TE Vwgh Beschluss 1999/7/1 97/21/0903

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Veröffentlicht am 01.07.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, in der Beschwerdesache des SL in Mürzsteg, geboren am 31. Oktober 1965, vertreten durch Dr. Johannes Sammer, Rechtsanwalt in 8680 Mürzzuschlag, Königsbrunngasse 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 2. Oktober 1997, Zl. Fr 704/1996, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 27. März 1997 wurde der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, unter Bedachtnahme auf § 19 leg. cit. ausgewiesen.

Mit weiterem, ebenfalls im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 2. Oktober 1997 stellte die belangte Behörde gemäß § 54 FrG fest, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer sei in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht; seine Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien sei somit zulässig.

Gegen beide Bescheide hat der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Die Beschwerde gegen den Ausweisungsbescheid wurde nach Einholung einer Stellungnahme der Parteien des Verfahrens mit Beschluss vom 1. Juli 1999, Zl. 97/21/0592, dahingehend erledigt, dass die Beschwerde als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt wurde. Grund hiefür war die nach Erlassung des Ausweisungsbescheides eingetretene Legalisierung des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers, eines Angehörigen der Volksgruppe der Kosovo-Albaner, durch die Verordnung der Bundesregierung vom 27. April 1999, BGBl. II Nr. 133, wodurch die gegen den Beschwerdeführer erlassene Ausweisung ihre Wirkung verloren hatte. Im Einzelnen wird gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf diesen Beschluss und dessen Begründung verwiesen.

Für die hier zu behandelnde Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid nach § 54 FrG ist maßgeblich, dass dem Beschwerdeführer infolge eingetretener Legalisierung seines inländischen Aufenthalts und der damit einher gehenden Gegenstandslosigkeit der verfügten Ausweisung keine Abschiebung mehr bevor steht. Dadurch hat der angefochtene Bescheid seine Rechtswirkungen verloren. Damit ist aber auch das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers hinsichtlich der Erledigung der Beschwerde gegen den vorliegenden (auf Grund eines während des Verfahrens zur Erlassung der angesprochenen Ausweisung gestellten Antrages erlassenen) Bescheid betreffend Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat gemäß § 54 FrG nachträglich weggefallen. (Vgl. zum Ganzen die hg. Beschlüsse vom 13. November 1997, Zl. 96/18/0139, 0140, und vom 17. Februar 1998, Zl. 97/18/0410, auf die gleichfalls gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird.) Im Fall der neuerlichen Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nach Ablauf des dem Beschwerdeführer zukommenden vorübergehenden Aufenthaltsrechtes stünde ihm eine neuerliche Antragstellung nach § 54 FrG (nunmehr § 75 Fremdengesetz 1997) offen. Auch die vorliegende Beschwerde war daher in dem gemäß § 12 Abs. 4 VwGG gebildeten Senat - ohne dass ein Fall der Klaglosstellung vorliegt - als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGG ist der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer eine maßgebliche Gefährdung primär daraus abgeleitet, dass er wegen der Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls für eine Wehrübung eine unverhältnismäßig hohe Strafe zu befürchten habe. Erschwerend wirke sich aus, dass er bereits "Desetar" gewesen sei und Leute mit einem hohen "Mannschaftsdienstgrad" noch schwerer bestraft werden würden. Ungeachtet des von der belangten Behörde erwähnten Amnestiegesetzes habe er große Angst, wegen seiner militärischen Vergangenheit und seiner Volkszugehörigkeit verfolgt oder gar getötet zu werden.

Die belangte Behörde erachtete den "Problemkreis" einer möglichen Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Nichtbefolgung des Einberufungsbefehles zu der Wehrübung im Hinblick auf das mittlerweile von der Bundesrepublik Jugoslawien erlassene Amnestiegesetz für gelöst. Ihre Feststellungen lassen jedoch nicht erkennen, ob das dem Beschwerdeführer gemäß der von ihm am 5. Juni 1996 vorgelegten "Beschuldigtenladung" von den jugoslawischen Behörden angelastete Delikt überhaupt von dem am 22. Juni 1996 in Kraft getretenen Amnestiegesetz umfasst ist. Gemäß der Darstellung der belangten Behörde bezieht sich das besagte Amnestiegesetz nämlich auf die Art. 214 und 217 des Strafgesetzes der Bundesrepublik Jugoslawien; die erwähnte "Beschuldigtenladung" vom "Gemeindeorgan für leichtere Straffälle in Decane" - deren Authentizität die belangte Behörde nicht in Zweifel gezogen hat - nennt dagegen eine Übertretung nach Art. 67 "des Gesetzes über bewaffnete Macht Jugoslawien und Wehrpflicht". Ob auch derartige Übertretungen dem Amnestiegesetz unterfallen, lässt sich ohne ergänzende Feststellungen der belangten Behörde nicht beantworten.

Eine Bestrafung des Beschwerdeführers, nach welcher Gesetzesstelle auch immer, wäre im gegebenen Zusammenhang deshalb relevant, weil der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebracht hat, dass er - erkennbar wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Albaner - eine unverhältnismäßig hohe Strafe (zumal im Hinblick auf seinen Dienstgrad) befürchte; weiters, dass nach einem Positionspapier des UNHCR zur Lage im Kosovo ehemalige Armeeoffiziere albanischer Herkunft polizeilicher Unterdrückung willkürlich ausgesetzt seien und oft in der Haft misshandelt werden würden, wobei der Beschwerdeführer an anderer Stelle (Einvernahme vor dem Bundesasylamt) angegeben hat, mit Schlägen rechnen zu müssen. Mit diesem Vorbringen hat er sowohl § 37 Abs. 1 FrG als auch § 37 Abs. 2 leg. cit. angesprochen. Seine Befürchtungen hätten jedenfalls dann einen realen Hintergrund, wenn seine vor dem Bundesasylamt abgegebene Darstellung betreffend den in seinem Haus in seiner Abwesenheit wegen Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls stattgefundenen Polizeieinsatz den Tatsachen entsprechen sollte. Gemäß seinen Angaben sei dabei nämlich sein Vater geschlagen worden und habe man gedroht, den Vater oder einen kleineren Bruder umzubringen, wenn der Beschwerdeführer nicht binnen 24 Stunden einrücken würde; ferner habe man im Haus randaliert und ein paar wertvolle Dinge mitgenommen.

Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen nicht näher auseinander gesetzt. Unterstellt man, dass die Darstellung des Beschwerdeführers zutrifft, so manifestierte sich in dem geschilderten Vorgehen der Sicherheitskräfte eine hohe Gewaltbereitschaft und die klare Absicht, Terror zu verbreiten. Da dieses Einschreiten der Sicherheitskräfte letztlich darauf ausgerichtet war, den Beschwerdeführer zu treffen, kann der von ihm artikulierten und oben wiedergegebenen Befürchtung für den Fall einer Weiterführung des gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Aus dem Gesagten folgt, dass der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet war und daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben gewesen wäre.

Gemäß §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 hat der Bund dem Beschwerdeführer daher Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- zu ersetzen.

Wien, am 1. Juli 1999

Schlagworte

Zuspruch von Aufwandersatz gemäß §58 Abs2 VwGG idF BGBl 1997/I/088

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997210903.X00

Im RIS seit

08.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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