TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/14 W154 2136027-1

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Veröffentlicht am 14.12.2018
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Entscheidungsdatum

14.12.2018

Norm

BFA-VG §22a
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76
FPG §77
VwGVG §35

Spruch

W154 2136027-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 15.09.2016, Zahl: 1024611106 - 161258502, und die Anhaltung in Schubhaft vom 15.09.2016 bis 24.09.2016 zu

Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm §§ 76 und 77 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 15.09.2016 bis 24.09.2016 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer, einem Staatsbürger von Bosnien und Herzegowina, wurde mit Bescheid des AMS St. Pölten vom 08.07.2014, gemäß § 20 Abs. 3 AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung für die Zeit von 08.07.2014 bis 31.12.2014 als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft erteilt. Am 18.07.2014 erlitt er einen Arbeitsunfall, am 14.03.2015 wurde er wieder für arbeitsfähig erklärt.

2. Der Beschwerdeführer suchte am 17.06.2016 das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) auf und erklärte, das Bundesgebiet freiwillig mangels Barmitteln und gültiger Dokumente nicht verlassen und sich auch keine neuen bosnischen Dokumente leisten zu können.

3. In weiterer Folge wurde er mit Festnahmeauftrag vom 17.06.2016 gem. § 34 Abs. 1 Z 2 BFA--VG festgenommen und der Verein Menschenrechte Österreich vom Sachverhalt bezüglich einer unterstützen Ausreise mit IOM in Kenntnis gesetzt. Seitens des Vereins Menschenrechte Österreich wurde der belangten Behörde bekannt gegeben, dass aufgrund der bereits seit langer Zeit abgelaufenen Personaldokumente kein Heimreisezertifikat ohne massiven Zeitaufwand aufgrund der Vorlage von verschiedensten Dokumenten bei der Bosnischen Botschaft Wien ausgestellt werden könne. Daraufhin wurde die Festnahme des Beschwerdeführers wieder aufgehoben und seitens des Bundesamtes ein Heimreisezertifikat bei der Vertretungsbehörde Bosniens und Herzegowinas beantragt.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.06.2016, Zl. 1024611106/151598870, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 7 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

In Erledigung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde dieser Bescheid mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.07.2016, GZ G313 2130042-1/4E, behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.09.2016, Zl. 1024611106-151598870, wurde dem Beschwerdeführer erneut ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG, erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bosnien Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA- VG die aufschiebende Wirkung gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

6. Am 15.09.2016 wurde der Beschwerdeführer um 8:50 Uhr infolge eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG festgenommen und seitens der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, gesund zu sein und nur Schmerzmittel wegen seines Fußes einzunehmen. Grundsätzlich sei er arbeitsfähig, jedoch durch seine Fußverletzung ein wenig eingeschränkt. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe vier Kinder, für die er jedoch nicht sorgepflichtig sei. Sie würden in der Schweiz, Schweden, und Australien wohnen, ihre genaue Adresse kenne er nicht, ihre Mutter habe sie ihm nicht genannt. Die Mutter, zwei Brüder sowie eine Schwester des Beschwerdeführers würden in Serbien leben, eine weitere Schwester in Slowenien. Er selbst habe noch einen Wohnsitz in Bosnien und Herzegowina, eine Zeit lang habe er in Montenegro gearbeitet. Offiziell habe er keinen Beruf erlernt, könne aber Bagger fahren, Schweißen, Baumaschinen reparieren usw. Zuletzt hätte er in Montenegro gearbeitet, in Bosnien nur Gelegenheitsarbeiten durchgeführt. Es habe gerade zum Überleben gereicht. Bei einer Rückkehr hätte er keine Probleme, er sei nicht vorbestraft.

In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Verwandten. Eingereist sei er im Juli 2014, nach seiner Entlassung aus dem Spital sei er im September 2014 zwei Tage bei seiner Familie in Serbien gewesen und danach wieder nach Österreich gefahren. Damals habe er ein Visum gehabt. In Österreich habe er arbeiten wollen, dann sei ihm der Arbeitsunfall passiert. Er habe kein Geld und sei vollkommen mittellos, auch seine Rente sei eingestellt worden.

Mit gegenständlichem Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 15.09.2016 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG aF iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nicht zur Arbeitsaufnahme berechtigt und nicht integriert sei. Er spreche nicht Deutsch, sei im Besitz eines abgelaufenen bosnischen Reisepasses (gültig bis 20.05.2015), verfüge über keinerlei Vermögenswerte im Bundesgebiet, sei mittellos und abhängig von sozialen Zuwendungen von dritten Personen bzw. karitativen Organisationen.

Zu seiner rechtlichen Position in Österreich stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer gemäß § 31 Abs. 1 Z 3 FPG als Inhaber eines biometrischen bosnischen Reisepasses grundsätzlich zum Aufenthalt von drei Monaten innerhalb einer Frist von sechs Monaten zu touristischen Zwecken berechtigt sei. Der visumsfreie Aufenthalt nach Ablauf der Beschäftigungsbewilligung sei über mehr als ein Jahr überschritten worden und der Beschwerdeführer habe dadurch ein Verhalten gesetzt, welches die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde, sodass eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot erlassen worden sei. Er habe somit auch den Tatbestand des §§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt. Die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot seien durchsetzbar, die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers stehe fest.

Der Beschwerdeführer habe beharrlich die Ausreiseverpflichtung nach Ablauf des dreimonatigen visumsfreien Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet missachtet, befinde sich seit 31.03.2015 nicht rechtmäßig in Österreich, verfüge nicht über ausreichend Barmittel, um seinen Unterhalt zu finanzieren und gehe keiner legalen Beschäftigung nach. Er sei nicht genehmigten Tätigkeiten nachgegangen und abhängig von Unterstützungsleistungen durch dritte Personen oder durch die Ausübung einer nicht genehmigten Tätigkeit im Bundesgebiet. Sein Verhalten sei ein besonders starkes Indiz für die Annahme, dass ein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit massiv gefährde. Somit liege die Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft nach § 76 Abs. 2 Z 1 FPG zur Sicherung der Abschiebung vor. Ein Abschiebungstermin sei für den 24.09.2016 angesetzt, die Verhängung der Schubhaft somit nur für kurze Dauer und angemessen. Der Beschwerdeführer sei in Österreich weder beruflich noch sozial verankert, habe keine Familienangehörigen, verfüge über keine weiteren Sozialkontakte oder Anknüpfungspunkte. Er sei ledig, die Familie lebe in Serbien. Die Feststellungen zu seinen persönlichen Verhältnissen würden auf seinen eigenen glaubhaften Angaben vor dem Bundesamt beruhen.

7. Am 15.09.2016 wurde der Beschwerdeführer um 14:30 Uhr in Schubhaft genommen und am 24.09.2016 in sein Heimatland abgeschoben.

8. Am 29.09.2016 langte beim Bundesverwaltungsgericht die gegen den gegenständlichen Mandatsbescheid des Bundesamtes sowie gegen die Anordnung der Schubhaft und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 15.09.2016 bis zur Abschiebung am 24.09.2016 erhobene Beschwerde ein. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer durchgehend im Bundesgebiet gemeldet gewesen sei und den Behörden immer zur Verfügung gestanden habe. Er sei bereits im Juni 2016 bereit gewesen, das Bundesgebiet zu verlassen, die Ausreise jedoch an seinen finanziellen Mitteln gescheitert.

Gegen den Beschwerdeführer sei am 15.09.2016 ein Festnahmeauftrag erlassen worden, obwohl er stets den Behörden zur Verfügung gestanden und aufrecht gemeldet gewesen sei. Die zuständige Landespolizeidirektion habe sich am 14.09.2016 telefonisch bei ihm erkundigt, ob er am 15.09.2016 zu Hause anzutreffen wäre. Der Beschwerdeführer habe dies bejaht, sei am 15.09.2016 auch in seiner Wohnung gewesen und dort festgenommen worden. Nach der Festnahme und Vorführung vor das Bundesamt sei der Beschwerdeführer niederschriftlich einvernommen und anschließend der Bescheid, mit dem gegen ihn eine Rückkehrentscheidung mitsamt Einreiseverbot verhängt worden sei, ausgefolgt und die Schubhaft verhängt worden.

Die Behörde habe die Notwendigkeit der Schubhaftverhängung mit dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers begründet. So hätte er sich behaglich geweigert, der Ausreiseverpflichtung nachzukommen und verfüge nicht über ausreichende Barmittel. Er sei nicht genehmigten Tätigkeiten nachgegangen und von Unterstützungen durch Dritte abhängig. Sein Verhalten stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Diese angeführten Umstände würden keinen Sicherungsbedarf begründen. Der Beschwerdeführer sei während der Zeit seines Aufenthalts regelmäßig in Kontakt mit der belangten Behörde gestanden, sogar eigenständig am 17.06.2016 dort erschienen und habe mitgeteilt, dass die notwendigen finanziellen Mittel für die Erneuerung seiner Reisedokumente und für die Ausreise fehlen würden. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe die belangte Behörde einen Festnahmeauftrag erlassen, um den Beschwerdeführer im Anschluss in das Programm zur freiwilligen Rückkehr aufzunehmen. Der Beschwerdeführer habe diese Hilfe durch den Verein Menschenrechte Österreich in Anspruch genommen, weshalb die Organisation von Reisedokumenten nicht weiter betrieben worden sei, sei nicht nachvollziehbar. Der rechtswidrige Aufenthalt des Beschwerdeführers sei somit ohne dessen Verschulden fortgesetzt worden und könne ihm nicht zur Last gelegt werden. Die Behörde habe in der Folge ein Heimreisezertifikat beantragt, der Beschwerdeführer sei weiterhin aufrecht gemeldet und erreichbar gewesen. Auch in der am 15.09.2016 durchgeführten niederschriftlichen Befragung sei der Beschwerdeführer mit der für den 24.09.2016 festgelegten Abschiebung einverstanden gewesen. Die Verhängung von Schubhaft sei mangels Sicherungsbedarf nicht notwendig und damit rechtswidrig. Bejahe man einen Sicherungsbedarf aufgrund von Fluchtgefahr, hätte anstelle der Schubhaft ein gelinderes Mittel gemäß § 77 FPG verhängt werden müssen. Wie ausgeführt, habe der Beschwerdeführer unter anderem über eine Wohnung verfügt und sei gemeldet gewesen.

In der Beschwerde wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

* den bekämpften Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die Anhaltung bis 24.09.2016 in rechtswidriger Weise erfolgt sei,

* im Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorliegen,

* eventuell die ordentliche Revision zulassen,

* dem Beschwerdeführer etwaige Dolmetschkosten ersetzen und im Falle eines Obsiegens der Behörde den Beschwerdeführer vom Ersatz des Aufwandersatzes im Sinne der VwG-Aufwandsersatzverordnung befreien,

* in eventu die ordentliche Revision zulassen,

* dem Beschwerdeführer Aufwendungen gemäß VwG-Aufwandsersatzverordnung ersetzen,

* in eventu die ordentliche Revision zulassen.

9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.02.2017, GZ G313 2130042-2/4E, wurde die gegen den Spruchpunkt III. des Bescheides vom 15.09.2016, Zl. 1024611106-151598870, erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG festgestellt, dass die aufenthaltsbeendende Maßnahme zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig gewesen sei (Spruchpunkt II.).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.09.2016, Zl. 1024611106-151598870, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG, erlassen (Spruchpunkt I.) Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bosnien Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA- VG die aufschiebende Wirkung gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Am 15.09.2016 wurde der Beschwerdeführer um 14:30 Uhr in Schubhaft genommen und am 24.09.2016 in sein Heimatland abgeschoben.

Zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft und der Anhaltung in Schubhaft bestand gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung.

Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des AMS St. Pölten vom 08.07.2014, gem. § 20 Abs. 3 AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung für die Zeit von 08.07.2014 bis 31.12.2014 als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft erteilt. Am 18.07.2014 erlitt er einen Arbeitsunfall, am 14.03.2015 wurde er wieder für arbeitsfähig erklärt.

Der Beschwerdeführer bezog von 17.01.2015 bis 13.03.2015 eine Vollrente seitens der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und ab 14.03.2015 eine Unfallrente kleiner als 50%. Er war zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft und der Anhaltung in Schubhaft vollkommen mittellos und von 21.06.2016 bis 24.06.2016 und von 11.07.2016 bis 12.07.2016 zur Sozialversicherung gemeldet, die Ausübung einer legalen Arbeitstätigkeit war jedoch nicht erlaubt. Zudem verfügte er über keinerlei Vermögenswerte.

Der Beschwerdeführer hatte in Österreich keine Familienangehörigen und kein soziales Netz.

Nach eigenen Angaben war der Beschwerdeführer nicht imstande, selbstständig seine Ausreise zu finanzieren.

Der Beschwerdeführer war von 18.09.2013 bis 11.10.2013 sowie von 04.07.2014 bis 09.04.2015 behördlich gemeldet und es lag vom 08.06.2015 bis zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft und der Festnahme eine durchgehende Meldung mit Hauptwohnsitz in Österreich vor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes und des Asylgerichtshofes sowie aus der Einsicht in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung und das zentrale Melderegister.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit:

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2

Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.

Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.2. Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid):

3.2.1. § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt."

§22a BFA-VG bildet sohin im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

Materielle Rechtsgrundlage:

Gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft) sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Gemäß Abs. 2 Z 1 leg cit. aF darf die Schubhaft nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist. Gemäß Abs. 3 leg cit. liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 unter anderem vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist unter anderem insbesondere zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert (Z 1); ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendenden Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat (Z 3); ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt (Z 4); ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde (Z 5); der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes (Z 9).

Hinsichtlich der Anwendung eines gelinderen Mittels ist § 77 FPG maßgeblich:

"§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. [...]

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen. [...]

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten. [...]"

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

3.2.3. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig" (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfestellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessne Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Dem Gesichtspunkt einer "sozialen Verankerung in Österreich" kommt im Zusammenhang mit der Verhängung der Schubhaft wesentliche Bedeutung zu. Dabei kommt es u.a. entscheidend auf das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit oder auf die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes an (VwGH vom 30. August 2011, 2008/21/0107). Je länger somit der Fremde bereits in Österreich ist und je stärker er hier sozial verwurzelt ist, desto stärker müssen auch die Hinweise und Indizien für eine vorliegende Fluchtgefahr sein. Dabei ist zu beachten, dass Mittellosigkeit und fehlende soziale Integration in Bezug auf (noch nicht lange aufhältige) Asylwerber, die Anspruch auf Grundversorgung haben, allein noch keine tragfähigen Argumente für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs sind (VwGH vom 28. Mai 2008, 2007/21/0233).

3.2.4. Staatsangehörige der Republik Bosnien und Herzegowina, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Art. 1 Abs. 2 iVm Anlage II der Verordnung (EG) Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, ABl. L 81 vom 21.03.2001, S. 1, von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Gemäß Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerksbefreite Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die nunmehr im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Einreisevoraussetzungen erfüllen. Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die in Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht -Verordnung VO (EG) Nr. 539/2001 vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.

3.2.5. Zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Schubhaft bestand gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Seine Abschiebung war für den 24.09.2016 vorgesehen und wurde an diesem Tag auch durchgeführt.

Der Beschwerdeführer hatte im Bundesgebiet eine vom 08.07.2014 bis 31.12.1014 gültige Beschäftigungsbewilligung und einen biometrischen bosnischen Reisepass, dessen Gültigkeit am 20.05.2015 endete.

Die belangte Behörde ging somit in ihrem Mandatsbescheid zurecht davon aus, dass sich der Beschwerdeführer seit über einem Jahr nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Der Beschwerdeführer hatte in Österreich keine Familienangehörigen und kein soziales Netz. Er war mittellos, verfügte über keinerlei Vermögenswerte und hatte keine Möglichkeit, ein legales Einkommen zu erwirtschaften. Nach eigenen Angaben war er nicht imstande, selbstständig seine Ausreise zu finanzieren.

Andererseits war der Beschwerdeführer von 18.09.2013 bis 11.10.2013 sowie von 04.07.2014 bis 09.04.2015 behördlich gemeldet und es lag vom 08.06.2015 bis zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft und der Festnahme eine durchgehende Meldung mit Hauptwohnsitz in Österreich vor.

Grundsätzlich erschien daher die Anordnung des gelinderen Mittels angezeigt. Das Bundesamt hat keine konkreten Ausführungen dazu erstattet, warum das gelindere Mittel in casu nicht ausreichte, sondern sich nur allgemein auf das bis jetzt gezeigte persönliche Verhalten und der damit verbundenen Unglaubwürdigkeit der Person des Beschwerdeführers bezogen. Aufgrund der finanziellen Situation komme eine finanzielle Sicherheitsleistung schon von vornherein nicht in Betracht. Doch auch was die Unterkunftnahme im bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betreffe, könne im Fall des Beschwerdeführers wegen seiner persönlichen Lebenssituation und seines persönlichen Verhaltens nicht das Auslangen gefunden werden. Konkrete Anhaltspunkte, warum die Gefahr bestünde, der Beschwerdeführer könnte sich seinen Verpflichtungen aus dem gelinderen Mittel entziehen, führte das Bundesamt nicht an.

Vor allem wurde von der belangten Behörde ignoriert, dass der Beschwerdeführer bisher für sie greifbar war und über einen festen Wohnsitz verfügte, an dem er auch weiterhin Unterkunft hätte nehmen können.

Somit war die für die Verhängung der Schubhaft erforderliche "ultima ratio-Situation" nicht gegeben.

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die gesamte Zeit der auf ihn gestützten Anhaltung gelten (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0014; 19.03.2013, 2011/21/025; 28.08.2012, 2010/21/0388).

Somit war auch die Zeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 15.09.2016 bis zu seiner Entlassung am 24.09.2016 für rechtswidrig zu erklären.

3.3. Zu Spruchpunkt II. (Kostenbegehren):

Der Beschwerdeführer begehrte den Ersatz seiner Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da der Beschwerdeführer vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

gelinderes Mittel, Kostenersatz, Rechtswidrigkeit,
Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W154.2136027.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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