Entscheidungsdatum
06.12.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W240 2124613-2/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kenia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2018, Zl. 13-419386609-171365942, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.08.2018 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde betreffend die Spruchpunkte I bis V sowie gegen den Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018, iVm § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Z 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018, iVm § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: FPG), íVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: BFA-VG), § 52 Abs. 9 iVm § 46 FPG, und § 53 Abs. 1 iVm § 53 Abs. 3 Z 1 FPG als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser zu lauten hat:
"Gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Kenia, reiste im August 2009 legal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 14.09.2009 einen Erstantrag beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger", welcher ihm (aufgrund von Verlängerungsanträgen) zuletzt bis zum 07.10.2013 erteilt worden war.
Am 21.08.2013 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus", deren letzte Gültigkeit mit 27.04.2016 (rechtskräftiges Aufenthaltsverbot) endete.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX , GZ. XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall und teils § 15 StGB sowie wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen gemäß § 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB und wegen des Vergehens des Betruges gemäß § 146 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwölf Monaten verurteilt, wobei ihm ein Teil dieser Strafe im Ausmaß von neun Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Den unbedingt verhängten Teil der Freiheitsstrafe verbüßte der Beschwerdeführer (unter Anrechnung der Vorhaft) von XXXX bis XXXX .
Der Beschwerdeführer wurde am 23.05.2014 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu angedachten fremdenpolizeilichen Maßnahmen aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilung einvernommen und gab dabei auf diesbezüglichen Vorhalt an, dass er in Österreich bis zu seiner Verhaftung gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Stiefvater in XXXX gelebt habe. Seine Schwester wohne ebenfalls in XXXX , allerdings an einer anderen Adresse. Nach seiner Freilassung werde er sich sofort wieder an der Adresse seiner Mutter anmelden, da sie eine Familie seien und gemeinsam leben würden. Nach seiner Ankunft in Österreich habe der Beschwerdeführer mehrere Deutschkurse und das Polytechnikum besucht. Anschließend habe er einen Kurs beim AMS besucht, den er jedoch nach zwei Monaten abgebrochen habe. Danach habe er einen Kurs für Schneiderei wieder ca. zwei Monate lang besucht. Seinen Lebensunterhalt bestreite er durch die Unterstützung des AMS und seiner Eltern. Der Beschwerdeführer habe sich beim Bfi anmelden wollen, um seinen Schulabschluss zu machen, sei jedoch davor am XXXX von der Polizei verhaftet worden und habe in der Folge seine Strafhaft angetreten. Nach seiner Freilassung wolle er jedenfalls die Schule besuchen, wobei ihm seine Eltern und seine Schwester unterstützen würden. Er werde sich bemühen, die österreichische Rechtsordnung zu beachten. Bei einer Rückkehr nach Kenia wäre der Beschwerdeführer komplett alleine und hätte keine sozialen oder familiären Kontakte. Probleme mit der Polizei oder mit Gerichten hätte er in Kenia nicht, da er dort noch nie straffällig gewesen sei.
Am XXXX wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX , GZ. XXXX , wegen der Verbrechen der versuchten Vergewaltigung gemäß §§ 15, 201 Abs. 1 StGB und des Raubes gemäß § 142 Abs. 1 StGB sowie wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch gemäß §§ 127, 129 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Jahren verurteilt. Vom Widerruf der zum Urteil vom XXXX gewährten bedingten Strafnachsicht wurde abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
Mit Urteil vom XXXX, GZ. XXXX , hat das Oberlandesgericht XXXX der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge gegeben, sodass das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX am XXXXin Rechtskraft erwuchs.
Weiters wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , GZ. XXXX , wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingt auf drei Jahre nachgesehenen Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten verurteilt.
In Strafhaft befindlich wurde der Beschwerdeführer am 14.03.2016 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur beabsichtigten Verhängung eines Einreiseverbotes und einer Rückkehrentscheidung einvernommen, wobei er nach Erläuterung des Verhandlungsgegenstandes vorbrachte, dass er zwischen seiner Entlassung am XXXX und seiner neuerlichen Inhaftierung am XXXX einen Ausbildungskurs bei der Caritas XXXX für das Gastgewerbe gemacht und bei seiner Mutter und seinem Stiefvater in XXXX gewohnt habe. Seine Schwester lebe ebenfalls in XXXX . Mit dieser habe er jedoch lediglich sporadischen Kontakt. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. In Kenia würden noch seine Großeltern und sein Vater leben. Mit seinen Großeltern habe er zuletzt im August 2015 telefonischen Kontakt gehabt. Zu seinem Vater habe er keinen Kontakt. Seine Mutter besuche ihre Eltern ca. einmal im Jahr und wohne dann bei ihnen. Zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes, den Beschwerdeführer aufgrund seiner neuerlichen Verurteilung nach Kenia abzuschieben, gab er an, er wisse, es sei sein Fehler gewesen, wieder straffällig zu werden.
Ferner erfolgte am 18.03.2016 die Einvernahme der Mutter des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Zeugin, im Rahmen derer diese im Wesentlichen vorbrachte, dass sie am XXXX alleine nach Österreich gekommen sei. Ihre beiden Kinder wären in Kenia bei Pflegepersonen geblieben und hätten dort die Schule besucht. Geheiratet habe sie am XXXX in Kenia [Anm.: einen österreichischen Staatsangehörigen]. Der Beschwerdeführer sei legal im August 2009, seine [volljährige] Schwester im August 2010 nach Österreich gekommen. Nach seiner Einreise im Jahr 2009 habe der Beschwerdeführer einen polytechnischen Lehrgang besucht und habe danach versucht, an verschiedenen Lehrstellen zu arbeiten, was er jedoch immer wieder abgebrochen habe. Er sei in schlechte Gesellschaft geraten und aufgrund dieser Leute immer wieder straffällig geworden. Sie habe mehrfach versucht, auf den Beschwerdeführer positiv einzuwirken, was ihr jedoch nicht gelungen sei. Abgesehen von der Zeugin als Mutter und seiner Schwester habe der Beschwerdeführer in Österreich keine Familienangehörigen. In Kenia habe die Zeugin keine weiteren Familienangehörigen. Sie habe ihre Heimat zuletzt im Februar 2016 als Touristin für zwei Wochen besucht. Auf Vorhalt, der Beschwerdeführer habe angegeben, dass sich in Kenia noch Großeltern aufhalten würden, brachte die Zeugin vor, dass in Afrika auch gute Freunde, die im Umfeld der Familie lebten, "Oma und Opa" genannt würden, wenn diese älter seien. Bei einer Abschiebung hätte der Beschwerdeführer keine Probleme in Kenia, da er ein Kind gewesen sei, als er Kenia verlassen habe. Allerdings würde er bei einer Abschiebung sofort ins Gefängnis kommen, da er in Österreich straffällig geworden sei. Ob der Beschwerdeführer in Kenia versorgt wäre bzw. ob er für seinen Lebensunterhalt aufkommen könne, könne die Zeugin nicht sagen.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2016, Zl. 419386609-160385743/BMI-BFA_STMK_RD, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG nicht erteilt und wird gegen ihn gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Kenia zulässig ist. Ferner wurde unter Spruchpunkt III. dieses Bescheides gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellte das Bundesamt im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Kenia sei, der am XXXX in XXXX geboren sei. Seine Identität stehe fest. Er sei ledig, ohne Sorgepflichten und habe in Kenia acht Jahre lang die Schule besucht. Als er im Jahr 2009 nach Österreich gereist sei, habe er ein Jahr lang einen polytechnischen Lehrgang besucht und zahlreiche Deutschkurse absolviert. Der Beschwerdeführer beherrsche Deutsch in Wort und Schrift. Danach habe er versucht, an zwei Lehrstellen tätig zu sein, habe diese jedoch jeweils nach wenigen Monaten abgebrochen. Zuletzt sei er über ein Beschäftigungsprogramm des AMS im Gastronomiebereich tätig gewesen. Gesundheitliche Probleme habe er nicht geltend gemacht. Er sei im Sommer 2009 legal nach Österreich gereist, um zu seiner Mutter und seinem österreichischen Stiefvater im Sinne einer Familienzusammenführung zu gelangen. Seit 14.09.2009 befinde sich der Beschwerdeführer legal in Österreich. Während seines Aufenthaltes in Österreich habe der Beschwerdeführer mehrere gerichtlich strafbare Handlungen gesetzt und sei diesbezüglich bereits dreimal rechtskräftig verurteilt worden und zwar zuletzt zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren. Seit dem XXXX befinde er sich in Haft. In Österreich habe der Beschwerdeführer zuvor mit seiner Mutter und seinem Stiefvater im gemeinsamen Haushalt in XXXX gelebt. In Kenia habe er nach der Ausreise seiner Mutter ca. vier Jahre lang bei seinen Großeltern gelebt. Zu diesen Großeltern bestehe noch telefonischer Kontakt; zu seinem ebenfalls in Kenia lebenden Vater gebe es keinen Kontakt mehr. Lediglich sporadischer Kontakt bestehe zu seiner Schwester in Österreich. Die sozialen Kontakte des Beschwerdeführers in Österreich hätten sich bis zu seiner Inhaftierung im Wesentlichen auf Freunde und Arbeitskollegen beschränkt. Sonstige Bindungen zu Österreich habe er nicht geltend gemacht. Durch die Begehung von strafrechtlichen Delikten (versuchte Vergewaltigung, Raub, Diebstahl durch Einbruch) habe der Beschwerdeführer in besonders geschützte Rechtsgüter eingegriffen und damit eindeutig seine negative Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung dokumentiert. Daher sei die Annahme gerechtfertigt, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Kenia stelle keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar und bestehe für den Beschwerdeführer als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
3. Mit Erkenntnis des BVwG vom 22.04.2016, GZ: W235 2124613-1/3E, wurde die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und III. gemäß § 55 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 53 FPG 2005 des Bescheides des BFA vom 21.03.2016 als unbegründet abgewiesen
4. Am 08.12.2017 hat der Beschwerdeführer nunmehr gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Sie gaben an, den Namen XXXX zu führen, Staatsangehöriger von Kenia und am XXXX geboren zu sein.
Bei der Befragung vor der LPD Wien am 08.12.2017 gab der Beschwerdeführer vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt zum Fluchtgrund und zu einer allfälligen
Rückkehrgefährdung Folgendes an:
F: Warum haben Sie Ihr Land verlassen?
A: Ich bin in XXXX /Kenia geboren. Jedoch ich kam als kleines Kind mit meiner Mutter und Schwester nach Österreich. Meine Mutter heiratete meinen Stiefvater. Ich habe in der Heimat keinen Bezug mehr. Mein Lebensmittelpunkt ist in XXXX . Ich kenne meinen leiblichen Vater gar nicht. Ich habe in Kenia keinerlei Bezug. Darum stelle ich diesen Asylantrag. Es gibt dort auch keinerlei Frieden. Es gibt zurzeit nur Glaubenskriege. Ich habe dort Angst um mein Leben. Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin! Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung.
F: Was fürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?
A: Ich habe Angst um mein Leben.
F: Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen? Hätten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihren Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen?
A: Keine.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem am 11.01.2018 gab der Beschwerdeführer vor einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl insbesondere Folgendes an:
"(...)
Nachgefragt gibt die VP an, lieber auf Englisch befragt zu werden.
Anmerkung 2 - Bisheriger Verfahrensgang/Aufenthalt in Österreich:
Die VP reiste im Jahr 2009 legal ins Bundesgebiet ein. Die Mutter ehelichte einen österreichischen Staatsbürger und die VP kam im Wege des Familiennachzuges nach Österreich. Die VP verfügte zuletzt über eine Rot-Weiß-Rot Karte plus, zuletzt gültig bis 27.04.2016.
Die VP wurde mehrfach straffällig. Das letzte Strafausmaß umfasste drei Jahre, die Entlassung erfolgte am XXXX .
Mit Bescheid vom 21.03.2016 wurde eine Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot in der Dauer von einem Jahr erlassen. Diese Entscheidung wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 22.04.2016 bestätigt und erwuchs mit 27.04.2016 in Rechtskraft. Die VP zeigte sich rückkehrwillig woraufhin unmittelbar nach der Entlassung aus der Strafhaft die unbegleitete Rückkehr in den Herkunftsstaat (Flug für 09.12.2017) organisiert worden ist. Am 08.12. stellte die VP im Stande der Schubhaft den gegenständlichen Antrag.
LA: Haben Sie irgendwelche Dokumente oder sonstige Beweismittel die Sie im bisherigen Verfahren noch nicht vorgelegt haben?
VP: Originalreisepass befindet sich im Akt.
LA: Warum haben Sie einen Tag vor Ihrer Rückkehr nach Kenia erstmal einen Asylantrag in Österreich gestellt?
VP: Ich will nicht nach Kenia zurück.
LA: Können Sie das näher ausführen?
VP: Ich möchte jetzt ganz etwas anderes sagen. Ich habe jetzt einige Wochen Zeit gehabt zum Nachdenken und bin zur Überzeugung gekommen, dass mein Antrag auf Asyl nicht zielführend sein kann. Ich bin in Kenia auch keiner Bedrohung oder gar Verfolgung ausgesetzt. Es ist natürlich so, dass mich aufgrund meiner langjährigen Abwesenheit kein einfaches Leben, zumindest am Anfang, erwartet, doch ich kann und werde das schaffen. Ich ersuche Sie, mir behilflich zu sein, im freiwilligen Wege in meinen Herkunftsstaat zurückzukehren.
Anmerkung: Die Rückkehrhilfe Caritas XXXX wird in der Einvernahme über die beabsichtigte freiwillige Ausreise der VP informiert und der VP die Kontaktdaten zum nötigen Vorbereitungsgespräch zur Ausreise ausgehändigt. Nach Rücksprache mit der Rückkehrberatung (Mag. Hysi) hat die VP noch heute, um 10:30 Uhr, vorstellig zu werden.
LA: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?
VP: Sehr gut.
Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.
LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?
VP: Es ist alles so, wie ich gesagt habe.
LA: Wünschen Sie die Ausfolgung einer schriftlichen Ausfertigung?
VP: Ja.
Anmerkung: Die Verfahrenspartei wird über den weiteren Verlauf des Verfahrens aufgeklärt.
LA: Bestätigen Sie nunmehr durch Ihre Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift und die erfolgte Rückübersetzung!
5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29.01.2018 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 07.03.2017 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kenia abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 ABs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Kenia zulässig sein (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Absatz 1a bestehe (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidugn über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 4 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte im nunmehr angefochtenen Bescheid insbesondere wie folgt fest:
"Ihre Person steht fest. Sie sind kenianischer Staatsbürger. Ihre kenianische Mutter ist mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet und lebt seit mehr als zehn Jahren legal in Österreich. Als Familienbegünstigter reisten sie im August 2009, als damals Vierzehnjähriger, legal ins Bundesgebiet ein. Sie erhielten eine RWR-plus, deren letzte Gültigkeit mit 27.04.2016 (rechtskräftiges Aufenthaltsverbot) endete. Sie wurden in Österreich dreimal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt:
Sie befanden sich vom XXXX bis XXXX , sowie von XXXX bis XXXX in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Am XXXX wurden Sie aus der Haft entlassen. Am 09.12.2017 sollten Sie nach Kenia abgeschoben werden. Am 08.12.2017 stellten Sie zur Vereitelung der Außerlandesschaffung den gegenständlichen Asylantrag.
Sie sind ledig und kinderlos und haben keine Obsorgeverpflichtungen. Sie wurden in Kenia sozialisiert und haben Anknüpfungspunkte in Ihrem Herkunftsstaat. Sie sind gesund und arbeitsfähig.
Es wird somit festgestellt, dass Sie nach Ihrer Rückkehr nach Kenia nicht in eine existenzgefährdende Lage geraten würden.
Es besteht keine reale Gefahr, dass Sie nach Ihrer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat aufgrund Ihres derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand geraten oder sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen Ihrer Rückkehr entgegenstehen würden.
In Österreich leben Ihre Mutter, Ihr Stiefvater und Ihre volljährige Schwester. In den Zeiten außerhalb Ihrer Gefängnisaufenthalte lebten Sie gemeinsam mit Ihrer Mutter und Ihrem Stiefvater, zu Ihrer Schwester unterhalten Sie lediglich sporadischen Kontakt.
Sie beherrschen die deutsche Sprache in Wort und Schrift. Sie sind niemals ernsthaft einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, sondern haben alle begonnen Lehren bzw. sonstige Beschäftigungsverhältnisse immer nach kurzer Zeit abgebrochen.
Sonstige Hinweise auf eine besonders ausgeprägte und verfestigte Integration sind nicht hervorgekommen.
Sie haben keine Verfolgungsgründe vorgebracht, mehr noch jegliche Form einer individuellen Bedrohung oder gar Verfolgung dezidiert verneint. Sie haben sich zu einer freiwilligen Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat bereit erklärt.
Sie haben somit keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können und die Flüchtlingseigenschaft war daher nicht feststellbar.
Eine gegen Sie gerichtete Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG liegt nicht vor.
Gegen Sie ist eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG unter Feststellung, dass Ihre Abschiebung zulässig ist, zu erlassen."
Beweiswürdigend wurde insbesondere wie folgt festgestellt:
"Die Feststellung zu Ihrer Identität gründet sich auf Ihrem im Akt befindlichen, unbedenklichen Originalreisepass, sowie auf die erkennungsdienstlichen Maßnahmen im Zuge Ihrer Festnahmen.
Die Feststellungen zu Ihren strafrechtlichen Verurteilungen ergeben sich aus dem aktuellen Strafregisterauszug, sowie aus den vorliegenden Gerichtsurteilen, ebenso die Zeiten und Dauer Ihrer Haft.
Die Feststellungen zu den ausreichenden Möglichkeiten zur Existenzsicherung in KENIA ergeben sich aus Ihren eigenen Angaben, der zeugenschaftlichen Einvernahme Ihrer Mutter, ergänzt durch die vorliegende Länderinformation. Es bleibt vollständigkeitshalber darauf zu verweisen, dass die Diskrepanz über Ihr tatsächliches Verwandtschaftsverhältnis zu den Angehörigen in Kenia (Sie nennen diesen Personenkreis Großeltern, Ihre Mutter benennt sie als Pflegeeltern) keinen Unterschied im Hinblick auf die Einschätzung, dass Sie ausreichende nützbare familiäre/soziale Kontakte haben, macht.
Sie haben keine Gefährdung oder gar Verfolgung, weder durch Ihren Herkunftsstaat, noch durch Drittpersonen in Ihrem Herkunftsstaat geltend gemacht. Ihr Vorbringen ist daher nicht einmal ansatzweise fähig, eine asylrelevante Verfolgung und somit die Zuerkennung asylrechtlichen Schutzes zu begründen.
Es ist augenscheinlich, dass dieser Asylantrag ausschließlich als Mittel zur Verhinderung Ihrer Rückführung in Ihren Herkunftsstaat gedient hat. Auch aus Ihrem mehrfachen Sinneswandel ergibt sich zweifelsfrei Ihre Absicht, in irgendeiner Weise eine Möglichkeit zu finden, in Österreich verbleiben zu können. So akzeptierten Sie vorerst am Ende Ihrer Strafhaft Ihre Rückführung, haben diese dann jedoch durch den gegenständlichen Antrag (grundlos) vereitelt, stimmen dann bei der Einvernahme im Asylverfahren einer freiwilligen unterstützen Rückkehr zu, um dann in einem Schreiben Ihres Rechtsanwaltes mitzuteilen, dass Sie nun versuchen werden über die "Adoptionsschiene" einen weiteren Verbleib im Bundesgebiet realisieren zu wollen.
Ein deutlicherer Missbrauch der Intensionen der GFK bzw. der Asylgesetzgebung ist dem Unterfertigten in seiner mehr als zwanzigjährigen Erfahrung als Asylentscheider selten untergekommen."
6. In der gegen nunmehr angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde insbesondere wie folgt ausgeführt:
"(...) Es sei nicht nachvollziehbar, dass keine Verfolgungsgründe vorgebracht worden seien, BF hat auf vorherrschende Glaubenskriege verwiesen, amtswegige Ermittlungen seien erforderlich, inwieweit der Heimatstaat des BF überhaupt in der Lage sei, entsprechende Übergriffe resultierend aus Glaubenskriegen hintanzustellen, sodass eine allfällige Verfolgungsgefahr gegenüber dem BF in seinem Heimatland von Privatpersonen sich als quasi-staatliche Verfolgung darstellen würde. In Kenia sei die politische Situation äußerst instabil und BF verfüge über keine existentielle Grundlage im Heimatland. BF wäre subsidiärer Schutz zuzuerkennen. BF ist sei 2009 durchgehend im Bundesgebiet in Ö und kam bereits als 14jähriger nach Österreich. BF pflegt zu Verwandten in Ö engen familiären Kontakt, daher greift Rückkehrentscheidung vehement in Privat- und Familienleben des BF im Sinne des Art. 8 EMRK ein. Es sei keine Interessensabwägung erfolgt. BF verfügt im Heimatland über keine existentielle Grundlage und könne sich keine schaffen. Allein weil der BF in Ö einen Antrag afu internationalen Schutz gestellt hat, reiche, um BF bei Abschiebung umgehend am Flughafen festzunehmen un dzu inhaftieren. BF wurde zwar rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, er ist jedoch geläutert und hat sich mit dem Unwert der strafbaren Handlungen auseinandergesetzt. Er weise eine günstige Zukunftsprognose auf. Es wäre ein psychologischer Sachverständiger zu beauftragen gewesen für Zukunftsprognose. Aufenthalt in Ö sei finanziell abgesichert, Interesse des BF am weiteren Verbleib in Ö sei jedenfalls höher anzusehen als jene Interessen der Republik. BF ist mit Mutter und Stiefvater sowie älteren Schwester an der gleichen Adresse ordnungsgemäß gemeldet und wohnhaft. Aufenthalt ist finanziell abgesichert anzusehen. BF weist günstige Zukunftsprognose auf. (...)"
Mit Beschluss des BVwG vom 05.03.2018 war der Beschwerde gegen nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 29.01.2018 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.
Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 14.08.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an. Der Beschwerdeführer wurde in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Englisch, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Michael-Thomas Reichenvater, zu seiner Identität, seiner Herkunft, der Lage in Kenia, zu seinen Fluchtgründen, seiner Integration und seinen Verurteilungen in Österreich befragt. Im Zuge der Einvernahme wurde das aktuelle Länderinformationsblatt zu Kenia, datiert mit 17.07.2018, ins Verfahren eingebracht und dem ausgewiesenen Vertreter eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme und zur Vorlage einer psychologischen Stellungnahme eingeräumt.
Am 05.09.2018 langte eine Stellungnahme des ausgewiesenen Vertreters ein. Es wurde darin ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Heimatland über keine existentiellen Grundlagen verfüge und sei es ihm nicht möglich, sich eine Existenz im Heimatland aufzubauen. Der Beschwerdeführer lebe in Österreich bei seiner Mutter, seinem Stiefvater und seiner Schwester. Er habe sich mit dem Unwert seiner strafbaren Handlungen ausführlich auseinandergesetzt und es bestehe keinerlei Grund zur Annahme, dass er in Zukunft wieder straffällig werde. Verwiesen wurde auf die Ausführungen im psychologischen Gutachten vom 22.08.2018. Der Beschwerdeführer gelte als sozial integriert, der deutschen Sprache in Wort und Schrift bestens mächtig und weise eine günstige Zukunftsprognose auf. Es sei ein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen.
Zusammen mit der Stellungnahme wurde ein psychologisches Gutachten, erstellt von Mag. Dr. Roland Bugram, klinischer Psychologe, Gesundheitspsychologe, Militärpsychologe, Notfallpsychologe und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, am 22.08.2018, übermittelt. Im Gutachten wurde festgestellt, dass bei der psychologischen Untersuchung im Sinne der Gefährlichkeitsprognose das Querschnittsbild der Persönlichkeit, die kriminologische Vorgeschichte, der Lebensverlauf seit den Tathandlungen und die Zukunftsperspektiven sowie weiters ein psychopathologischer Status des Beschwerdeführers erhoben wurde. Der Beschwerdeführer gehe keiner beruflichen Tätigkeit nach, er erhalte keine Arbeitslosenhilfe oder Sozialgelder, sondern werde von seiner Familie unterstützt. Seine Schwester sei Pflegehelferin, seine Mutter Reinigungsfachfrau und der Stiefvater arbeite in einem Holzhandel. Es sei im Jahr 2014 zu den Diebstahlshandlungen gekommen, später zu einem Raub und einer versuchten Vergewaltigung. Auch wenn das Delikt zuletzt nicht geplant gewesen sei, würde er nach der Therapie und gut reflektiert anders vorgehen. Über Befragen hätte er eine Sexualtherapie oder eine forensisch motivierte Therapie über einen Zeitraum von 24 Monaten abgeschlossen. Er habe keine Tendenz zum Alkoholkonsum oder zum Konsum von Cannabisprodukten, diese Substanzen wären bei den Taten in den Jahren 2014 und 2015 im Mittelpunkt gestanden. Er habe insgesamt drei Jahre Haft verbüßen müssen, daher habe sich bereits Einsicht in die strafbaren Handlungen ergeben. Er lebe seit der Haftentlassung am 08.12.2017 bei seiner Familie und versuche sein Leben in geordnete Bahnen zu bringen. Der Beschwerdeführer habe sich im Gespräch mit dem Psychologen einsichtig und reumütig verhalten, es würden sich keine hirnorganischen Beeinträchtigungen, Entwicklungsverzögerungen, chronische Erkrankungen oder Gemütsschwankungen zeigen. Der Beschwerdeführer habe sich bereits während der Haftzeit anpassen können, auch wenn es einmal zu einer dokumentierten Auseinandersetzung mit einer Verurteilung (Anmerkung BVwG: hier offensichtlich gemeint: mit einem Verurteilten) gekommen sei. Der Beschwerdeführer zeige derzeit keine erhöhte Gewaltbereitschaft oder eine Tendenz ganz im Allgemeinen delinquent zu handeln und er versuche, sich nicht beirren zu lassen sowie seinen Verpflichtungen nachzugehen. In Summe wurde im Gutachten eine positive Wohlverhaltensentwicklung beim Beschwerdeführer sowie eine positive fremdenrechtliche Zukunftsprognose durch den Psychologen festgestellt.
Am 14.09.2018 langte ein aktueller Arbeitsvorvertrag, datiert mit 30.08.2018, ein. Es wurde darin von einem Weingut in Österreich ausgeführt, dass der Beschwerdeführer, falls er durch einen Aufenthaltstitel Zugang zum Arbeitsmarkt in Österreich erhalte, würde er als Hilfsarbeiter angestellt werden.
I. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerde ist Staatsbürger von Kenia und wurde am XXXX in Mombase in Kenia geboren, er ist sunnitischer Moslem. Seine kenianische Mutter ist mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet und lebt seit mehr als zehn Jahren legal in Österreich. Der Vater und Großeltern des Beschwerdeführers (an anderer Stelle als Pflegeeltern bezeichnet) leben in Kenia. Als Familienbegünstigter reiste der Beschwerdeführer im August 2009, als damals Vierzehnjähriger, legal ins Bundesgebiet ein. Er erhielt eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus, deren letzte Gültigkeit mit 27.04.2016 (rechtskräftiges Aufenthaltsverbot) endete. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich drei Mal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt:
1. Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX , XXXX , rechtskräftig am XXXX wegen des Verbrechens des teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch gemäß § 127, 128 Abs. 1 7 4, 129 7 1, 130 vierter Fall und teils § 15 StGB sowie wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen gemäß § 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB und wegen des Vergehens des Betruges gemäß § 146 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwölf Monaten (teilbedingte Strafnachsicht im Ausmaß von neun Monaten für eine Probe- zeit von drei Jahren);
2. Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX , GZ. XXXX , rechtskräftig am XXXX wegen der Verbrechen der versuchten Vergewaltigung gemäß
§ 15, 201 Abs. 1 StGB und des Raubes gemäß § 142 Abs. 1 StGB sowie wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch gemäß § 127, 129 7 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Jahren (Absehen vom Widerruf der zum Urteil vom XXXX gewährten bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre) sowie
3. Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX, rechtskräftig am XXXX wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingt auf drei Jahre nachgesehenen Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten
Der Beschwerdeführer befand sich vom XXXX bis XXXX , sowie vom XXXX bis XXXX in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Er wurde am XXXX aus der Haft entlassen und hätte am 09.12.2017 nach Kenia abgeschoben werden sollen. Am 08.12.2017 stellte der Beschwerdeführer gegenständlichen Asylantrag.
Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte oder dass ihm eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.
Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, in Kenia eine Verfolgung durch staatliche Behörden befürchten zu müssen, in eine hoffnungslose Lage zu kommen, einem realen Risiko einer sonstigen Verfolgung oder einer Verletzung seiner Rechte auf Leben, nicht unmenschlicher Behandlung oder Folter unterworfen zu werden und/oder nicht der Todesstrafe zu unterliegen und als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes unterworfen zu sein.
Hinsichtlich des Beschwerdeführers wurde ein psychologisches Privatgutachten, erstellt von Mag. Dr. Roland Bugram, klinischer Psychologe, Gesundheitspsychologe, Militärpsychologe, Notfallpsychologe und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, am 22.08.2018, eingeholt durch den Beschwerdeführervertreter, dem BVwG übermittelt. Im Gutachten wurde insbesondere festgestellt, der Beschwerdeführer habe insgesamt drei Jahre Haft verbüßen müssen, daher habe sich bereits Einsicht in die strafbaren Handlungen ergeben. Er lebe seit der Haftentlassung am 08.12.2017 bei seiner Familie und versuche sein Leben in geordnete Bahnen zu bringen. Der Beschwerdeführer habe sich im Gespräch mit dem Psychologen einsichtig und reumütig verhalten, es würden sich keine hirnorganischen Beeinträchtigungen, Entwicklungsverzögerungen, chronische Erkrankungen oder Gemütsschwankungen zeigen. Der Beschwerdeführer habe sich bereits während der Haftzeit anpassen können, auch wenn es einmal zu einer dokumentierten Auseinandersetzung mit einem Verurteilten gekommen sei. In Summe wurde im Gutachten eine positive Wohlverhaltensentwicklung beim Beschwerdeführer sowie eine positive fremdenrechtliche Zukunftsprognose durch den Psychologen festgestellt.
Am 14.09.2018 langte ein "Arbeitsvorvertrag", datiert mit 30.08.2018, ein. Es wurde darin von einem Weingut in Österreich ausgeführt, dass der Beschwerdeführer, falls er durch einen Aufenthaltstitel Zugang zum Arbeitsmarkt in Österreich erhalte, würde er als Hilfsarbeiter angestellt werden.
Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig. In Österreich leben die Mutter, der Stiefvater und die volljährige Schwester des Beschwerdeführers. In der Beschwerdeverhandlung verneinte der Beschwerdeführer ein Abhängigkeitsverhältnis zu diesen. In den Zeiten außerhalb seiner Gefängnisaufenthalte lebte der Beschwerdeführer mit seiner Mutter und seinem Stiefvater im gemeinsamen Haushalt. Der Beschwerdeführer beherrscht die deutsche Sprache in Wort und Schrift. Er ist in Österreich niemals ernsthaft einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, sondern hat alle begonnen Lehren bzw. sonstige Beschäftigungsverhältnisse immer nach kurzer Zeit abgebrochen. Er war in Österreich nie selbsterhaltungsfähig. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer über keine besonderen Anknüpfungspunkte sozialer oder wirtschaftlicher Natur in Österreich. Sonstige Hinweise auf eine besonders ausgeprägte und verfestigte Integration sind nicht hervorgekommen, sondern ist abermals auf die strafrechtlichen Verurteilungen und Gefängnisaufenthalte in Österreich zu verweisen.
Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet würde eine Gefährdung in Hinblick auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen, zumal auf Grundlage seines bisher gesetzten Verhaltens die Gefahr einer neuerlichen Straffälligkeit nicht ausgeschlossen werden kann.
Hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Situation in Kenia wird unter der Heranziehung der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Länderberichte Folgendes festgestellt:
1. Politische Lage
Kenia ist gemäß Verfassung von 2010 eine Präsidialrepublik. Der Staatspräsident verfügt über weitreichende Exekutivvollmachten. Ihm unterstehen sowohl die Regierung als auch die Streitkräfte (AA 1.2017a). Allerdings wurde die Macht des Präsidenten mit der neuen Verfassung eingeschränkt und die Legislative gestärkt (BS 2018; vgl. GIZ 6.2017a). Durch die Bildung von Blöcken und die Polarisierung der Politik konnte sich die Regierung aber substanzielle Kontrolle erhalten (BS 2018). Kenia ist eine Mehrparteiendemokratie mit regelmäßig abgehaltenen Wahlen. Die politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten werden aber durch die umfassende Korruption und die Brutalität der Sicherheitskräfte schwer unterminiert (FH 2018).
Die Verfassung von 2010 sieht auch eine umfassende Dezentralisierung des Landes vor (GIZ 6.2017a). Seit den allgemeinen Wahlen vom 4.3.2013 ist Kenia ein dezentral aufgebautes und verwaltetes Land, das in 47 Counties gegliedert ist. Neben dem Präsidenten und Vizepräsidenten wurden erstmals Gouverneure und Parlamente auf dieser Ebene gewählt (AA 1.2017a; vgl. BS 2018). Die Counties entsenden jeweils einen Vertreter in den neu geschaffenen Senat, welcher die zweite Kammer des Parlaments darstellt (GIZ 6.2017a). Diese Transformation eines hochgradig zentralisierten Staates in eine dezentralisierte Verwaltungsform ist weltweit eines der ambitioniertesten Projekte seiner Art. Signifikante Exekutiv- und Steuerrechte werden den Counties übertragen. Bis auf die Bereiche Sicherheit und Bildung wurde die Verantwortung vom Zentralstaat an die Counties übertragen. Die Dezentralisierung genießt große Popularität in der Bevölkerung (BS 2018), diese erhält derart mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten (GIZ 6.2017a).
Generell ist die politische Lage stabil. Die Zahl der Kenianer, welche ihr Land als vollwertige Demokratie sehen, hat sich von 47 Prozent im Jahr 2012 auf 31,5 Prozent im Jahr 2015 verringert (BS 2018).
Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 8.8.2017 standen sich die Jubilee-Partei des amtierenden Staatspräsidenten Uhuru Muigai Kenyatta und das oppositionelle Parteienbündnis National Super Alliance (NASA) des ehemaligen Regierungschefs Raila Odinga gegenüber (AI 23.5.2018). Am 11.8.2017 hatte die unabhängige Wahlkommission (IEBC) den Kandidaten der Jubilee Coalition Party, Uhuru Kenyatta, zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt und seine Wiederwahl bestätigt. Der Oppositionskandidat Raila Odinga focht die Wahl vor Gericht an, und der Oberste Gerichtshof hat die Wahl am 1.9.2017 auch tatsächlich aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Übertragung von Ergebnissen der einzelnen Wahllokale annulliert. Das Gericht setzte eine Neuwahl für 26.10.2017 an. Odinga zog sich am 10.10.2017 von der Wahl zurück und rief zum Boykott der Wahl auf. Kenyatta gewann die Neuwahl, die Resultate wurden am 20.11.2017 vom Obersten Gerichtshof bestätigt (USDOS 20.4.2018; vgl. EDA 25.6.2018, AI 23.5.2018, FH 2018). Demnach gewann Präsident Kenyatta die Wahl mit 98 Prozent der abgegebenen Stimmen, die Wahlbeteiligung lag unter 40 Prozent. Im August 2017 war sie mehr als doppelt so hoch gewesen (AI 23.5.2018; vgl. FH 2018). Raila Odinga rief am 31.10.2017 zu einer "nationalen Widerstandsbewegung" und zur Bildung einer "Volksversammlung" auf, die zivilgesellschaftliche Gruppen vereinen solle, um die "Demokratie wiederherzustellen" (AI 23.5.2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.2017a): Kenia - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kenia-node/-/208078, Zugriff 25.6.2018
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AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Kenia, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/kenia, Zugriff 16.7.2018
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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018
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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (25.6.2018): Reisehinweise für Kenia, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/kenia/reisehinweise-kenia.html, Zugriff 25.6.2018
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017a): Kenia - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 25.6.2018
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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018
2. Sicherheitslage
Nach wie vor ist die Kriminalität in Kenia Besorgnis erregend hoch, belastbares statistisches Material hierzu ist aber kaum zu bekommen (GIZ 6.2017d). Außerdem besteht weiterhin die Gefahr terroristischer Anschläge. Es gibt Drohungen der somalischen Terrororganisation al Shabaab mit Vergeltungsaktionen als Reaktion auf die Beteiligung der kenianischen Streitkräfte an der AMISOM-Mission in Somalia. Mehrere Anschläge haben in der Vergangenheit auch schon stattgefunden oder sind vereitelt worden (AA 25.6.2018; vgl. BMEIA 25.6.2018, EDA 25.6.2018).
Auch die politischen Spannungen bleiben hoch. Es muss weiterhin mit politisch bedingten Demonstrationen und Gewalttaten gerechnet werden (EDA 25.6.2018). Demonstrationen aus politischen oder sozialen Gründen können unvorhersehbar eskalieren (AA 25.6.2018). Lokal begrenzte Unruhen und Gewaltausbrüche sind möglich, vor allem nach Gewalttaten, die religiös motiviert sind oder als solche wahrgenommen werden. Auch politisch und wirtschaftlich motivierte Zusammenstöße zwischen ethnischen Gruppen haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Todesopfer gefordert. Diese finden jedoch hauptsächlich in abgelegenen Gebieten statt. Im Grenzgebiet zu Äthiopien kommt es ebenfalls zu vereinzelten Kampfhandlungen (EDA 25.6.2018).
Das deutsche Auswärtige Amt rät von Reisen in das Grenzgebiet (80km-Streifen) zu Somalia sowie in den Festlandbereich von Lamu ab (AA 25.6.2018). Das österreichische Außenministerium gibt eine Reisewarnung für das Grenzgebiet zu Somalia. Außerdem warnt es vor Reisen in die Provinzen Mandera, Wajir und Garissa. Abgeraten wird von Reisen in die nördliche Küstenprovinz (v.a. Lamu). Zu Vorsicht wird insbesondere für Mombasa sowie die Counties Kwale und Kilifi, wo in der Vergangenheit politisch und religiös bedingte Krawalle und Unruhen stattfanden, geraten. Aufgrund der verstärkten Präsenz der kenianischen Sicherheitskräfte in den genannten Gebieten hat sich die Sicherheitslage in den vergangenen Monaten allerdings etwas gebessert (BMEIA 25.6.2018). Ähnliche Informationen liefert auch das schweizerische Außenministerium (EDA 25.6.2018).
Al Shabaab führt gegen vereinzelte Gemeinden an der Grenze zu Somalia Guerilla-Angriffe durch, bei welchen sowohl Sicherheitskräfte als auch Zivilisten zum Ziel werden (USDOS 20.4.2018). Die Grenzen zu Somalia, Äthiopien und dem Sudan sind porös, und es kommt zur Proliferation von Kleinwaffen und zum Einsickern von Kämpfern der al Shabaab. Auch lokale Milizen haben die Defizite der staatlichen Sicherheitskräfte ausgenutzt. Dies betraf in der Vergangenheit die mittlerweile zersplitterte und größtenteils ausgelöschte Mungiki-Sekte und betrifft heute kleinere Gruppen in den Slums von Nairobi und Kisumu. Dort ersetzen die Milizen de facto die Polizei und regieren mit Gewalt. In ländlichen Gebieten ist die Polizei nicht in der Lage, das bewaffnete Banditentum in den Griff zu bekommen. Und auch dort - speziell in der ehemaligen Central Province und im Rift Valley - treiben Gangs und Milizen ihr Unwesen. Sie agieren semi-autonom und werden in Wahlzeiten von Politikern angeworben (BS 2018).
Regelmäßig zu gewaltsamen Zusammenstößen kommt es bei Ressourcenkonflikten in den Bereichen Tana River, Laikipia und Samburu - z.B. zwischen Pokot und Turkana (BS 2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (25.6.2018): Kenia - Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/keniasicherheit/208058, Zugriff 25.6.2018
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BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (25.6.2018): Reiseinformationen - Kenia, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kenia/, Zugriff 25.6.2018
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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018
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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (25.6.2018): Reisehinweise für Kenia, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/kenia/reisehinweise-kenia.html, Zugriff 25.6.2018
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017d): Kenia - Alltag, https://www.liportal.de/kenia/alltag/, Zugriff 25.6.2018
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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018
3. Rechtsschutz/Justizwesen
Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor (USDOS 20.4.2018) und diese wird auch generell als unabhängig erachtet (FH 2018).
Das Rechtssystem Kenias ist an das britische angelehnt. Schon in der Kolonialzeit wurden jedoch vor allem im Zivilrecht auch traditionelle Rechtssysteme angewandt. Die Rechtsquellen des sogenannten Customary Law basieren auf afrikanischen Traditionen (mit großem Spielraum für Interpretationen) oder in den islamisch geprägten Gemeinden an der Küste auf dem islamischen Recht (GIZ 6.2017a). Das kenianische Gerichtswesen gliedert sich in Magistrates Courts, High Courts, Court of Appeal und den neu geschaffenen Supreme Court (AA 1.2017a). Daneben sprechen Kadi-Gerichte Recht in Erb- und Familienrechtsangelegenheiten muslimischer Kenianer nach islamischem Recht (AA 1.2017a; vgl. USDOS 15.8.2017) - etwa bei Heiraten, Scheidungen oder Erbschaften (BS 2018). Gegen ein Urteil eines Kadi-Gerichts kann vor einem formellen Gericht berufen werden (USDOS 15.8.2017). Daneben gibt es keine anderen traditionellen Gerichte. Die nationalen Gerichte nutzen das traditionelle Recht einer Volksgruppe aber als Leitfaden für persönliche Angelegenheiten, solange dieses Recht nicht im Widerspruch zum formellen Recht steht (USDOS 20.4.2018).
Generell besteht die Möglichkeit einer Berufung vor einem High Court, in weiterer Folge beim Berufungsgericht und in einigen Fällen auch beim Obersten Gericht (USDOS 20.4.2018).
Das Gesetz sieht ein faires öffentliches Verfahren vor, dieses Recht wird generell auch in der Praxis gewährt. Außerdem gilt die Unschuldsvermutung, das Recht auf die Mitteilung der Anklagepunkte, auf Zeugenstellung und Zeugeneinvernahme durch die Verteidigung und auf einen Rechtsbeistand. Diese Rechte werden generell respektiert. Viele Angeklagte können sich aber keinen Rechtsbeistand leisten. Im Jahr 2016 wurde das National Legal Aid Service geschaffen, um Verteidiger kostenfrei zur Verfügung stellen zu können. Kostenlose Verteidiger gibt es bisher v.a. in Nairobi und anderen größeren Städten (USDOS 20.4.2018).
Die Arbeitsweise der Justiz ist ineffizient (FH 2018). Die mangelnde Rechtssicherheit und mangelnde Rechtsstaatlichkeit ist von langen Gerichtsverfahren, einer generell überlasteten Justiz, korrupten Richtern und einem Chaos bei Landbesitztiteln gekennzeichnet (GIZ 6.2017a). Unprofessionelle Ermittlungen und Korruption unterminieren die Strafverfolgung. Die durchschnittliche Verurteilungsrate bei Strafverfahren liegt bei 13-16 Prozent. Schuld daran sind auch die Einschüchterung von Zeugen und die Angst vor Racheakten. Es wird berichtet, dass Bestechlichkeit, Erpressung und politische Überlegungen den Ausgang von Zivilverfahren beeinflussen (USDOS 20.4.2018). Andererseits demonstriert die Strafjustiz Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Integrität (USDOS 20.4.2018; vgl. BS 2018). Trotz der weitverbreiteten Meinung, wonach die Justiz korrupt ist, gibt es keine glaubhaften Vorbringen oder Untersuchungen hinsichtlich einer signifikanten Korruption