TE OGH 2018/11/8 6Ra53/18p

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Veröffentlicht am 08.11.2018
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Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch den Senatspräsidenten Dr.Bott (Vorsitz), die Richterin Dr.Kraschowetz-Kandolf, den Richter Dr.Deu sowie die fachkundigen Laienrichter Färber (Arbeitgeber) und Baumann (Arbeitnehmer) als weitere Senatsmitglieder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt in *****, gegen die beklagte Partei *****, zuletzt wohnhaft in *****, vertreten durch *****, Rechtsanwältin in *****, wegen EUR 11.798,84 brutto sA, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 15.Juni 2018, 31 Cga 9/18d-14, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.306,32 (darin EUR 217,72 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war im Betrieb ihres vormaligen Ehegatten ***** in der Zeit von 2.Mai bis 4.September 2017 beschäftigt. Sie wurde für 20 Wochenstunden angemeldet, arbeitete aber zumindest 38,5 Stunden wöchentlich. An Urlaub verbrauchte sie zwei Tage. Das Arbeitsverhältnis wurde seitens ***** per 4.September 2017 fristlos beendet. Die Ehegatten ***** hatten beim Bezirksgericht ***** einen Antrag auf einvernehmliche Scheidung ihrer Ehe eingebracht. Der Scheidungstermin blieb seitens ***** unbesucht.

Am 14.Dezember 2017 schlossen die Ehegatten ***** nachstehende Vereinbarung:

„Hiermit vereinbaren ***** und **********, das Herr ***** EUR 2.000,00 an Frau ***** zu bezahlen hat.

Sie erhält EUR 500,00 sofort in bar am 14.Dezember 2017 und die restlichen EUR 1.500,00 bis 31.Dezember 2017 sobald Herr ***** die Kaution von Herrn ***** von der Wohnung L.H. ***** ausbezahlt bekommt.

Weiters vereinbaren Herr ***** und Frau *****, das ein Antrag auf eine einvernähmliche Scheidung ohne Forderung auf Unterhalt von Frau ***** gestellt wird. Frau ***** und Herr ***** verzichten gegenseitig auf sämtliche Forderungen.

Betrag von EUR 500,00 erhalten!“

Diese Vereinbarung wurde von beiden Eheleuten unterschrieben.

***** hat die vereinbarten EUR 2.000,00 durch Zahlung von EUR 500,00 am 14.Dezember 2017 und EUR 1.500,00 Ende Dezember 2017 an die Klägerin geleistet.

Die Generalvereinbarung vom 14.Dezember 2017 wurde von der Klägerin eigenhändig ge- und unterschrieben. Mit dieser Vereinbarung sollte ein Generalvergleich getroffen werden. Mit ihr sollten sämtliche wechselseitigen Forderungen der Ehegatten ***** endgültig bereinigt und verglichen werden. Darüber hinaus haben die Ehegatten ***** mit gegenständlicher Vereinbarung eine einvernehmliche Scheidung in Aussicht genommen. Diese hat sich aber letztlich umständehalber erübrigt.

Im Rahmen der Beweiswürdigung führt das Erstgericht noch weiters aus: ***** beendete das Eheverhältnis durch sein freiwilliges Ausscheiden aus dem Leben, wodurch sich eine einvernehmliche Scheidung erübrigte. ***** hat – soweit ersichtlich – die Vereinbarung vom 14.Dezember 2017 zur Gänze erfüllt. Auch wenn ***** zum vereinbarten Scheidungstermin nicht erschienen ist, wurde die Ehe durch sein freiwilliges Ausscheiden aus dem Leben beendet. ***** hat diese Vereinbarung in allen Punkten erfüllt.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Bezahlung eines Betrages von EUR 14.791,90 brutto abzüglich bezahlter EUR 2.993,06 netto, somit einen Betrag von EUR 11.798,84 brutto an restlichem Gehalt und Sonderzahlungen für die Zeit von 2.Mai bis 4.September 2017, sowie Entgeltfortzahlung bzw. Kündigungsentschädigung, Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung für die Zeit von 2.Mai bis 31.Dezember 2017. Das Dienstverhältnis habe durch fristwidrige Dienstgeberkündigung geendet. Die Klägerin sei lediglich auf Basis einer 20-Stunden-Kraft entlohnt worden, habe aber tatsächlich mindestens 38,5 Stunden pro Woche und darüber hinaus Mehrarbeits- und Überstunden geleistet. Urlaub habe sie nur teilweise konsumiert. Sie habe tatsächlich Angestelltentätigkeiten verrichtet. Nach Androhung eines Selbstmordversuchs durch ***** und Verfassung eines Abschiedsbriefs habe sich die Klägerin in Krankenstand begeben müssen und am 4.September 2017 die Abmeldungsunterlagen bekommen, ohne dass über eine Beendigung des Dienstverhältnisses gesprochen worden wäre. Eine einvernehmliche Auflösung sei nicht zustande gekommen.

Eine Scheidungsklage habe ***** ca. einen Monat vor dem Verhandlungstermin zurückgezogen und sei in weiterer Folge zum einvernehmlichen Scheidungstermin nicht erschienen, worauf die Klägerin den Antrag auf einvernehmliche Scheidung zurückgezogen und die strittige Scheidung angestrebt habe. Die der einvernehmlichen Scheidung zugrunde liegende Vereinbarung sei nicht zustande gekommen, womit keine gültige Vereinbarung vorliege. Es sei nie daran gedacht gewesen, arbeitsrechtliche Ansprüche gegenseitig zu vergleichen.

Die Beklagte beantragt Klagsabweisung. Die Klägerin sei bis 31.August 2017 beschäftigt gewesen, habe sich im Betrieb ihres Gatten eigenmächtig angemeldet, wovon dieser nichts gewusst, zur Wahrung des ehelichen Friedens dies jedoch akzeptiert habe. Die Klägerin habe weder die vereinbarten 20 Stunden noch die behaupteten 38,5 Stunden, sondern höchstens 16 Stunden pro Woche gearbeitet. Sie sei als Arbeiterin und nicht als Angestellte tätig gewesen. Seit 1.August 2017 sei sie nicht mehr im Betrieb erschienen. Im Hinblick auf die bestehenden persönlichen Diskrepanzen habe ***** die von der Klägerin vorgeschlagene einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses akzeptiert und sie vereinbarungsgemäß per 31.August 2017 abgemeldet. Nach Auszug des ***** am 13.August 2017 aus der Ehewohnung habe ihm die Klägerin tags darauf erklärt, sich im Krankenstand zu befinden und in weiterer Folge angekündigt, ihn mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln fertig zu machen. Sämtliche Löhne und arbeitsrechtlichen Ansprüche der Klägerin seien fristgerecht und vollständig bezahlt.

Im Zuge der Errichtung der Scheidungsfolgenvereinbarung sei auch die gegenständliche arbeitsrechtliche Forderung besprochen worden. Die Klägerin habe zur Abgeltung ihrer sämtlichen Ansprüche eine Abschlagszahlung von EUR 2.000,00 verlangt und sei damit einverstanden gewesen, dass gegen Zahlung dieses Betrages sämtliche gegenseitigen Ansprüche bereinigt und verglichen seien, damit auch die gegenständliche arbeitsrechtliche Forderung. Diesen Betrag habe der Beklagte bezahlt, womit eine Generalbereinigung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche stattgefunden habe. Dass sich die Klägerin durch Rückziehung des Antrags auf einvernehmliche Scheidung nicht an die Vereinbarung vom 14.Dezember 2017 gehalten habe, vermöge daran nichts zu ändern. Die Klägerin habe daher wirksam auf sämtliche Forderungen verzichtet. Selbst aus ihrer Aussage ergebe sich, dass damit alle wechselseitigen persönlichen Ansprüche gemeint gewesen seien, worunter auch die gegenständlichen Ansprüche fielen.

Mit dem angefochtenen Urteil weist das Erstgericht das gesamte Klagebegehren ab und verpflichtet in seiner Kostenentscheidung die Klägerin zum Ersatz der mit EUR 3.963,12 (darin EUR 660,52 USt) bestimmten Verfahrenskosten.

Es meint auf der Grundlage des eingangs wiedergegebenen, soweit in Kursivschrift strittigen Sachverhalts rechtlich, die geschlossene Vereinbarung sei als Vergleich im Sinne des § 1380 ABGB anzusehen und nach den Regeln der §§ 914 f ABGB auszulegen. Es sei der objektive Erklärungswert entscheidend, womit es auf jenes Verständnis ankomme, welches ihr ein redlicher Empfänger unter Berücksichtigung aller Umstände beimessen musste. Mit dieser Vereinbarung hätten die Ehegatten ***** wechselseitig auf sämtliche Forderungen und Ansprüche verzichten wollen und dies auch getan. Davon seien die hier streitgegenständlichen arbeitsrechtlichen Ansprüche der Klägerin auch dann mitumfasst, wenn an diese im damaligen Zeitpunkt nicht konkret gedacht worden sei. Sinn und Zweck der Vereinbarung sei eine Generalbereinigung gewesen.

Entsprechend dem Prozessausgang werde die Klägerin zur Gänze kostenersatzpflichtig. Auch wenn auf Seiten der beklagten Partei ein Vertreterwechsel stattgefunden habe, könne die Beklagte sämtliche Kosten in ihr Verzeichnis aufnehmen, zumal es sich dabei nicht um Kosten des Anwalts, sondern um solche der Partei handle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Anfechtungsgründen der unrichtigen und unvollständigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung in Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin erhebt auch Berufung im Kostenpunkt.

Die Beklagte, die eine Berufungsbeantwortung erstattet, beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin macht inhaltlich, auch wenn sie dies unter den Anfechtungsgründen im Rechtsmittel nicht ausdrücklich anführt, eine Aktenwidrigkeit und auch eine Mangelhaftigkeit geltend. Worin die Aktenwidrigkeit liegen soll, lässt sich dem Rechtsmittel nicht entnehmen. Die Mangelhaftigkeit wird darauf gestützt, dass sich die getroffenen Feststellungen weder mit dem Vorbringen der Klägerin noch mit ihrer Aussage decken, was jedoch für sich allein eine Mangelhaftigkeit schon deshalb nicht zu begründen vermag, da getroffene Feststellungen nicht zwangsläufig in Vorbringen und der Aussage einer bestimmten Partei ihre Grundlage haben müssen.

Im Rahmen der Beweis- und Tatsachenrüge wendet sich die Klägerin in erster Linie gegen jene Äußerungen des Erstgerichts im Rahmen der Feststellungen, die die Frage betreffen, ob mit der geschlossenen Vereinbarung vom 14.Dezember 2017 (Beilage ./1) ein Generalvergleich geschlossen wurde und weiters, welche Ansprüche davon umfasst sein sollen (US 3 und 4). Sie begehrt an deren Stelle festzustellen, dass es sich bei Beilage ./1 nur um eine „Vereinbarung“ (und nicht um eine „Generalvereinbarung“) gehandelt habe, allfällige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit dieser nicht geregelt worden seien und die Vereinbarung wegen der nicht erfolgten Scheidung „obsolet“ geworden sei.

Zunächst trifft es zu, dass sich für die vom Erstgericht getroffenen „Feststellungen“, wonach es sich bei dieser Vereinbarung um eine „Generalvereinbarung“ gehandelt habe, mit welcher auch allfällige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis der Klägerin bereinigt und verglichen worden seien, kein Beweisergebnis finden lässt, zumal eine Vernehmung des verstorbenen Gatten der Klägerin zufolge dessen Ablebens während des Verfahrens nicht mehr erfolgt ist und auch die Aussage der Klägerin dafür keine taugliche Grundlage bildet. Es handelt sich daher bei den erstgerichtlichen Ausführungen in Wahrheit nicht um Sachverhaltsfeststellungen, sondern um Überlegungen, betreffend die Auslegung der geschlossenen Vereinbarung, und damit um der Rechtsbeurteilung zugehörige Ergebnisse. Darauf wird bei Behandlung der Rechtsrüge noch einzugehen sein.

Dass die Vereinbarung vom 14.Dezember 2017 von der Klägerin eigenhändig ge- und unterschrieben wurde, ist ebensowenig strittig wie der Umstand, dass es zu einer einvernehmlichen Scheidung der Ehegattin ***** nicht gekommen ist und der vormals Beklagte ***** am 2.Februar 2018 verstorben ist.

Ob die nun seitens der Klägerin geltend gemachten arbeitsrechtlichen Ansprüche von einer allfälligen Bereinigungswirkung der Vereinbarung vom 14.Dezember 2017 erfasst sind oder nicht, bildet die Kernfrage des gegenständlichen Verfahrens, welche als Ergebnis der Auslegung dieser Vereinbarung zu lösen ist.

Insoweit die Klägerin unter diesem Anfechtungsgrund darauf abzielt, die Vereinbarung sei (nur) für den Fall einer einvernehmlichen Scheidung geschlossen worden, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich Derartiges in dieser Deutlichkeit weder aus dem Wortlaut der Vereinbarung noch ihrer eigenen Aussage ergibt. Aus der Urkunde selbst ist lediglich zu entnehmen, dass die Parteien des Weiteren vereinbart haben, dass ein Antrag auf eine einvernehmliche Scheidung gestellt wird, jedoch keinesfalls, dass diese Vereinbarung nur für den Fall der Scheidung Geltung haben soll. Derartiges ergibt sich auch nicht aus dem vorgebrachten (Seite 2 des Protokolls vom 7.März 2018/AS 61 verso unten) Umstand, dass die der einvernehmlichen Scheidung zugrunde liegende Vereinbarung nicht zustande gekommen sei.

Ob es sich bei ***** um den „vormaligen“ Gatten der Klägerin gehandelt hat, wie das Erstgericht feststellt, ist rechtlich bedeutungslos, zumal – wie oben dargestellt – zweifellos von dessen Ableben während aufrechter Ehe ausgegangen werden kann.

Inwieweit die vom Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen Äußerungen, wonach ***** die Vereinbarung vom 14.Dezember 2017 zur Gänze erfüllt habe, unrichtig sein soll, nur weil er dem Termin der einvernehmlichen Scheidung ferngeblieben ist, erschließt sich dem Berufungsgericht, jedenfalls was die finanziellen Verpflichtungen betrifft, nicht, hat doch die Klägerin selbst ausdrücklich ausgesagt, die vereinbarten EUR 2.000,00 durch Zahlung von EUR 500,00 am 14.Dezember 2017 und von EUR 1.500,00 Ende Dezember 2017/Anfang Jänner 2018 erhalten zu haben.

Insoweit die Klägerin unter diesem Anfechtungsgrund auch sekundäre Feststellungsmängel zur Art ihrer Tätigkeit sowie zur Höhe allfällig offener Entgeltansprüche behauptet, ist sie einerseits darauf zu verweisen, dass Feststellungsmängel grundsätzlich der Rechtsrüge zuzuordnen sind, und weiters, dass es derartiger Feststellungen nur für den Fall bedürfte, dass man entgegen der Rechtsauffassung des Erstgerichts von einer Generalbereinigungswirkung der Vereinbarung vom 14.Dezember 2017 nicht ausgeht. Die begehrte „Feststellung“, wonach an die Klägerin die im Einzelnen angeführten Entgelte „zu bezahlen“ seien, scheitert schon daran, dass das Bestehen einer Zahlungspflicht zweifellos das Ergebnis einer rechtlichen Beurteilung darstellt.

Insoweit die Klägerin mit ihrer Beweisrüge auch die Ausführungen des Erstgerichts im Rahmen der Rechtsbeurteilung zum Auslegungsergebnis bekämpft, handelt es sich – wie bereits ausgeführt – ebenfalls nicht um Tatsachenfeststellungen.

Die von der Beklagten bekämpften Feststellungen über den Umfang der Arbeitsleistung der Klägerin einerseits und der Art der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses andererseits sind im Hinblick auf die vom Berufungsgericht – wie noch zu zeigen sein wird – vertretene Rechtsansicht für den Verfahrensausgang ohne Relevanz. Abgesehen davon sind die begehrten Ersatzfeststellungen, wonach die Klägerin nicht mehr als das vereinbarte Ausmaß von 20 Wochenstunden geleistet hätte und das Arbeitsverhältnis mit 31.August (richtig:) 2017 aufgelöst worden wäre, wofür sich kein Beweisergebnis finden lässt, durch bloße Prozessbehauptungen nicht zu gewinnen.

Das Berufungsgericht übernimmt daher den festgestellten Sachverhalt mit den genannten Einschränkungen als richtig und vollständig und legt ihn gemäß § 498 Abs 1 ZPO (§ 2 Abs 1 ASGG) seiner Beurteilung zugrunde.

Davon ausgehend kommt auch der Rechtsrüge keine Berechtigung zu.

In dieser macht die Klägerin zunächst in Wiederholung der Ausführungen zur Beweisrüge sekundäre Feststellungsmängel zur behaupteten Angestelltentätigkeit der Klägerin und der Höhe ihrer nach den Behauptungen aushaftenden Ansprüche geltend, wobei auf das bereits Gesagte verwiesen werden kann.

In der eigentlichen Rechtsrüge hält die Klägerin an ihrer Rechtsauffassung fest, wonach mangels zustande gekommener einvernehmlicher Scheidung der Ehe der Streitteile der Zweck der Vereinbarung nicht erfüllt worden sei, und andererseits mangels Vorliegens einer Generalbereinigungswirkung von einem Verzicht bzw. Vergleich, auch die arbeitsrechtlichen Ansprüche der Klägerin betreffend, nicht ausgegangen werden könne.

Das Berufungsgericht hält diese Argumente nicht für zutreffend.

Schon bei Behandlung der Beweisrüge wurde dargestellt, dass sich in der (von der Klägerin eigenhändig) verfassten Vereinbarung vom 14.Dezember 2017 lediglich der Hinweis findet, dass sie und ihr Gatte weiters vereinbaren, dass ein Antrag auf eine einvernehmliche Scheidung gestellt wird. Daraus kann jedoch keinesfalls der Schluss gezogen werden, dass diese Vereinbarung nur für den Fall der einvernehmlichen Scheidung Geltung haben soll und keine Wirkung entfaltet, wenn es – aus welchen Gründen auch immer – zu dieser einvernehmlichen Scheidung nicht kommen sollte.

Damit stellt sich die hier streitentscheidende Frage, ob es sich bei dieser Vereinbarung um eine solche mit Generalbereinigungswirkung handelt und weiters, ob davon auch die nun klagsgegenständlichen arbeitsrechtlichen Ansprüche der Klägerin umfasst sind.

Das Berufungsgericht schließt sich diesbezüglich der Rechtsauffassung des Erstgerichts an.

Nach ständiger Judikatur bestimmt sich das, was die Streitteile als Gegenstand der Streitbereinigung angenommen haben, nach dem übereinstimmend erklärten Parteiwillen (RIS-Justiz RS0017954). Es gelten die Grundsätze der Vertrauenstheorie (RIS-Justiz RS0014696), sodass Vergleiche nach den allgemeinen Regeln auszulegen sind. Entscheidend für das Verständnis der wechselseitigen Erklärungen ist deren objektiver Erklärungswert (RIS-Justiz RS0014696 [T 3]). Die Auslegung eines Vergleichs und ebenso die Beurteilung der Reichweite der Bereinigungswirkung ist hiebei nur anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen (9 ObA 35/17p mwN). Die Bereinigungswirkung eines Generalklauselvergleichs bezieht sich im Zweifel auf alle Ansprüche, an die die Parteien denken konnten, jedenfalls aber auf die ihnen damals positiv bekannten oder erkennbaren Folgen (9 ObA 92/12p; RIS-Justiz RS0044358 [T 5], RS0032453; 8 ObA 97/11i mwN). Diese Vermutung gilt insbesondere auch für Vergleiche über die Beendigung von Dauerschuldverhältnissen. Ein allfälliger Verzicht wäre auch dann wirksam, wenn es sich um unabdingbare Ansprüche handelt (RIS-Justiz RS0029958; 9 ObA 138/02p uva). Soweit in einem Vergleich aus Anlass eines solchen nicht einzelne der daraus entspringenden Forderungen ausgenommen sind, werden alle gegenseitigen Forderungen, an die die Parteien denken konnten (und nicht nur solche, an die sie tatsächlich gedacht haben), verglichen (RIS-Justiz RS0032470; 8 ObA 97/11i). Ein Generalvergleich, mit dem „alle wechselseitigen Ansprüche“ bereinigt werden sollen, umfasst demnach alle Forderungen, an die die Parteien denken konnten, selbst wenn sie konkret nicht daran dachten (3 Ob 17/15v; hg 6 Ra 66/16x). Wer nach Abschluss eines allgemeinen Vergleichs ein Recht geltend macht, ist im Bestreitungsfall hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für den Nichteintritt der Bereinigungswirkung des Vergleichs behauptungs- und beweispflichtig (RIS-Justiz RS0032504).

Im Lichte dieser Grundsätze und aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls geht auch das Berufungsgericht von einem die arbeitsrechtlichen Ansprüche der Klägerin mitumfassenden Generalvergleich aus.

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die – wie ausgeführt – beweisbelastete Klägerin die Vereinbarung vom 14.Dezember 2017 eigenhändig verfasst hat, weshalb schon grundsätzlich nach der Unklarheitenregel des § 915 Satz 2 ABGB undeutliche Äußerungen zu ihren Lasten gehen würden. Derartige Unklarheiten vermag jedoch auch das Berufungsgericht nicht zu erkennen.

Auszugehen ist davon, dass die genannte Vereinbarung im Vorfeld einer ins Auge gefassten einvernehmlichen Scheidung der Streitteile verfasst wurde und sich der verstorbene Gatte der Klägerin zunächst zur Zahlung eines Betrages von EUR 2.000,00 in Raten von EUR 500,00 und EUR 1.500,00 ohne Widmung verpflichtet hat. Des Weiteren wurde vereinbart, dass ein Antrag auf eine einvernehmliche Scheidung ohne Forderung von Unterhalt seitens der Klägerin gestellt wird. Damit ist bezüglich allfälliger Unterhaltsansprüche der Klägerin schon eine gesonderte Regelung enthalten, weshalb das im Rechtsmittel vorgetragene Argument, bei dieser Vereinbarung sei es lediglich um Wohnung und um den Unterhalt gegangen (Berufung Seite 16), nicht überzeugt. Wohnungsfragen finden sich in der Vereinbarung überhaupt nicht, die Unterhaltsfrage wurde gesondert geregelt, darüber hinaus jedoch ein genereller Forderungsverzicht festgehalten. In diesem Zusammenhang gewinnt auch die Aussage der Klägerin an Bedeutung, wonach sich dieser generelle Forderungsverzicht nur auf „wohnliche und persönliche“ Forderungen bezogen habe, zumal zweifellos auch Arbeitnehmerforderungen persönliche Forderungen darstellen. Die Klägerin hat auch die Frage, ob sie die Mehrstunden der Firma habe schenken wollen, bezeichnenderweise mit „man tut es einfach“ beantwortet (Seite 8 des Protokolls vom 15.Juni 2018/AS 85 verso unten).

Besondere Bedeutung gewinnt nach Auffassung des Berufungsgerichts aber der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Urkunde das Arbeitsverhältnis der Klägerin bereits seit mehr als drei Monaten aufgelöst war, die Streitteile getrennt wohnten und unmittelbar vor der Scheidung standen, weshalb zweifellos davon ausgegangen werden kann, dass die Streitteile an allfällige arbeitsrechtliche Ansprüche der Klägerin zu diesem Zeitpunkt jedenfalls denken konnten. Dies insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass – wie ausgeführt – die Vereinbarung eine Zahlungspflicht des ***** in Höhe von EUR 2.000,00 ohne jegliche Widmung enthielt, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass die Bereinigungswirkung dieser Generalklausel auch den Verzicht der Klägerin auf die nun geltend gemachten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis umfasste. Der Umstand, dass – wie die Klägerin betont – arbeitsrechtliche Ansprüche ihrerseits zu diesem Zeitpunkt kein Thema waren, schließt nach der zitierten Judikatur die Generalbereinigungswirkung nicht aus. Es fehlt auch jegliches Vorbringen der Klägerin, welche (anderen) Ansprüche ihrerseits mit der erwähnten und geleisteten Zahlung allenfalls abgegolten werden sollten, obwohl diesbezüglich eindeutige Prozessbehauptungen des Beklagten vorliegen, wonach die Klägerin exakt diesen Betrag zur Abgeltung ihrer sämtlichen Ansprüche, darunter auch die aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Forderungen, verlangt habe (Seite 2 der ON 7/AS 51 unten).

Der Berufung ist demnach in der Hauptsache ein Erfolg zu versagen.

Zur Berufung im Kostenpunkt:

Diesbezüglich macht die Klägerin geltend, im Hinblick auf den Vertreterwechsel auf Seiten der Beklagten von ***** auf ***** mit Anzeige vom 18.April 2018 (ON 9) habe die Beklagte lediglich Anspruch auf Ersatz der Kosten der Tagsatzung vom 15.Juni 2018, zumal sie bis einschließlich der Tagsatzung vom 7.März 2018 von ***** vertreten gewesen sei und ***** die diesbezüglichen Leistungen mangels Erbringung derselben nicht habe in ihr Kostenverzeichnis aufnehmen dürfen. Überdies seien diese nicht bescheinigt und auch nicht (gesondert) verzeichnet worden.

Darüber hinaus hätte das Erstgericht der Klägerin für die Verfassung der Stellungnahme zum Kostenverzeichnis der Beklagten vom 18.Juni 2018 (gemeint: ON 12) Kosten im Betrage von EUR 141,72 zusprechen müssen.

Das Berufungsgericht hält diese Argumentation schlichtweg für nicht nachvollziehbar.

Die Berufungsgegnerin weist diesbezüglich völlig zutreffend darauf hin, dass es sich schon nach dem Gesetzeswortlaut der §§ 40 ff ZPO bei den Prozesskosten um Kosten der Partei und nicht um solche ihres Rechtsvertreters handelt. Kostenschuldner ist demnach – von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen – regelmäßig die im Prozess unterliegende Partei und Kostengläubiger die Obsiegende. Findet ein Vertreterwechsel statt, so hat der nachfolgende Anwalt auch die Kosten des vorigen Vertreters zu verzeichnen (Obermaier, Kostenhandbuch2 Rz 435 mwN). Damit traf ***** als die zeitlich letzte Vertreterin der Beklagten geradezu die Verpflichtung, die Kosten für die Leistungen des vormaligen Vertreters ***** in das Kostenverzeichnis aufzunehmen, was sie auch getan hat. Das Argument, diese seien nicht bescheinigt, ist im Hinblick auf den Verfahrensverlauf und die erbrachten Vertretungsleistungen geradezu absurd.

Insoweit die Klägerin Kosten für ihre „Stellungnahme zum Kostenverzeichnis der Beklagten“ anspricht, die als Einwendungen im Sinn des § 54 Abs 1a ZPO anzusehen sind, scheitert sie schon am Gesetzeswortlaut, der einen Kostenersatz für diese Leistung ausdrücklich ausschließt.

Die angefochtene Entscheidung entspricht somit der Sach- und Rechtslage, weshalb der Berufung ein Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG. Ein Kostenersatz für die Beantwortung des „Kostenrekurses“ besteht entgegen der Verzeichnung in der Berufungsbeantwortung nicht, zumal es sich hiebei nicht um einen Kostenrekurs, sondern um eine Berufung im Kostenpunkt handelt.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO besteht für eine Revisionszulassung kein Anlass.

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 6

Textnummer

EG00158

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0639:2018:0060RA00053.18P.1108.000

Im RIS seit

08.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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