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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Dr. Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in Wien III, Hegergasse 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 9. Juli 1998, Zl. 792.714/2-2.7/98, betreffend Befreiung vom Grundwehrdienst, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde ein Antrag des Beschwerdeführers vom 22. Februar 1998 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 Wehrgesetz 1990 - WG abgewiesen.
In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt. Der Beschwerdeführer hat einen weiteren Schriftsatz eingebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 WG können taugliche Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.
Die belangte Behörde bejahte im Hinblick auf das Unternehmen des Beschwerdeführers (ein Dienstleistungsunternehmen in der Computerbranche) das Vorliegen eines wirtschaftlichen Interesses des Beschwerdeführers an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht. Sie verneinte aber dessen besondere Rücksichtswürdigkeit im Sinne des Gesetzes wegen Verletzung der Harmonisierungspflicht. Der Beschwerdeführer habe während eines zu Studienzwecken gewährten Aufschubes des Antrittes des Grundwehrdienstes (bis 31. August 1998) das Unternehmen gegründet und in der Folge zur nunmehrigen Größe ausgebaut. Gründe, die es dem Beschwerdeführer nicht erlaubt hätten, das Unternehmen erst nach Ableistung des Grundwehrdienstes zu gründen, seien nicht ersichtlich. Die von ihm ins Treffen geführte Zweckmäßigkeit der Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit (Finanzierung des Studiums, finanzielle Entlastung der Eltern) sei nicht geeignet, die Gründung des Unternehmens während des gewährten Aufschubes nicht als Verstoß gegen die Harmonisierungspflicht erscheinen zu lassen.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich bei der Entscheidung über einen Antrag auf Befreiung von der Präsenzdienstpflicht nach § 36a Abs. 1 Z. 2 WG ungeachtet des Ausdruckes "können" nicht um eine Ermessensentscheidung im Sinne des Art. 130 Abs. 2 B-VG (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juni 1992, Zl. 92/11/0120). Dem Wehrpflichtigen steht daher bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Befreiung zu. Der Vorwurf eines "Ermessensmissbrauchs" geht damit ins Leere.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Wehrpflichtige gehalten, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden, und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Den Wehrpflichtigen trifft also die Verpflichtung, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren. Verletzt er diese Harmonisierungspflicht, können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig angesehen werden (siehe dazu u. a. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/11/0353 mwN). Er darf auch nicht während einer befristeten Befreiung oder eines Aufschubes neue Tatsachen schaffen, um daraus in der Folge einen Befreiungsgrund abzuleiten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Mai 1990, Zl. 89/11/0175 mwN).
Entsprechend dieser Rechtslage hat die belangte Behörde zu Recht einen Verstoß gegen die Harmonisierungspflicht angenommen. Der Beschwerdeführer hat während eines ihm zu Studienzwecken gewährten Aufschubes sein Unternehmen gegründet und in der Folge in Wahrnehmung sich ihm bietender Möglichkeiten in einem Ausmaß ausgeweitet, dass ihm nunmehr nach seinem Vorbringen die Ableistung des Grundwehrdienstes nicht ohne Gefährdung des Unternehmens möglich ist. Er versucht damit der Sache nach daraus rücksichtswürdige Interessen an seiner Befreiung vom Präsenzdienst abzuleiten. Der Beschwerdeführer hätte entweder mit der Aufnahme dieser unternehmerischen Tätigkeit bis nach Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes zuwarten bzw. zumindest versuchen müssen, den Grundwehrdienst zum frühestmöglichen Zeitpunkt abzuleisten, um sich sodann ungestört dem Aufbau des Unternehmens widmen zu können, oder aber bei der Ausweitung der unternehmerischen Tätigkeit darauf achten müssen, dass die Möglichkeit der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes ohne schwere wirtschaftliche Nachteile gewahrt bleibt. Da er dies offensichtlich unterlassen hat (Gegenteiliges ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers und auch der Aktenlage nicht zu entnehmen), vermag die befürchtete Gefährdung seines Unternehmens im Falle der Ableistung des Grundwehrdienstes die besondere Rücksichtswürdigkeit der geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen nicht zu begründen. Daran können die Hinweise nichts ändern, dass das stetige Anwachsen des Unternehmens nicht beabsichtigt gewesen sei und seine Versuche, einen geeigneten Ersatz für seine Person während seiner Abwesenheit zu finden, erfolglos geblieben seien. Sie gehen an der Tatsache vorbei, dass es am Beschwerdeführer selbst lag, sich bei seinen wirtschaftlichen Dispositionen in der vorhin aufgezeigten Art und Weise zu verhalten, um so eine Verletzung der Harmonisierungspflicht zu vermeiden. Damit fehlt auch den behaupteten Verfahrensmängeln im Zusammenhang mit seinem Vorbringen betreffend erfolglos gebliebene Versuche, einen geeigneten Vertreter für seine Person zu finden, die Relevanz. Diese Versuche können die Tatsache nicht ungeschehen machen, dass die Harmonisierungspflicht bereits durch die vorangegangenen beruflichen Dispositionen des Beschwerdeführers verletzt wurde.
Bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides hat das mit Eingabe vom 10. November 1998 erstattete ergänzende Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seine (nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgte) Eheschließung, die Tatsache der Beschäftigung seiner Ehegattin in seinem Unternehmen und die für Ende März 1999 erwartete Geburt eines Kindes außer Betracht zu bleiben. Der Verwaltungsgerichtshof hat bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides auf die bei dessen Erlassung maßgebende Sachlage abzustellen.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 1. Juli 1999
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998110195.X00Im RIS seit
20.11.2000