TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/1 99/11/0045

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.1999
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
44 Zivildienst;

Norm

AVG §56;
B-VG Art140 Abs1;
ZDG 1986 §32 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des W in W, Böckhgasse 7/10/32, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Dezember 1998, Zl. 172.752/8-IV/14/98, betreffend Feststellung der Höhe der Pauschalvergütung nach dem Zivildienstgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer leistete den ordentlichen Zivildienst. Mit Schreiben an den Bundesminister vom 30. September 1998 beantragte er die Feststellung seines "Rechts auf Grundvergütung (Pauschalvergütung) und des Umfanges dieses Rechtsanspruches (zahlenmäßige Höhe)", wie er ihm am 30. September 1998 zustehe. Er führte aus, dass sein rechtliches Interesse "in der Geltendmachung der Ungleichheit im nachfolgenden Höchstgerichtsverfahren" bestehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass ein bescheidmäßiger Abspruch über die Höhe der einem Zivildienstpflichtigen zustehenden Beträge nur für den Fall vorgesehen sei, dass strittig sei, ob die tatsächliche Auszahlung in gesetzmäßiger Höhe erfolge. Der Beschwerdeführer bestreite dies aber nicht. Er behaupte der Sache nach eine Ungleichbehandlung von Präsenzdienern nach dem Heeresgebührengesetz und von Zivildienern nach dem Zivildienstgesetz. "Diese allgemein gehaltene Kritik am einfachen Gesetzgeber kann jedoch nicht als Grundlage für die Erlassung des .... beantragten Feststellungsbescheides herangezogen werden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war". Im Übrigen könne der Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof einen sogenannten Individualantrag auf Gesetzesprüfung nach Art. 140 Abs. 1 letzter Satz B-VG stellen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat den aus dem Original des Antrages vom 30. September 1998 und einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides samt Zustellnachweis bestehenden Verwaltungsakt vorgelegt, mitgeteilt, dass von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen wird, und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Unzulässigkeit des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages auf Erlassung eines Feststellungsbescheides gerichtet ist, dass aber in einem solchen Fall der Spruch des Bescheides auf Zurückweisung des Antrages zu lauten hätte. Dieser Umstand braucht aber nicht weiter verfolgt zu werden, weil der Antrag vom 30. September 1998 zulässig war und ihm stattzugeben gewesen wäre.

Gemäß § 32 Abs. 1 zweiter Satz ZDG in der Fassung der ZDG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 598, hat das Bundesministerium für Inneres die den Zivildienstleistenden gebührenden Beträge zu berechnen, zahlbar zu stellen, auszuzahlen und zu verrechnen. Gemäß § 32 Abs. 4 hat der Bundesminister für Inneres auf Antrag des Zivildienstleistenden über die gebührenden Geldbeträge mit Bescheid zu erkennen.

Die belangte Behörde ist zwar mit ihren Ausführungen im Recht, die Erlassung eines Bescheides über die Höhe der einem Zivildienstleistenden zustehenden Beträge diene der Ermöglichung der Austragung von Rechtsstreitigkeiten zwischen diesem und der Behörde. Sie übersieht aber, dass sich ein derartiger Rechtsstreit nicht nur aus der Art der Berechnung der Höhe der Beträge, also aus der Anwendung des Gesetzes, ergeben kann. Der von der belangten Behörde der Sache nach angesprochene letzte Satz des Art. 140 Abs. 1 B-VG lässt erkennen, dass auch die Anwendung verfassungswidriger Gesetze in die Rechtssphäre des Einzelnen eingreift; mit direktem Antrag auf Gesetzesprüfung beim Verfassungsgerichtshof kann dieses rechtliche Interesse freilich nur geltend gemacht werden, wenn das Gesetz ohne Erlassung eines Bescheides für die betreffende Person wirksam geworden ist. Dies ist aber vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit sogenannter Individualanträge auf Prüfung genereller Normen entgegen der Auffassung der belangten Behörde im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf § 32 Abs. 4 ZDG nicht der Fall. Der Zivildiener hat einen Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, mit dem über die Höhe der ihm zustehenden Beträge abzusprechen ist. Das schließt die Zulässigkeit eines Individualantrages nach Art. 140 Abs. 1 letzter Satz B-VG aus.

Für die Zulässigkeit des Begehrens auf Erlassung eines Bescheides nach § 32 Abs. 4 ZDG ist es im gegebenen Zusammenhang ohne Belang, ob das Begehren auf Bescheiderlassung seinem Wortlaut nach auf Feststellung oder auf Leistung gerichtet ist.

Dabei spielt ferner eine Rolle, dass der Verfassungsgerichtshof in seiner (restriktiven) Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Individualanträgen das Begehren auf Erlassung eines Feststellungsbescheides als zumutbaren Weg zur Erlangung eines bescheidmäßigen Abspruches qualifziert, der die unmittelbare Wirksamkeit der generellen Norm im Sinne der letzten Sätze der Abs. 1 der Art. 139 und 140 B-VG ausschließt (vgl. etwa den Beschluss vom 12. Dezember 1997, Slg. Nr. 15064); dies schließt es aber wiederum aus, dass die Unzulässigkeit der Erlassung eines Feststellungsbescheides mit der Möglichkeit der Stellung eines Individualantrages auf Normenprüfung begründet wird.

Der angefochtene Bescheid war aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Das Begehren des Beschwerdeführers auf Zuspruch von Aufwandersatz war abzuweisen, da ihm mangels Vertretung durch einen Rechtsanwalt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kein Schriftsatzaufwand ersetzt werden kann -die Rechtsanwaltsunterschrift auf der Beschwerde wurde von einem nur hiezu bestellten Verfahrenshelfer geleistet - (§ 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997) und er infolge Bewilligung der Verfahrenshilfe keine Gebühren zu entrichten hatte. Wien, am 1. Juli 1999

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999110045.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten