TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/25 G307 2205299-1

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Veröffentlicht am 25.10.2018
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Entscheidungsdatum

25.10.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67
FPG §70 Abs3

Spruch

G307 2205299-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA: Ungarn, vertreten durch die Diakonie, gemeinnützige Flüchtlingsgesellschaft mbH - ARGE Rechtsberatung in 1170 Wien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.08.2018, Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Im Rahmen einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt (im Folgenden: BFA), den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) am 19.07.2018 auf, zur in Aussicht genommenen Verhängung eines Aufenthaltsverbotes, seinen persönlichen Verhältnissen und gesetzten Integrationsschritten binnen 14 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens Stellung zu nehmen.

Am 03.08.2018 wurde der BF von einem Organ des BFA einvernommen.

2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 06.08.2018, dem BF persönlich zugestellt am 09.08.2018, wurde gegen diese gemäß § 67 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 70 Abs. 3 ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.).

3. Mit Schreiben vom 04.09.2018, beim BFA eingebracht am selben Tag, erhob der BF durch die im Spruch angeführte Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den angeführten Bescheid.

Darin wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbotes herabzusetzen.

4. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 06.09.2018 vorgelegt und langten dort am 10.09.2018 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist ungarischer Staatsbürger, frei von Obsorgepflichten und ledig. Abgesehen von einer Schwester, welche sich in den Niederlanden aufhält, wohnt die Kernfamilie des BF in Ungarn. Der BF hält sich seit 06.05.2013 durchgehend im Bundesgebiet auf.

1.2. Der BF war vom 06.05.2013 bis zum 05.06.2014 bei der XXXX in XXXX, vom 13.12.2014 bis zum 24.06.2015 bei der XXXX jeweils im Arbeiterdienstverhältnis und ist seit 28.09.2015 bei der XXXX in XXXX im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Hiefür bezieht er ein monatliches Gehalt in der Höhe von rund € 1.600,00 ohne Urlaubsentgelt und Weihnachtsremuneration. Er ist seit 25.06.2013 im Besitz einer Anmeldebescheinigung.

1.3. Die BF ist gesund und arbeitsfähig. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF über Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus verfügt.

1.4. Der BF hielt sich von 27.12.2017 bis 04.01.2018 in den Niederlanden auf, wo er seine Schwester besuchte, Cannabis und Marihuana konsumierte. Der Konsum von Suchtmitteln geht bis auf sein

15. Lebensjahr zurück.

1.5. Dem BF wurde mit Straferkenntnis des Polizeikommissariates XXXX vom XXXX2018 angelastet, er habe sich am XXXX2018 um 14:30 Uhr nach Aufforderung geweigert, zum Zwecke der Feststellung der Beeinträchtigung durch Suchtgift von einem hiezu ermächtigten Arzt des amtsärztlichen Dienstes untersuchen zu lassen, obwohl er am besagten Tag um 14:20 Uhr in XXXX, auf Höhe XXXXein Fahrzeug in einem vermutlich durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. In diesem Rahme wurde der BF mit einer Geldstrafe von €

1.760,00 rechtskräftig belangt, für welche ihm ein Zahlungsaufschub bis XXXX2019 eingeräumt wurde.

1.6. Der BF ist suchtmittelabhängig. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF bis dato eine Drogenentzugstherapie wahrgenommen hat.

1.7. Mit Schreiben vom 07.05.2018, dem BF durch Hinterlegung zugestellt am 11.05.2018, forderte das BFA den BF auf, am XXXX2018 zwecks Überprüfung einer Aufenthaltsermittlung in der Außenstelle XXXX zu erscheinen. Dieser Aufforderung kam der BF nicht nach. Im Rahmen einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, dem BF durch Hinterlegung zugestellt am 28.06.2018 forderte das BFA den BF neuerlich auf, zur in Aussicht genommenen Verhängung eines Aufenthaltsverbotes Stellung zu nehmen. Dieses Schriftstück wurde dem BF an seiner im Zentralen Melderegister aufscheinenden Anschrift in XXXX zugestellt, jedoch nicht behoben. Nach einem Amtshilfeersuchen an die Polizeiinspektion XXXX und mehrerer von Seiten der dortigen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unternommener Zustellversuche wurde dem BF die Möglichkeit des Parteiengehörs vom 19.07.2018 am 31.07.2018 persönlich zur Kenntnis gebracht. Hierauf erstattete der BF keine Antwort und wurde am 03.08.2018 von einem Organ des BFA einvernommen.

1.8. Abgesehen von seinem Aufenthalt und seinen bisher ausgeübten Beschäftigungen konnten auf Seiten des BF keine darüber hinausgehenden, nennenswerten Integrationsschritte festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Bestand von Verwandten in der Heimat und dem Freisein von Obsorgepflichten getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getätigten Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde, den Angaben in der Einvernahme des BF vor dem BFA und dem Beschwerdeinhalt.

Die BF legte einen auf ihren Namen ausgestellten ungarischen Personalausweis vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind. Ferner findet dieser auch im Inhalt des auf den BF lautenden Auszugs aus dem Zentralen Melderegister Niederschlag, aus dem sich auch der durchgehende Aufenthalt im Bundesgebiet seit dem Jahr 2013 ergibt.

In Ermangelung der Vorlage eines Sprachzertifikats konnten beim BF keine Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus festgestellt werden. Wenn es in der Beschwerde heißt, der BF habe einen Deutschkurs absolviert, so kann dem in Ermangelung der Vorlage einer dahingehenden Bescheinigung kein bestimmtes Sprachniveau zugestanden werden, zumal dieser vor dem BFA in Ungarisch einvernommen wurde.

Die bisherigen und die derzeit ausgeübten Beschäftigung/en folgt/folgen dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Sozialversicherungsdatenauszuges.

Die gegenüber dem BF ausgesprochene Verwaltungsstrafe und deren Höhe ergeben sich aus dem im Akt einliegenden Straferkenntnis, dessen Zahlungsaufschub auf dem Inhalt des Rechtsmittels.

Dem Akteninhalt waren keine Anhaltspunkte von Krankheiten zu entnehmen und deutet die Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf die Arbeitsfähigkeit des BF hin.

Die Zustellung von Ladung und Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme (VEB) sowie die polizeiunterstützte Übergabe der VEB an den BF sind den im Akt befindlichen Rückscheinen wie der Meldung der Polizeiinspektion XXXXvom XXXX2018 zu entnehmen, wobei die belangte Behörde angesichts der aufrechten Meldung des BF an der unter II.1.6. angeführter Adresse und in Ermangelung einer postalischen Ortsabwesenheitsmeldung zu Recht davon ausgehen konnte, dass der BF an der besagten Anschrift auch tatsächlich wohnhaft ist.

Dass der BF drogenabhängig ist und ab dem 15. Lebensjahr mit Suchtmittel in Kontakt gekommen ist, ergibt sich mittelbar aus dem Inhalt der Einvernahme vor dem BFA, wonach dieser Marihuana geraucht hat sowie den Ausführungen in der Beschwerde, denen zufolge der auch BF eine Suchtgifttherapie wahrnehmen wolle, wofür er bis dato noch ein Beweismittel schuldig blieb, weshalb dahingehend nichts festgestellt werden konnte. Im Übrigen wurde in der Beschwerde auch zugestanden, dass der BF in Holland Cannabis und Marihuana konsumiert hat. Der dortige Aufenthalt ergibt sich aus der Flugbestätigung, welche dem Rechtsmittel beigelegt wurde.

Wenn in der Beschwerde moniert wird, das Bundesamt habe dem BF keine rechtshemmenden beruflichen, sozialen oder familiären Ankerpunkte attestiert, so übersieht das Rechtsmittel, dass damit - wie in den Ausführungen im Bescheid auf dessen Seiten 8 unten und 9 ersichtlich - gemeint ist, dass der Rückführung des BF nach Ungarn vor diesem Hintergrund keine Hindernisse entgegenstehen. Abgesehen davon verfügt der BF eigenen Angaben zufolge in Österreich tatsächlich über keine familiären oder (intensiven) sozialen Kontakte und hielten sich demgemäß auch die meisten seiner Verwandten in Ungarn auf. Die bloße Aufenthaltsdauer sowie die Ausübung von Erwerbstätigkeiten allein vermögen kein Hindernis für den Ausspruch eines Aufenthaltsverbotes darzustellen, wie noch in der rechtlichen Beurteilung zu zeigen sein wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, dies aus folgenden Gründen:

Für den BF, die aufgrund seiner ungarischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, kommt der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1., 1. Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung, weil er sich noch nicht 10 Jahre in Österreich aufhält.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl dazu etwa VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Bei der vom BF zu erstellenden Gefährdungsprognose steht in erster Linie das verwaltungsstrafrechtliche Verhalten im Fokus der Betrachtung. Der BF wurde unbestritten vom Polizeikommissariat XXXX imXXXX 2018 wegen § 99 Abs. 1 lit b) iVm § 5 Abs. 5 letzter Satz und Abs. 9 StVO mit einer Geldstrafe von € 1.760,00 belegt.

Dieses Handeln stellt jedenfalls ein die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten dar. Nicht nur im Zusammenhang mit Suchmitteln begangene Vergehen und Verbrechen auf der Ebene des Strafrechts, sondern auch Verwaltungsübertretungen im Straßenverkehr (durch Beeinträchtigung von Alkohol und Suchtmittel) werden vom Verwaltungsgerichtshof als verpönt und als der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zugänglich angesehen (vgl. VwGH vom 22.0.2011, 2008/18/0497).

Abgesehen davon hat der BF die an ihn gerichteten Schreiben der belangten Behörde in Form von Ladungen und Aufforderungen zur Stellungnahe ignoriert und konnte erst durch persönliches Erscheinen der Polizei zum Erscheinen vor dem Bundesamt bewegt werden. Im Zuge der Einvernahme missachtete er seine Mitwirkungspflicht weiter und leugnete vorerst den vormaligen Konsum von Suchtmitteln. Erst in der Beschwerde, als die Beweislage erdrückend war, gestand er den Suchtmittelkonsum ein. Im Rahmen des zu bewertenden Gesamtverhaltens verschärft dies seine negative Zukunftsprognose. Er verfügt über keine Angehörigen im Bundesgebiet, konnte keine sozialen Kontakte ins Treffen führen und ist keinen Obsorgepflichten ausgesetzt.

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zeigt sich somit vorliegend als verhältnismäßig.

Zu beurteilen bleibt schließlich noch die Frage der Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG, welche kumulativ mit der Erheblichkeit und der Tatsächlichkeit vorliegen muss. Der BF konsumiert seit geraumer Zeit Suchtmittel und ist die Verweigerung der Blutuntersuchung beim Lenken eines Kraftfahrzeuges ein starkes Indiz dafür, dass er ein solches in einem derartigen Rauschzustand gelenkt hat. Erst als er massiv unter Druck stand, gab er den über Jahre andauernden Konsum von Suchtmitteln zu. Die belangte Behörde hat die Gefährlichkeit von Suchtmitteln hervorgehoben und damit auch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes begründet.

Dieser Ansicht schließt sich auch das erkennende Gericht an. Es ist somit von einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr des persönlichen Verhaltens der BF auszugehen, welches ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich die Sicherheit des Straßenverkehrs berührt. Zu denken ist auch an die Gefahr, welche der BF anderen Verkehrsteilnehmern ausgesetzt hat.

Wie ferner bereits hervorgehoben, erweist sich die bis dato verstrichene Zeitspanne der Erlassung des Straferkenntnisses als zu kurz, um eine Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG ausschließen zu können.

Ferner konnte im Lichte der im Sinne des § 9 BFA-VG gebotenen Abwägung der privaten und familiären Interessen der BF mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen nicht zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes führen.

Nach dem besagten und in seiner Gesamtheit zu missbilligenden Fehlverhalten des BF ist davon auszugehen, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Verkehrssicherheit) dringend geboten.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen, privaten Interessen des BF. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten (vgl etwa VwGH 20.08.2013, 2013/22/0097).

3.2. Auch die Dauer des Aufenthaltsverbotes erscheint als angemessen. Der BF beging zwar "nur" eine Verwaltungsübertretung, die jedoch ihrer Gefährlichkeit und ihrem Gewicht nach als hoch einzustufen ist. Das Bundesamt hat den ihm zur Verfügung stehenden Höchstmaßstab bloß zu 30 % ausgeschöpft. Dies erscheint angesichts der Aufenthaltsdauer und der vom BF ausgeübten Tätigkeit als angemessen.

3.3. Zu Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Mangels fassbarer und dem entgegenstehender Momente war dem BF - rechtsrichtig - ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat einzuräumen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zahl Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde samt Ergänzung geklärt war. Was das Vorbringen der BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen, welches die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätte.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Durchsetzungsaufschub, EU-Bürger,
Gefährdungsprognose, Interessenabwägung, öffentliche Interessen,
Suchtmitteldelikt, Verwaltungsstrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G307.2205299.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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