen unglaubwürdig. In den Zeugnissen, die der Beschwerdeführer vorgelegt habe, scheinen ganz unterschiedliche Geburtsjahre auf. In dem "Maturazeugnis" stehe, der Beschwerdeführer habe Englisch gelernt. In der mündlichen Verhandlung konnte der Beschwerdeführer kein einziges englisches Wort sagen. Seine Erzählungen betreffend die Gründe, warum er den Herkunftsstaat verlassen hat, seien unglaubwürdig und unplausibel.

Die Familie des Beschwerdeführers sowie seine Frau lebten nach den dahingehend schlüssigen und konsistenten Angaben des Beschwerdeführers unbehelligt in der Provinzhauptstadt Mehtalam Baba. Es sei nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar, wie seine Kernfamilie ohne Probleme hinsichtlich der Taliban und der Regierung leben könne, und nur ihm selbst eine Gefahr sowohl von den Taliban als auch von der Regierung drohen soll. Der Beschwerdeführer gab an, dass es seiner Familie in jeder Hinsicht gut gehe. Der Beschwerdeführer könne über den internationalen Flughafen in Kabul von Europa aus zunächst nach Kabul und anschließend mit dem Auto über das vorhandene Straßennetz an den Ort zurückkehren, wo seine Familie in finanziell unproblematischen Verhältnissen lebe.

Damit habe der Beschwerdeführer das Vorliegen einer asylrechtlich relevanten Verfolgung nicht glaubhaft gemacht.

Eine Rückkehr in seine Heimatprovinz sei möglich, weil er dort ein familiäres Netz vorfindet und es seiner Familie in jeder Hinsicht gut gehe. Es sei daher keine Verletzung der Artikel 2 und Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zu befürchten. Auch sonst drohe dem Bf keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts.

Wegen des nicht stark ausgeprägten Familien- und Privatlebens in Österreich bilde die Fällung einer Rückkehrentscheidung auch keinen unzulässigen Eingriff in Artikel 8 EMRK. Die Voraussetzungen für das Erteilen eines sonstigen Aufenthaltstitels seien nicht gegeben.

Die Rückkehrentscheidung sei zulässig, weil der Bf keine familiären Beziehungen in Österreich und auch kein intensives Privatleben habe.

4. Dagegen wurde Beschwerde erhoben.

Darin wir zur Begründung vorgebracht, dass der Beschwerdeführer von Zwangsrekrutierungen durch die Taliban bedroht sei, vor der ihn der afghanische Staat nicht schützen könne.

5. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des BVWG vom 26.02.2018 wurde der Beschwerde in allen Punkten keine Folge gegeben. Das Erkenntnis ist rechtskräftig.

6. Der Bf hat daraufhin Österreich verlassen und sich nach Frankreich begeben. Dort hatte einen weiteren Asylantrag gestellt.

Er wurde am 30.05.2918 dort zuständigkeitshalber wieder nach Österreich überstellt.

7. Am 30.05.2018 stellte der Bf einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne, weil sein Leben dort in Gefahr sei.Er halte seine Asylgründe aufrecht. Bei seiner weiteren Einvernahme am 05.07.2018 vor dem BFA gab er an, dass es auch noch den Fluchtgrund gebe, dass er von den Taliban als Polizeispitzel gesucht werde, weil er vom Dorf jeden Tag in die Stadt gegangen sei, um einen Kurs zu besuchen. Seine Cousins seien auch bei den Taliban. Sie würden ihn finden und umbringen. Er habe der Polizei erzählt, dass der Sprengstoff seinen Cousins gehöre.

8. Mit dem mündlich verkündetem Beschluss vom 05.07.2018 wurde nach §12a AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt. In der Begründung wird festgehalten, dass in seinen Asylgründen sich nichts geändert habe, das nunmehrige Vorbringen beziehe sich auf das Vorbringen im vorangegangenen Verfahren. Es lägen die Voraussetzungen für eine Aufhebung Abschiebeschutzes vor

9. Am 10.07.2018 wurde dieser Beschluss dem BVwG vorgelegt, das BFA wurde am 11.07.2018 von der erfolgten Vorlage verständigt.

10. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Beschluss vom 11.07.2018 gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 135 Abs. 4 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 22 Abs. 10 dritter und vierter Satz des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF, BGBl. I Nr. 68/2013, sowie weitere damit zusammenhängende Bestimmungen, so auch §12a AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, als verfassungswidrig aufzuheben.

11. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 10.10.2018, zugestellt dem BVwG am 23.11.2018, G 186/2018 u.a. entschieden, dass der Antrag bezüglich § 22 Abs. 10 dritter und vierter Satz AsylG (samt Eventualanträgen) abgewiesen werde und Verfassungswidrigkeit nicht bestehe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Bf heißt XXXX, Laghman/Afghanistan, er ist verheiratet, hat keine Kinder. Er ist afghanischer Staatsangehörige, seine Familie lebt im Herkunftsstaat, in der Provinz Laghman. Er hat 12 Jahre Grundschule und 2 Jahre Universität absolviert.,.

Eine Bedrohung durch die Taliban aufgrund des Vorwurfes, dass er ein Spitzel der afghanischen Regierung sei, ist nicht als gegeben anzunehmen.

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF sind gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen sowohl hinsichtlich seiner Person als auch bezüglich der Lage im Herkunftsstaat bzw. bezüglich dem Auftreten von Nachfluchtgründen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.

Dem mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderfeststellungen der Staatendokumentation zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens, dass er nicht nur Schwierigkeiten mit der Regierung habe, weil er für seine Cousins, die Taliban seien, Sprengstoff im Zimmer gelagert habe, sondern auch durch die Taliban bedroht sei, weil er als Spitzel eingeschätzt werde, beruht darauf, dass der Beschwerdeführer diese Tatsache im ersten Asylverfahren nicht vorgebracht hat. Es ist auch im Betracht zu ziehen, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine gebildete Person handelt. Im Übrigen ist auf die unter Punkt 3. abgehandelte Asylrelevanz dieses Vorbringen zu verweisen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2 Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 leg cit die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 dieser Bestimmung findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

§ 12 Abs 1 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, ("Faktischer Abschiebeschutz") lautet:

Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt."

§ 12a AsylG 2005 lautet (auszugsweise):

(1) ....

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) - (6) [...]"

§ 22 AsylG:

Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

3.2. Zur Prüfung der Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005

3.2.1. Zum Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung (Z1)

Das Vorliegen einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, einer Ausweisung gemäß § 66 FPG oder eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs. 2 AsylG 2005.

Mit Erk des BVwG vom 23.01.2018 wurde gegen den BF rechtskräftig eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG getroffen.

3.2.2 Eine weitere Voraussetzung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes ist, dass "der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist". Es ist also eine Prognose darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich (insbesondere wegen entschiedener Sache) zurückzuweisen sein wird (§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005).

Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0213, vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0198, mwN).

Nach der Rechtsprechung zu § 68 Abs. 1 AVG liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegig Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (siehe zB VwGH 17.09.2008 2008/23/0684).

Wie oben in der Beweiswürdigung und den Feststellungen angeführt, wird der im Verfahren über den Folgeantrag vorgebrachte Fluchtgrund als nicht glaubwürdig angesehen. Selbst bei Zugrundelegung dieser Behauptung als glaubwürdig wäre sie nicht asylrelevant, weil es sich dabei um keine neu entstandene Tatsache-nach der rechtskräftigen Erstentscheidung-handelt.

Nach den obigen Feststellungen und Beweiswürdigung ist damit zu rechnen, der der Folgeantrag internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen sein wird.

3.2.3. Prüfung auf Verletzung von Rechten nach der EMRK (Z 3)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz ist weiters nur zulässig, wenn die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den Asylwerber keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeutet und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt (§ 12a Abs 2 Z 3 AsylG 2005).

3.2.3.1. Eingriff in die Rechte nach Art 2 und 3 EMRK

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063 mwN). Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl etwa VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, und 23.09.2009, 2007/01/0515, mwN).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

Es obliegt dabei grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158, mit Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09, mwH).

Bereits im ersten Verfahren hat das BFA rechtskräftig ausgesprochen, dass der BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner derartigen Gefahr und Bedrohung ausgesetzt sei. Im Verfahren über den Folgeantrag wurde diesbezüglich kein Vorbringen erstattet.

Es konnten auch seitens des Gerichts keine Feststellungen getroffen werden, die sich gegenüber den Feststellungen im rechtskräftigen Bescheid wesentlich geändert hätten und nunmehr gegen die Abschiebung des BF in seinen Heimatstaat Afghanistan sprächen.

Es wurden im vorliegenden Fall keine Umstände festgestellt, die dem BF ein "reales Risiko" einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe droht.

3.2.3.2 Eingriff in die Rechte nach Art 8 EMRK

Der Bf führt in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben und verfügt in Österreich über keine maßgeblichen privaten Anknüpfungspunkte.

Eine Abschiebung des Fremden bedeutet demnach keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK.

3.2.4 Zusammenfassung

Die Abschiebung des Bf nach Afghanistan stellt daher keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK dar bzw ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W178.2170543.2.01

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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