TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/1 98/21/0512

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Veröffentlicht am 01.07.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §10;
FrG 1997 §15;
FrG 1997 §34;
ZustG §23;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des GT in Lustenau, geboren am 18. April 1971, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 11. November 1998, Zl. Frb-4250b-60/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Ausweisung und Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung der Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch über die Zurückweisung der Berufung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 30. März 1998 wies die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 iVm den §§ 10, 15 und 35 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus. Am 30. April 1998 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung einer Berufung gegen den genannten Bescheid und erhob gleichzeitig Berufung. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wies die Behörde erster Instanz mit Bescheid vom 12. Mai 1998 ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11. November 1998 gab die belangte Behörde der Berufung gegen die "Ablehnung" des Wiedereinsetzungsantrages keine Folge und wies gemäß § 66 Abs. 4 AVG die Berufung gegen die Ausweisung als verspätet zurück. (Weiters behob sie gemäß § 68 Abs. 2 AVG ihren Bescheid vom 13. August 1998, mit dem einem irrig als Antrag auf Wiederaufnahme des Ausweisungsverfahrens verstandenen Antrag keine Folge gegeben worden war.)

Diesen Bescheid begründete die belangte Behörde im Wesentlichen wie folgt: Der Beschwerdeführer sei im laufenden Ausweisungsverfahren rechtsanwaltlich vertreten gewesen. Mit Schreiben vom 4. Februar 1998 habe dieser Rechtsanwalt die Kündigung des Vollmachtsverhältnisses mit dem Ersuchen mitgeteilt, hinkünftige Zustellungen direkt an den Beschwerdeführer vorzunehmen. Mit Schreiben vom 12. Februar 1998 sei der Beschwerdeführer von der Absicht der Behörde informiert worden, seinen Antrag auf Verlängerung der Niederlassungsbewilligung abzulehnen und gegen ihn die Ausweisung zu verfügen. Dieses Schriftstück sei ebenso wie der Ausweisungsbescheid vom 30. März 1998 gemäß § 8 iVm § 23 Zustellgesetz hinterlegt worden. Da der Fremde nach Kenntnis der belangten Behörde zum Zeitpunkt der Bescheidzustellung nicht mehr rechtsanwaltlich vertreten gewesen sei, habe eine gesetzeskonforme Zustellung nur an ihn selbst erfolgen können. Nach Beendigung des Vollmachtsverhältnisses habe die belangte Behörde am 12. Februar 1998 über das Meldeamt der Stadt Dornbirn lediglich in Erfahrung bringen können, dass der Beschwerdeführer vom Hausbesitzer bereits am 15. Dezember 1997 rückwirkend von der bis dahin bekannten Adresse abgemeldet worden wäre. Eine sodann durchgeführte Anfrage bei der Vorarlberger Gebietskrankenkasse sei negativ verlaufen. Die belangte Behörde habe somit den tatsächlichen Aufenthaltsort des Beschwerdeführers trotz entsprechender Versuche nicht feststellen können. Nach rechtmäßiger Zustellung im Sinn des § 8 Zustellgesetz sei der Ausweisungsbescheid nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist mit 16. April 1998 in Rechtskraft erwachsen. Der Beschwerdeführer behaupte nunmehr, keine Möglichkeit gehabt zu haben, gegen die Ausweisung das Rechtsmittel der Berufung zu erheben, weil er keine Kenntnis über die Zustellung des erstinstanzlichen Ausweisungsbescheides erlangt hätte. Seine Anmeldung wäre von der Gemeinde Fußach nicht angenommen worden. Dass der Beschwerdeführer von der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses keine Kenntnis erlangt habe, sei auf sein eigenes Verschulden zurückzuführen; von einer sorgfältigen Person sei zu erwarten, dass sie regelmäßig Kontakt mit ihrem Rechtsvertreter halte. Die Unkenntnis der Behörde von seinem Aufenthalt nach Verweigerung einer Anmeldung durch das Meldeamt Fußach sei kein unvorhergesehenes Ereignis. Es wäre an ihm gelegen, sich eine "zulässige" Wohnung zu besorgen und dann die erforderliche Anmeldung vorzunehmen. Dass der Beschwerdeführer von der Bescheidzustellung nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt habe, sei allein auf sein Verschulden zurückzuführen und es lägen somit keine "im Sinne des § 71 FrG erforderlichen oder unabwendbaren Ereignisse" vor. Mangels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei die Berufung wegen Versäumung der Einbringungsfrist als verspätet zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid - soweit damit nicht der Bescheid vom 13. August 1998 behoben wurde - richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn im genannten Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Eine Rechtswidrigkeit der Zurückweisung seiner Berufung behauptet der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit, dass ihm die Einleitung eines Ausweisungsverfahrens nicht bekannt gewesen sei und eine Hinterlegung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz somit nicht hätte erfolgen dürfen.

Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer im Recht. Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß dem Abs. 2 die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Die belangte Behörde verweist in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf ihr Schreiben vom 12. Februar 1998, das die Information enthält, es sei beabsichtigt, den Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der Niederlassungsbewilligung abzulehnen und gegen ihn die Ausweisung zu verfügen. Weiters sieht sie das Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers vom 17. Dezember 1996 auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz als "laufendes Ausweisungsverfahren" an, in dem der Beschwerdeführer rechtsanwaltlich vertreten gewesen sei.

Damit verkannte sie die Rechtslage. Das im Sinn des § 8 Abs. 1 Zustellgesetz relevante Ausweisungsverfahren wurde nicht bereits durch den Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung eingeleitet, sondern erst durch die von der Behörde mit Schreiben vom 12. Februar 1998 mitgeteilte Absicht, gegen den Beschwerdeführer die Ausweisung zu verfügen. Da der Beschwerdeführer von dieser Einleitung des Ausweisungsverfahrens unbestritten keine Kenntnis hatte, bestand keine Mitteilungspflicht im Sinn der genannten Norm, weshalb die auf § 8 Abs. 2 Zustellgesetz gestützte Zustellung rechtswidrig erfolgte und den Lauf der Berufungsfrist nicht in Gang setzen konnte.

Diesbezüglich war somit der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Demgemäß gehen die Beschwerdeausführungen zur Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages ins Leere, weil die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eine rechtswirksame Zustellung voraussetzt.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 1. Juli 1999

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998210512.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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