Index
19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 1991 §6 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/21/0699Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerden 1. der BP, geboren am 9. September 1975, und 2. des AP, geboren am 3. Februar 1943, beide in Grünbach, die Erstbeschwerdeführerin vertreten durch Dr. Ingo Schreiber, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Kollonitschgasse 10, der Zweitbeschwerdeführer vertreten durch Dr. Martin Schober, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 11, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich je vom 10. Juni 1997, Zl. Fr 2305/97 (Erstbeschwerdeführerin), und Zl. Fr 2306/97 (Zweitbeschwerdeführer), jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund jeweils Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 10. Juni 1997 wurden die Beschwerdeführer, beide türkische Staatsangehörige, jeweils gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen gleich lautend damit, dass die Beschwerdeführer - die Erstbeschwerdeführerin ist die Tochter des Zweitbeschwerdeführers - am 30. November 1996, in einem LKW versteckt, "illegal" nach Österreich eingereist seien. Dies komme einer Umgehung der Grenzkontrolle gleich. Die Beschwerdeführer hätten weder einen Pass bzw. einen Sichtvermerk für Österreich noch eine "Aufenthaltsberechtigung" nach dem Aufenthaltsgesetz besessen. Ihr Asylantrag vom 2. Dezember 1996 sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31. Jänner 1997 gemäß § 3 Asylgesetz 1991 abgewiesen worden. Da die Beschwerdeführer nicht direkt nach Österreich eingereist seien, sondern "vermutlich" über die Staaten Bulgarien, Rumänien und Ungarn (von der Türkei mittels LKW), komme ihnen gemäß §§ 6 und 7 Asylgesetz 1991 keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu. Sie verfügten somit insgesamt über keinen aufenthaltsrechtlichen Titel für Österreich, weshalb ihre Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 FrG zwingend auszusprechen sei.
Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass mit den Beschwerdeführern deren Mutter/Ehegattin gemeinsam nach Österreich geflüchtet sei und sich wie diese unrechtmäßig in Österreich aufhalte. Die dadurch bewirkte Bindung an in Österreich lebende Familienangehörige im Sinn des § 19 FrG werde jedoch dadurch relativiert, dass sich auch diese Familienangehörigen unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. Darüber hinaus habe der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass der unerlaubte Aufenthalt eines Fremden, dem nie ein erlaubter vorausgegangen sei, die Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung dringend geboten erscheinen lasse.
Gegen den jeweils ihre Person betreffenden Bescheid richten sich die vorliegenden Beschwerden der beiden Beschwerdeführer.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete in beiden Fällen eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der jeweiligen Beschwerde als unbegründet beantragte.
Über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass die angefochtenen Bescheide noch an der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Rechtslage zu messen sind. Demnach sind Fremde gemäß § 17 Abs. 1 FrG mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 Bedacht zu nehmen. Fremde halten sich nach § 15 Abs. 1 FrG rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind (Z. 1) oder wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde (Z. 2) oder solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zukommt (Z. 3).
Während der Zweitbeschwerdeführer den ihn betreffenden Bescheid nur unter dem Blickwinkel des § 19 FrG bekämpft, tritt die Erstbeschwerdeführerin auch der Ansicht der belangten Behörde entgegen, ihr Aufenthalt in Österreich sei unrechtmäßig. Dabei lässt sie allerdings die behördlichen Feststellungen unbestritten, dass sie am 30. November 1996 versteckt in einem LKW - auf dem Landweg - nach Österreich eingereist sei und dass sie weder über einen österreichischen Sichtvermerk noch über eine Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz verfüge. Sie beruft sich jedoch im Ergebnis auf eine ihr als Asylwerberin zukommende vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Asylgesetz 1991, und zwar im Hinblick darauf, dass sie mit dem LKW direkt nach Österreich eingereist sei; die belangte Behörde habe keine Feststellungen getroffen, dass die - nach den Angaben der Beschwerdeführer am 26. November 1996 in Istanbul begonnene - LKW-Fahrt unterbrochen worden sei oder dass der LKW an der Grenze angehalten habe.
Mit diesen Ausführungen übersieht die Erstbeschwerdeführerin, dass sie im Verwaltungsverfahren keine Behauptungen in Richtung einer direkt erfolgten Einreise im Sinn des § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 aufgestellt hat; ihr nunmehriges Vorbringen unterliegt daher dem Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Wohl lagen den Fremdenpolizeibehörden Ermittlungsergebnisse dahingehend vor, dass die Beschwerdeführer den LKW während der Fahrt von Istanbul nach Österreich nicht verlassen haben (so der Zweitbeschwerdeführer aus Anlass seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt), doch implizierte dies im Hinblick auf die nach den Angaben der Beschwerdeführer vier Tage dauernde Reise nicht, dass ihnen auch die faktische Möglichkeit hiezu fehlte.
Für die Frage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach § 7 leg. cit. - und damit für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes im Bundesgebiet im Sinn des § 15 Abs. 1 Z. 3 FrG - ist auch maßgeblich, ob der Betroffene in den Durchreisestaaten verfolgt oder von einer Rückschiebung bedroht war und daher wegen des Vorliegens der im § 37 Abs. 1 oder 2 FrG genannten Gründe bei seiner Einreise nicht zurückgewiesen hätte werden dürfen und ihm gemäß § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Einreise zu gestatten gewesen wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Juni 1997, Zl. 97/21/0229, und vom 5. November 1997, Zl. 95/21/0984, je m.w.N.). Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer zwar in ihren gleich lautenden Berufungen gegen die erstinstanzlichen Bescheide behauptet, "in keinem anderen Staat vor Verfolgung sicher" gewesen zu sein. Sie haben es jedoch bei dieser allgemeinen Behauptung bewenden lassen, ohne sie durch Tatsachen auszufüllen und ohne konkret darzulegen, auf welches bestimmte Land sie sich bezieht und auf welchen Grundlagen ihre Befürchtungen beruhen. Auch unter dem Gesichtspunkt des § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 bestehen daher gegen die behördliche Annahme, dass der Erstbeschwerdeführerin - und ebenso dem Zweitbeschwerdeführer - ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach § 7 leg. cit. nicht zukomme, keine Bedenken (vgl. zuletzt auch das hg. Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 97/21/0266).
Halten sich die beiden Beschwerdeführer nach dem eben Gesagten unrechtmäßig in Österreich auf, so hatte die belangte Behörde - vorbehaltlich einer Prüfung nach § 19 FrG - ihre Ausweisung zu verfügen.
Zu § 19 FrG führen die Beschwerdeführer aus, dass ihre Ausweisung einen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben darstelle, und zwar im Hinblick darauf, dass sich die Eltern und drei Brüder (so die Erstbeschwerdeführerin) bzw. die Ehegattin und die Töchter (so der Zweitbeschwerdeführer) in Österreich aufhielten. Die demnach gebotene Interessenabwägung müsse zugunsten der Beschwerdeführer ausfallen.
Auch die belangte Behörde kam jeweils erkennbar zu der Annahme, dass die Ausweisung einen Eingriff in die nach § 19 FrG geschützten Interessen der Beschwerdeführer bewirke. Wenn sie bei der daran anschließenden Gegenüberstellung dieser Interessen mit dem öffentlichen Interesse an der Beendigung ihres inländischen Aufenthaltes zu dem Ergebnis gelangte, dass letzterem der Vorrang einzuräumen sei, so stößt diese Ansicht - ungeachtet ihrer aktenwidrigen Feststellung, dass die nach den Ergebnissen des Asylverfahrens tatsächlich bereits 1995 nach Österreich eingereiste Mutter/Ehegattin der Beschwerdeführer gemeinsam mit diesen nach Österreich geflüchtet sei, und ungeachtet der Außerachtlassung des inländischen Aufenthalts der drei Brüder/Söhne der Beschwerdeführer - auf keinen Einwand. Denn den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 97/21/0486). Gegen diese Vorschriften haben die Beschwerdeführer durch ihre unrechtmäßige Einreise und den daran anschließenden, zur Gänze unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich verstoßen. Damit liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenrechtes vor, sodass die persönlichen Interessen der Beschwerdeführer zurückzustehen haben, zumal die relativ kurze Dauer des inländischen Aufenthaltes einer allenfalls darauf fußenden Integration nur geringes Gewicht verleihen würde. Dem im Hinblick auf das Gebot der Achtung des Privat- und Familienlebens im § 19 FrG verankerten Ausweisungshindernis kann nicht die Bedeutung unterstellt werden, es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Missachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften und die derart bewirkten privaten und familiären Beziehungen im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen (vgl. abermals das zuvor genannte Erkenntnis vom 23. März 1999 m.w.N.).
Nach dem Gesagten erweisen sich die bekämpften Ausweisungen als rechtlich unbedenklich. Daran vermag auch der Hinweis der Erstbeschwerdeführerin auf die Situation in der Türkei nichts zu ändern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1998, Zl. 98/21/0016). Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 1. Juli 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997210698.X00Im RIS seit
03.04.2001