Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. L*****, vertreten durch die Brand Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Hellenische Republik, *****, vertreten durch die Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 28.673,42 EUR sA, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 25. Februar 2016, GZ 11 R 22/16k-33, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 8. Jänner 2016, GZ 26 Cg 7/15p-29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Das am 25. April 2017 ausgesetzte Revisionsrekursverfahren wird von Amts wegen wieder aufgenommen.
2. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.504,08 EUR (darin enthalten 250,68 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung und die mit 1.804,50 EUR (darin enthalten 300,75 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger erwarb über eine inländische Depotbank Staatsanleihen der Hellenischen Republik im Nominale von 35.000 EUR. Der Erwerb erfolgte im Weg eines Kommissionsgeschäfts zwischen dem Kläger und der Depotbank. Der Kläger bezeichnet sich als Inhaber eines bei der Depotbank geführten inländischen Wertpapierdepots und als Eigentümer der Staatsanleihen, die auf diesem Wertpapierdepot gutgebucht wurden. Die Staatsanleihen sind Inhaberwertpapiere, die dem Inhaber das Recht zur Kapitaltilgung bei Fälligkeit und pünktliche Zahlung entsprechend der Anleihebedingungen geben.
Zwischen dem Kläger und der Hellenischen Republik besteht kein Vertragsverhältnis. Der beklagte Staat emittierte in Griechenland Staatsanleihen nach griechischem Recht, die an der Athener Börse gehandelt wurden. Auch die vom Kläger erworbene Staatsanleihe unterlag griechischem Recht. Der beklagte Staat gab die Staatsanleihen als Wertrechte (Schuldbuchforderungen) aus. Diese wurden im Girosystem der griechischen Zentralbank registriert. Das Girosystem der griechischen Zentralbank basiert auf Konten im Namen der jeweiligen Systemteilnehmer. Für die Teilnehmer an dem System bedarf es der Zulassung durch den Gouverneur der griechischen Zentralbank. Gemäß Art 6 Abs 4 des griechischen Gesetzes Nr 2198/1994 wird eine Anleihe durch Gutschrift auf dem Konto des Teilnehmers übertragen. Dementsprechend wurden zunächst die Teilnehmer des Girosystems der griechischen Zentralbank Inhaber und Gläubiger der auch hier gegenständlichen Staatsanleihe. Dies ergibt sich auch aus den Anleihebedingungen. Gemäß Art 6 Abs 2 des griechischen Gesetzes Nr 2198/1994 können die Teilnehmer am Girosystem der griechischen Zentralbank zwar Dritten (Investoren) Rechtspositionen in Bezug auf die Anleihe einräumen; ein solches Rechtsgeschäft wirkt jedoch nur zwischen den Parteien und hat ausdrücklich keine Wirkung für oder gegen die Hellenische Republik.
Am 23. 2. 2012 erließ Griechenland das Gesetz Nr 4050/2012 betreffend „Regeln zur Änderung von Wertpapieren, die vom griechischen Staat emittiert oder garantiert wurden, mit Zustimmung der Anleiheinhaber“. Dieses Gesetz sieht vor, dass die Inhaber bestimmter griechischer Staatsanleihen ein Umstrukturierungsangebot erhalten. Zudem wurde eine Umstrukturierungsklausel eingefügt, die es ermöglicht, dass eine Änderung der ursprünglichen Anleihebedingungen mit qualifizierter Mehrheit des ausstehenden Kapitals beschlossen wird und dann auch für die Minderheit gilt. Nach dem Erlass dieses Gesetzes nahm der beklagte Staat eine Konvertierung der Anleihen des Klägers vor. Dadurch wurden die ursprünglichen Staatsanleihen gegen neue Staatsanleihen mit einem niedrigeren Nominalwert umgetauscht.
Der Kläger begehrt von der Hellenischen Republik die Zahlung von 28.673,42 EUR sA. Er habe Anspruch darauf, dass neben den Zinsen das Nominale der von ihm erworbenen Staatsanleihen bei Fälligkeit am 20. 2. 2012 getilgt werde. Dies habe die Hellenische Republik rechtswidrig unterlassen. Sie habe eine eigenmächtige Zwangskonvertierung durchgeführt und damit den in den ursprünglichen Anleihen wurzelnden Anspruch des Klägers in rechtswidriger Weise nicht erfüllt. Bis zum Zeitpunkt der Konvertierung habe die Hellenische Republik die Zinsen stets auf das Konto des Klägers im Sprengel des Erstgerichts überwiesen. Der Kläger habe die konvertierten Anleihen in Entsprechung seiner Schadensminderungspflicht um 7.831,58 EUR verkauft, sodass ihm ein Schaden in Höhe von 28.673,42 EUR entstanden sei. Der Kläger stützt seinen Anspruch ausdrücklich auf Erfüllung der Anleihebedingungen bzw macht er Schadenersatzansprüche wegen deren Nichterfüllung geltend, weil die Hellenische Republik in vertragswidriger Weise die Anleihebedingungen verletzt habe.
Die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts sei gegeben. Der beklagte Staat ist Mitgliedstaat der Europäischen Union. Weder der Wohnsitz noch der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers liegen in Griechenland, sodass die EuGVVO (gemeint: Verordnung [EU] Nr 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. 12. 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, in Folge: EuGVVO 2012) anwendbar sei. Der Streitgegenstand betreffe eine Zivilsache im Sinn des Art 1 Abs 1 Satz 1 EuGVVO 2012 zwischen dem Kläger als Anleihegläubiger und dem beklagten Staat als Anleiheschuldner. Da die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nichts mit einer hoheitlichen Tätigkeit des beklagten Staats zu tun hätten, könne sich dieser auch nicht auf seine Staatenimmunität berufen. Das Erstgericht sei sachlich zuständig, § 51 JN sei nicht anwendbar. Es sei örtlich zuständig, was sich aus Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 (in der Klage noch: Art 5 Nr 3 EuGVVO 2000), hilfsweise aus Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 (erstmals im Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichts geltend gemacht) sowie aus den Art 17, 18 EuGVVO 2012 (in der Klage noch: Art 15 ff EuGVVO 2000) ergebe.
Der beklagte Staat erhob insbesondere die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und des Fehlens der internationalen Zuständigkeit. Der Kläger behaupte eine Enteignung durch das griechische Umschuldungsgesetz Nr 4050/2012 und die darauf basierenden Maßnahmen der griechischen Regierung. Da der beklagte Staat insofern hoheitlich gehandelt habe, unterliege er nicht der inländischen Gerichtsbarkeit. Die EuGVVO 2012 sei nicht anwendbar, weil weder eine Zivil- noch eine Handelssache im Sinn ihres Art 1 Abs 1 vorliege.
Das Erstgericht sprach seine Unzuständigkeit aus und wies die Klage zurück. Der beklagte Staat könne nicht die Staatenimmunität für sich in Anspruch nehmen, weil die Emission von Staatsanleihen als acta iure gestionis anzusehen sei. Die EuGVVO 2012 sei anwendbar, weil der vom Kläger geltend gemachte Anspruch eine Zivilsache sei. Der Kläger mache aber vertragliche Ansprüche geltend, für die der (im Verfahren erster Instanz allein geltend gemachte) Deliktsgerichtsstand des Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 nicht zur Verfügung stehe. Mangels Bestehens eines direkten Vertragverhältnisses stehe auch der Verbrauchergerichtsstand der Art 17, 18 EuGVVO 2012 nicht zur Verfügung.
Das Rekursgericht gab dem vom Kläger gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs Folge. Es wies die Einreden des Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit ab. In Bezug auf die Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit teilte das Rekursgericht die Rechtsansicht des Erstgerichts. Die internationale Zuständigkeit bejahte es mit der Begründung, dass sich aus dem vom Kläger vorgebrachten Tatsachensubstrat das Vorliegen des Gerichtsstands des Erfüllungsorts gemäß Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 ergebe. Beide Parteien gingen von der Anwendbarkeit griechischen Rechts aus. Nach Art 321 des hellenischen ZGB liege der Erfüllungsort im Sprengel des angerufenen Erstgerichts. Den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Rekursgericht zu.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der vom beklagten Staat erhobene Revisionsrekurs, mit dem die Zurückweisung der Klage wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit, hilfsweise wegen fehlender internationaler Zuständigkeit begehrt wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung die Zurück-, hilfsweise die Abweisung des Revisionsrekurses.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
1.1 Die inländische Gerichtsbarkeit ist für Schadenersatzansprüche gegen einen ausländischen Staat nicht gegeben, wenn sich der geltend gemachte Anspruch auf einen hoheitsrechtlichen Akt des beklagten ausländischen Staats bezieht (RIS-Justiz RS0032107). Diese Voraussetzungen wären hier an sich gegeben, weil der Ausgangsrechtsstreit nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. 11. 2018, Rs C-308/17 (s dazu weiter unten Pkt 2.3) auf eine Wahrnehmung hoheitlicher Rechte zurückgeht und aus Handlungen des griechischen Staats in Ausübung dieser hoheitlichen Rechte resultiert (EuGH C-308/17 Rn 42; ebenso BGH VI ZR 516/14).
1.2 Die Vorinstanzen haben die inländische Gerichtsbarkeit des angerufenen Erstgerichts für den geltend gemachten Anspruch jedoch übereinstimmend bejaht. Daran ist der Oberste Gerichtshof nach § 42 Abs 3 JN iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gebunden, woran nichts ändert, dass das Erstgericht die inländische Gerichtsbarkeit nur in den Gründen seines Beschlusses bejaht hat (RIS-Justiz RS0114196, RS0039774). Die Bindungswirkung ist ungeachtet der dargestellten abweichenden unionsrechtlichen Beurteilung durch den EuGH zu beachten (RIS-Justiz RS0114196 [T10]).
2.1 Für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit sind in erster Linie die Angaben in der Klage maßgebend. Soweit es den Rahmen des Zuständigkeitsstreits nicht sprengt, steht es dem angerufenen Gericht jedoch auch frei, seine internationale Zuständigkeit im Licht aller ihm vorliegenden Informationen zu prüfen, wozu gegebenenfalls auch die zuständigkeitsrelevanten Einwände des Beklagten gehören (8 Ob 125/15p mH auf EuGH C-375/13, Kolassa, Rn 62 f; RIS-Justiz RS0130596 [T1]).
2.2 Vor diesem Hintergrund hat der Oberste Gerichtshof das Revisionsrekursverfahren mit Beschluss vom 25. 4. 2017 ausgesetzt (10 Ob 34/16x) und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Auslegung des Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„Ist Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 dahin auszulegen,
1. dass sich der Erfüllungsort im Sinn dieser Bestimmung auch im Fall eines – wie hier – mehrfachen vertraglichen Übergangs einer Forderung nach der erstmaligen vertraglichen Vereinbarung richtet?
2. dass der tatsächliche Erfüllungsort im Fall der Geltendmachung eines Anspruchs auf Einhaltung der Bedingungen einer Staatsanleihe wie der hier konkret von der Hellenischen Republik begebenen bzw des Schadenersatzes wegen Nichterfüllung dieses Anspruchs bereits durch die Zahlung von Zinsen aus dieser Staatsanleihe auf ein Konto eines Inhabers eines inländischen Wertpapierdepots begründet wird?
3. dass der Umstand, dass durch die erstmalige vertragliche Vereinbarung ein rechtlicher Erfüllungsort im Sinn des Art 7 Nr 1 lit a der Verordnung begründet wurde, der Annahme entgegensteht, dass die nachfolgende tatsächliche Erfüllung eines Vertrags einen – weiteren – Erfüllungsort im Sinn dieser Bestimmung begründet?“
2.3 Der EuGH folgte in seinem Urteil vom 15. 11. 2018, Rs C-308/17, jedoch dem Einwand des beklagten Staats sowie der griechischen und italienischen Regierung, dass der Ausgangsrechtsstreit – auch unter Hinweis auf den „außergewöhnlichen Kontext“ und die „außergewöhnlichen Umstände einer schweren Finanzkrise“, die eine „außergewöhnliche Lösung“ erfordere (C-308/17 Rn 40) – nicht in den Anwendungsbereich der EuGVVO 2012 falle (C-308/17 Rn 28). Er führte zusammengefasst aus:
„36 In Bezug auf den Ausgangsrechtsstreit ist daher zu ermitteln, ob er auf Handlungen der Hellenischen Republik zurückgeht, die einer Ausübung hoheitlicher Rechte entspringen.
37 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 62 ff seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich die Ausübung solcher Rechte im vorliegenden Fall sowohl aus der Natur und den Modalitäten der Änderungen der Vertragsbeziehung zwischen der Hellenischen Republik und den Inhabern der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Staatsanleihen als auch aus den außergewöhnlichen Umständen, unter denen diese Änderungen eingetreten sind.
38 Nachdem der griechische Gesetzgeber das Gesetz Nr. 4050/2012 erlassen und dadurch rückwirkend eine CAC [Anm.: Collective Action Clause; Umstrukturierungsklausel] eingeführt hatte, wurden die Anleihen nämlich durch neue Anleihen mit einem erheblich niedrigeren Nennwert ersetzt. Eine derartige Ersetzung von Anleihen war weder in den ursprünglichen Anleihebedingungen vorgesehen noch in den griechischen Rechtsvorschriften, die zum Zeitpunkt der Emission der nach diesen Bedingungen begebenen Anleihen galten.
39 Die rückwirkende Einführung einer CAC ermöglichte es der Hellenischen Republik somit, allen Anleiheinhabern eine wesentliche Änderung der finanziellen Bedingungen dieser Anleihen aufzuerlegen, und zwar auch jenen, die mit dieser Änderung nicht einverstanden waren.
40 Außerdem erfolgte der erstmalige Rückgriff auf die rückwirkende Einführung einer CAC und die daraus resultierende Änderung der erwähnten finanziellen Bedingungen im außergewöhnlichen Kontext und unter den außergewöhnlichen Umständen einer schweren Finanzkrise. Die Maßnahmen gingen insbesondere auf die im Rahmen eines zwischenstaatlichen Unterstützungsmechanismus bestehende Notwendigkeit zurück, die griechische Staatsschuld umzustrukturieren und die Gefahr des Scheiterns des entsprechenden Umstrukturierungsplans auszuschließen, um den Zahlungsausfall Griechenlands zu verhindern und die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets sicherzustellen. In Erklärungen vom 21. Juli und vom 26. Oktober 2011 bekräftigten die Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets daher, dass in Bezug auf die Beteiligung des privaten Sektors die Situation der Hellenischen Republik eine außergewöhnliche Lösung erfordere.
41 Der außergewöhnliche Charakter dieser Situation ergibt sich auch daraus, dass gemäß Art. 12 Abs. 3 des ESM-Vertrags ab dem 1. Januar 2013 alle neuen Staatsschuldtitel des Euro-Währungsgebiets mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr Umschuldungsklauseln enthalten, die so ausgestaltet sind, dass gewährleistet wird, dass ihre rechtliche Wirkung in allen Rechtsordnungen des Euro-Währungsgebiets gleich ist.
42 Somit ist angesichts des außergewöhnlichen Charakters der Bedingungen und der Umstände, unter denen das Gesetz Nr. 4050/2012 erlassen wurde, mit dem die ursprünglichen Anleihebedingungen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Staatsanleihen durch Einführung einer CAC einseitig und rückwirkend geändert wurden, sowie des mit diesem Gesetz verfolgten im Allgemeininteresse liegenden Ziels festzustellen, dass der Ausgangsrechtsstreit auf eine Wahrnehmung hoheitlicher Rechte zurückgeht und aus Handlungen des griechischen Staates in Ausübung dieser hoheitlichen Rechte resultiert, so dass er nicht unter den Begriff 'Zivil- und Handelssachen' im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 fällt.
43 Nach alledem ist auf die gestellte Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass ein Rechtsstreit wie der des Ausgangsverfahrens, den eine natürliche Person, die von einem Mitgliedstaat begebene Anleihen erworben hatte, gegen diesen führt, wobei sich ihre Klage gegen den Austausch der genannten Anleihen gegen Anleihen mit einem niedrigeren Wert richtet, der ihr durch ein vom nationalen Gesetzgeber unter außergewöhnlichen Umständen erlassenes Gesetz auferlegt wurde, mit dem die Anleihebedingungen einseitig und rückwirkend geändert wurden, indem eine CAC eingeführt wurde, die es der Mehrheit der Inhaber der betreffenden Anleihen ermöglicht, der Minderheit diesen Austausch aufzuzwingen, nicht unter den Begriff 'Zivil- und Handelssachen' im Sinne dieser Bestimmung fällt.“
2.4 Nach Vorliegen dieses Urteils war das ausgesetzte Verfahren über den Revisionsrekurs des beklagten Staats von Amts wegen wieder aufzunehmen.
2.5 Da somit die EuGVVO im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Zuständigkeitstatbeständen nach dieser Verordnung. Der Kläger kann sich zur Begründung der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts auf keinen der Zuständigkeitstatbestände der EuGVVO 2012 berufen.
3. Zu prüfen ist infolge der für den Obersten Gerichtshof bindenden Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit durch die Vorinstanzen das Vorliegen eines Gerichtsstands nach den Bestimmungen des österreichischen Rechts. Auf einen solchen Gerichtsstand (in Frage käme allenfalls der Gerichtsstand des Vermögens gemäß § 99 JN) hat sich der Kläger jedoch weder ausdrücklich berufen noch dahingehend entsprechende Behauptungen bzw ein entsprechendes Vorbringen erstattet.
Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E123946European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00103.18X.0122.000Im RIS seit
08.02.2019Zuletzt aktualisiert am
16.02.2021